Neue Rezensionen: H-Soz-Kult
Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung – rezensiert auf H-Soz-Kult
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2014
rezensiert von Silke Satjukow (28.10.2016), redaktionell betreut durch Christoph Classen
Die Beiträge des Sammelbandes lesen die Heldensaga des Sozialismus gegen den Strich und spüren den „Erschöpfungszuständen in der Kunst des Sozialismus“ nach. Sie fragen einerseits aus zeitgenössischer Perspektive nach „müden“ Helden: Wann und wo lassen sich auch in heroischen Kontexten „Krisen- und Extremsituationen“ ausmachen? Unter welchen Bedingungen werden „Erschöpfungszustände“ als Sinnbild für das Allzu-Menschliche sichtbar? Zugleich stellt der Band aus diachroner Perspektive die Frage nach der „Ermüdung“ des Helden-Konzepts: Wie adaptieren, wie kommentieren Künstler die über Generationen hinweg kommunizierten Helden-Muster in der Zeit nach der Wende?
Wallstein Verlag, Göttingen 2016
rezensiert von Christine Engel (13.10.2016), redaktionell betreut durch Ulrich Prehn
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist eine neue Welt des Visuellen entstanden. Die Möglichkeiten der technischen, elektronischen und digitalen (Re-)Produktion der Welt haben dazu geführt, dass inzwischen das Bild (statt der Schrift) zum Basismedium avanciert ist. Und sie haben außerdem dazu geführt, dass Wirklichkeit immer intensiver als eine durch Punkt und Pixel vermittelte wahrgenommen wird: der Rasterpunkt als drucktechnischer Durchbruch für die massenhafte Verbreitung von Fotografien und das Pixel als Baustein der digitalisierten Bilderwelt. Das ist der Ansatz, von dem Gerhard Paul ausgeht, um die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts als einem visuellen Zeitalter zu rekonstruieren.
University of Chicago Press, Chicago 2016
rezensiert von Dennis Jelonnek (29.09.2016), redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Eigentlich soll man ja kein Buch nach seinem Einband beurteilen. Im Fall von Peter Buses Geschichte der Polaroid-Sofortbildfotografie und ihrer Implikationen für die fotografische Praxis lässt sich die Gestaltung des Covers jedoch als prägnante Zusammenfassung dessen lesen, was Buse sich auf den folgenden 320 Seiten vornimmt. Die Abbildung auf dem Schutzumschlag zeigt, wie ein durch seine typische weiße Papierumrahmung als „Polaroid“ erkennbares Bild, das eine ebenso typische SX-70-Sofortbildkamera zeigt, mit Fingerspitzen zur genaueren Betrachtung von einer Tischplatte aufgenommen wird. Es ist diese hier implizierte buchstäbliche Hand-habung, der vom jeweiligen Nutzer abhängige und doch weitgehend standardisierte Umgang mit der berühmt-berüchtigten Sofortbildtechnik […].
De Gruyter, Berlin 2016
rezensiert von Lukas Böckmann (20.09.2016 ), redaktionell betreut durch Silke Hensel
Die bereits zu Lebzeiten Guevaras einsetzende Wandlung der historischen Person in eine multivalente Ikone nahm nach dessen Tod im bolivianischen La Higuera, und darauf deutet Castros Zitat hin, zunehmend religiöse Züge an. Mit seiner zu Beginn dieses Jahres erschienenen Studie hat der am Art History Department der University of Los Angeles lehrende Kunsthistoriker David Kunzle diese Stilisierung Guevaras zu einer, wie Wolfgang Kersten im Vorwort des Bandes schreibt, „christomorphen Figur“ nun auf einen international verständlichen, titelgebenden Begriff gebracht: Chesucristo.
