HistStadt4D – Multimodale Zugänge zu historischen Bildrepositorien

Foto: Kirsten Lassig, Sander Münster, SLUB / Deutsche Fotothek: Verbeek © mit freundlicher Genehmigung

Eine fotografische Reise durch Raum und Zeit

Die Entwicklung einer Stadt mit Hilfe alter Fotografien sichtbar zu machen ist das Ziel eines Forschungsprojekts, das in Würzburg und Dresden beheimatet ist. Kunsthistoriker und Informatiker arbeiten dabei eng zusammen und wollen untersuchen, wie umfangreiche Medienbestände, wie beispielsweise die Fotografien der Deutschen Fotothek, für eine Erforschung und Vermittlung von Stadtgeschichte besser nutzbar gemacht werden können.

Dresden vor 1907. Blick vom Turm des Fernheizwerkes über das Hotel Bellevue und die Augustusbrücke nach Osten, Foto: Hugo Engler. Quelle: Deutsche Fotothek, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Gut 1,8 Millionen Fotografien, Gemälde, Grafiken, Karten und Architekturzeichnungen lagern in den Beständen der Deutschen Fotothek und stehen in digitalisierter Form Interessenten weltweit zur Verfügung. Viele davon zeigen Stadtansichten und Gebäude von Dresden – beginnend um 1850 bis heute. Diese Bilder sollen räumlich und zeitlich verortet und für andere Interessenten nutzbar gemacht werden. Damit unterstützt das Projekt auch die Suche nach geeigneten Ansichten für einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau von Gebäuden, bei der Einordnung und Bewertung von Fotografien und bei der Aufdeckung bisher unbekannter Zusammenhänge. Weiterhin dient es als Erinnerungsspeicher für die Veränderung der urbanen Umgebung bzw. als Reflektor für ehemalige Ansichten von Gebäuden. Nicht zuletzt lassen Fotografien auch Rückschlüsse darauf zu, wie Menschen ihre Umgebung in unterschiedlichen Zeiten gesehen haben, und geben damit wichtige Hinweise zum Verständnis unserer Geschichte. Das Forschungsprojekt verbindet zwei unterschiedliche Perspektiven: eine geschichtswissenschaftliche und eine informationswissenschaftliche.

 

Der Beitrag der Informatiker

Wer heute bei der Deutschen Fotothek nach Bildern sucht, kann dies mit Hilfe der Freitextsuche in einem browserbasierten Interface tun. Ob er damit die richtigen Treffer erhält, hängt sehr von der Qualität der Metadaten ab, mit denen die Fotos verschlagwortet sind. An der mangelt es jedoch häufig – vor allem bei wenig erforschten Aufnahmen. Diese Fotos sollen nun für eine räumliche Suche aufbereitet und in einem Stadtmodell automatisch 3D-verortet werden. Dann können die Nutzer der Fotothek virtuell durch ein Modell Dresdens spazieren und sich genau die Bilder anzeigen lassen, die für ihren jeweiligen Standort im Archiv gespeichert sind. Zusätzlich soll das Modell um eine vierte Dimension – die Zeit – erweitert werden und so eine Recherche zur Entwicklung von Straßen und Gebäuden ermöglichen.

Neben der verbesserten Suchfunktion geht es in dem Forschungsprojekt auch um Vermittlung. Das Schlagwort dazu lautet: Augmented Reality, „erweiterte Realität“. Mit Hilfe einer entwickelten App können Dresden-Besucher dann beispielsweise am Zwinger ihr Tablet oder Smartphone vor das Gebäude halten. Auf dem Bildschirm erhalten sie dann Informationen über die betrachteten Ausschnitte des weltberühmten barocken Bauwerks, können historische Ansichten betrachten und entlang eines Zeitstrahls die bauliche Entwicklung über die Jahre hinweg verfolgen.

 

Der Beitrag der Kunsthistoriker

Bei der geschichtswissenschaftlichen Seite des Projekts steht die Interaktion von Architektur, Mensch und Bild im Zentrum des Interesses: Wie bewegt der Stadtraum die Menschen? Wie haben sich bestimmte Gebäude in Dresden im Laufe der Zeit verändert? Das Foto ist Ergebnis eines Verhaltens und gibt Auskunft über Stadtidentitäten. Häufig fotografierte Ansichten können das Image einer Stadt bestimmen und sogar die Entwicklung einer Stadt beeinflussen. Der Wiederaufbau der Frauenkirche zwischen 1995 und 2005 ist dafür ein gutes Beispiel: Die Sichtbarkeit der Kuppel war damals ein oft genanntes Argument. Sie sollte das Bild der Stadt wieder komplettieren. Wie oft wird ein bestimmtes Objekt fotografiert? Welcher Standort wird dabei bevorzugt? Welche Absicht steckt dahinter? Die Stadt an der Elbe bietet dafür reichlich Stoff – angefangen mit der Bautätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert über die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und den anschließenden Wiederaufbau bis hin zum erneuten Abriss und Neubau ganzer Gebäudezüge im historischen Stil an prägnanten Plätzen nach der Wende. Mit Hilfe der Fotografien aus dem Bestand der Deutschen Fotothek sollen diese Veränderungen sichtbar gemacht werden. Die entwickelten Forschungsansätze und Werkzeuge sollen zur Untersuchung vieler verschiedener stadt- und bildgeschichtlicher Fragestellungen taugen – und damit nicht zuletzt auch aufzeigen, wie digitale Technologien solche Forschungsanliegen unterstützen können.

Dresden 2. Oktober 1966: Blick auf die Baustelle an der Prager Straße, im Hintergrund ist das Neue Rathaus zu sehen. Quelle: Deutsche Fotothek  / ddrbildarchiv.de / Schönfeld © mit freundlicher Genehmigung

Nachwuchsforschergruppe

„HistStadt4D – Multimodale Zugänge zu historischen Bildrepositorien zur Unterstützung stadt- und baugeschichtlicher Forschung und Vermittlung“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der eHumanities-Initiative im Zeitraum vom August 2015 bis Juli 2020 gefördert. Es ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Technischen Universität Dresden und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Weitere Partner sind die Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek und die Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen.

Dr. Sander Münster, Medienzentrum der TU Dresden (sander.muenster@tu-dresden.de)

Dr. Florian Niebling, Lehrstuhl für Human-Computer-Interaction an der Universität Würzburg (florian.niebling@uni-wuerzburg.de)

Prof. Dr. Stefan Bürger, Institut für Kunstgeschichte, Universität Würzburg (stefan.buerger@uni-wuerzburg.de )

Nachwuchsforschergruppe HistStadt4D. Multimodale Zugänge zu historischen Bildrepositorien

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