Externalisierung, Othering, Rassismus

Fallstricke im (visuellen) Kampf gegen Antisemitismus

Plakat der Tagung „An End to Antisemitism!“, Universität Wien, 18.-22. Februar 2018 ©

Dieser Text handelt nicht von antisemitischen Bildern, sondern von Bildern, die im Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt werden.[1] Genauer gesagt, geht es um das Plakat der internationalen Tagung „An End to Antisemitism“, die vom 18. bis zum 22. Februar 2018 in Wien stattfand.[2] Auf diesem Plakat ist eine Grafik zu sehen, die das Sündenbock-Motiv visualisiert und somit die Funktions- und Wirkungsweise von Antisemitismus kritisch zu veranschaulichen versucht.

Wie in diesem Beitrag gezeigt werden soll, schwingt in der Art und Weise der Visualisierung eine problematische Zuschreibung hinsichtlich des Täter*innen-Profils mit. Bei dieser Zuschreibung handelt es sich um die visuelle Entsprechung einer spezifischen Externalisierungsdynamik, die die gegenwärtige Debatte über Antisemitismus bisweilen kennzeichnet und den Effekt hat, dass Antisemitismus (und Sexismus) zunehmend als Problem von Anderen – meist handelt es sich um Muslim*innen oder als Muslim*innen Markierte bzw. allgemein um Migrant*innen – identifiziert wird.[3] In diesem Sinne lässt sich das Tagungsplakat als Symptom für den Vorgang des Othering im Rahmen von antisemitismuskritischen Diskussionen verstehen. Zumindest deutet es auf einen Mangel an Sensibilität gegenüber den rassistischen Implikationen dieser Diskussionen hin. So oder so zeugt es von der Notwendigkeit, antisemitismuskritische und rassismuskritische Perspektiven stärker aufeinander zu beziehen und miteinander zu verbinden.

Ich selbst habe nicht an der Tagung teilgenommen. Anhand von Fotos und Videoaufnahmen ist allerdings zu erkennen, dass das Plakat während der vier Konferenztage offenbar stets präsent war, und zwar als visuelles Element auf verschiedenen Podien.[4] Diese Präsenz erweckt den Eindruck, als ob die visuelle Form des Othering sowie der korrespondierende Vorgang der Externalisierung die Tagungsbeiträge und -diskussionen quasi gerahmt hätten.

 

Sündenbock-Motiv(e)

Das Tagungsplakat zeigt in der Bildmitte einen weißen Ziegenbock, auf dem mit schwarzen Buchstaben „THEM“ steht. Von den Rändern kommen neun schwarze Arme und Hände ins Bild. Die Zeigefinger und Daumen sind abgespreizt, die Zeigefinger zeigen auf den Bock. Der Bock ist gewissermaßen eingekreist von den auf ihn zeigenden Fingern/Händen. Auf ihn (bzw. sie – „THEM“) wird von allen Seiten gezeigt; er/sie wird/werden verantwortlich gemacht und angeklagt. Das heißt, das Plakat veranschaulicht gerade nicht das „Ende des Antisemitismus“ – so der über der Grafik platzierte Tagungstitel  –, sondern eine soziale Praxis der Ausgrenzung und Stigmatisierung.

In der Forschung zum Antisemitismus nimmt die Sündenbock-Theorie eine zwar umstrittene, aber dennoch prominente Stellung ein.[5] Insofern verwundert es nicht, dass sie sich offenbar in besonderer Weise für den Versuch anbietet, die Funktions- und Wirkungsweise von Antisemitismus grafisch darzustellen, zumal die dieser Theorie zugrundeliegende gruppendynamische Konstellation durchaus eingängig ist und die entsprechende sozialpsychologische Rahmung leicht vermittelbar zu sein scheint.[6]

An dieser Stelle sei auf ein weiteres Plakat mit grafischer Umsetzung des Sündenbock-Motivs verwiesen. Auch hier handelt es sich um die Ankündigung zu einer wissenschaftlichen Veranstaltung, die am 5. Juli 2018 in Greifswald stattfand.

