DSI: Database of Scientific Illustrators 1450-1950

Ein Fenster zu den unsichtbaren Händen der Bild-Erzeugung und -Reproduktion in Naturwissenschaft, Medizin und Technik

Der Missstand, dass es über die von Naturforschern, Medizinern oder Technikern beauftragten Zeichner, Stecher und Radierer bzw. Holzschneider, Maler, Koloristen, Lithografen, Fotografen und sonstige Illustratoren oft keine oder nur spärliche Informationen gibt, ist schon seit Langem bekannt und des Öfteren beklagt worden. Doch getan hat sich bislang wenig. Diese Lücke wollen wir nun schließen. Denn die neuen Medien erlauben einen prosopografischen Zugriff auf diese für das vertiefte Verständnis von Wissenschaftspraxis so wichtige Gruppe.

Aus einer Vielzahl verstreuter Quellen und Spezialinventare sowie durch ergänzende Recherchen im Internet werden derzeit von Klaus Hentschel und seinem studentischen Mitarbeiter Torsten Himmel die Daten zusammengetragen. Unter Mithilfe von Ann Hentschel erfolgt der Eintrag in eine von Christian Lehmann in MySQL implementierte Datenbank: DSI: Database of Scientific Illustrators 1450-1950. Derzeit (Stand: Februar 2015) finden sich dort bereits knapp 9400 Illustratorinnen und Illustratoren von Werken der Naturforschung, Medizin und Technik – die von uns angestrebte Zielmarke liegt höher. Aufgenommen werden Werke, die zwischen 1450 und ca. 1960 entstanden sind. Damit wollen wir einerseits mittelalterliche Koloristen und Initialenmaler, andererseits noch lebende und aktive Illustratoren ausschließen. Denn für sie gibt es spezielle Nachschlagewerke und Datenbanken der Mediävistik bzw. kommerzielle Handbücher.

Anatomie des parties de la génération de l’homme et de la femme

Anatomie des parties de la génération de l’homme et de la femme. Illustrator: Jacques Fabien Gautier D’Agoty (1717-1785), Paris 1773. Farbiger Mezzotint-Druck. Quelle: National Library of Medicine (gemeinfrei)

Schwerpunkt der Stuttgarter DSI ist also die Periode des Buchdrucks vor dem Aufkommen der neuen Computer-basierten Medien und Repräsentationsformen. Fundamental für unsere Datenbank ist der Gedanke, dass die Auftraggeber der Illustrationen, seien dies Naturforscher oder gelehrte Institutionen wie Akademien oder wissenschaftliche Gesellschaften, über die Suchfelder „Auftraggeber“ („worked for“) bzw. über das Suchfeld „patronage“ recherchierbar sind, aber nicht mit eigenen Einträgen aufgenommen werden – im Vordergrund stehen die ausführenden Organe, also die Druckgrafiker, Modellisten, Maler und wissenschaftlichen Fotografen selbst. Denn sie sind bislang, wenn überhaupt, nur selten erfasst worden; von manchen ist vielfach nicht mehr als der Nachname oder ein Monogramm bekannt. Durch Kompilation einer Vielzahl heute verfügbarer Quellen verdichtet sich dieses Bild vielfach zu einem Kompositum, in dem zwar immer noch viele Puzzle-Steinchen fehlen, aber immerhin doch oft zumindest Konturen einer Vita und von Arbeitszusammenhängen deutlich werden, deren möglichst umfassende Rekonstruktion für eine praxisorientierte medizinische Wissenschafts- und Technikgeschichte sinnvoll ist.

