Antisemitismus in der zeitgenössischen Karikatur

Das Beispiel der Netanjahu/Netta-Zeichnung in der „Süddeutschen Zeitung“

Als im Mai 2018 die „Süddeutsche Zeitung“ eine Karikatur des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu veröffentlichte, waren zahlreiche Leser*innen schockiert. Sie sahen in der Zeichnung einen Wiedergänger einer „Stürmer“-Zeichnung in einem Leitmedium der deutschen Presselandschaft. Andere konnten darin keinen Antisemitismus erkennen, sondern beurteilten die Zeichnung als israelkritisch, nicht jedoch als antisemitisch.[1] Vor allem Tagespresse und soziale Medien führten diese Auseinandersetzung, mehrere Beschwerden gingen beim deutschen Presserat ein.[2] In der medialen und presserechtlichen Auseinandersetzung wurde die jeweilige Klassifikation mit verschiedenen Argumenten begründet, ohne grundsätzliche Kriterien für die Beurteilung einer karikaturistischen Darstellung als antisemitisch oder nicht zu formulieren. Dies verwundert nicht: Skandalisierung bzw. Legitimierung waren die Ziele in den unmittelbaren Reaktionen auf die Karikatur und nicht eine möglichst differenzierte Auseinandersetzung.

Abb. 1: Screenshot: Karikatur von Dieter Hanitzsch, „Süddeutsche Zeitung“ vom 15. Mai 2018 ©

Dieser Text fragt nach dem strukturellen Zusammenhang zwischen der Karikatur als überzeichnendem Genre und Antisemitismus, zu dessen Arsenal die Stereotypisierung gehört. Um zu einer bildwissenschaftlichen Beurteilung der Zeichnung zu gelangen, werden Traditionen antisemitischer Bildpolemik nachgezeichnet sowie der Kontext der Veröffentlichung geklärt, bevor schließlich die Zeichnung selbst analysiert wird. Ausgangspunkt ist dabei, dass Karikaturen per Definition von Überzeichnung und Provokation leben, eine „Kombination von übertreibender Zuspitzung und lakonischer Verkürzung der Wirklichkeit“,[3] als solche ein wichtiges Medium der politisch-künstlerischen Auseinandersetzung sind und unter diesen Vorzeichen auch Juden, Jüdinnen und Israelis karikiert werden.

 

Antisemitismus und Karikatur

Für die Verfestigung des Mythos vom „jüdischen Körper“ ist die visuelle Darstellung zentral. Das Genre der Karikatur eignet sich aus zweierlei Gründen besonders, um antisemitische Gefühle aufzurufen: In ihrem Rahmen können Juden als naturhaft körperlich different und als moralisch minderwertig stigmatisiert werden. Dennoch gibt es im Vergleich zur mittlerweile nahezu unüberschaubaren Literatur zu Antisemitismus als Weltanschauung und Feindbild vergleichsweise wenige wissenschaftliche Publikationen zu judenfeindlichen Bildern, die sich auf die vor- bzw. nach-nationalsozialistische Bildsprache des Antijudaismus konzentrieren. Insbesondere Ausstellungen und Antisemitica-Sammlungen scheinen jedoch zu Publikationen über materielle judenfeindliche Bilder anzuregen.[4] Auch das Genre der judenfeindlichen Karikaturen findet einige wissenschaftliche Beachtung,[5] wenngleich diese Forschung mit dem im deutschen Sprachgebrauch unscharfen Begriff Karikatur konfrontiert ist und auf keine Theorie zum Genre zurückgreifen kann.

Grundlegend für eine Geschichte der antisemitischen Karikatur ist immer noch ein Band aus dem Jahr 1921.[6] Der Sammler Eduard Fuchs hatte schon 1898 begonnen, mit Karikaturen „die Geschichte der Massen zu erzählen […] und damit eine marxistische Geschichtsschreibung auf kulturellem Feld zu etablieren“ und mit seinem Band „Juden in der Karikatur“ eine Antisemitismustheorie „avant la lettre“  zu entfalten.[7] Seine Grundhaltung gegenüber Karikaturen beschrieb Fuchs 1901 im Band zur „Karikatur der europäischen Völker“: „Und wenn es auch nicht meine Absicht sein kann, nie gewesen ist und nie sein wird, die Geschichte des Lachens mit Leichenbittermiene oder gar als posthumer Schulmeister und Moralpauker zu schreiben, so darf einem beim Schreiben die Schellenkappe doch nicht ins Gesicht baumeln, man muss sie ein wenig in den Nacken schieben. […] Man soll das Läuten der Narrenkappe immer hören, der ernst sonore Grundton, die Qual der anderen, der Angegriffenen […] dieser Ton muss stets mitgehört werden.“[8]

Abb. 2: Sheet of Caricatures, Annibale Carracci um 1595, British Museum / Wikimedia Commons gemeinfrei

Die Brüder Carracci, die für die italienisch/kontinentale Bildsatire (im Unterschied zur englischen Tradition) maßgeblich sind, haben eine dem Genre der Karikatur innewohnende Spezifik geprägt, ganz unabhängig von judenfeindlichen Intentionen. Auf die Carraccis geht die, für die hier besprochenen Karikaturen relevante Hinwendung zum Hässlichen zurück, die sie zum Ausgangspunkt des Lachens machten. Komisch wurden ihre Karikaturen dadurch, dass sie vorgefundene körperliche Abweichungen vom vorherrschenden Schönheitsideal deutlich übertrieben. „Um, wie etwa Raffael, zu vollendeter Schönheit zu gelangen, muß der Künstler in Natur und Kunst vorgefundene schöne Einzelformen zu einem Ganzen kombinieren. Um dagegen ein Bildnis von perfekter Häßlichkeit zu erzeugen, sind die vorgefundenen Formen zu betonen, zu übertreiben oder, wörtlich, zu karikieren. In jedem Fall sind die unvollkommenen Ansätze der Natur mit den Mitteln der Kunst zu vollenden.“[9]

Mit dem Aufgreifen natürlicher realistischer Motive und ihrer anschließenden Übertreibung wird der essentialistische Effekt erzeugt. Die Komik – so die Suggestion – sei nicht durch die Zeichnung geschaffen: Sie läge in der Natur des Porträtierten, die nur ein wenig übertrieben dargestellt worden sei. Eine Karikatur, die Juden mit bestimmten herausstechenden Körpermerkmalen ausstattet, vermittelt so den rassistischen Gedanken eines „jüdischen Körpers“, der hässlich und als Normabweichung dargestellt wird. Eine solche Zeichnung prägt zugleich das Gegenbild des imaginierten nicht-jüdischen Körpers. Die Abwertung durch die Mittel der Kunst bietet dem Betrachter das Gefühl ästhetischer Überlegenheit. Gleichzeitig erschwert das Scherzhafte, das dem Genre innewohnt, die Kritik. Denn die Zeichnung wurde ja nicht notwendig in der Intention der Abwertung angefertigt, sondern um des Lachens willen.

