Wie Gewaltbilder erschließen?

 

Kaum ein anderes Medium scheint bei der Konstruktion von Geschichte so effizient wie die Fotografie. Ihre Bedeutung für die Entstehung von Vorstellungen über Vergangenheit kann kaum überschätzt werden, wie Walter Benjamin in seiner vielfach zitierten Studie festhielt: „Geschichte zerfällt in Bilder, nicht in Geschichten.“[1] Seit dem Aufkommen der Kamera im 19. Jahrhundert prägen Fotografien das kollektive historische (Bild-)Gedächtnis und besitzen für das 20. und 21. Jahrhundert eine massenmediale Dominanz, die sich im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung weiterhin ausbreiten wird.[2] Ihre Bedeutung beschränkt sich jedoch nicht auf das Widerspiegeln von Vergangenem und dem damit verbundenen Realitätsversprechen,[3] sondern begründet sich in ihrer Eigengesetzlichkeit.

Fotografien sind wirkmächtige Aktiva, die in der Lage sind, Einfluss auf Handlungen und Deutungen zu nehmen, und zwar insbesondere in den Bereichen Erinnerungs- und Geschichtskultur.[4] Gerade im postnationalsozialistischen Deutschland kommt Fotografien damit eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Mit den vielschichtigen Transformationen multidirektionalen Gedenkens[5] ist die Bereitstellung von Wissen zu Gewalt und ihren medialen Erscheinungsformen von immenser Notwendigkeit. Der Blick in andere Erinnerungskulturen kann dabei hilfreich sein, um über den Umgang mit Fotografien von Gewalt – Gewaltbilder – theoretisch nachzudenken.

Timothy O’Sullivan, A Harvest of Death, 1863, gedruckt in schwarzer Tinte auf Albuminpapier von einem Glasnegativ, Fotografie 45.2 × 57.2 cm, Papier 30.4 × 39.7 cm, in: Alexander Gardner, Gardners Photographic Sketch Book of The War, Vol. I, New York 1865/66, S. 74. Bildunterschrift: „Negative by T.H. O’Sullivan. Entered according to Act of Congress in the year 1865, by Alex Gardner, in the Clerk’s Office of the Disctrict Court of the District of Columbia Positive by A. Gardner, 511 7th St. Washington. A Harvest of Death, Gettysburg, Pennsylvania, No. 36., July, 1863.“ public domain

Eines der zeitlich ersten und überaus bekannten Gewaltbilder ist Timothy O’Sullivans A Harvest of Death von 1863 – eine Ikone, die die Monstrosität des Krieges aufzeigen sollte und ein passendes Beispiel, um theoretische Überlegungen nachzuvollziehen. Kann eine Fotografie eine „useful moral“ besitzen, indem sie „the blank horror and reality of war“ zeigt?, fragte sich schon der amerikanische Fotograf Alexander Gardner im letzten Jahr des Amerikanischen Bürgerkriegs 1865, in dessen Fotoband O’Sullivans Bild erstmalig abgedruckt wurde.[6]

Fotografien, aber auch Karikaturen, Plakate oder Comics sind mit dem iconic/pictorial turn[7] seit den 1990er Jahren immer stärker in den Fokus der Geschichtswissenschaft und -didaktik gerückt. Forderungen nach Vermittlung einschlägiger Medienkompetenzen wurden lauter und auch erfolgreich umgesetzt.[8] Das Projekt Visual History. Online-Nachschlagewerk für die historische Bildforschung ist dafür der beste Beweis. Demgegenüber konstatierte Ute Wrocklage im Jahr 2012 jedoch, dass das Bild „in der Geschichtswissenschaft bis heute als suspekt und unseriös, das schriftlich fixierte Wort dagegen als eindeutigere und sichere historische Quelle“ gelte.[9] Und in gewisser Weise stimmt dieser Befund auch zwölf Jahre später noch. Zwar hat sich die Forschungslandschaft gewandelt, doch kann wohl kein Zweifel daran bestehen, dass die Mehrzahl der genutzten Bilder in der Geschichtswissenschaft und historischen Bildungsarbeit lediglich zu Zwecken der Illustration herangezogen und ihr Eigenleben nicht hinreichend reflektiert wird.

Verbunden mit der Unkenntnis und Verunsicherung bei der Nutzung von Bildern ist die Diskussion um den Status von Fotografien und daraus resultierenden Erkenntnismöglichkeiten.[10] Das gilt umso mehr, wenn die Bilder Gewalt zeigen, wenn also die Ambivalenz des Visuellen auf die Komplexität von Gewalthandlungen trifft. Die Nutzung von Bildmaterial in Erinnerungskulturen ist vielschichtig, häufig moralisch aufgeladen. Doch gerade in Hinblick auf die – stetig wachsende – Gefahr geschichtsrevisionistischer Umdeutungen bis hin zum tätlichen Angriff auf Gedenkstätten und Museen kann ein erneutes Nachdenken über die Möglichkeiten von historischen Materialien, die von Gewalt zeugen, auch Mittel geschichtspolitischer Aufklärung sein. Dieser Text soll daher ein erster Leitfaden sein, um Fotografien von Gewalt und ihre Funktion im Konstruktionsprozess von Geschichte theoriegestützt erschließen zu können.[11]

 

Fotografien von Gewalt als historische Medien lesen

Fotografien bilden nicht einfach das vergangene Geschehen ab. Sie müssen von Menschen betrachtet und gedeutet werden, denn Geschichte ist nicht als Rückgriff auf die Vergangenheit zu verstehen, sondern als gegenwärtiger Sinn- und Kommunikationsprozess, der vergangenheitsbezogen ist.[12] Achim Landwehr beschreibt dies als Beschäftigungen mit einer Vergangenheit, die sich durch eine anwesende Abwesenheit auszeichne. Abwesend, weil etwas Vergangenes nicht Gegenstand von Beschäftigung sein könne, aber anwesend, da historiografische Praktiken einen Bezug zur Vergangenheit aufbauen und versuchen, diese gegenwärtig sinnvoll zu machen.[13]

Praxis wiederum heißt, dass erst im Moment der Ausführung der – sich wiederholende – Vollzug körperlicher Handlungen Soziales und Kulturelles herstellt. Der Ansatz des „doing culture“ nimmt dabei „Praxis, Handlung, Interaktion, Erfahrung, Performanz, Akteur, Körper, Artefakte, symbolische Kommunikation, Aneignung“ wahlweise in den Blick und fragt dabei nach entstehenden Bedeutungskonstruktionen.[14] Diese Betonung von körperlichen Praktiken lenkt den Blick auf das, was von ihr übrig und überliefert ist – auf das Material.