Routledge, Abingdon 2016
rezensiert von Sarah Goodrum (16.09.2016), redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Donna West Brett, an art historian at the University of Sydney, draws on a variety of sources beyond art history, from memory studies, philosophy, photo history, and literary discourse, to buttress her analysis of photographs from both well-known and understudied contemporary photographers, such as Thomas Demand, Thomas Ruff, Arwed Messmer, and Erich Hartmann, along with photographers working in the pre- and immediate post-WWII era, such as Friedrich Seidenstücker, Arthur Grimm, and Richard Peter Sr. The book focuses on and theorizes images taken after the fact – of trauma, or simply of history – and “investigates how this kind of aftermath or late photography represents a dramatic rupture in the field of vision” (p. 2). The rupture in the visual field is tied, according to Brett, to the ruptures of 1945, caused by Germany’s defeat and the impact of the Holocaust, and that of 1989’s fall of the Berlin Wall and the subsequent German reunification. For Brett, these photographs of place tied to rupture present the viewer with a tension between seeing and unseeing – and astigmatic vision that conceals or diffuses as much as it seems to reveal […].
University of Chicago Press, Chicago 2015
rezensiert von Iris Schröder (06.09.2016), redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Das ambitionierte Ziel war es, eine veritable Kultur- und Sozialgeschichte der Kartographie zu entwickeln und dabei vorrangig die gesellschaftlichen Wirkungen von Karten – „the social impact of maps“ – zu erforschen. Geschult an der Lektüre Foucaults und Derridas war das stets arbeitsteilig gedachte Vorhaben genuin interdisziplinär angelegt, der Begriff der Karte breit gefasst. Karten waren demnach zu deuten als „graphische Repräsentationen, die ein räumliches Verständnis von Dingen, Begriffen, Bedingungen, Prozessen oder Ereignissen in der menschlichen Welt erleichtern“. Vor diesem Hintergrund sollten sie in ihren vielfältigen sozialen und kulturellen Bezügen erforscht werden, und damit sowohl in ihren Herstellungs- als auch in ihren Nutzungsweisen – nicht zuletzt, um die von Karten ausgehenden politischen und gesellschaftlichen Effekte genauer in den Blick nehmen zu können.
Wallstein Verlag, Göttingen 2016
rezensiert von Judith Keilbach (02.08.2016), redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
In seiner Dissertation über die Institutionalisierung von Zeitzeugeninterviews mit Holocaust-Überlebenden sowie deren Korrelation mit Holocaust-Darstellungen in Filmen und im Fernsehen weist Jan Taubitz eingangs auf das Paradox hin, dass die „Ära der Zeitzeugen“ und das „Ende der Zeitzeugen“ unmittelbar zusammenfallen (S. 10). Mit dem Beschwören des Endes der Zeitzeugenschaft sei die „Zahl der Überlebenden nicht kleiner, sondern größer“ geworden (S. 12). Diese Bemerkung bezieht sich auf die zunehmenden Bemühungen, Erinnerungen von Holocaust-Überlebenden festzuhalten – Bemühungen, die zu einem Zeitpunkt einsetzten, als die heterogene Gruppe der Mitlebenden allmählich verstarb. Die Bemerkung leitet ein Buch ein, dessen Ziel es ist, die Entwicklung der Holocaust Oral History nachzuzeichnen und das Wechselverhältnis von Zeitzeugeninterviews und Erinnerungskultur zu diskutieren.
Transcript – Verlag für Kommunikation, Kultur und soziale Praxis, Bielefeld 2016
rezensiert von Ulrich Schnakenberg (28.07.2016), redaktionell betreut durch Jörg Neuheiser
Mit ihrer zwischen Kunst-, Kommunikations-, Mentalitäts- und Geschlechtergeschichte angesiedelten Untersuchung des Frauen„bildes“ im französischen Plakat bewegt sich Martins Karlsruher Dissertation im interdisziplinären „no-man’s land“ – ein bekanntes Problem der Bild-, Plakat- und Karikaturforschung. Intention der Verfasserin, wissenschaftliche Volontärin an der Landesgalerie des Landesmuseums Hannover, ist es, Werbeplakate als fiktionale Bilder zu dekonstruieren, diese „pseudowissenschaftliche[n] Theorien über vermeintlich naturgegebene Charakteristika des weiblichen Wesens“ gegenüberzustellen und schließlich beides mit der „historischen Lebensrealität von Frauen Ende des 19. Jahrhunderts“ zu vergleichen (S. 17).