Die Karikatur eines Juden oder einer Jüdin, die ausgehend von realen Charakteristika des Gesichts bzw. Körpers die portraitierte Person verspottet, trifft auf zwei weitere Wahrnehmungsmuster, die eine judenfeindliche Aussage verstärken können, auch wenn dies nicht intendiert sein sollte: zum einen die in der Antike geprägte, wirkmächtige Idee der Kalokagathia, die „Schönheit“ (kalós) und „Gutheit“ (agathós) zusammendenkt. Im Umkehrschluss sind dann die Nicht -Schönen auch nicht gut. Eine ähnliche Vorstellung liegt der von Johann Caspar Lavater während der Aufklärung popularisierten Physiognomik zugrunde: Das äußere Erscheinungsbild spiegele in einer Natursprache die Charakterzüge von Menschen wider.[10] So empfahl Lavater die Karikatur als „ein Vergrößerungsglas für blödere Augen“ und sprach ihr zu: „Aus der Carrikatur kannst du leicht auf die Wahrheit schließen.“[11]

Das Innovative, mit dem die Zeichnungen des Annibale Carracci das Genre der Karikatur prägten, beschrieb 1646 der päpstliche Haushofmeister Giovanni Antonio Massani. In diesem frühneuzeitlichen Text, in dem es nicht um die Karikatur von Juden geht, werden auffällig häufig Nase, Mund und Buckel als Körperteile genannt. Damit zeichnet sich ein zweiter Berührungspunkt von Karikatur und Judenfeindschaft ab. „Denn da die Natur selbst nicht dazu vorgedrungen sei, jene Nase, jenen Mund oder sonstigen Körperteil mit den Merkmalen perfekter Mißgestalt auszustatten, stelle der fähige Künstler, der der Natur nachzuhelfen verstehe, diese Formveränderung um einiges betonter dar und vergegenwärtige sie dem Betrachter […] so, wie es der vollkommenen Mißgestalt angemessen sei.“[12]

Die Darstellung von Juden als physiognomisch erkennbare Gruppe geht nach der Mediävistin Sara Lipton auf das späte 13. Jahrhundert zurück. Zuvor sind in den bildlichen Darstellungen Juden und Christen nicht zu unterscheiden: „For many centuries Jews were indistinguishable in appearance from non-Jewish figures in western Christian art.”[13] Im Unterschied zu den modernen Darstellungen sei die Intention jedoch nicht gewesen, Juden als körperlich differente Gruppe darzustellen. Vielmehr sei es durch die Präsentation des vom leidenden Christus abgewandten Gesichts darum gegangen, Juden in einer Darstellung im Profil mit hervorgehobener großer Nase (die in dieser Perspektive besonders signifikant war) als „ostentatiously blind to Christ’s beauty and indifferent to Christ’s suffering, as bestial or evil“ erkennbar zu machen; „the hook-nosed, pointy-bearded Jewish caricature was born“.[14] Lipton verweist auf das große Potenzial der Kunst, Wahrnehmungen und Ideen nicht allein widerzuspiegeln, sondern diese in einem dialektischen Prozess auch zu prägen. So sei durch die jahrhundertelange Darstellung von Juden mit großen Nasen diese Verbindung „trainiert“ worden: „Viewers came to be trained to ‚see‘ significance in the noses of Jews.“[15]

Umso mehr gilt dies, nachdem im Laufe des 19. Jahrhunderts, anknüpfend an die christliche Bildtradition, die „jüdische Nase“, die zuvor religiöse Minderwertigkeit anzeigen sollte, zu einem rassistisch-körperlichen Merkmal umgedeutet wurde. „Die Entwicklung einer physiognomischen Stigmatisierung fällt zeitlich zusammen mit der graduellen Aufhebung der Judenzeichen und der diskriminierenden Kleidervorschriften.“[16] Im Laufe des Emanzipationsprozesses schwand die einfache äußerliche Unterscheidbarkeit von Juden und Nicht-Juden. Gleichzeitig wuchs die Behauptung einer körperlichen und damit irreversiblen Differenz. Dabei wurde das stereotype Judenbild nicht neu erfunden, sondern zusammengesetzt aus überlebten, doch weitertradierten Bildern. Sander Gilman verweist darauf, dass die Form der Nase in der Wahrnehmung sowohl der christlichen Mehrheitsgesellschaft als auch der jüdischen Gemeinschaft in Westeuropa als distinktives Zeichen an die Stelle der vergleichsweise dunkleren Hautfarbe getreten sei. „In popular and medical imagery, the nose came to be the sign of the pathological Jewish character for Western Jews.“[17] Die massenhafte Bildproduktion des 19. und 20. Jahrhunderts trug wesentlich zur Popularisierung des Stereotyps bei.[18]

Im Prozess der Stereotypisierung des Judenbilds spielt die Nase eine zentrale Rolle, doch sie steht nicht allein, sondern ist zentraler Bestandteil eines variablen Ensembles von Körperstereotypen, die schließlich die rassistisch-antisemitischen Judenbilder ausmachen. Zentral ist dabei, dass Körperstereotype – anders als visuelle Sekundärattribute, wie sie in der Bildsprache vor der Herausbildung des antisemitischen Judenstereotyps dominant waren, also z.B. Quersack, Regenschirm, Geldsack oder Knoblauch – nicht abgelegt werden können. Der deutsche Michel dagegen trägt sein Kennzeichen, die Mütze, nur äußerlich. Die Darstellung und Wahrnehmung von Nasen kann also als Beispiel für den von dem Bildtheoretiker W.J.T. Mitchell beschriebenen komplexen Zusammenhang zwischen geistigen und materiellen Bildern dienen.[19] Ein mit Bedeutung versehenes „geistiges Bild“ kann durch eine Abbildung hervorgerufen werden, es kann aber – sprachlich vermittelt – der Wahrnehmung eines „materiellen Bilds“ auch vorausgehen. Nasen können also unabhängig von Realität oder realistischer Darstellung als „jüdische Nasen“ empfunden werden.

