Sicherheit, Krieg und Frieden in der Sowjetunion und Russland
Das Projekt untersucht, wie sich die sowjetischen und russländischen Sicherheitsbegriffe verändert und entwickelt haben. Sicherheit wird an der Schnittstelle zwischen Krieg und Frieden lokalisiert, sodass deren Darstellung, besonders in visuellen Medien, in den Mittelpunkt des Projekts rückt. Die Untersuchung strukturiert sich um Schlüsselereignisse des spätsozialistischen Zeitraums in der Sowjetunion und des gegenwärtigen Russlands. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, gerade im Hinblick auf den Sicherheitsbegriff und visuelle Strategien, machen eine vergleichende Analyse der beiden Zeiträume besonders spannend. Dabei werden theoretisch und methodisch verschiedene Ansätze miteinander verbunden. Theoretisch werden Diskurstheorie, Securitization-Theorem und bildwissenschaftliche Ansätze kombiniert. Methodisch werden vor allem visuelle Medien untersucht. Einen wichtigen Schwerpunkt bilden offizielle pressefotografische Bilder, aber auch Filme, Plakate, die private Praxis des Fotografischen sowie Zeitzeugen finden vertiefende Berücksichtigung.
Entsprechend den inhaltlichen Zielen gliedert sich das Vorhaben in zwei Subprojekte: Im Zentrum des ersten Teilprojekts steht die bislang noch wenig erforschte Brežnev-Ära. Der untersuchte Zeitraum (1968-1982) sticht hervor als eine Epoche der Widersprüche mit Blick auf die Darstellung von Krieg und Frieden: Das offizielle Bild der Sowjetunion als Friedensmacht spiegelte sich zwar zunächst in der Détente wider, ließ sich aber nur schwer mit einer an der Wahrung von Einflusssphären orientierten Außenpolitik vereinbaren (explizites Beispiel des ersten Teilprojekts: der sowjetisch-afghanische Konflikt 1979-1989). Frieden und Stabilität unter Brežnev waren immer brüchig, und hinter Fassaden von Völkerfreundschaft und Internationalismus, wie besonders während der Olympischen Spiele 1980, schimmerten Unsicherheit und Krieg. Der offizielle Kanon visueller Vorstellungen der Brežnev-Ära wird um Konzepte und Eindrücke zur inneren und äußeren Sicherheit des Spätsozialismus, um Legitimationsstrategien zu Interventionen sowie um Rückkopplungen an visuelle Traditionsbestände der sowjetischen Fotografie erweitert.
Das zweite Teilprojekt richtet den Blick auf die Periode 2000-2012, die ebenfalls Stabilität und Sicherheit als politisches Leitmotiv hatte. Krieg und Frieden fanden auch in diesem Zeitraum unterschiedliche Darstellungen, die symbolisch disparate Entwicklungen verbinden mussten: So sprach die Führung unter Putin zwar von einer Befriedung Tschetscheniens, doch setzte sich der Konflikt unter neuen Vorzeichen auch in den Nachbarrepubliken fort. Verschiedene Terroranschläge in Moskau sorgten für Risse im Bild einer aufstrebenden und prosperierenden Metropole. Auch die Stabilität unter Putin war demnach zerbrechlich und nicht widerspruchsfrei. Das Projekt untersucht sicherheitsrelevante Schlüsselmomente in beiden Perioden und fragt nach der Repräsentation 1) von Krieg, 2) von Terrorismus und 3) eines prekären Friedens. Es entsteht ein bildliches Kompendium sowjetisch-russischer Sicherheit, das zum besseren Verständnis vergangener und gegenwärtiger Innen- und Außenpolitik des Landes beiträgt.