Plakat der Veranstaltung zur Buchpräsentation: „Medieval Roots and Modern Branches: Antisemitism“, Universität Greifswald, 5. Juli 2018 ©

Trotz der strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Grafiken, die vor allem aus der Visualisierung des Sündenbock-Motivs resultieren, fallen doch auch markante Unterschiede auf. Dies betrifft zum einen die Farbe und Standrichtung des Bocks, der hier pink und nicht weiß ist und im Verhältnis zum Bock auf dem anderen Plakat spiegelverkehrt steht. Zum anderen variiert der Bildhintergrund: Im Gegensatz zur grauen Fläche auf dem Wiener Plakat sind auf dem Greifswalder Plakat links eine Kirche und rechts Wolkenkratzer zu erkennen, die den „Medieval Roots and Modern Branches“ (so der Veranstaltungstitel) des Antisemitismus entsprechen sollen.

In der Gegenüberstellung der beiden Bildhintergründe werden jeweils spezifische Vorstellungen oder Verständnisse von Antisemitismus ableitbar. Die graue Fläche lässt sich als Indiz für Kontextlosigkeit verstehen, wodurch sich der Anschein ergibt, als ob es sich beim Antisemitismus um ein gewissermaßen metaphysisches Phänomen handeln würde, das Zeit und Raum enthoben ist. Die Kirche als Symbol des religiösen Antijudaismus und die Wolkenkratzer als Topos im modernen Antisemitismus (Ostküste, Urbanität, Börse etc.) wiederum lassen den Versuch erkennen, Antisemitismus historisch-spezifisch zu kontextualisieren und entsprechend auch Wandel vorstellbar zu machen. Schließlich – und hierauf kommt es mir vor allem an – unterscheiden sich die auf den Bock zeigenden Finger/Hände/Arme. Dabei geht es weniger um die Anzahl der Finger/Hände/Arme oder die Stellung des Daumens, sondern um die Farbe, d.h. die Hautfarbe.

 

Schwarze Hände, weiße Körper

Auf beiden Plakaten wird durch den auf dem Bock angebrachten Schriftzug „THEM“ ersichtlich, dass hier Gruppendynamiken am Werk sind. Der Vorgang der Beschuldigung des Sündenbocks erweist sich folglich als Konstitutionsprozess sozialer Gruppen, der gleichermaßen exkludierende wie inkludierende Effekte hat. Zwar wird die Gruppe der Ausschließenden hier nicht eigens mit einem Schriftzug gekennzeichnet, das „THEM“ als Markierung der Gruppe der Ausgeschlossenen legt aber nahe, dass auch die Bildung einer Wir-Gruppe Teil der Dynamik ist, zumal ja mehrere Hände/Finger auf den Bock zeigen. Doch um welche Gruppen genau handelt es sich?

Im Falle des Bocks als Versinnbildlichung der ausgeschlossenen oder beschuldigten Gruppe ist die Sache einigermaßen klar, trotz der unterschiedlichen Farbgebung (pink vs. weiß). Auf beiden Plakaten geht es um Antisemitismus, dient das Sündenbock-Motiv zur analytischen Erklärung des Prozesses antisemitischer Ausgrenzung. Es sind demnach Juden und Jüdinnen, die die „Sie-Gruppe“ („THEM“) bilden bzw. die als solche konstituiert werden.