Was heißt das nun für die Karikatur eines Juden oder einer Jüdin? Dass in einer Karikatur Körperteile überzeichnet werden, um den Gezeichneten hässlich erscheinen zu lassen, liegt in der Tradition des Genres. Doch die lange Wirkungsgeschichte der Judenfeindschaft, in der ein rassistisch argumentierendes Feindbild auf das religiöse aufsattelte, macht es problematisch, wenn in Karikaturen auf die Überzeichnung von Körperteilen zurückgegriffen wird, die in der antisemitischen Weltsicht physiognomische Kennzeichen von Juden sind. Neben der Nase, die durch ihre prominente Rolle in der christlichen Kunst zum zentralen Körperstereotyp wurde, sind stereotypisierte Darstellungen von Mund, Stirn, Füßen sowie der Köperhaltung und Gestik[20] Signifikanten der antisemitischen Judenbilder. Wilhelm Busch brachte das Stereotypenensemble 1882 in der Bildergeschichte „Plisch und Plum“ in Versform: Kurz die Hose, lang der Rock // Krumm die Nase und der Stock // Augen schwarz und Seele grau // Hut nach hinten, Miene schlau – // So ist Schmulchen Schiefelbeiner. // (Schöner ist doch unsereiner!).[21]

Zusammengefasst und auf die Netanjahu/Netta-Karikatur bezogen, lässt sich festhalten: Es gibt eine strukturelle Nähe zwischen Karikatur und Antisemitismus. Der Karikaturist und der Antisemit zeichnen – abgesehen vom Topos der „schönen Jüdin“[22] – ein hässliches Bild von Juden. Beide arbeiten mit Körperbildern und -stereotypen. Die „jüdische Nase“ ist für die antisemitische Bildpolemik zentral, doch nicht alleinstehend. Kurz: Eine große Nase allein macht die Karikatur eines/r Juden/Jüdin nicht automatisch zu einer antisemitischen (und nicht jede Karikatur ohne große Nase ist frei von Antisemitismus). Aber: Sie ist ein Alarmzeichen. Beim Zeichnen ist, wie bei jeder Karikatur einer diskriminierten Gruppe, Vorsicht geboten, wenn man nicht geradewegs in eine Stereotypenfalle treten oder absichtsvoll ein essentialistisches Bild bestärken möchte.

 

Der Veröffentlichungskontext

Als Fuchs 1921 sein Buch über „Juden in der Karikatur“ veröffentlichte, schickte er voraus, dass die Karikatur als eine „Begleiterin der Menschheit auf all ihren Wegen“ zu begreifen sei, jedoch für „das Entstehen einer jeden Karikatur ganz bestimmte gesellschaftliche Spannungen die Voraussetzungen“[23] bildeten. Das gilt sicherlich auch für das von einem der Stammzeichner der „Süddeutschen Zeitung“ produzierte Bild, der die Zeichnung in einem Eskalationsmoment des Nahost-Konfliktes anfertigte.

In den ersten beiden Maiwochen 2018 trafen verschiedene Ereignisse zusammen, die allesamt geeignet waren, die Gewalt im Nahostkonflikt anzufeuern. Donald Trump kündigte am 8. Mai 2018 das Atomabkommen mit dem Iran. Gleichzeitig hatte die Hamas aufgerufen, beim „Marsch der Rückkehrer“ vom 30. März bis zum 15. Mai die israelischen Grenzanlagen des Gazastreifens zu attackieren, und mehr als 10.000 Menschen in Gaza folgten dem Aufruf.[24] Der israelische Verteidigungsminister kündigte an: „Jeder, der sich dem Zaun nähert, riskiert sein Leben.“ Die USA eröffneten am 14. Mai, dem Vorabend des 70. Jahrestages der israelischen Unabhängigkeit, ihre Botschaft in Jerusalem, während die Palästinenser zum gleichen Datum für den „Nakba-Tag“ mobilisierten. Der 14. Mai 2018 wurde im Gazastreifen zum blutigsten Tag seit dem Gazakrieg 2014.[25] Zusammenstöße wurden auch aus der Westbank gemeldet. Die „Washington Post“ berichtete von mindestens 60 Toten am 14. Mai,[26] die am nächsten Tag in einem öffentlichen Trauerzug in Gaza zu Grabe getragen werden sollten. Eine weitere Eskalation war zu befürchten.[27]

Parallel zu den politischen Ereignissen, die das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf Israel, die palästinensischen Autonomiegebiete und die von Gewalt gezeichnete Region richteten, gewann am 12. Mai die israelische Sängerin Netta Barzilai den Eurovision Song Contest (ESC) 2018 in Lissabon. Der ESC[28] ist ein globaler Medienevent, mit über hundert Millionen Zuschauern,[29] der sich dezidiert unpolitisch gibt. Sein Regelwerk verbietet politische Statements: „No lyrics, speeches, gestures of a political or similar nature shall be permitted during the ESC.”[30] Dennoch wird er als kulturelle Plattform politischer Richtungskämpfe genutzt. [31] Und als solche Bühne wurde der Auftritt, und vor allem der Sieg, der israelischen Sängerin auch verstanden und genutzt. Auch wenn ihr Beitrag, so Barzilai, von der „Gleichberechtigung aller Menschen, egal, wie sie aussehen und welcher sexuellen Orientierung sie sind; egal, welchen Körperumfang sie besitzen und wie sie sich kleiden“, handelt,[32] wurde sie zur Projektionsfläche für den Staat Israel. Die BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) rief zum „Eurovision boycott of Israel – ZERO points to the song of Israeli Apartheid” auf und bezeichnete Barzilai als Repräsentantin israelischer Kulturpolitik.[33] Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses sagte Netta: „I’am so happy. Thank you so much for choosing difference, thank you so much for accepting differences between us. Thank you for celebrating diversity. Thank you. I love my country, next time in Jerusalem!”[34]