Doch um was für Quellenmaterial handelt es sich bei einer Fotografie? Zu Anfang und in Bezug auf Geschichte lässt sich festhalten: In, durch und mit Fotografien werden Beziehungen zu Vergangenem ausgehandelt, weshalb sie als öffentliche Repräsentationen von Geschichte gelten können. Über diese Feststellung hinaus scheint mir eine Bestimmung dieses Mitglieds der großen Familie visueller Kultur, wie etwa Comics, Videos oder Panoramen, anhand von drei Merkmalen möglich. Erstens handelt es sich bei einer Fotografie um eine materielle Fläche, die zweitens durch einen technisch-mechanischen Vorgang belichtet oder digital erzeugt oder sonstig bearbeitet wurde und drittens als Teil eines sozialen Kommunikationszusammenhangs eine (historische) Bedeutung als Fotografie zugewiesen bekommt.[15]

Die Bedeutung als Gewaltbild wurde der Fotografie A Harvest of Death nicht erst mit ihrem moralisierenden Titel und Text in Gardners Sammelband zuteil. Schon das gewählte Motiv lässt bei näherem Hinschauen keinen Zweifel daran, dass es sich bei den toten Körpern um die Hinterlassenschaften des Krieges handelt. Im Vordergrund liegen fünf menschliche Leichen, die seitlich fotografiert wurden und Uniformen tragen. Um sie herum befinden sich kleinere Gegenstände, Schachteln, Munition, Becher, Papiere oder persönliche Objekte, vielleicht Briefe und Abbilder der Familie. Bildmittig schließen sich weitere Leichen an, deren genaue Anzahl nicht auszumachen ist, sich wahrscheinlich jedoch auf etwa 15 Personen beläuft, die mit zunehmender Ferne unschärfere Umrisse aufweisen – sprichwörtlich verschwinden sie im Nebel. Neben ihnen stehen ein Pferd mit Reiter und eine schattenhafte Person, daneben ein nicht erkennbares Objekt. Den Hintergrund bilden eine Graslandschaft, Bäume, Sträucher und der Himmel, der etwa ein Drittel des Bildes einnimmt.

Aus dem Lichteinfall und der leichten Krümmung der aufgenommenen Landschaft ergibt sich ein Korridor, der den Blick von der ersten bildmittig liegenden Leiche auf das weitere Geschehen lenkt und einen Eindruck von Tiefe vermittelt; zentriert läuft der Blick damit auf den Horizont zu. Die Bäuche der – wahrscheinlich männlichen – toten Körper sind aufgedunsen, die Knopfleisten der Jacketts und Hemden stehen unter Druck, fast platzen sie. Auch die Gesichtsmerkmale der im Vordergrund liegenden Leiche sind auf groteske Art angeschwollen, sie geben dem Bild etwas Makabres, fast schon Komisches. Zu sehen sind die Folgen eines zweitägigen Verwesungsprozesses. Deutlich erkennbar sind den Leichen die Schuhe ausgezogen, ihre Taschen sind nach außen gekehrt und auch ihre restliche Kleidung scheint verwüstet. Was sich als nicht wertvoll erwies, wurde einfach neben ihnen liegengelassen, und so verteilen sich um die Leichen kleinere, kaum auszumachende Habseligkeiten.

Wie kommt nun also die Geschichte – und in Bezug auf Fotografien der Gewalt –, wie kommt die Gewalt ins Bild?[16] Trotz aller Brutalität: Erfahrbar wird die Gewalt durch das Betrachten nicht. A Harvest of Death lässt nicht erahnen, wie es sich anfühlt, verwesend auf einer Wiese zu liegen.[17] Es repräsentiert ein zeitlich und räumlich gebundenes Geschehen, das irgendwann einmal durch ein bildgebendes Verfahren festgehalten wurde. „Festgehalten“ bedeutet dabei jedoch nicht, dass das Medium als Speicher genutzt werden kann, auf den sich zeitunabhängig zugreifen lässt. Die Gewalt ist in dem Foto insofern nicht mehr enthalten, die – in der historischen Bildforschung viel besprochene – „Spur“ kann verfallen.[18] Letzten Endes muss daher davon ausgegangen werden, dass sie dem Bild nicht immanent ist.

Genauso wie die Fotografie selbst muss auch die medialisierte Gewalt zuerst in einem gegenwärtigen Prozess betrachtet und gedeutet werden. Jan Philipp Reemtsma fasst diese Praxis als kommunikatives Potenzial: „Nicht jede Gewalttat verlangt den Dritten“, in diesem Fall die Person hinter der Kamera, „aber damit eine Gewalttat einen sozialen Sinn bekommt, braucht es ihn.“[19] Mit diesem „Dritten“, der fotografierenden Person, später auch den Betrachtenden, die im Moment der Aufnahme mitgedacht werden, wird Gewalt zu einem sozialen Phänomen, die Fotografie zum Produkt dieser Praxis. Wenn auch das Gewaltbild nicht deckungsgleich mit der lebensweltlichen Realität ist, so stammt es doch aus dieser.

Die Entstehungsbedingungen für das Erzeugen von Bildern fallen vielfältig aus, es bestehen unterschiedlichste Anlässe für das Auslösen der Kamera. Bereits die medienspezifische Praxis hat Einfluss auf das Verhalten von Menschen, ganz besonders bei Gewaltbildern.[20] So kann die Anwesenheit einer Kamera überhaupt erst Anlass dazu geben, eine Gewalttat zu begehen; Gewaltbilder, bei denen die Kamera als Tatwaffe begriffen wurde. Wie ein öffentlicher Schauplatz der Beschämung und Demütigung ist die Kamera essenzieller Teil der Gewalthandlung.[21]

Das gewaltvolle Fotografieren verweist dabei in zwei Richtungen gleichzeitig: Für die Täter:innen bedeutet es eine lebensweltliche Selbstverortung und Verankerung von Ordnungen, die durchaus identitätsstiftend sein können, für die Opfer eine überzeitliche Markierung als wehrlos und der Gewalt gegenüber ohnmächtig. In- und Exklusion, Motivation und Maßnahme, Fotografierte und Fotografierende sind damit in komplexer Weise verbunden. Im Anschluss an Horst Bredekamp formuliert Gerhard Paul das Diktum für das Bildgedächtnis des (späten) 20. Jahrhunderts, dass sich Täter:innen der Macht von Gewaltbildern bewusst geworden seien: „Menschen würden getötet, damit sie zu Bildern werden.“[22] Das Bild selbst ist nun also ein Gewaltakt, der bis in die Gegenwart fortdauert. Hier ist es schwerer, die „Spur“ der Gewalt zu vergessen oder zu verleumden, da das Foto selbst Gewalt ist, die immer noch andauert.

Demgegenüber gibt es jedoch ebenso Bilder, die eher zufälligerweise Gewaltbilder wurden, wenn die Gewalthandlung dem/der Fotograf:in entgangen sein mag oder erst Jahre später als gewaltvoll bewertet wird.[23] Werden Fotografien als visualisierte und damit von ihrem ursprünglichen Entstehungskontext losgelöste Repräsentationsform von Gewalt und Geschichte verstanden, geht damit einher, dass das Gewaltbild mehrdeutig ist. Gleichzeitig sind Fotos jedoch keinesfalls als passive Projektionsflächen zu verstehen, die lediglich von den Betrachtenden mit Bedeutung aufgeladen werden müssen. Nicht alles kann in ein Bild hineininterpretiert werden. Durch ihre materialen und medialen Gegebenheiten setzen Gewaltbilder Grenzen für (Geschichts-)Deutungen.[24] Dem Medienwissenschaftler Klaus Sachs-Hombach folgend, ist davon auszugehen, dass „die Bedeutung eines Bildes immer nur relativ zu einem entsprechenden Zeichen- und Regelsystem und dem jeweiligen Handlungsrahmen bzw. Wahrnehmungsvoraussetzungen“ ist.[25] Nicht nur das Bild, sondern auch die Gewalt selbst ist durch ihre Medialisierung relational. Eine universal gültige Bedeutung ist dem Bild nicht immanent, sondern wird in Sinn- und Kommunikationsprozessen zwischen betrachtender Person und Fotografie ausgehandelt und hergestellt.

