„Guten Tag, ich bin der Klassenfeind“
Foto-Bestand von Klaus Mehner bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Ministerium für Staatssicherheit vom Trockenboden eines Hochhauses – Wolf Biermann bei einem Privatkonzert vor Journalisten – Abwicklung des Freikaufs von politischen Gefangenen – Friedliche Proteste 1989 am Alexanderplatz: Motive, die Klaus Mehner zwischen 1973 und 1989 in der ehemaligen DDR vor die Linse kamen und die seit 2003 bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur archiviert sind. Er war 16 Jahre als akkreditierter Fotojournalist für das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ in der DDR tätig.
Klaus Mehner (1941-2016) begann seine berufliche Karriere mit einem Volontariat bei der Agentur Keystone in Köln, nachdem er fünf Jahre freiwillig Wehrdienst bei einer norddeutschen Panzereinheit leistete. Erste Fotos aus Ost-Berlin und von der studentischen Revolte ab 1967 verhalfen dem damals freiberuflichen Fotojournalisten zum Durchbruch. Er gründete seine eigene Fotoagentur „Klaus Mehner“, die 2000 in die Internetdatenbank BerlinPressServices.de mündete. Ab 1973 war Mehner – bis auf zwei „Rauswürfe“ – als sogenannter Reisekorrespondent des „Spiegel“ in der DDR akkreditiert. Warum gerade die DDR als Arbeitsort? Nach eigener Aussage interessierte sich Mehner für die optischen Unterschiede zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Und, weil er überzeugt war, dass Bilder einen entscheidenden Vorteil haben: „Fotos kann man nicht dementieren […].“
Spätestens nach seinem berühmten Foto vom Ministerium für Staatssicherheit von 1974, das in der gesamten Bundesrepublik erschienen war, war Mehner im Visier der Stasi. Unter dem Namen „Wurm“ wurde eine Akte angelegt; starke Einschränkungen bei der Visumsvergabe durch die Abteilung Journalistische Beziehungen bzw. die Abteilung Agitation und Propaganda im SED-Politbüro machten seine Arbeit teilweise fast unmöglich: ein ewiges Katz- und Maus-Spiel, wie Mehner es formulierte. Nach einer gewissen Zeit entwickele man einen sicheren Blick dafür, wie viele MfS-Angehörige je nach Situation hinter einem her seien. Mit etwas Kreativität könne man, so Klaus Mehner, jedoch hin und wieder einen Treffer landen. Zum Beispiel lasse sich ein westlicher Staatsbesuch dazu nutzen, hinter die Fassaden des ausgewählten Vorzeigebetriebs zu schauen: Im Gefolge der Politprominenz im Zuge einer Führung durch den Betrieb „verloren gegangen“, ergäben sich hin und wieder interessante Gespräche mit der Belegschaft. Der Einstieg ins Gespräch? „Guten Tag, ich bin der Klassenfeind“.
Im September 2016 verstarb Klaus Mehner. Seit 2003 hat die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ca. 800.000 Fotonegative von Klaus Mehner in ihre Sammlung aufgenommen. Die Bilder zeigen die Bandbreite der westlichen Bildberichterstattung über den ostdeutschen Staat. Von allgemeinen Lebensumständen, Fotos der innerdeutschen Grenze, über politische Praxis bis hin zu Opposition und Demonstrationen – die Verfügbarmachung dieses Bestandes durch die Bundesstiftung Aufarbeitung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem tieferen Verständnis der visuellen Kultur der DDR.
_______________________________________________________________________________________________________
Der Bestand bei der Bundesstiftung Aufarbeitung
Klaus Mehner im Interview mit Karl-Heinz Baum
Impulse im Gespräch mit Klaus Mehner
Georgios Chatzoudis, Die DDR in den Augen von Klaus Mehner – Eine Foto-Galerie, L.I.S.A. 19.2.2010