Der israelische Ministerpräsident Netanjahu schließlich vereinnahmte Nettas Sieg für die israelische Außenpolitik. Die Kabinettssitzung, einen Tag vor der Eröffnung der amerikanischen Botschaft in Jerusalem, leitete er mit den Worten ein: „These days, Jerusalem is being blessed with many gifts. We received another one last night with Netta’s thrilling and suspenseful victory. The gift is that Eurovision will come to Jerusalem next year; we will be very proud to host it.”[35] Als Barzilai aus Lissabon nach Jerusalem zurückkam, empfing er sie in seiner persönlichen Residenz: „Prime Minister Benjamin Netanyahu couldn’t resist doing the ‚chicken dance‘ with Netta Barzilai”,[36] meldete daraufhin Reuters, weltweit kursierten die Filmaufnahmen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ widmete sich am 15. Mai wie in den vorangegangenen Tagen ausführlich den Konflikten und Israels ESC-Beitrag. Die Israel-Korrespondentin Alexandra Föderl-Schmid berichtete direkt aus Gaza-Stadt. Im digitalen „Morgen kompakt – die Übersicht für Eilige“[37] stand die Gewalt im Gazastreifen an erster Stelle, die Botschaftseröffnung war das „Thema des Tages“,[38] und auch der Leitartikel auf der Meinungsseite widmete sich den Auseinandersetzungen, diesmal in der Makroperspektive der Bedeutung dieser Ereignisse für die transatlantischen Beziehungen. Stefan Kornelius, der Leiter des Ressorts Außenpolitik, bezeichnete darin die Lage nach der Botschaftseröffnung und dem Ende des Iranabkommens als Ausnahmesituation, als fundamentale Erschütterung der transatlantischen Beziehungen. „Dies sind unerfreuliche, ärgerliche, ja zornerfüllte Tage im Verhältnis mit Amerika“,[39] konstatierte er und reflektierte die Situation der zu einem Krisentreffen verabredeten europäischen Außenminister*innen. Die Ereignisse, die auf dem Feld des Nahost-Konflikts stattfanden, hatten also weltpolitische Bedeutung und berührten auch deutsche Regierungspolitik. Neben diesem Leitartikel stand in drei Spalten Breite die hier unter die Lupe zu nehmende Karikatur, die schließlich dazu führte, dass sich die „Süddeutsche Zeitung“ am 17. Mai von dem 1933 geborenen Stammzeichner Dieter Hanitzsch trennte.[40]

 

Die Karikatur

In Absprache mit dem diensthabenden Redakteur der Meinungsseite fertigte Dieter Hanitzsch am 14. Mai eine Karikatur an, die – passend zur Berichterstattung über die Ereignisse in Israel und Gaza – die politische Instrumentalisierung des ESC thematisieren sollte.[41] Sie zeigt auf einer stilisierten Bühne in der Bildmitte eine Figur, die einerseits leicht als Benjamin Netanjahu zu erkennen ist und andererseits an Netta erinnert. Eine Sprechblase aus der Netanjahu/Netta-Figur lässt sie „Nächstes Jahr in Jerusalem“ sagen. In der rechten Hand hält sie ein Mikrofon, in der linken eine Rakete mit einem Davidstern, auf die Bühne zielt das Rohr eines Geschützes, im oberen Bilddrittel rahmt ein Spruchband mit dem Slogan Euro(v)ison Song Contest die Bühne, jedoch ist das „v“ durch einen Davidstern ersetzt.

Die Figur in der Bildmitte kann man entweder als eine Darstellung Netanjahus im Gewand Nettas interpretieren oder als eine In-Eins-Setzung von Netanjahu und Netta. In dieser Lesart verschmelzen beide höchst unterschiedlichen Personen zu einem Hybrid. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob der Karikaturist damit ein antisemitisches Bild geschaffen hat. Wie oben ausgeführt ist der prominenteste Marker für antisemitische Körperbilder und die visuelle Stereotypisierung von Juden die Nase. Die Figur in Hanitzsch’ Bild trägt nun keine besonders große Nase: weder in der Form der Hakennase noch die seit dem späten 19. Jahrhundert bekannte und schließlich durch den „Stürmer“-Zeichner Philipp Rupprecht bis in die Kinderzimmer verbreitete überlange, rund-gekrümmte Nasenkarikatur, die als „Judensechser“ bezeichnet wurde.[42] Das Aussehen der Nase in der Darstellung eines Juden ist zwar historisch ein zentrales Merkmal, doch nicht das allein ausschlaggebende, um zu beurteilen, ob ein Bild einer judenfeindlichen Darstellungstradition entspricht. Für solch eine Beurteilung gilt es immer, mehrere Aspekte zu berücksichtigen.

Der Typus, dem die Figur ähnelt, wurde nicht vom „Stürmer“-Karikaturisten, der verniedlichend mit dem Pseudonym „Fips“ zeichnete, erfunden. Rupprecht griff in seiner Klischeevorlage „Juden stellen sich vor“[43] auf eine visuelle Typologie zurück, die im Bildwitz des 19. Jahrhunderts herausgebildet und in Bilderbögen,[44] Witzblättern, Karikaturzeitschriften,[45] Postkarten[46] und anderen zeitgenössischen Medien massenhaft verbreitet wurde. Als Vorläufer des antisemitischen Stereotyps, das Rupprecht in zahlreichen Abwandlungen variierte, kann man die Bilderbogen des Nördlinger Illustrators Johann Michael Volz „Unser Verkehr“ (um 1815)[47] nennen sowie eine Weiterentwicklung, die sich in einer Serie von Briefverschlussmarken[48] des sich als „judenfrei“ deklarierenden Frankfurter Hotels „Kölner Hof“ findet.[49] Diese Serien wurden zu Musterbüchern für spätere Zeichner und zu Bilderschulen des Antisemitismus.