Angelehnt an den vieldiskutierten Begriff des „Bildakts“[26] (Horst Bredekamp) lässt sich das Zwischenspiel performativer Praktik zwischen Bild und Betrachtenden als „Blickakt“ (Sybille Krämer) auffassen.[27] Hier findet sich das Konzept des „doing culture“ auf der Bildproduktionsebene wieder. Fotografien liegen spezifische mediale und materielle Eigenschaften zugrunde, sie konditionieren und prägen Wahrnehmungen, übermitteln Narrativierungen und setzen Grenzen für mögliche Deutungen des Vergangenen. Im Moment des Betrachtens, des Blickakts, verleihen Betrachtende dem Gewaltbild Potenzial zu wirken, und es konstituiert sich (historische) Bedeutung von Gewalt, über die zumeist auch kommuniziert wird.[28]

Voraussetzung dafür ist ein vorhergehendes Wissen sowie kulturell geprägte Sehgewohnheiten von Gewalt, die wiederum den zukünftigen Blick auf Gewaltbilder konditionieren. Sie sind damit in historisch-soziokulturellen, psychologischen und ästhetischen Kontexten verankert, die beim Betrachten zum Tragen kommen. Abhängig von „Erfahrungen, Haltungen, Einstellungen, Überzeugungen, […] Responsivität ebenso wie von […] augenblickliche[r] Gestimmtheit“ ergibt sich ein Konglomerat individueller Bedeutungsprägung.[29] In Bezug auf Gewaltbilder stammen diese Bedeutungsprägungen aus dem Kino und Fernsehen, „den Genres Horror, Pornografie und Sensationsnachrichten“,[30] historischen Dokumentationen, Museen und Gedenkstätten, ferner aus Motiven von Gewalt in der bildenden Kunst und Medizin bis hin zu biblischen und antiken Ikonografien – und aus eventuell selbst (mit)erlebter Gewalt. Und natürlich nehmen auch andere Repräsentationsformen Einfluss auf Bildgedächtnisse, etwa Denkmäler, Reenactments oder Theaterstücke.

Da die eigentliche Fotografie Produkt von kulturellen Praktiken ist, stellt sich die Frage, inwiefern Betrachtung und Analyse Rückschlusse auf die vorhergegangenen Bedingungen ihrer Entstehung erlauben. Zwar kann der Geruch der Leichen von der Fotografie A Harvest of Death nicht mehr erfahren werden, aber das Abgebildete mit dem historischen Ereignis einer Schlacht in Verbindung zu setzen, ermöglicht es, Aussagen über die Opfer zu treffen. Zwar ist eine Identifizierung der Leichen ausgeschlossen, denn weder der Schauplatz noch die Bekleidung und auch nicht die kontextuelle Einbindung in Gardners „Sketch Book“ sprechen dafür, dass es sich bei den in der Halbtotale aufgenommenen Körpern um Tote der Konföderation oder der Union handelt. Gardner bezeichnet sie als „rebels“, als Tote der Südstaaten – ob aus Unwissenheit oder politischer Intention lässt sich wohl nicht feststellen.[31]

Doch das Gewaltbild selbst spricht: Auf einer weitläufigen, weitgehend leeren Fläche findet sich das, was der Krieg übriggelassen hat: gewaltvoll zugerichtete tote Körper, die sowohl die Zeichen der Sterblichkeit als auch die der posthumen Verwesung tragen. Der Blick richtet sich auf die Opfer des Krieges, für die nicht nur jede medizinische Hilfe zu spät kam, sondern im Nebel des Krieges nicht einmal Zeit für die Beerdigung blieb.

Um Gewaltbilder umfassend erschließen zu können, müssen daher auch Bedeutungsprägungen fokussiert werden. In Anlehnung an Jacques Derrida lassen sich Bilder als „Text“ fassen, so eröffnet sich die Möglichkeit, sie zu „dekonstruieren“.[32] Damit ist gemeint, sie vor dem Hintergrund der vielfältigen und vielschichtigen geschichtskulturellen Kontexte zu lesen, aus denen sie hervorgegangen sind beziehungsweise in denen sie eingebettet sind und waren.

Vom 1. bis zum 3. Juli trafen in Gettysburg die Armeen der Konföderation und der Union aufeinander, die Verluste auf beiden Seiten waren ungewöhnlich hoch. Zur gleichen Zeit entwickelten sich die technischen Möglichkeiten zur Dokumentation und Berichterstattung des Krieges letztlich in der sich zu diesem Zeitpunkt etablierenden Kriegsfotografie.[33] In der Geschichtskultur der US-amerikanischen Bevölkerung kommt dem Civil War eine zentrale Bedeutung zu, und Gettysburg ist der entscheidende Höhepunkt in dieser langen Leidensgeschichte. Die beiden Fotografen Timothy H. O’Sullivan und Alexander Gardner kamen jedoch erst nach dem Ende der Schlacht am Ort des Geschehens an, mit ihren großen Planwagen, die sie als Dunkelkammer für die Entwicklung und für den Transport des umfangreichen und schweren Kamera-Equipments nutzten. Dieser Aufwand spiegelt sich auch im Bild selbst wider. Durch die Beleuchtungszeit der Glasplatten von mehreren Minuten boten sich nur Szenen absoluter Regungslosigkeit als Motiv an. Fotografien des Schlachtgetümmels waren somit undenkbar. Auch die technischen Voraussetzungen waren ausschlaggebend für die Gestaltung der Fotografie.[34]

 

Narrative Gestaltung(skraft) von Gewaltbildern

Gewaltbilder zeichnen sich also durch eine spezifische mediale und materielle Beschaffenheit und bestimmte mit ihnen verbundene Praktiken aus. Sie stammen aus einem Zusammenhang der Gewalt; als eigenständige Repräsentation, Visualisierung und vor allem Narrativierung sind sie von der direkten Gewalt jedoch erst einmal losgelöst.[35] Ihre Gestaltung der Narrativierung im Bild zeichnet sich vor allem durch erkennbare Bildelemente aus. Diese können etwa Objekte, Personen, Tiere oder Landschaften beinhalten, wie die Fotografie A Harvest of Death sie versammelt, aber auch leere Flächen oder Schattierungen; Unschärfe etwa kann ein Hinweis auf Bewegung sein, Belichtungen können Rückschlüsse auf Tageszeiten geben.[36] Innerhalb der Fotografie stehen diese Elemente in Beziehung zueinander und müssen daher in Hinblick auf ihre Positionierung im Bild untersucht werden, können dabei aber unterschiedlich gelesen werden.

Anders als textuelle Medien folgt die narrative Gestaltung einer Fotografie keiner linearen Erzählstruktur. Sie erscheint ganzheitlicher und zeichnet sich durch angeordnete Elemente aus, die zwar auf eine zeitliche Abfolge hinweisen können, aber im Moment des Betrachtens gleichzeitig erscheinen.[37] Fotografien weisen eine raschere kommunikative Übertragung von Informationen auf, weshalb ihnen im Vergleich zu textuellen Medien leichter Aufmerksamkeit zukommt.[38] Gerade in Hinblick auf Gewalt kann sich somit ein konfrontatives und sogar provokatives Potenzial in ihnen entfalten. Fotografien können emotionale Überforderung, Unverständnis und Ablehnung hervorrufen oder zu Veränderungen motivieren, sogar gesellschaftliche Missstände anklagen. Gewaltbilder erzeugen neue Wirklichkeiten und sind damit in der Lage, Emotionen, Handlungen oder Prozesse auszulösen – Bedeutungszuschreibungen, die vielleicht so vorher noch nicht existiert haben.[39]

In ihrer spezifischen medialen Eigenart unterscheiden sie sich jedoch auch von anderen Geschichtssorten wie Denkmälern oder Theaterstücken, denen teilweise ähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden können.[40] Fotografien lassen sich zumeist nur zweidimensional betrachten und erlauben keine Sicht hinter die dargestellten Bildelemente. Weiterhin ist als eines der wesentlichsten Merkmale der Rahmen einer Fotografie zu nennen, der sich in einer Begrenzung oder im Abschneiden von Gezeigtem niederschlägt und auch als narrativer Faktor im Prozess der Rezeption zum Tragen kommt. Was passiert eigentlich über den Rahmen hinaus?