Wie kann der Benutzer dieser Datenbank die zusammengestellten Informationen auffinden bzw. mit DSI arbeiten? Eine Suchmaske auf der Benutzerseite erlaubt die freie Recherche in den 20 Feldern der Datenbank, womit wir bereits an die technische Obergrenze des in solchen Datenbanken Üblichen gehen. Neben Nachnamen (Lastname) und Vornamen (Givennames) listet DSI (soweit von uns bereits recherchiert) auch alternative Schreibweisen, Künstlernamen bzw. Monogramme in Drucken usw. (Altnames) auf sowie das Geburts- und Todesjahr, den Todesort (Placedied), Kinder (Children), beruflich bedeutsame Verwandtschaftsverhältnisse (Relatives; Occupationfather) und Ehepartner (Marriage), wichtige Auftraggeber (Workedfor), Patronage-Bindungen und Mitgliedschaften (Patronage), Mitarbeitende an der Bildproduktion (Collab) und die wichtigste Region des Wirkens (Country of Activity). Für die Suche nach Illustratoren öffnet sich eine finite Optionsliste nach moderner Ländernomenklatur, um auch statistische Recherchen sinnvoll zu ermöglichen. Denn sonst müsste man nach historisch und geografisch stark veränderlichen Regionen wie Preußen oder dem Königreich Württemberg suchen, was statistische Aussagen unmöglich machen würde. Weitere Länder bzw. Regionen, in denen die betreffende Person gegebenenfalls gewirkt hat, werden am Anfang des Abschlussfelds „other“ mit eingetragen (z.B. bei Maria Sibylla Merian das Stichwort „Surinam“, wo ab 1699 ihre berühmten Studien zur Metamorphosis Insectorum Surinamesium entstanden). Dorthin gehören auch diverse andere Sondervermerke, die durch unser Raster nicht abgedeckt werden, z.B. zu anderen Berufsfeldern, in denen der Illustrator tätig war, oder zu Sekundärtexten zum weiteren Umfeld. Direkte Primärquellen und Sekundärliteratur hingegen werden von uns in den eigenen Feldern „archivals sources“ bzw. „pubsources“ eingetragen. Sofern im Internet verfügbar, werden in einem weiteren Feld auch repräsentative Samples der jeweiligen Illustrationen als Internetlink bereitgestellt. Hingegen wird in keinem Fall „Sonstiges“ von uns elektronisch archiviert oder gar eingescannt – damit ersparen wir uns knifflige Copyright-Fragen, die beim eigenen Hochladen von Abbildungsmaterial sofort in großer Zahl aufkämen.

Illustrator: Vishnupersaud, 1830-1832, in: Nathaniel Wallich: Plantae Asiaticae Rariores. (© gemeinfrei) Vishnupersaud (c. 1800-c.1840) war ein indischer, botanischer Zeichner, angestellt am Calcutta Botanical Garden, der u.a. im Auftrag der East India Company die "Plantae Asiaticae Rariores" illustrierte.

Illustrator: Vishnupersaud, 1830-1832, in: Nathaniel Wallich: Plantae Asiaticae Rariores (gemeinfrei). Vishnupersaud (1800-c.1840) war ein indischer, botanischer Zeichner, angestellt am Calcutta Botanical Garden, der u.a. im Auftrag der East India Company die Plantae Asiaticae Rariores illustrierte.

Mit wenigen Mausklicks erschließen sich dem Benutzer unserer Datenbank somit auf engem Raum zahlreiche weiterführende Quellen. Die von den Illustratoren jeweils nachgewiesenermaßen praktizierten Arbeitstechniken werden in einem eigenen Feld der Datenbank erfasst; neben basalen Grundtechniken wie Zeichnen, Malen, Stechen oder Radieren (drawing, painting, … or engraving) sind hier vielfach auch genauere Einträge gemacht worden, z.B.: „copperplate engraving and hand-coloring“ oder „lithography“, sodass sich kombinierte Suchanfragen mit trunkierten Wortwurzeln empfehlen. Auch externe Vorschläge für weitere Einträge können in einer separaten Maske gemacht werden. Diese werden von unserem Team sorgfältig geprüft und dann erst gegebenenfalls ergänzt sowie online gestellt. Für Anregungen und Kritik sind wir jederzeit dankbar.

Für das gesamte Projektteam: Prof. Dr. Klaus Hentschel, Universität Stuttgart

DSI: Database of Scientific Illustrators 1450-1950

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