Abb. 3: Typenreihe von Johann Michael Volz aus dem Bilderbogen „Unser Verkehr“, um 1815, HB 16260 Germanisches Nationalmuseum © Foto: Monika Runge

Abb. 4: Bogen mit Sammelmarken des Hotels Kölner Hof, 1912, Sammlung Wolfgang Haney

Der „Stürmer“-Zeichner radikalisierte diese Bildvorlagen durch einen vereinfachten, betonten Strich, den Verzicht auf alle Details, verzerrte Proportionen und betonte Gesichts- und Körperstereotype. Im Vergleich zu den visuellen Vorbildern treten bei Rupprecht die sekundären Attribute wie die Kleidung und berufsspezifische Accessoires in den Hintergrund. Die Gemeinsamkeit der einzelnen Personen in den „Stürmer“-Karikaturen, das, was den Typus ausmacht, sind abstoßende Gesichtszüge mit einer markanten Nase, einer niedrigen Stirn, großen Lippen und Ohren, ein wildes Gestikulieren und eine verdrehte Körperhaltung. „Stilistisch versuchte Rupprecht“, so beschreibt es Carl-Eric Linsler, „die vom ‚Stürmer‘ angestrebte Entlarvung des vermeintlich ‚essentiellen Wesens‘ der Juden zu visualisieren. Er kreierte zu diesem Zweck ein charakteristisches Zerrbild.“[50]

 

 

Bilderserie 5: Screenshot: Sammelmarken des Kölner Hofs, um 1912, Karikaturen von Philipp Rupprecht, 1943, aus: Philipp Rupprecht, Juden stellen sich vor, Nürnberg 1943

 

Die Darstellung der Netanjahu/Netta-Figur gleicht dieser Typologie in der Körperhaltung, den leicht verdrehten, ausladend bewegten Armen und Beinen, der Körperfülle und in den Gesichtspartien, die vom Karikaturisten hervorgehoben werden. Vergleicht man nun die Körpersprache Netanjahus mit der Hanitzsch-Karikatur, wird schnell deutlich, dass hier nicht der israelische Ministerpräsident die Bildvorlage geliefert haben kann, sondern bestenfalls die Sängerin Netta auf der Bühne des ESC. Ein Foto von den Proben des Auftritts mag als Vorlage gedient haben, denn hier ähnelt die Zeichnung von Hanitzsch Nettas Körperhaltung und ihrem Kostüm.[51] Man könnte also argumentieren, Hanitzsch habe lediglich dieses Foto als Vorlage benutzt und sei so – unbeabsichtigt, quasi passiv – in die Nähe eines antisemitischen Bilds geraten. Auch wenn es so gewesen sein mag, überzeugt vorgeschützte Unwissenheit nicht. Kann man ernsthaft behaupten, man hätte nicht ahnen können, dass bei der Karikatur eines israelischen Politikers auch ein antisemitisches Stereotyp herauskommen könne? Zwar sind verbale und visuelle israelkritische Polemiken nicht immer leicht oder eindeutig dahingehend zu beurteilen, ob sie einen antisemitischen Gehalt haben oder so gelesen werden können. Doch dass Netanjahu einer „Stürmer“-Figur ähnelt, sollte man – gerade im Wissen um die strukturelle Nähe von überzeichnender Karikatur und antisemitischen Körperbildern – aktiv ausschließen. Es zirkulierten noch viele weitere Fotos von Netta, in der ihre Pose keineswegs dem überkommenen Klischee entsprach, Juden hätten eine verdrehte Haltung und Gestik. Hanitzsch wählte das eine Bild, in dem Netta dem Stereotyp ähnelte.

In der Karikatur wird aus zwei Personen, der tanzenden Sängerin und dem israelischen Ministerpräsidenten, eine Figur mit deutlichen Referenzen an die „Stürmer“-Vorbilder. Die Anleihe bei dieser Bildtradition tritt besonders zutage, wenn man die Gesichtszüge der Karikatur mit jenen vergleicht, die Philipp Rupprecht im antisemitischen Kinderbuch „Der Giftpilz“ schuf. Mit der Giftpilz-Metapher wurde die Gefahr beschworen, vor der das auflagenstarke „Stürmerbuch für Jung und Alt“ warnte: „Wie ein einziger Giftpilz eine ganze Familie töten kann, so kann ein einziger Jude ein ganzes Dorf, eine ganze Stadt, ja sogar ein ganzes Volk vernichten.“ [52] Entsprechend bebilderte ein Pilz mit menschlichem Antlitz den Buchdeckel. Wieder zeigt die Zusammenschau, dass das von Hanitzsch gezeichnete Gesicht Netanjahus dem Gesicht des Giftpilzes stärker ähnelt als dem karikierten Politiker.

 

Bilderserie 6: Cover: Der Giftpilz, Nürnberg 1938: Titel und Ausschnitt; Ausschnitt Karikatur von Dieter Hanitzsch, Süddeutsche Zeitung, 15. Mai 2018; Foto von Benjamin Nethanjahu, 14.02.2017, Washington D.C., U.S. Department of State / Wikmedia Commons public domain

 

Die von Hanitzsch gezeichnete Figur trägt als Oberteil – anders als Netta bei ihrem Aufritt – lediglich ein brustbetonendes Bustier. Der Oberkörper erscheint so als Frauenkörper bzw. die dargestellte Person als effeminierter Mann. Damit reproduziert Hanitzsch ein weiteres, in der antisemitischen Bildpolemik des 19. Jahrhunderts weit verbreitetes Klischee: das des verweiblichten Juden. „Die Verbindung von Männlichkeit mit Kraft und Schönheit kontrastierte mit der Vorstellung von neurasthenischen, schwachen und gebrechlichen Personen, mit Frauen und Juden“, beschreibt der Historiker Klaus Hödl die bürgerliche Normvorstellung der Zeit.[53] Daraus erwuchs das Bild von jüdischen Männern, die neben den genannten Abweichungen vom Schönheitsideal noch einen weiteren, dramatischen Mangel aufwiesen: weibliche Züge.

