Lee Miller – Fotografien

Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin vom 19. März bis 12. Juni 2016

Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine © mit freundlicher Genehmigung

Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine ©

 

Die beiden Frauen sitzen am Eingang eines Kellerzugangs, dessen hölzerne Türverschläge weit geöffnet sind. Kopf und Oberkörper sind dem Betrachter zugewandt, ihre Augen hinter schwarzen Brandschutzmasken verborgen. Ihre Kleidung ist einfach, aber gepflegt. Um sich vor Dreck zu schützen, haben sie sich eine Zeitung untergelegt. Die Frau auf der rechten Seite hat ihre Haare adrett zurückgekämmt. Im Gegensatz zur Person auf der linken Bildseite ist der Großteil ihres Gesichts ungeschützt, ausschließlich die Augen sind von der Maske verdeckt. Das schwarze Metall, welches an der Stelle der Augen mit zwei Kreuzen versehen ist, steht im scharfen Kontrast zur wohlgeformten Nase und zu den sinnlichen Lippen der jungen Frau. Ihr rechter Arm lehnt entspannt auf dem sie umgebenden hölzernen Verschlag und zeugt von Vertrautheit gegenüber der Person hinter der Kamera. Das 1941 in London aufgenommene Foto „Die Brandschutzmaske“ von Lee Miller ist von eindringlicher Qualität und in der Lage, ein Abbild des Alltags der englischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs zu schaffen.

 

Für Gereon Sievernich, Direktor des Martin-Gropius-Bau Berlin, ist die Lee Miller-Ausstellung eine Herzenssache. Mit Begeisterung in der Stimme erzählt er bei der Eröffnung von seinem Besuch in dem Farmhaus im englischen Sussex, dem Ort, an dem Lee Miller ab 1949 gelebt hat und auf dessen Dachboden erst 1997 ihr fotografisches Schaffen in Form von Negativen, Abzügen und Arbeitsnotizen wiederentdeckt wurde. Seit über zehn Jahren steht eine Lee Miller-Werkschau schon auf Sievernichs Agenda. Nun ist es ihm möglich, die Arbeiten einer der vielseitigsten amerikanischen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts in seinem Haus zu zeigen.

 

Die Ausstellung gibt einen Überblick über die wichtigsten Werkgruppen Lee Millers mit einem Fokus auf den Zeitraum zwischen 1929 und 1945. Der Kurator Walter Moser beschreibt diese 16 Jahre als repräsentativste Schaffensphase im Leben von Lee Miller. Sie lässt sich dabei nicht auf ein einziges Genre reduzieren, sondern zeichnet sich durch sehr unterschiedliche Herangehensweisen in ihrer Fotografie aus. Lee Miller fertigte surrealistische Fotografien an, ebenso wie gewerbliche Porträts, Modebilder und nicht zuletzt auch Kriegsreportagen. Chronologisch führt die Ausstellung durch diese verschiedenen Phasen und gibt dem Besucher die Möglichkeit, ihre Entwicklung von einer surrealistischen Fotografin hin zur Kriegsberichterstatterin nachzuvollziehen. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit von Lee Miller mit Fotografen und Künstlern wie Roland Penrose, David E. Scherman und Man Ray gezeigt. Inhaltlich ist die Ausstellung sehr ausgewogen, an einigen Stellen wäre eine Reduzierung des minimalistischen Ausstellungskonzepts jedoch wünschenswert gewesen: Die Kombination aus gedimmtem Licht und Aufnahmen im Originalformat, die entsprechend kleinformatig gehalten sind, führen beim Besucher zu Abstrichen im Ausstellungserlebnis.

 

„I would rather make a picture, than be one.“ Mit diesem Zitat beschreibt Antony Penrose, Direktor des Lee Miller-Archivs und Sohn von Lee Miller, die Beweggründe seiner Mutter, die als Model in den 1920er-Jahren das Cover der Zeitschrift „Vogue“ zierte, in die Rolle der Fotografin zu wechseln. Für Penrose formte sich mit der Entdeckung ihrer Arbeiten 1997 auf besagtem Dachboden ein komplett neues Bild seiner Mutter. Sie habe über diese Schaffensphase ihm gegenüber nie gesprochen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, so erzählt Penrose, hatte Lee Miller das Gefühl, aus fotografischer Perspektive nichts Relevantes mehr sagen zu können.

 

Die Vielfalt an Motiven und Ausdrucksstilen innerhalb der Ausstellung hinterlässt beim Besucher einen intensiven Eindruck über die jeweiligen Lebensabschnitte der Fotografin und deren historischen Kontext. Es lassen sich dabei Parallelen in Konzeption und Technik erkennen, gleichzeitig scheinen die einzelnen Phasen hermetisch voneinander getrennt zu sein. Die Ende der 1920er-Jahre entstandenen Aktbilder und experimentellen Porträtaufnahmen lassen sich nur schwer in Einklang bringen mit ihren letzten Arbeiten über die Befreiung von Buchenwald und Dachau. Lee Miller ist in der Lage, durch ihre Arbeit den allseits präsenten Diskurs zwischen Lebensumständen und ihrer Rolle als Fotografin greifbar zu machen. Diese Spannung innerhalb ihrer Fotografien wirkt oftmals irritierend und faszinierend zugleich.

 

Die Ausstellung war bis zum 12. Juni 2016 im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen.

 

Ausstellungskatalog: Walter Moser/Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.), Lee Miller, Hatje Cantz Verlag, Deutschland 2016, 29,80 €

 

Siehe auch Sandra Starke: Rezension zu: Lee Miller – Fotografien, 19.03.2016 – 12.06.2016 Berlin, in: H-Soz-Kult, 30.04.2016 sowie

Michael Wildt, Ambivalenzen der Wirklichkeit. „Lee Miller – Fotografien“ im Berliner Gropius-Bau, in: Zeitgeschichte-online, Mai 2016
Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine ©

Ausstellung: Lee Miller – Fotografien, Eine Ausstellung der Albertina Wien in Zusammenarbeit mit dem Martin-Gropius-Bau und der Lee Miller Foundation, Foto: Anne Chahine ©

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