Geschichte kommt als spezieller Erzählform eine Dimension zu, die sich mit der Kraft der Bilder als Aktiva paart – die Vorstellungen über die Geschichte des Gewaltbildes bleiben nicht im Bilderrahmen. Wie auch bei allen anderen medialen Repräsentationen historischen Erzählens treten die Betrachtenden von Fotografien „mittels der Vorstellungsfähigkeit in Abläufe ein“ und verwandeln „eine Fülle von Signalen in lebendige Gestalten, Handlungsräume und Wirklichkeiten“.[41] Einerseits geschieht diese Forterzählung in räumlicher Dimension; hier kommt der zuvor erwähnte Rahmen der Fotografie zum Tragen oder die Serie, die Aufschluss über ein Vorher und Nachher geben mag, oder eine vorgestellte Dreidimensionalität, die etwa beim Nachzeichnen von Blicken berücksichtigt werden muss.[42]

Andererseits zeigt die Fotografie als nichtsukzessiv erzählende Geschichtssorte einen Moment, der sich auf die Belichtungszeit der Kamera beschränkt. Dies regt zur narrativen Fortschreibung durch historische Imagination an. Wie kam es zu dieser Situation? Was geschah davor, was danach? Auch die Betrachtenden befinden sich, ebenso wie die Fotografierten und Fotografierenden in einem kulturellen Kontext, sie können imaginieren und erzeugen innere Bilder. Oftmals ist es daher das Abwesende, das schockiert: im Falle der Fotografie A Harvest of Death das Töten und Sterben im Krieg, die fehlende oder zu spät kommende Bestattung der Leichen. Die aufgeblasenen Bäuche und wulstigen Gesichter sind Spuren der Verwesung, die in den darauffolgenden Tagen vielleicht noch grauenvoller anzusehen waren. Weitere Gedanken schließen sich an, denn Zersetzungsprozesse treten ja nicht nur als besonderes Vorkommnis bei der Schlacht von Gettysburg auf, sondern ändern den Blick auf jede Leiche. Das Gewaltbild kann also den Blick auf Krieg und Tod verändern.

Dieser Befund narrativer Leerstellen von Gewaltbildern zieht eine gewichtige Erkenntnis nach sich: Trotz eingehender Beschreibung der Voraussetzungen für einen „Blickakt“ ist das Ergebnis keineswegs eindeutig oder vorherbestimmbar, denn die Konstituierung von Bedeutung geschieht gegenwärtig, im Moment des Betrachtens. Genau in diesem Moment kommunikativer Einbindung wirken sie als eigenständige Aktiva, womit ihnen eine gewisse Ambivalenz zukommt. Hier verbirgt sich ein Fallstrick der Ambiguität von Gewaltbildern: Ist die Fotografie selbst Teil der Gewalthandlung, kann es dazu kommen, dass der Blick der Täter*innen weitergetragen wird. „Eine neue Wahrnehmung eines Bildes ist […] imstande, ganz neues Wissen zu generieren“, beschreibt die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte diesen Vorgang.[43] Auch in diesem Sinne kommt Gewaltbildern kein Status als Abdruck zu, da sie keinen Verweis darstellen, sondern als eigenmächtige Ausgangspunkte der Konstruktion von Geschichte auftreten.[44]

 

Wirksamkeiten von Gewaltbildern

Ob und wie Fotografien wirksam sind, hängt wesentlich von ihrer Mobilität und Zugänglichkeit, also ihrer Distribution ab.[45] Mit der am Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden technischen Reproduzierbarkeit von Fotografien wurde dies zum entscheidenden Kriterium der sich etablierenden visuellen Geschichtskultur. Zeigten sich vorher Bilder als weitgehend ortsgebunden, ermöglichte das Verfahren der Vervielfältigung eine leichtere Verbreitung von lebensweltlichen Repräsentationen. Einhergehend mit dieser Mobilität von Bildern konnten sich neue Formen der Wahrnehmung ergeben, die wiederum den zukünftigen Umgang mit Fotografien bedingten.[46] Hinzu kommt eine Reihe institutioneller Faktoren, die sich aus der Distribution und der Exhibition ergeben. Die Fotografie A Harvest of Death ist deshalb so bekannt, weil sie sich beständig seit 80 Jahren in US-amerikanischen Schulbüchern oder Ausstellungen, später auch in vielzähligen Dokumentarfilmen findet.[47] Doch bereits mit der Veröffentlichung in Gardners „Sketch Book“ trat das Bild seine „Karriere“ als Ikone der Kriegsberichterstattung an, auch wenn der Sammelband nur kostenaufwendig herzustellen und letzten Endes ein Minusgeschäft war.[48]

Obgleich Bilder durch ihre Rahmen eingegrenzt sind, sind sie in eine weitere Umgebung eingebettet, die für die Wahrnehmung entscheidend ist. Ist etwa in einem Album eines Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg ein Gewaltbild vorhanden, so gilt es, dieses auf seine Narrativierung hin zu untersuchen.[49] In Gardners „Sketch Book“ findet sich vor A Harvest of Death eine ruhige Landschaftsfotografie von Gettysburg, das sich anschließende Bild zeigt eine sehr ähnliche Szenerie wie das verlassene Schlachtfeld unter dem Titel Field where General Reynolds Fell. Battle-Field of Gettysburg.[50]

Werden Fotografien hingegen in einem musealen Ausstellungsraum kuratiert und sortiert, so können sie einen ästhetischen Zusammenhang suggerieren, eine moralische Intervention erzeugen wollen oder Spiralen der Gewalt verdeutlichen. Nicht zuletzt spielt die Positionierung der betrachtenden Person im Raum, die von der Zugänglichkeit der Fotografie abhängig ist, eine Rolle für die Wirksamkeit des Bildes. Das Schlachtfeld des Fotos A Harvest of Death lässt sich zwar auch aus größerer Entfernung erkennen, doch die groteske Verwesung der Soldatenkörper nur bei näherer Betrachtung. Die einhergehenden Emotionen variieren zwischen Mitleid, Ekel, Scham, Angst, Unverständnis oder auch Voyeurismus. Diesen Katalog an möglichen Auswirkungen unterstützt auch der beschreibende Text des Herausgebers Gardner, der auf diese Weise die Aussagekraft des Bildes potenzieren möchte: „It shows the blank horror and reality of war, in opposition to its pageantry. Here are the dreadful details!“

Damit diese Wirksamkeit der Gewaltbilder jedoch überhaupt gelingt, muss das Dargestellte glaubwürdig sein, also die Authentizitätsbedürfnisse der Betrachter:innen erfüllen. Geschichtstheoretisch lassen sich diese Mechanismen und Systeme der Glaubbarmachung unter dem Begriff der Authentizität greifen. Fotografien kommen dem geschichtskulturellen Bedürfnis scheinbar nach, wissen zu wollen, „ob etwas tatsächlich der Fall gewesen ist oder nicht“.[51] Gerade im Umgang mit Fotografien als Beweisen zeigt sich dieses Bedürfnis nach dem Authentischen. Dies gewinnen Fotografien vor allem durch ihre bildimmanente Beschaffenheit, da sie dem Sehen in der lebensweltlichen Realität nahekommen. Die daraus resultierende „Echtheit“ oder „Originalität“ erhebt einen Anspruch auf historische Gültigkeit.[52] Das möglichst objektive Dokumentieren einer Situation gibt vor, über die Zeit (und den Raum) hinweg Stabilität zu versichern. Auch wenn die Kamera keinesfalls einen „direkteren“ Zugang zur Vergangenheit ermöglicht, ist ihr nicht abzusprechen, dass sich ihre geschichtskulturelle Leistung aus diesem Versprechen dokumentativer Kraft speist.