Nun ist die Darstellung der Netanjahu/Netta-Figur nicht das Einzige, woran sich die Kritik an der Karikatur und ihre Einschätzung als antisemitisch festmachen lassen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Textblase „Nächstes Jahr in Jerusalem“, ein religiöser Satz, der hier zum Text einer politischen Karikatur wird und so die politische Instrumentalisierung des ESC durch das Staatsoberhaupt mit einer religiösen Formel verbindet. Die Figur wird so als jüdisch markiert und nicht als israelisch. Netanjahu hatte diesen Satz so getwittert, während Netta unmittelbar nach ihrem Sieg nicht von „next year“, sondern von „next time“ sprach. Da 1979 und 1999 die in Israel ausgetragenen ESC-Finale in Jerusalem stattfanden, muss ihre Referenz – im Unterschied zu Netanjahus Äußerung – nicht als politisches Statement in der Frage nach dem Hauptstadtstatus der Stadt gedeutet werden. In der Zeichnung wirkt der Satz jedoch wie die Überschrift des Auftritts beim ESC. Auch die zweimalige Verwendung des Davidsterns, den Hanitzsch nicht als Bestandteil der Flagge Israels zeichnet, sondern freigestellt und damit in seiner Mehrdeutigkeit als religiöses und nationales Symbol, markiert die Szene als jüdisch und nicht als israelisch.

Dieser Text konzentriert sich jedoch auf die antisemitischen Körperstereotype. Denn gerade die Rolle von Körperbildern in dieser Situation verblüfft: Die Gewalteskalation an der Grenze von Israel und Gaza, die Botschaftseröffnung in Jerusalem verbinden Nettas Sieg im Song Contest mit Fotos und Filmaufnahmen von Massenprotesten, Menschen im Nebel von Tränengas und Brandherden, Verletzten und Toten. Das politische Manöver Netanjahus, diese Bilder durch das Zelebrieren des ESC-Siegs überblenden zu wollen, ist kritikwürdig. Doch dass das Karikieren dieser PR-Strategie in einem antisemitischen Körperstereotyp mündet, verweist auf die langfristige Geschichte und Wirkmacht der antijüdischen Bilder, die schließlich dazu führen, dass 2018 in einer angesehenen deutschen Zeitung eine „Sürmer“-ähnliche Karikatur veröffentlicht wird.

Im Grunde gibt es ein paar einfache Regeln: Möchte man israelische Politiker*innen oder Repräsentant*innen karikieren, sollten ihr Körper und ihre Gesichtszüge nicht nur keine übergroßen Nasen haben, sondern auch keine anderen klassisch antisemitischen Körpermerkmale aufweisen. Die israelische Flagge, symbolisiert den Staat, nicht der Davidstern. Damit sind noch nicht alle Fallstricke benannt, zu vielschichtig und ausdifferenziert ist das Arsenal antisemitischer Bildelemente. Daher ist besondere Sensibilität geboten. Eine Montage des israelischen Künstlers Alon Katz zeigt, wie eine Karikatur gelingen kann.[54]

 

Netta 2018 beim Finale des Eurovision Song Contest, 11. Mai 2018 Lissabon, Foto: Dewayne Barkley EuroVisionary, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Alon Katz, NettaNyahu © mit freundlicher Genehmigung

 

 

 

[1] Vertreter beider Positionen äußerten sich im Berliner „Tagesspiegel“ vom 18.05.2018: Markus Ehrenberg/Joachim Huber, Nach Netanjahu-Karikatur: „Süddeutsche Zeitung“ trennt sich von Dieter Hanitzsch, online unter https://www.tagesspiegel.de/medien/nach-netanjahu-karikatur-sueddeutsche-zeitung-trennt-sich-von-dieter-hanitzsch/22579666.html (Zugriff: 07.12.2018).

[2] Der Presserat hatte darüber zu entscheiden, ob das Diskriminierungsverbot des Pressekodexes, „Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden“ (Ziffer 12), in diesem Fall verletzt wurde oder ob die Karikatur von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Der Rat beschied mehrheitlich: „Die Gesichtszüge des israelischen Premierministers sind zwar überzeichnet, doch ist dies im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig.“ Online unter https://recherche.presserat.info/ (Aktenzeichen 0412/18/1) (Zugriff: 14.12.2018).

[3] Klaus Herding, Die Rothschilds in der Karikatur, in: Cilly Kugelmann/Fritz Backhaus (Hrsg.), Jüdische Figuren in Film und Karikatur: Die Rothschilds und Joseph Süß Oppenheimer, Sigmaringen 1996, S. 13-64, hier S. 15.

[4] Elisabeth Boeckl-Klamper/Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hrsg.), Die Macht der Bilder. Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien 1995; Sander L Gilman, „Die Rasse ist nicht schön“ – „Nein wir Juden sind keine hübsche Rasse“. Der schöne und der häßliche Jude, in: Jüdisches Museum Wien (Hrsg.), „Der schejne Jid“. Das Bild des „jüdischen Körpers“ in Mythos und Ritual, Wien 1998, S. 57-74; Helmut Gold/Fritz Backhaus/Jüdisches Museum Frankfurt am Main (Hrsg.), Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten, Heidelberg 1999; Jüdisches Museum Berlin und Jüdisches Museum Wien (Hrsg.), typisch! Klischees von Juden und Anderen, Berlin 2008; Falk Wiesemann, Antijüdischer Nippes und populäre Judenbilder. Die Sammlung Finkelstein, Essen 2005; Isabel Enzenbach im Auftrag des Deutschen Historischen Museums und des Zentrums für Antisemitismusforschung, Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute, Berlin 2016.

[5] Regina Schleicher, Antisemitismus in der Karikatur. Zur Bildpublizistik in der französischen Dritten Republik und im deutschen Kaiserreich (1871-1914), Frankfurt am Main 2009; Julia Schäfer, Vermessen – gezeichnet – verlacht. Judenbilder in populären Zeitschriften 1918-1933, Frankfurt am Main 2005.

[6] Ernst Fuchs, Die Juden in der Karikatur. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte, Berlin 1985 [Nachdruck der Ausgabe München, Langen, 1921]; zuvor: Ernst Fuchs, 1848 in der Caricatur, München 1898; ders., Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis zur Neuzeit, Berlin 1901; ders., Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart., Berlin 1903; ders., Das erotische Element in der Karikatur, Berlin 1904; ders., Die Frau in der Karikatur, München 1906.