Die zeigenden Finger/Hände als Symbol für die ausschließende Gruppe hingegen lassen mehrere Deutungen zu: Im Greifswalder Fall sind es weiße Hände, die auf den (rosafarbenen) Bock zeigen. Zudem sind die Hände nicht losgelöst von Raum und Zeit, sondern sie agieren vor dem kontextualisierenden Bildhintergrund. Damit wird durch die ausschließende Wir-Gruppe zum einen auf die Geschichte religiöser (genauer: christlicher) Feindschaft gegenüber Juden und Jüdinnen verwiesen und zum anderen auf den nicht näher spezifizierten Zusammenhang einer antisemitisch grundierten Moderne-Kritik, die sich – in den Worten von Shulamit Volkov – als „kultureller Code“ verstehen lässt.[7]

Im Wiener Fall wiederum sind es schwarze Arme/Hände/Finger, die auf einen weißen Bock zeigen. Durch diese Farbgebung wird die Gruppe der Ausschließenden auf spezifische Weise markiert – entsprechend findet doch eine Kontextualisierung statt, die sich aus dieser Form der Markierung ergibt. Das „THEM“ bildet nicht einfach einen Gegensatz zu einem allgemeinen „Wir“. Vielmehr wird – zumindest aus dominanzkultureller Perspektive – eine zweite „Sie-Gruppe“ sichtbar, die allerdings als Täter*innen-Gruppe in Erscheinung tritt.[8] Die Dynamik von In- und Exklusion sowie der Vorgang der Beschuldigung vollziehen sich in diesem Bild also zwischen zwei nicht-hegemonialen Gruppen.

Auf Nachfrage haben die Organisator*innen der Wiener Tagung freundlicherweise mitgeteilt, dass die Grafik nicht von ihnen selbst stammt und  aufgrund der anschaulichen Verbildlichung des Sündenbock-Motivs ausgewählt wurde – hierauf komme ich noch zurück. Zudem haben sie die Vermutung geäußert, dass die Entscheidung für die Farben Schwarz (ausschließende Gruppe) und Weiß (ausgeschlossene Gruppe) insofern gestalterisch motiviert gewesen sein könnte, als hier der bestmögliche Kontrast sichtbar würde.

Auch wenn diese Vermutung durchaus nahe liegt, stellt sich das Problem, dass das meist mit ästhetischen Kategorien wie dem Schönen und dem Hässlichen aufgeladene „Schwarz-weiß-Spiel“ – um einen Ausdruck von Paul Mecheril und Monica van der Haagen-Wulff zu entlehnen – durchaus eine Geschichte hat, und zwar im Rahmen der Ikonografie des Rassismus.[9] Zudem hat dieses Spiel erst kürzlich medienwirksam Bedeutung entfaltet, wobei u.a. auch schwarze Hände im Fokus der Aufmerksamkeit standen.

Cover: „Focus“, 8. Januar 2016 ©

Im Kontext der medialen Aufbereitung der Geschehnisse in der Kölner Silvesternacht 2015/16 erschien am 8. Januar 2016 eine Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Focus“, wobei insbesondere das Titelblatt heftige Diskussionen auslöste.[10] Anders als das Tagungsplakat bringt das „Focus“-Cover mit Sexualität und Geschlecht gänzlich neue Dimensionen ins Spiel. Hier geht es nicht um die Visualisierung des Sündenbock-Phänomens. Vielmehr steht der Schutz des weißen nackten Frauenkörpers zur Diskussion, der – die Titelzeile expliziert es, die schwarzen Hände bzw. Handabdrücke symbolisieren es – von (männlichen) Migranten sexuell bedroht wird. Die auf dem Körper platzierten schwarzen Handabdrücke erscheinen wie schmutzige Spuren, die von der Verletzung oder Besudelung des weißen Körpers zeugen. Die gruppenkonstituierende Dynamik von Ein- und Ausschluss wird vor allem anhand der Bildbeschriftungen ersichtlich. Indem das „Wir“ den „Migranten“ gegenübergestellt wird, erweist es sich als weißes „Wir“, auch wenn es nicht explizit als solches markiert wird.