Es ist daher naheliegend, dass die Dokumentation von Gewalt durch Fotografien starke Reaktionen hervorrufen kann. Nicht selten aber stellten sich Gewaltbilder als trügerisch heraus, die erste Wehrmachtsausstellung ist dabei nur ein Beispiel unter vielen anderen. Denn Fotografien präsentieren einen bestimmten und absichtlich gewählten Ausschnitt und müssen demnach kritisch im jeweiligen historischen Kontext betrachtet werden. So können sie etwa nur einen Teil einer Situation zeigen, der sich in den nachfolgenden Momenten gänzlich verändert und auf der Fotografie als solcher nicht mehr erkennbar ist. Trotz der suggerierten Unumstößlichkeit der Tatsachenlage ist die Fotografie bei näherer Betrachtung als Beweis oftmals überfordert.[53]

Im Verbund mit anderen, kurz davor und danach gemachten Aufnahmen kann das Geschehen teilweise verifiziert werden, doch auch hier können Gewaltbilder trügerisch sein, etwa durch die absichtliche Fehlleitung der Produzent:innen oder der bildimmanenten Ambiguitäten. Je nach Format, Form oder Adressat:in kann die Authentifizierung der Fotografie ganz unterschiedlich ausfallen: Die belegte Provenienz, das Wiedererkennen ästhetischer „Stile“ oder das institutionelle Setting beeinflussen das Wirkungspotenzial und die Rezeption. Insbesondere letzterer Aspekt verweist auf die Einbettung von Fotografien in machtvollen Zusammenhängen. Wer stellt aus? Welche Fotografien dürfen von wem betrachtet werden? Sind Konsequenzen mit dem Zeigen von Bildern verbunden? Und in Hinblick auf die Möglichkeiten computerbasierter Bearbeitung kann es durchaus dazu kommen, dass „der Anspruch des Bildes auf visuelle „Kronzeugenschaft“ im Ganzen erlischt.[54]

Sind Gewaltbilder aber für das Publikum glaubwürdig, so können sie ein starkes Mittel politischer Einflussnahme sein. Das bedeutet, dass sie – unter Beachtung der damit einhergehenden Problematik der affirmativen Behauptung, etwas evident abzubilden – als Belege dienen können, dass Gewalt geschehen sei. Ähnlich wie textuelle Medien werden Fotografien in einem solchen Zusammenhang als Argument benutzt, um eine Vergangenheitsdeutung zu etablieren oder zu bekräftigen. Gewaltbilder können nicht nur Emotionen, sondern auch direkte Deutungen kommunizieren, gerade wenn sie in einen Kontext mit anderen Medien eingebunden sind: „Let them aid in preventing such another calamity falling upon the nation“, wie Gardner in dem begleitenden Text weiter schreibt.[55]

In den Fokus geraten somit (intendierte) Vermittlungen von Ordnungen, Identifizierungsangeboten und Wahrnehmungsmustern.[56] In dieser Perspektive wird das Gewaltbild hinsichtlich seiner Beeinflussung (geschichts-)politischen und kulturellen Handelns in kollektiven Bildgedächtnissen untersucht. Eine durchaus schwierige Aufgabe, denn aufgrund der schieren Fülle an visuellem Material kann es zumeist nicht um eine systematische Analyse des tatsächlichen Erfolgs der Einflussnahme durch Fotografien gehen, sondern eher um eine exemplarische Demonstration von Möglichkeiten und Grenzen der medienspezifischen Vermittlung.[57]

Der Schauplatz dieses Aneignungsprozesses ist das historische kollektive Bildgedächtnis.[58] Alle teilnehmenden Akteur:innen beziehen sich auf Bildgedächtnisse, um an bereits bestehende, bekannte Geschichtsdeutungen anzuknüpfen.[59] Fotos eröffnen Möglichkeiten, diese Deutungen zu bestärken, sie abzuändern oder gar zu revidieren; sie setzen Grenzen für Vorstellungen von Vergangenem; sie prägen durch ihre Eigengesetzmäßigkeit und damit einhergehende Ambivalenz Beziehungen zur Vergangenheit. Damit bilden sie eine materielle Grundlage für die kulturspezifische Herstellung kollektiver und individueller Vergangenheitsbezüge und wirken demnach identitätsstiftend: A Harvest of Death für die Vorstellungen über den Sezessionskrieg, das Foto des Torhauses von Auschwitz-Birkenau, das Stanisław Mucha kurz nach der Befreiung des Lagers im Februar oder März 1945 machte, für die Erinnerungen an Auschwitz und die Shoah insgesamt.[60]

Zusammenfassend lässt sich zum Umgang mit Gewaltbildern festhalten – wie Martin Lücke und Irmgard Zündorf generell für öffentliche Repräsentationen von Geschichte formulieren –, dass dieser sich „als ein komplexer Aneignungsprozess beschreiben [lässt]: Er hängt sowohl vom kognitiven Vorwissen als auch von den ästhetischen Vorerfahrungen der Rezipient:innen ab, wird angetrieben vom Authentizitätsanspruch des Geschichtsbewusstseins und findet in politisch, ökonomisch und kulturell machtvollen Zusammenhängen statt, auf die ein solcher Aneignungsprozess dann wiederum Einfluss nehmen kann.“[61]

 

Wie also Gewaltbilder erschließen? „Biografien“ von Fotografien

Wer sich – egal ob in der Erwachsenen- oder Schulbildung, als Einzelperson, als Forscher:in oder Fotograf:in – mit der Erschließung von Bildern beschäftigt, dem rät das Lehrbuch oftmals den Dreischritt der Beschreibung, der Analyse und der Interpretation, der in die Erkenntnis des historischen Sinns münden soll.[62] Ließe sich so der „Sinn“ aus der Fotografie herauslesen? Sicher, Fotografien können Beweise sein; gerade in der Geschichtswissenschaft dominiert dieses Verständnis, und vor Gericht erweist es nur zu häufig seine Notwendigkeit. Darüber hinausgehend könnte das Ziel der hier vorgestellten Lesart von Fotografien jedoch darin liegen, ebendiese (historischen) Sinnzuschreibungen zu dekonstruieren.

Das Konzept, das ich hier vorschlagen möchte, um die verschiedenen historischen Praktiken im Umgang mit fotografischen Gewaltbildern generell zu untersuchen, geht von der „Biografie“ des Bildes aus. Angelehnt an die historische Biografie könnte so der Umgang mit Fotografien strukturell historisiert werden.[63] Die Biografie einer Fotografie muss zum Verständnis nicht unbedingt in Gänze erforscht werden, aber fokussiert je nach Forschungsinteresse den jeweiligen „Lebensabschnitt“ eines Gewaltbilds: die Produktion (Herstellung der Fotografien und Entstehungskontext), die Repräsentation (Medialität und Materialität), die Distribution (Provenienzgeschichte), die Exhibition (Darstellen und Ausstellen) und die Rezeption (Niederschlag im kulturellen Gedächtnis und soziokulturelle Einbettung). Ein zeitlich lineares Vorgehen kann, muss aber nicht gewählt werden.