[7] Ole Frahm, Eduard Fuchs‘ karikierende Antisemitismustheorie, in: Hans-Joachim Hahn/Olaf Kistenmacher, Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft. Zur Geschichte der Antisemitismusforschung vor 1944, Berlin 2015, S. 426-450, hier S. 427. Frahm weist in seiner Arbeit über Fuchs die Einschätzung von Micha Brumlik zurück, Fuchs unterliege einer „Tragödie des guten Willens“ und halte „an den letztlich völkerpsychologischen, ja rassistischen Voraussetzungen seiner Gewährsleute Marx und Sombart“ fest, S. 438. Micha Brumlik, Innerlich beschnittene Juden. Zu Eduard Fuchs „Die Juden in der Karikatur“, Hamburg 2012.

[8] Eduard Fuchs, Die Karikatur der europäischen Völker vom Altertum bis 1848, Berlin 1901, S. 3.

[9] Gerd Unverfehrt, Karikatur. Zur Geschichte eines Begriffs, in: Gerhard Langemeyer u.a. (Hrsg.), Bild als Waffe. Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, München 1984, S. 345-354, hier S. 347. Unverfehrt referiert in seinem Text Erläuterungen des päpstlichen Haushofmeisters Giovanni Antonio Massani zu den Karikaturen der Carraccis.

[10] Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und der Menschenliebe, 4 Bde., Leipzig 1775-1778, Reprint Berlin 1908; zum Zusammenhang von Karikatur und Physiognomik: Claudia Schmölders, Das Vorurteil im Leibe. Eine Einführung in die Physiognomik, Berlin 2007, S. 109-155.

[11] Lavater, Physiognomische Fragmente, Bd. 1, Leipzig 1775, S. 226, online unter http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/lavater_fragmente01_1775/?hl=226;p=336 (Zugriff: 07.12.2018).

[12] Massani zitiert nach: Denis Mahon, Studies in Seicento Art and Theory, Westport 1971, S. 259, zit. nach: Unverfehrt, Karikatur, S. 346.

[13] Sara Lipton, What’s in a Nose? The Origins, Development, and Influence of Medieval Anti-Jewish Caricature, in: Jonathan Adams/Cordelia Hess (Hrsg.), The Medieval Roots of Antisemitism. Continuities from the Middle Ages to the Present Day, New York 2018, S. 183-203, hier S. 189.

[14] Sara Lipton, What’s in a Nose?, S. 196.

[15] Sara Lipton, What’s in a Nose?, S. 199.

[16] Rainer Erb, Die Wahrnehmung der Physiognomie der Juden. Die Nase, in: Heinrich Pleticha (Hrsg.), Das Bild des Juden in der Volks- und Jugendliteratur vom 18. Jahrhundert bis 1945, Würzburg 1985, S. 107-126, hier S. 120.

[17] Sander Gilman, The Jewish Nose, in: ders., The Jew’s Body, New York 1991, S. 169-193, hier S. 180f.

[18] Vgl. Gerhard Paul, Das Jahrhundert der Bilder. Die visuelle Geschichte und der Bildkanon des kulturellen Gedächtnis, in: ders. (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder 1900-1945, Göttingen 2009, S. 14-39.

[19] W.J.T. Mitchell, Was ist ein Bild?, in: ders., Bildtheorie, Frankfurt am Main 2008, S. 15-35.

[20] Gilman, The Jew’s Body.

[21] Wilhelm Busch, Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 450-457, online unter www.zeno.org/Literatur/M/Busch,+Wilhelm/Bildergeschichten/Plisch+und+Plum/F%C3%BCnftes+Kapitel (Zugriff: 07.12.2018); zur Frage, ob Busch als Antisemit zu betrachten sei: Ulrich Wyrwa, Busch, Wilhelm, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Handbuch des Antisemitismus, Band 2/1, Berlin 2009, S. 115f.

[22] Elvira Grözinger, Die schöne Jüdin. Klischees, Mythen und Vorurteile über Juden in der Literatur, Berlin 2003, S. 7-28.

[23] Fuchs, Die Juden in der Karikatur, S. 3.

[24] Morris Loveday/Ruth Eglash, „Gaza buries its dead as death toll from protests at fence with Israel rises to at least 60”, in: The Washington Post, 15.05.2018, zitiert nach: Wikipedia, https://en.wikipedia.org/wiki/2018_Gaza_border_protests#cite_note-:39-203 (Zugriff: 07.12.2018).

[25] Yaniv Kubovich/Almog Ben Zikri, Hundreds of Palestinians Protest at Gaza Border in Continued March of Return, in: Haaretz, 18.05.2018, online unter https://www.haaretz.com/middle-east-news/palestinians/hundreds-of-palestinians-protest-at-gaza-border-1.6097937/1.6097937 (Zugriff: 07.12.2018).

[26] Loveday/Eglash, „Gaza buries its dead as death toll from protests at fence with Israel rises to at least 60”, in: The Washington Post, 15.05.2018.

[27] Alexandra Föderl-Schmid, Gewaltsame Tage an Israels Grenzen, in: Süddeutsche Zeitung, 15.05.2018, online unter https://sz.de/1.3980039 (Zugriff: 07.12.2018).

[28] Veranstaltet wird der ESC seit 1956 von der European Broadcasting Union (EBU). Israel, als Vollmitglied der EBU, trat erstmals 1973 als erstes außereuropäisches Land auf, später folgten weitere außereuropäische Länder.

[29] Irving Wolther „Kampf der Kulturen“. Der Eurovision Song Contest als Mittel national-kultureller Repräsentation, Würzburg 2006, S. 19.

[30] Siehe die Website des Eurovision Song Contest: https://eurovision.tv/about/rules (Zugriff: 07.12.2018).

[31] Dean Vuletic, Postwar Europe and the Eurovision Song Contest, London 2018.

[32] Zit. nach: Jens Balzer, Unpolitisch gibt’s nicht mehr, in: Die Zeit, 12.05.2018, online unter https://www.zeit.de/kultur/musik/2018-05/eurovision-song-contest-antisemitismus-homophobie-netta-barzilai (Zugriff: 07.12.2018).

[33] Siehe den Post auf Facebook: https://www.facebook.com/Zero.Points.To.Israeli.Apartheid/posts/1850947154936285 (Zugriff: 07.12.2018).

[34] Mitschnitt: https://www.eurovision.de/videos/2017/ESC-2018-Das-Finale-in-voller-Laenge,finale1378.html (Zugriff: 07.12.2018), Min. 03:04:53 – 03:05:16.

