„LINDENHOTEL“ – Fotografien von Manfred Paul
Eine Ausstellung im Kunsthaus sans titre in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße
1990 erhält der Fotograf Manfred Paul den Auftrag, die gerade verlassenen Innenräume der damaligen Stasi-Haftanstalt und heutigen Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam zu fotografieren. Bis zum 17. Juli werden die atmosphärischen Schwarz-Weiß-Fotos des bedeutenden Vertreters ostdeutscher Fotografie erstmals öffentlich im Kunsthaus sans titre gezeigt.
„Lindenhotel“ – so wird im Zuge der Friedlichen Revolution der Haft- und Gerichtsort für politisch Verfolgte in der Potsdamer Lindenstraße im Volksmund genannt. 1989 wird die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit geschlossen und an die Stadtzurückgegeben. Die Innenräume bleiben für kurze Zeit so bestehen, wie sie zurückgelassen wurden. 1990 erhält der Fotograf Manfred Paul den Auftrag, diesen Zustand für die Ausstellung „Im Namen des Volkes? – Über die Justiz im Staat der SED“ fotografisch zu dokumentieren.
Im „Lindenhotel“: Eine visuelle Sprache für die Stille der Dinge finden
Trotz sachlicher Vorbereitung auf das Thema ist der Fotograf nicht auf das eingestellt, was ihn in der Lindenstraße erwartet. Die vor Verlassen der kargen Zellen sorgfältig zusammengelegte Wäsche, die ordentlich vor die Pritsche gestellten Hausschuhe – es sind die stummen Zeugen menschlichen Lebens an einem lebensfeindlichen Ort, welche Manfred Paul zutiefst bewegen. Er lässt sich Zeit, mit seiner Kamera festzuhalten, was er sieht, bis es ihm gelingt, eine visuelle Sprache zu finden, welche die Spuren des Geschehens assoziieren kann. Es sind die zurückgelassenen Dinge, in deren Stille sich eine eigene Wirklichkeit verbirgt. In dem Moment der Betrachtung, im Augenblick, erreichen diese „Stillleben“ eine besondere Tiefe, die Paul in seine Bilder transportiert – sei es durch ungewöhnliche Blickwinkel oder das zunächst nicht Offensichtliche, das durch längeres Betrachten entdeckt werden will.
Von der persönlichen poetischen Erfahrung zur öffentlichen Ausstellung
Lange Zeit sind die in der Lindenstraße entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos für Manfred Paul in erster Linie eine persönliche poetische Erfahrung. Er zögert, sie öffentlich zu zeigen. Jetzt sind sie erstmals im Kunsthaus sans titre zu sehen, kuratiert von Mikos Meininger, der 2021 auf dem Luisenplatz in Potsdam ein „Denkmal für die Potsdamer Demokratiebewegung im Herbst 1989″ geschaffen hat. Sein Atelier findet sich im Kunsthaus sans titre, zu dessen Gründern er gehört.
Manfred Paul
Manfred Paul wurde 1942 in Schraplau bei Halle geboren, studierte Fotografie an der HGB in Leipzig und Kamera an der HFF in Potsdam-Babelsberg. Von 1974 bis 1994 war er Dozent für Fotografie an der FWG Berlin, von 1995 bis 2007 Professor für Fotografie und audiovisuelle Medien an der FHTW Berlin. Seit 1968 lebt er in Berlin. Pauls Werke befinden sich unter anderem in den Sammlungen der Berlinische Galerie, des Kupferstich-Kabinetts Dresden, des MOMA New York sowie in privaten und öffentlichen Sammlungen. Paul gilt als wichtiger Vertreter der Autorenfotografie in der DDR. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten liegt in der Beschäftigung mit der existenziellen Frage des menschlichen Seins sowie in dem Thema der Vergänglichkeit.
Website des Künstlers: www.manfred-paul.de
SAVE THE DATE: Sonntag, 17. Juli, 17 Uhr, Kunsthaus sans titre: Finissage mit Zeitzeugengespräch „Haft und Erinnerung“
Die Leiterin der Gedenkstätte Lindenstraße, Maria Schultz, und der Historiker Peter Ulrich Weiß sprechen mit dem ehemaligen Häftling Bernd Richter über die extremen Haftbedingungen im „Lindenhotel“ und den unerwarteten Wandel des Hauses nach 1989. Eintritt frei.
Ausstellung „LINDENHOTEL“ – Fotografien von Manfred Paul
5. Juni bis 17. Juli 2022
Kunsthaus sans titre
Französische Straße 18
14467 Potsdam
sans-titre.de
instagram.com/kh_sans_titre
facebook.com/khsanstitre
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag 14 – 18 Uhr
Eintritt frei
Anfahrt:
Tram 91 und 92
Platz der Einheit/Bildungsforum
oder Platz der Einheit/West
Pressekontakt
Kunsthaus sans titre
Andrea Lütkewitz
Tel. 01520 437 00 30
a.luetkewitz@yahoo.de