Grundlage für dieses Vorgehen ist das Konzept der „Geschichtssorten“ des Historikers Thorsten Logge: „Der Begriff ‚Geschichtssorten‘ bezeichnet […] unterschiedliche Formen historischer Narrative oder Narrativierungen, einschließlich der mit ihrer Produktion verbundenen Praktiken und unter expliziter Beachtung ihrer medialen Form.“[64] Ebenso wie Biografien von historischen Personen könnte so das Gewaltbild als Aktiva in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt werden.[65] Und in Hinblick auf die retrospektive Bildung von Lebensgeschichten würden damit die gegenwärtigen narrativen, diskursiven und performativen Umgangsweisen mit Gewaltbildern mitgedacht werden.[66]

Wird davon ausgegangen, dass Bilder in der Lage sind, performativ Realitäten zu erzeugen, so bedeutet dies eine stetige Einflussnahme der Gewaltbilder bei der Vermittlung von Wissen um Gewalt. Um sich dieser Wirkungskraft bewusst zu sein und forschend zu nähern, ist es notwendig, vom Gegenstand ausgehend Beobachtungen anzustellen und nicht in erster Linie danach zu fragen, wie das Bild die vorangenommenen Geschichtsdeutungen bestärkt.[67] Nicht die Rezeptionsgeschichte einer Fotografie soll dabei im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, sondern das Medium als solches. Um der Eigenlogik von Fotografien Rechnung zu tragen und sich nicht auf textuelles Material zu beziehen, kann der Ansatz der „Ikonik“ von Max Imdahl inspirieren, der sich dafür einsetzte, das Bild unmittelbar zu analysieren und beschreibend bildeigene Kompositionen zu erörtern.[68]

Verknüpft mit diesen zumeist kulturwissenschaftlichen Fragestellungen nach Praktiken, historischen Narrativierungen und Wirksamkeiten in Bildgedächtnissen steht darüber hinaus das Analysematerial einer politischen Ikonografie zur Verfügung, die in der Tradition der kritischen Bildkunde steht.[69] Eine Erschließung in Anlehnung an ein – im weitesten Sinne – konstruktivistisches Verständnis von Geschichte und Gewalt muss nicht mit bildbeschreibenden Methoden brechen, sondern sollte sie nutzen und sich so durch einen flexiblen Zugang auszeichnen.[70] Je nach verfolgtem Ziel sowie der jeweiligen Medialität, Materialität und gegenwärtigen Praktik von Gewaltbildern können darüber hinaus weitere Forschungsfelder einbezogen werden. So ließe sich etwa methodisch nach Wissenskulturen, Emotionen oder Erinnerung, identitätsbezogen nach Gender, Generationszugehörigkeit oder Ungerechtigkeit, thematisch nach Migration, Propaganda oder Tourismus fragen – und so weiter.

Ein kaum zu überschauendes Gebiet wären noch Methoden und Ansätze digitaler Technologien, wie etwa Bilddatenbanken oder bildgenerierende AIs, die jedoch, mit fortschreitender Präsenz von Gewaltbildern im Internet, notwendigerweise beachtet werden muss. Eingebettet in einen Gesamtkontext methodisch reflektierter Interpretation können ikonografische Zugänge also als Werkzeuge eingesetzt werden. Eine solche Herangehensweise profitiert vom Methodenpluralismus und folgt damit der Forderung von Gerhard Paul, Visual History als „Rahmen, in dem die Bedeutung von Bildern in der Geschichte angemessen thematisiert wird“, zu begreifen.[71]

Der Umgang mit Gewaltbildern und Geschichte impliziert immer auch die Aushandlung eines Verhältnisses und die Organisierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Da die Kamera diesen Bedürfnissen historischer Orientierung scheinbar am erfolgreichsten nachkommt, wird sie zu dem historischen Werkzeug per se: zu einem machtvollen Instrument auf Seiten der Täter:innen, die die Ohnmacht ihrer Opfer zeitunabhängig dokumentieren wollen; zu einer Möglichkeit der Widerständigkeit, etwa wenn vor Gericht die Identifizierung von Personen auch Jahre nach dem Verbrechen durch eine Fotografie gelingt; zum vermittelnden Medium einer „useful moral“;[72] zu einem geschichtspolitischen Mittel, das die Geschichtswissenschaft und historische Bildungsarbeit vielleicht immer noch zu sehr vernachlässigen.

 

 

[1] Walter Benjamin, Das Passagen-Werk. Konvolut N, in: Gesammelte Schriften, Bd. V. 1 und 2, Frankfurt a.M. 1982, S. 596.

[2] Zum Begriff des Bildgedächtnisses siehe Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, Stuttgart ³2017, S. 154-160; siehe zur Debatte um Visualität von Geschichts- und Erinnerungskultur auch Gerhard Paul, Visual History, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014, http://docupedia.de/zg/paul_visual_history_v3_de_2014 [28.6.2022].

[3] Vgl. dazu etwa Roland Barthes, Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt a.M. 2008, S. 86-89.

[4] Paul, Visual History.

[5] Daniel Levy/Natan Sznaider, The Holocaust and Memory in the Global Age, Philadelphia 2001; Michael Rothberg, Multidirectional Memory. Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization, Stanford 2009; zuletzt auch Charlotte Wiedemann, Den Schmerz der Anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis, Berlin 2022.

[6] Der begleitende Text in dem Fotoband: „Slowly, over the misty fields of Gettysburg – as all reluctant to expose their ghastly horrors to the light – came the sunless morn, after the retreat by Lee’s broken army. Through the shadowy vapors, it was, indeed, a ‚harvest of death‘ that was presented; hundreds and hundreds of torn Union and rebel soldiers – although many of the former were already interred – strewed the now quiet fighting ground, soaked by the rain, which for two days had drenched the country with its fitful showers. A battle has been often the subject of elaborate description; but it can be described in one simple word, devilish! and the distorted dead recall the ancient legends of men torn in pieces by the savage wantonness of fiends. Swept down without preparation, the shattered bodies fall in all conceivable positions. The rebels represented in the photograph are without shoes. These were always removed from the feet of the dead on account of the pressing need of the survivors. The pockets turned inside out also show that appropriation did not cease with the coverings of the feet. Around is scattered the litter of the battle-field, accoutrements, ammunition, rags, cups and canteens, crackers, haversacks, &c., and letters that may tell the name of the owner, although the majority will surely be buried unknown by strangers, and in a strange land. Killed in the frantic efforts to break the steady lines of an army or patriots, whose heroism only excelled theirs in motive, they paid with life the price of their treason, and when the wicked strife was finished, found nameless graves, far from home and kindred. Such a picture conveys a useful moral: It shows the blank horror and reality of war, in opposition to its pageantry. Here are the dreadful details! Let them aid in preventing such another calamity falling upon the nation.“ Alexander Gardner, Gardners Photographic Sketch Book of The War, Bd. I, New York 1865/66, S. 73. Der Band ist verfügbar unter https://www.metmuseum.org/art/collection/search/283195 [28.6.2022].

[7] Vgl. Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Hamburg, 6. Aufl. 2018, S. 329-378.

[8] Vgl. u.a. Nadja Braun, Visual History. Visuelle Rhetorik bei Bild und Bewegtbild verstehen, in: Daniel Bernsen/Ulf Kerber (Hg.), Praxishandbuch Historisches Lernen und Medienbildung im digitalen Zeitalter, Bonn 2017, S. 119-126.

[9] Ute Wrocklage, Fotografien als historische Quelle. Eine kurze Literaturauswahl, in: Fotogeschichte 32 (2012), H. 124, S. 97-106, hier S. 98.