[35] Zit. nach: Isabel Kershner, „Next Year in Jerusalem!” In Israel, Eurovision Win Is Seen as a Diplomatic Victory, Too, in: The New York Times, 13.05.2018, online unter https://www.nytimes.com/2018/05/13/world/middleeast/israel-eurovision-jerusalem.html (Zugriff: 07.12.2018).

[36] „Netanyahu does ‚chicken dance‘ with Israeli Eurovision winner“, in: Reuters, 17.05.2018, online unter https://www.reuters.com/article/us-music-eurovision-netanyahu/netanyahu-does-chicken-dance-with-israeli-eurovision-winner-idUSKCN1II1BP (Zugriff: 07.12.2018). Für einen Treppenwitz sorgte die Übersetzungssoftware von Microsoft. Sie übersetzte das hebräische Slangwort „Kapara“ in Netanjahus Twitter-Nachricht falsch, und so stand auf seinem Account der später korrigierte Tweet „Neta, you’re a real cow.” Vgl. https://www.haaretz.com/israel-news/netanyahu-congratulates-eurovision-winner-then-auto-translate-kicked-1.6077485 (Zugriff: 07.12.2018).

[37] Leila Al-Serori, Der Morgen kompakt – die Übersicht für Eilige, in: Süddeutsche Zeitung, 15.05.2018, online unter https://www.sueddeutsche.de/politik/sz-espresso-gewalt-im-gazastreifen-eu-und-iran-abkommen-rechtfertigung-von-nationalspieler-guendoan-1.3922878 (Zugriff: 07.12.2018).

[38] Süddeutsche Zeitung, 15.05.2018, S. 2.

[39] Süddeutsche Zeitung, 15.05.2018, S. 4.

[40] Kurt Kister, Stereotype und Klischees, in: Süddeutsche Zeitung, 18.05.2018, online unter https://www.sueddeutsche.de/kolumne/in-eigener-sache-stereotype-und-klischees-1.3986184 (Zugriff: 07.12.2018).

[41] Kister, Stereotype und Klischees, in: Süddeutsche Zeitung, 18.05.2018.

[42] Michaela Haibl, Zerrbild als Stereotyp, Berlin 2000, S. 212. Eine Abbildung zur „creation of the ‚nostrility‘ of the Jew and its unmaking“ von 1891 findet sich bei Sander Gilman, The Jewish Nose, in: ders., The Jew’s Body, New York 1991, S. 180.

[43] Philipp Rupprecht, Juden stellen sich vor, Nürnberg 1934.

[44] Thomas Gräfe, Antisemitismus in Gesellschaft und Karikatur des Kaiserreichs : Glöß’ Politische Bilderbogen 1892-1901, Norderstedt 2005.

[45] Regina Schleicher, Antisemitismus in der Karikatur. Zur Bildpublizistik in der französischen Dritten Republik und im deutschen Kaiserreich (1871-1914), Frankfurt am Main 2009; Julia Schäfer, Vermessen – gezeichnet – verlacht.

[46] Gold/Backhaus/Jüdisches Museum Frankfurt am Main (Hrsg.), Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten; zur Verbreitung der Postkarten: Iris Hax, Abgestempelt! Antisemitismus auf Gruß- und Propagandakarten um 1900, in: Paul (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder 1900-1945, S. 60-67, hier S. 64f.; Maren Jung-Diestelmeier, „Das verkehrte England“. Visuelle Stereotype auf Postkarten und deutsche Selbstbilder 1899-1918, Bd. 1: Textband, Göttingen 2017, S. 70-77.

[47] Abgedruckt in: Ernst Fuchs, Die Juden in der Karikatur, Berlin 1985, S. 96. Vgl. Haibl, Zerrbild als Stereotyp, S. 336.

[48] Abgedruckt in: Isabel Enzenbach/Wolfgang Haney (Hrsg.), Alltagskultur des Antisemitismus im Kleinformat, Vignetten der Sammlung Haney ab 1880, Berlin 2012, S. 57. Briefverschlussmarken wurden im 19. Jahrhundert zum dekorativen Verschließen von Briefen verwendet. Ihre Bildmotive und/oder kurzen Texte dienten Werbezwecken, wiesen beispielsweise auf Veranstaltungen oder caritative Einrichtungen hin und wurden auch zu politischer Propaganda genutzt.

[49] Einzelne Motive wurden auch als Postkarten durch verschiedene Postkarten-Verlage verbreitet, vgl. z.B. „Der Schnorrer“, abgebildet in: Falk Wiesemann (Hrsg.) Antijüdischer Nippes und populäre Judenbilder. Die Sammlung Finkelstein, Essen 2005, S. 137.

[50] Carl-Eric Linsler, Stürmer-Karikaturen, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7: Literatur, Film, Theater und Kunst, Berlin 2015, S. 478. Vgl. auch Daniel Roos, Julius Streicher und „der Stürmer“, Paderborn 2017, S. 425-429.

[51] Vgl. den Artikel auf der ESC-Website: Jan Feddersen, Israel: Netta mit einem Fest der Farben, 3. Mai 2018, https://www.eurovision.de/news/ESC-Proben-Netta-aus-Israel-mit-einem-Fest-der-Farben,israel840.html (Zugriff: 07.12.2018).

[52] Ernst Hiemer/Philipp Rupprecht, Der Giftpilz. Ein Stürmerbuch für Jung u. Alt, Nürnberg 1938, S. 6.

[53] Klaus Hödl, Die Pathologisierung des jüdischen Körpers. Antisemitismus, Geschlecht und Medizin im Fin de Siècle, Wien 1997, S. 166.

[54] Ich danke Dikla Katz für diesen Hinweis.

 

 

Dieser Artikel ist Teil des Themendossiers: Antisemitische Bilder – Herstellung, Gebrauch, Effekte, hg. von Isabel Enzenbach

Themendossier: Antisemitische Bilder – Herstellung, Gebrauch, Effekte

 

Zitation


Isabel Enzenbach, Antisemitismus in der zeitgenössischen Karikatur. Das Beispiel der Netanjahu/Netta-Zeichnung in der „Süddeutschen Zeitung“, in: Visual History, 17.12.2018, https://www.visual-history.de/2018/12/17/antisemitismus-in-der-zeitgenoessischen-karikatur/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok.5.1321
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