Gewiss ließe sich noch mehr über das „Focus“-Cover sagen, auch über die Spezifik der Ikonografie, die hier aufgerufen wird und die über das Tagungsplakat hinausweist.[11] Doch kommt es mir vor allem auf Überschneidungen und strukturelle Gemeinsamkeiten an. Auf einer basalen Ebene ließe sich sagen, dass sowohl das „Focus“-Cover als auch das Tagungsplakat mit dem „Schwarz-weiß-Spiel“ operieren. Während durch die schwarzen Handabdrücke auf weißem Frauenkörper und die entsprechenden Bildbeschriftungen soziale Gruppen als weiß und schwarz markiert werden, fällt die Zuordnung beim Tagungsplakat weniger leicht. Das „Schwarz-weiß-Spiel“ entsteht hier durch den Gegensatz zwischen schwarzen Armen und Händen und weißem (Sünden-)Bock.

Aber wer genau sind die Spieler*innen? Die schwarzen Arme und Hände bleiben – im Vergleich zur Bildbeschriftung auf dem „Focus“-Cover – abstrakt und werden nicht weiter spezifiziert. Der (Sünden-)Bock wiederum wird zwar durch den Kontext (Tagung über Antisemitismus) spezifiziert und steht für die ausgeschlossene oder beschuldigte Gruppe der Juden und Jüdinnen; heißt das aber automatisch, dass diese Gruppe als weiß markiert ist?[12] Im Gegensatz zum „Focus“-Cover, wo das „Wir“ der Bildbeschriftung sowie der Frauenkörper eindeutig auf eine dominante und hegemoniale Position der weißen Norm verweisen, zeichnet sich der Sündenbock auf dem Tagungsplakat gerade dadurch aus, dass er als „THEM“ markiert ist. Das „Schwarz-weiß-Spiel“‘ erweist sich somit als gebrochen, da die weiße Position nicht der Norm entspricht und vor allem Fragen aufwirft.

Deutlich wird, dass sich das „Schwarz-weiß-Spiel“ zwar als Gemeinsamkeit von „Focus“-Cover und Tagungsplakat ausmachen lässt, dass es sich aber gleichzeitig innerhalb jeweils spezifischer Koordinaten bewegt und entsprechend auf unterschiedliche Spielregeln verweist. Gleichwohl zeichnen sich in beiden Fällen verwandte bzw. strukturanaloge Vorgänge der Externalisierung ab. Auf dem „Focus“-Cover wähnt sich das weiße „Wir“ von Migranten bedroht. Das strukturelle Problem des Sexismus wird ausgelagert, indem weiße Frauen die „Sex-Attacken von Migranten“ anklagen. In ähnlicher Weise ließe sich mit Blick auf das Tagungsplakat sagen, dass hier das strukturelle Problem des Antisemitismus auf nicht näher spezifizierte Andere ausgelagert wird, symbolisiert durch die schwarzen Arme und Hände.

 

Motivwanderungen und Bedeutungswandel

Wie bereits erwähnt, wurde ich von den Organisator*innen der Wiener Tagung darauf hingewiesen, dass die Sündenbock-Grafik auf dem Plakat nicht eigens hergestellt, sondern gewissermaßen übernommen wurde. Freundlicherweise wurde mir auch die Quelle mitgeteilt. Es handelt sich um ein Video der „Chicago Booth Review“, ein regelmäßig erscheinendes Nachrichtenmagazin der University of Chicago Booth School of Business, das auch einen YouTube-Kanal betreibt.[13]

Das ca. vierminütige Video mit dem Titel How anti-Semitism costs the economy lässt sich – gemäß der Ästhetik der Filme des YouTube-Kanals – als eine populär aufbereitete Einführung in die Geschichte und Ideenwelt des Antisemitismus verstehen. Gegen Ende des Films (ca. bei Minute 3:30) ist die Grafik zu sehen, wenn auch nur für einige Sekunden. Interessanterweise stellt der Moment, in dem die Grafik eingeblendet wird, einen dramaturgischen Wendepunkt dar. Denn von nun an wird vom spezifischen Phänomen Antisemitismus abstrahiert und allgemein über Ausgrenzung und Diskriminierung gesprochen. Die Stimme aus dem Off sagt, während die Grafik zu sehen ist: „Of course, Jews are not the only group, that people have blamed for societies woes. Todays rhetoric is a good example of that.“[14] Und während der Sprecher diese Sätze spricht, erscheinen blaue Balken mit verschiedenen Begriffen auf der Grafik: „muslims, blacks, mexicans, gays, jews, syrians, conservatives.“ Die Grafik wird in dem Film also in dem Moment eingesetzt, wo es um strukturelle Analogien zwischen verschiedenen Formen von Ausgrenzung geht. Entsprechend verlieren sich die skizzierten Konnotationen des „Schwarz-weiß-Spiels“, und die Farbgebung lässt sich tatsächlich als gestalterisches Mittel verstehen, mit dem Ziel, einen bestmöglichen Kontrast herzustellen, um gewissermaßen übergeordnete und abstrakte gesellschaftliche bzw. gruppendynamische Ausschluss-Mechanismen zu visualisieren, von denen jeweils spezifische Gruppen betroffen sein können.