[10] Vgl. Paul, Visual History; vgl. auch Dana Arnold, Sehen heißt glauben: Historiker und Bilder, in: Jens Jäger/Martin Knauer (Hg.), Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 27-43.

[11] Erste Überlegungen dazu entstanden 2017 in einer Gruppenarbeit mit Nina Gras und André Petersen im Lehrlabor-Projekt „Teaching Staff Resource Center (TSRC) für nicht-textuelle Geschichtssorten“. Ich danke Thorsten Logge, Dozent unserer Arbeitsgruppe, der uns vielseitig förderte und unterstützte.

[12] Vgl. Jörg van Norden, Was machst Du für Geschichten? Didaktik eines narrativen Konstruktivismus, Freiburg 2011, S. 23-70; Achim Landwehr, Prozessbegriff und Kulturgeschichte, in: Rainer Schützeichel/Stefan Jordan (Hg.), Prozesse. Formen, Dynamiken, Erklärungen, Wiesbaden 2015, S. 273-301.

[13] Vgl. Achim Landwehr, Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit. Essay zur Geschichtstheorie, Frankfurt a.M. 2016.

[14] Sven Reichardt, Praxeologische Geschichtswissenschaft. Eine Diskussionsanregung, in: Sozial.Geschichte 22 (2007), H. 3, S. 43-65, hier S. 63. Siehe weiterführend auch Stefanie Samida/Sarah Willner/Georg Koch, Doing History – Geschichte als Praxis: Programmatische Annäherungen, in: dies. (Hg.), Doing History. Performative Praktiken in der Geschichtskultur, Münster 2016, S. 1-27, online unter https://zeithistorische-forschungen.de/sites/default/files/medien/material/2009-3/Samida_Willner_Koch_2016.pdf [28.06.2022].

[15] Vgl. Klaus Sachs-Hombach, Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft, Köln ³2013, S. 78-82.

[16] Vgl. Cornelia Brink/Jonas Wegerer, Wie kommt die Gewalt ins Bild? Über den Zusammenhang von Gewaltakt, fotografischer Aufnahme und Bildwirkungen, in: Fotogeschichte 125 (2012), S. 5-14, online unter https://zeithistorische-forschungen.de/sites/default/files/medien/material/Brink_Wegerer_2012.pdf [28.06.2022].

[17] Vgl. Susan Sontag, Das Leiden anderer betrachten, Frankfurt a.M. 2005.

[18] Zum Forschungsdiskurs von „Spur“, „Abbild“ oder „Abdruck“ siehe Dieter Mersch/Oliver Ruf, Grundlagen, in: Stephan Günzel/Dieter Mersch (Hg.), Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart/Weimar 2014, S. 2.

[19] Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008, S. 470.

[20] Exemplarisch dafür ist auch die hervorragende Studie von Ulrike Pilarczyk zu nennen, die das Fotografieren im Kibbuz in Palästina als Praktik der Herausbildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls eines Kollektivs jüdischer Bevölkerung untersucht hat: Ulrike Pilarczyk, Fotografie als gemeinschaftsstiftendes Ritual. Bilder aus dem Kibbuz, in: Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 12 (2003), H. 1/2, S. 621-640.

[21] Vgl. Ute Frevert, Die Politik der Demütigung. Schauplätze von Macht und Ohnmacht, Frankfurt a.M. 2017, S. 82-140. Zu beachten ist jedoch, dass Entwürdigung durchaus relational ist und dort auftreten kann, wo sie nicht erwartet wurde. Vgl. Annette Vowinckel, Würdigung/Entwürdigung, in: Visual History, 27.05.2022, https://visual-history.de/2022/05/27/vowinckel-wuerdigung-entwuerdigung/ [28.6.2022].

[22] Gerhard Paul, Von Feuerbach bis Bredekamp. Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse. Teil 3: Das wiedervereinigte Deutschland, in: Visual History, 29.02.2016, https://www.visual-history.de/2016/02/29/von-feuerbach-bis-bredekamp-zur-geschichte-zeitgenoessischer-bilddiskurse-3/ [28.06.2022].

[23] Vgl. Brink/Wegerer, Wie kommt die Gewalt ins Bild?, S. 9.

[24] Vgl. Paul, Visual History.

[25] Sachs-Hombach, Das Bild als kommunikatives Medium, S. 81.

[26] Horst Bredekamp, Schlussvortrag. Bild – Akt – Geschichte, in: GeschichtsBilder. 46. Deutscher Historikertag in Konstanz vom 19.-22. September 2006. Berichtsband, Konstanz 2007, S. 289-309.

[27] Vgl. Sybille Krämer, Gibt es eine Performanz des Bildlichen? Reflexionen über „Blickakte“, in: Ludger Schwarte (Hg.), Bild-Performanz. Die Kraft des Visuellen, München 2011, S. 63-88, online unter https://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/we01/institut/mitarbeiter/emeriti/kraemer/PDFs/Aufsaetze/Gibt-es-eine-Performanz-des-Bildlichen-2011-_148_.pdf [28.06.2022].

[28] Vgl. Erika Fischer-Lichte, Performativität. Eine Einführung, Bielefeld ³2016, S. 148f.

[29] Fischer-Lichte, Performativität, S. 151.

[30] Vgl. Brink/Wegerer, Wie kommt die Gewalt ins Bild?, S. 10.

[31] Gardner, Gardners Photographic Sketch Book Of The War, S. 73.

[32] Vgl. Jacques Derrida, Die différance, in: Peter Engelmann (Hg.), Jacques Derrida. Die différance. Ausgewählte Texte, Stuttgart 2004, S. 110-149. Trotz der Prägnanz des hier untersuchten Bildes ist es durchaus nicht unproblematisch, das Dargestellte mit Theorien zu erklären. Es handelt sich bei diesem anachronistischen „Problem“ des stets gegenwärtigen und damit nachgelagerten Unterfangens, etwas zu erkennen, jedoch nicht um ein bildspezifisches Phänomen, sondern um die Tatsache, dass Vergangenheit und Geschichte nicht deckungsgleich sind.

[33] Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung siehe weiter: Ute Daniel (Hg.), Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006; Barbara Korte/Horst Tonn (Hg.), Kriegskorrespondenten. Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft, Wiesbaden 2007.

[34] Gerhard Paul, Bilder des Krieges, Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004, S. 67f.

[35] Zu betonen ist, dass durchaus Fotografien existieren, die keine bewusste Narrativierung im Sinne einer normativ verständlichen Erzählstruktur aufweisen.

[36] Vgl. Knut Hickethier, Einführung in die Medienwissenschaft, Stuttgart ²2010, S. 81-84.

[37] Vgl. ders., S. 81-90.

[38] Vgl. Christian Doelker, Ein Bild ist mehr als ein Bild. Visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft, Stuttgart ³2002, S. 52-68.

[39] Vgl. Paul, Visual History.

[40] Es kann sich jedoch auch um Medienkomplexe handeln, die sich durch eine Transmedialität auszeichnen. Bilder kommen beispielsweise in Zeitschriften, Filmen oder auch szenischen Lesungen vor und erfahren dort Erweiterungen ihres Wirkungspotenzials durch die Kombination mit anderen Formaten und Medien.