Chicago Booth Review ©: „How anti-Semitism costs the economy“, in: YouTube, 17.03.2016,  (Abruf: 24.05.2019)

Die Frage, ob und inwiefern ein solch schematischer Erklärungsansatz Sinn macht, der nicht nur Rassismus, Antisemitismus und Homophobie mehr oder weniger in eins setzt, sondern auch das Phänomen des – wenn man so will – Anti-Konservatismus als gleichartig und gleichwertig adressiert, soll hier nicht weiter interessieren. Vielmehr geht es mir um den Umstand, dass die Grafik im Rahmen der Veröffentlichung der „Chicago Booth Review“ anders eingeführt und gerahmt wird. Es besteht ein markanter Unterschied zwischen ihren jeweiligen Verwendungen: Im Film dient das Motiv dazu, allgemeine Prozesse der In- und Exklusion zu veranschaulichen. Die Farbgebung fungiert als Mittel der Kontrastierung.

Auf dem Plakat wiederum dient die Grafik als eine Art Filmstill der kritischen Veranschaulichung des Antisemitismus – hier fehlen die blauen Balken, die andere Gruppen ins Spiel bringen. Zudem gibt der Tagungstitel „An End to Antisemitism“ eine eindeutige Lesart vor. Angesichts der Verfasstheit gegenwärtiger Debatten über Antisemitismus, die häufig von Externalisierungsdynamiken gekennzeichnet sind, lässt sich die Farbgebung nicht einfach auf die Funktion der Kontrastierung reduzieren. Denn sie konnotiert auch eine Zuschreibung im Hinblick auf Täter*innenschaft. Das „Schwarz-weiß-Spiel“ wird virulent. Die schwarzen Hände indizieren die Anwesenheit von Anderen, die das Problem des Antisemitismus in erster Linie zu verantworten haben.

 

Schluss

Es mag sein, dass meine Lesart des Tagungsplakats stark von einem gleichsam deutschen Blick geprägt ist, dass ich also von der Situation in Deutschland ausgehe und dass sich die Situation in Österreich möglicherweise anders darstellt. Ich weiß nicht, ob und auf welche Weise zum Beispiel das Bild auf dem „Focus“-Cover in Österreich rezipiert wurde. Mir geht es auch nicht um eine moralische Anklage oder Verurteilung der Organisator*innen der Tagung „An End to Antisemitism“. Vielmehr ist mein Anliegen, für eine gleichermaßen antisemitismus- wie rassismuskritische Perspektive zu plädieren, zumal in einer Zeit, in der das Thema Migration zu einem zentralen Kampfschauplatz einer globalen Revolte von rechts avanciert, was nicht zuletzt den Effekt hat, dass Antisemitismus (wie auch Sexismus oder soziale Ungerechtigkeit) zunehmend als durch Migration verursachtes Problem adressiert wird. Wünschenswert wäre also ein Bewusstsein für eine (selbst)kritische Reflexion über die Abgründe und Fallstricke gegenwärtiger Diskursdynamiken. Andernfalls wird man sich den Vorwurf der Ignoranz gefallen lassen müssen.

 

 

[1] Für Kommentare, Anregungen und Informationen danke ich Lilly Axster, Dörte Lerp, Paul Mecheril, Johanna Schaffer, Friederike Schmidt.

[2] Vgl. https://anendtoantisemitism.univie.ac.at/ (Abruf: 24.05.2019).

[3] Vgl. Sina Arnold/Jana König, „Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, in: Mediendienst Integration, https://mediendienst-integration.de/artikel/antisemitismus-unter-gefluechteten.html (Abruf: 24.05.2019); Saba-Nur Cheema, Gleichzeitigkeiten: Antimuslimischer Rassismus und islamisierter Antisemitismus – Anforderungen an die Bildungsarbeit, in: Meron Mendel/Astrid Messerschmidt (Hg.), Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft, Frankfurt a.M./New York 2017, S. 61-76; David Feldman, Antisemitismus und Immigration im heutigen Westeuropa. Gibt es einen Zusammenhang? Ergebnisse und Empfehlungen einer Studie aus fünf Ländern, Berlin/London 2018, https://www.stiftung-evz.de/fileadmin/user_upload/EVZ_Uploads/Handlungsfelder/Handeln_fuer_Menschenrechte/Antisemitismus_und_Antiziganismus/BBK-J5998-Pears-Institute-Reports-GERMAN-FINAL-REPORT-180410-WEB.pdf (Abruf: 24.05.2019); Ozan Zakariya Keskinkilic, Antimuslimischer Rassismus: Figuren, Funktionen und Beziehungen zum Antisemitismus, https://heimatkunde.boell.de/2016/11/24/antimuslimischer-rassismus-figuren-funktionen-und-beziehungen-zum-antisemitismus (Abruf: 24.05.2019); Wolfram Stender, Identitätszwang und Judenhass: zur Gegenwart des Antisemitismus, in: Psychologie und Gesellschaftskritik 36/37 (2013), S. 85-99, https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/56574/ssoar-psychges-2013-4/1-stender-Identitatszwang_und_Judenhass_zur_Gegenwart.pdf?sequence=1 (Abruf: 24.05.2019); Yasemin Shooman, (Anti-)Sexismus und Instrumentalisierung feministischer Diskurse im antimuslimischen Rassismus, in: MBR/apabiz (Hg.), Berliner Zustände 2010. Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Antifeminismus, Berlin 2010, S. 32-37, https://rechtsaussen.berlin/2011/05/anti-sexismus-und-instrumentalisierung-feministischer-diskurse-im-antimuslimischen-rassismus/ (Abruf: 24.05.2019).

[4] Zahlreiche Vorträge und Diskussionen können anhand von PDF’s oder Videoclips nachvollzogen werden, siehe https://anendtoantisemitism.univie.ac.at/ (Abruf: 24.05.2019).

[5] In dem kanonischen Kapitel Elemente des Antisemitismus aus der „Dialektik der Aufklärung“ konstatieren Horkheimer/Adorno: „Darum schreit man: haltet den Dieb! und zeigt auf den Juden. Er ist in der Tat der Sündenbock, nicht bloß für einzelne Manöver und Machinationen, sondern in dem umfassenden Sinn, daß ihm das ökonomische Unrecht der ganzen Klasse aufgebürdet wird.“ Max Horkheimer/Theodor W. Adorno, Elemente des Antisemitismus, in: dies., Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a.M. 1994, S. 177-217, hier S. 183. Moishe Postone wiederum, der den Versuch einer kritischen Theorie des Antisemitismus fortentwickelt, wendet in seinem ebenso kanonischen Text „Nationalsozialismus und Antisemitismus“ ein: „Bestimmte Aspekte der Ausrottung des europäischen Judentums bleiben so lange unerklärlich, wie der Antisemitismus als bloßes Beispiel für Vorurteil, Fremdenhaß und Rassismus allgemein behandelt wird, als Beispiel für Sündenbock-Strategien, deren Opfer auch sehr gut Mitglieder irgendeiner anderen Gruppe hätten gewesen sein können.“ Moishe Postone, Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein theoretischer Versuch, in: Dan Diner (Hg.), Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a.M. 1988, S. 242-254, S. 243.