[41] Christine Pflüger, Imagination, in: Ulrich Mayer u.a. (Hg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, Schwalbach ³2014, S. 105-106, hier S. 105. Verantwortlich für diese Theorie zeichnet der Geschichtsdidaktiker Rolf Schörken, Historische Imagination und Geschichtsdidaktik, Paderborn 1994. Schörken wiederum bezieht sich auf Überlegungen des Literaturwissenschaftlers Wolfgang Iser und des Philosophen Paul Ricœur. Vgl. Wolfgang Iser, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München ³1990; Paul Ricoeur, Zeit und Erzählung. Bd.1: Zeit und historische Erzählung, München 1988. Auch Anne Lena Mösken verweist auf die Bedeutung historischer Imagination für die Wehrmachtsausstellung, nennt diese jedoch nicht explizit. Vgl. Anne Lena Mösken, Die Täter im Blickpunkt. Neue Erinnerungsräume in den Bildern der Wehrmachtsausstellung, in: Inge Stephan/Alexandra Tacke (Hg.), NachBilder des Holocaust, Köln 2007, S. 235-253, hier S. 238.

[42] Gerhard Paul, Ein Bild als Bild betrachten. Eine exemplarische Bildanalyse, in: Visual History, 28.07.2021, https://visual-history.de/2021/07/28/ein-bild-als-bild-betrachten/ [28.06.2022].

[43] Fischer-Lichte, Performativität, S. 159.

[44] Vgl. Martina Heßler, Bilder zwischen Kunst und Wissenschaft. Neue Herausforderungen für die Forschung, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), H. 2, S. 266-292, hier S. 271-273.

[45] Zum Begriff der Öffentlichkeit vgl. Jörg Requate, Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 5-32.

[46] Vgl. Günzel/Mersch, Bild, S. 120-122. Vgl. dazu auch die theoretischen Überlegungen von Jonathan Crary, der für eine wechselwirkende Beziehung von beobachtenden Personen, Bildformaten und aus diesem Verhältnis neu entstehenden Machtverhältnissen argumentiert: Jonathan Crary, Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century, Cambridge 1990.

[47] Vgl. Margaret Regan, The Life of Timothy H. O’Sullivan. The Story of the Irishman who Helped Shape American – and Arizonan – Photography, in: Tucson Weekly, 13.03.2003, https://www.tucsonweekly.com/tucson/the-life-of-timothy-h-osullivan/Content?oid=1071872 [28.06.2022]; siehe auch: Paul, Bilder, S. 67f.

[48] Vgl. Wolfgang Pensold, Eine Geschichte des Fotojournalismus. Was zählt, sind die Bilder, Wiesbaden 2015, S. 16.

[49] Vgl. Petra Bopp/Sandra Starke (Hg.), Fremde im Visier. Fotoalben aus dem Zweiten Weltkrieg, Bielefeld 2009.

[50] Der Historiker William Frassanito ist der Auffassung, die beiden Fotografien A Harvest of Death und Field where General Reynolds Fell. Battle-Field of Gettysburg würden den gleichen Ort und die gleichen toten Körper nur aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen; fotografiert wurden beide von O’Sullivan. Gardner bezeichnet in seinem „Sketch Book“ die Soldaten der ersten Fotografie als „rebels“, als Angehörige der Konföderierten, die zweiten erkennt er jedoch als Soldaten der Union. Der Vergleich der beiden Fotografien weckt bei mir jedoch Zweifel an Frassanitos Auffassung. Vgl. William Frassanito, Gettysburg. A Journey in Time, New York 1996 (zuerst 1975), S. 219-226.

[51] Hans-Jürgen Pandel, Authentizität, in: Mayer u.a. (Hg.), Wörterbuch Geschichtsdidaktik, S. 30-31, hier S. 31.

[52] Vgl. Andrea Rehling/Johannes Paulmann, Historische Authentizität jenseits von „Original“ und „Fälschung“. Ästhetische Wahrnehmung – gespeicherte Erfahrung – gegenwärtige Performanz, in: Martin Sabrow/Achim Saupe (Hg.), Historische Authentizität, Göttingen 2016, S. 91-125. Des Weiteren ist hier auf das Konzept der Benjamin’schen Aura hinzuweisen. Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften I, Frankfurt a.M. 1977, S. 136-169.

[53] Vgl. Mösken, Die Täter im Blickpunkt. S. 246f.

[54] Günzel/Mersch, Bild, S. 8.

[55] Gardner, Gardners Photographic Sketch Book Of The War, S. 73.

[56] Siehe dazu etwa Gerhard Paul, „Big Brother is watching you“. Der Blick aus dem Bild als visuelle Metapher in Film, Kunst, Werbung und Politik, in: ders., BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, S. 285-318.

[57] Zur Rezeptionsforschung siehe: Ulrike Weckel, Plädoyer für Rekonstruktionen der Stimmenvielfalt. Rezeptionsforschung als Kulturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 45 (2019), H. 1, S. 120-150.

[58] Vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis, S. 154-160.

[59] Vgl. etwa die Studie von Habbo Knoch, Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur, Hamburg 2001.

[60] Vgl. Paul, Visual History.

[61] Martin Lücke/Irmgard Zündorf, Einführung in die Public History, Göttingen 2018, S. 94.

[62] Vgl. Heike Talkenberger, Historische Erkenntnis durch Bilder. Zur Methode und Praxis der Historischen Bildkunde, in: Hanno Schmitt (Hg.), Bilder als Quellen der Erziehungsgeschichte, Bad Heilbrunn 1997, S. 11-26.

[63] Zum Verhältnis von Historisierung und lebensrealer Vergangenheit: Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – erzählen – erforschen, Frankfurt a.M. 2012, S. 55-61.

[64] Thorsten Logge, „Geschichtssorten“ und Public History, in: Public History Weekly 6 (2018), Nr. 24, 28.06.2018, DOI: https://public-history-weekly.degruyter.com/6-2018-24/history-types-and-public-history/ [28.06.2022].

[65] Gemeint ist mit „Aktiva“ dabei jedoch nicht ein „Eigen-Sinn“, wie er etwa bei historischen Akteur:innen vorzufinden ist. Vgl. Thomas Lindenberger, Eigen-Sinn, Herrschaft und kein Widerstand, Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 02.09.2014, https://docupedia.de/zg/Lindenberger_eigensinn_v1_de_2014 [28.06.2022].

[66] Vgl. Pierre Bourdieu, Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt a.M. 1998.

[67] Siehe dazu beispielsweise: Philipp Molderings, Geschichtswissenschaft und das Bild als historische Kraft. Ein Interview mit dem Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp, in: Visual History, 01.02.2016, https://www.visual-history.de/2016/02/01/geschichtswissenschaft-und-das-bild-als-historische-kraft/ [28.06.2022].

[68] Zum Weiterlesen: Max Imdahl, Ikonik. Bilder und ihre Anschauung, in: Gottfried Boehm (Hg.), Was ist ein Bild?, München 1994, S. 300-324.

[69] Vgl. Talkenberger, Historische Erkenntnis durch Bilder; Paul, Visual History.

[70] Zu didaktischen Überlegungen eines „konstruktivistischen Verständnisses“ von Geschichte siehe Andreas Körber, Die Dimensionen des Kompetenzmodells „Historisches Denken“, in: ders./Waltraud Schreiber/Alexander Schöner (Hg.), Kompetenzen Historischen Denkens. Ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik, Neuried 2007, S. 89-154; zur Kritik dieses Verständnisses siehe auch: Hans-Jürgen Pandel, Postmoderne Beliebigkeit. Über den sorglosen Umgang mit Inhalten und Methoden, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (GWU) 50 (1999), H. 5/6, S. 282-291, hier S. 287.

[71] Paul, Visual History.

[72] Gardner, Gardners Photographic Sketch Book Of The War, S. 73.
 

 

Zitation


Benet Lehmann, Wie Gewaltbilder erschließen?, in: Visual History, 19.07.2022, https://visual-history.de/2022/07/19/lehmann-wie-gewaltbilder-erschliessen/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2399
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