[6] Auf Wikipedia: Eintrag „Sündenbock“ heißt es diesbezüglich: „Sind Menschen frustriert oder unglücklich, richten sie ihre Aggression oft auf Personen oder Gruppen, die unbeliebt, leicht identifizierbar und machtlos sind.“ (Abruf: 24.05.2019).

[7] Shulamit Volkov, Antisemitismus als kultureller Code. Zehn Essays, München 2000.

[8] Vgl. Birgit Rommelspacher, Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht, Berlin 1995.

[9] Paul Mecheril/Monica van der Haagen-Wulff, Bedroht, angstvoll, wütend. Affektlogik der Migrationsgesellschaft, in: ders./María do Mar Castro Varela (Hg.), Die Dämonisierung des Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart, Bielefeld 2016, S. 119-141, hier S. 122. Allgemein zur Ästhetik des Schwarz-Weiß-Gegensatzes siehe Jana Husmann, Schwarz-Weiß-Symbolik. Dualistische Denktraditionen und die Imagination von „Rasse“. Religion – Wissenschaft – Anthroposophie, Bielefeld 2010.

[10] Vgl. z.B. Mecheril/Haagen-Wulff, Bedroht, angstvoll, wütend; Anna Böcker/Lalon Sander, Titel der Schande, in: taz, 9.1.2016, (Abruf: 24.05.2019); Gabriele Dietze, Das „Ereignis Köln“, in: Femina Politica 1 (2016), S. 93-102, https://budrich-journals.de/index.php/feminapolitica/article/view/23602/20617 (Abruf: 24.05.2019).

[11] Vgl. Nils Pickert, Kleine Bildgeschichte des Rassismus, in: pinkstinks, 07.03.2016, https://pinkstinks.de/kleine-bildgeschichte-des-rassismus-2/ (Abruf: 24.05.2019); Alan Posener, Die Angst des weißen Mannes, in: Welt, 11.01.2016,  (Abruf: 24.05.2019). Im Übrigen druckte auch die „Süddeutsche Zeitung“ am 9. Januar 2016 in der Wochenendausgabe eine umstrittene Grafik mit schwarzen Händen und weißem Frauenkörper.

[12] Vgl. Sander L. Gilman, Are Jews White? Or, the History of the Nose Job, in: Les Back/John Solomos (Hg.), Theories of Race and Racism. A Reader, New York 2009, S. 229-237.

[13] Die „Chicago Booth Review“ ist auch ein Onlineportal, http://review.chicagobooth.edu/ (Abruf: 24.05.2019). Zu dem Video gibt es auch einen Text: http://review.chicagobooth.edu/magazine/spring-2016/why-intolerance-is-bad-for-business (Abruf: 24.05.2019). Auch auf anderen Seiten im Netz wurde die Grafik aufgenommen: Siehe zum Beispiel unter: https://www.tes.com/en-ie/teaching-resource/the-history-of-anti-semitism-holocaust-unit-12006332; https://www.taringa.net/+info/por-que-el-mundo-odia-a-los-judios-derribando-teorias_1jygl6 (Abruf: 24.05.2019).

[14] Chicago Booth Review: „How anti-Semitism costs the economy“, in: YouTube, 17.03.2016 (Abruf: 24.05.2019).

 

 

Dieser Artikel ist Teil des Themendossiers „Antisemitische Bilder – Herstellung, Gebrauch, Effekte“, hg. von Isabel Enzenbach

Themendossier: Antisemitische Bilder – Herstellung, Gebrauch, Effekte

 

Zitation


Felix Axster, Externalisierung, Othering, Rassismus. Fallstricke im (visuellen) Kampf gegen Antisemitismus, in: Visual History, 10.06.2019, https://www.visual-history.de/2019/06/10/externalisierung-othering-rassismus/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1379
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