NEUE REZENSIONEN: H-SOZ-KULT

Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung – rezensiert auf H-Soz-Kult

Abbildung des um 1850 gemalten Bildes „Der Bücherwurm“ von Carl Spitzweg aus dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain, CC0

 

 

Hildegard Frübis u.a. (Hg.): Fotografien aus den Lagern des NS-Regimes

Böhlau Verlag, Wien 2019

Rezensiert von Laura Busse, redaktionell betreut durch Ulrich Prehn

 

© Böhlau

„Bilder trotz allem“ – die programmatische Formel, die Georges Didi-Huberman 2001 im Rahmen der Ausstellung „Mémoire des Camps“ erstmals formulierte, kann als Referenz- und Ausgangspunkt des vorliegenden Sammelbandes gelten. Die Rezeption der viel zu kurz in Paris gezeigten Ausstellung hinkt(e) zwar hinter dem Echo auf die vom Hamburger Institut für Sozialforschung erarbeiteten sogenannten Wehrmachtsausstellungen (seit 1995 bzw. 2001) her, trug aber mit der Schau zahlreichen und bislang unbekannten Bildmaterials aus diversen Publikationskontexten nachhaltig (nicht nur) zur Erweiterung des Motivkanons fotografischer Repräsentationen nationalsozialistischer Konzentrationslager bei.

 

 

 

 

Eszter Kiss: Verhandelte Bilder. Sozialistische Bildwelten und die Steuerung von Fotografien in Ungarn

Wallstein Verlag, Göttingen 2018

Rezensiert von Agneta Jilek, redaktionell betreut durch Sabine Stach

 

© Wallstein

Untersuchungen zur Visual History sind inzwischen ein fester Bestandteil der historischen Forschung. Der Wallstein Verlag widmet diesem Zugang zum Visuellen seit 2016 eine eigene Reihe, in der die vorliegende Studie zur Steuerung von Fotografien im Ungarn der Ära Kádár von Eszter Kiss erschienen ist. Im Fokus stehen die Möglichkeiten und Grenzen des Zeigbaren der professionellen Fotografie im Zeitraum von der Konsolidierung des Kádár-Systems bis zu seinem Zusammenbruch 1989/90.

 

 

 

 

 

 

Kevin Kee/Timothy Compeau: Seeing the Past with Computers. Experiments with Augmented Reality and Computer Vision for History

University of Michigan Press, Ann Arbor 2019

Rezensiert von Jan Hodel, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

 

© University of Michigan Press

„Computer Vision“ bezeichnet die Technik, mit computergestützten Systemen visuelle Informationen auf ähnliche Weise wahrzunehmen und zu erkennen, wie Lebewesen dies können. Erste Versuche, Computer und damit auch Roboter „sehen“ zu lassen, reichen bis in die 1960er-Jahre zurück, als man optimistisch annahm, dass das physikalische „Sehen“ im Gegensatz zum interpretierenden Sehen und Verstehen den Computern einfach „beizubringen“ sei. Doch auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatten Computersysteme weiterhin Mühe bei Sehleistungen, die Zweijährige problemlos bewältigen, zum Beispiel alle Tiere in einem Bild zu zeigen. Andererseits sind in den letzten Jahren in den bekanntesten Bereichen der Computer Vision, der Gesichts- und der Texterkennung, aber auch in der Bewegungsverfolgung dank „Machine Learning“ erstaunliche Fortschritte erzielt worden. Nun legen Kevin Kee und Timothy Compeau ein Buch vor, das verschiedene geschichtswissenschaftliche Einsatzmöglichkeiten der Computer Vision behandelt, zu der die Herausgeber auch die Augmented Reality zählen.

 

 

 

Iwona Kurz/Renata Makarska/Schamma Schahadat/Margarete Wach (Hg.): Erweiterung des Horizonts. Fotoreportage in Polen im 20. Jahrhundert

Wallstein Verlag, Göttingen 2018

Rezensiert von Magdalena Marszałek, redaktionell betreut durch Sabine Stach

 

© Wallstein

Der vierte Band der Reihe „Visual History. Bilder und Bilderpraxen der Geschichte“ (Wallstein Verlag) widmet sich der „Fotoreportage in Polen im 20. Jahrhundert“. Ganz gewiss ist die Entscheidung der Herausgeberinnen des Sammelbands, den komplexen Gegenstand der Fotografie in ihrer historischen journalistischen Verwendung unter dem Begriff der Fotoreportage zu behandeln, kein schlechter terminologischer Kompromiss, um den vielen Facetten des fotografischen Journalismus in der Medien- und Kulturgeschichte des polnischen „kurzen 20. Jahrhunderts“ gerecht zu werden. Nicht eine spezifische ikonotextuelle Gattung steht hier also zur Debatte. Vielmehr wird das breite Feld des historischen Fotojournalismus in Polen in den Blick genommen, an dem sich vor allem eines gut studieren lässt: die Verflechtung der dokumentarischen Fotografie mit den politischen Machtverhältnissen und ideologischen Diskursen ihrer Zeit.

 

 

 

 

Nicole Wiedenmann: Revolutionsfotografie im 20. Jahrhundert. Zwischen Dokumentation, Agitation und Memoration

Herbert von Halem Verlag, Köln 2019

Rezensiert von Anne Vitten, redaktionell betreut durch Christoph Classen

 

© Herbert von Halem

Dass Fragen zu Funktionen von Bildern zu wenig Berücksichtigung in historischen Diskursanalysen fanden, obwohl sie Aussagen zu bestimmten Themen systematisch zu organisieren und zu regulieren vermögen, war Anlass für die 2011 abgehaltene Tagung „Bilder in historischen Diskursen“. In dem 2014 erschienenen Tagungsband sprach sich Silke Betscher für eine visuelle Diskursanalyse aus, die es ermöglicht, Fotografien untereinander und ohne die sie begleitenden sprachlichen Ausdrücke zu untersuchen. Die Medienwissenschaftlerin Nicole Wiedenmann verfolgt einen daran angelehnten Ansatz, indem sie Fotografien aus unterschiedlichen Kontexten auf übergreifende Bildtopoi untersucht. In ihrer Monografie äußert sie ein theoretisch-systematisches Erkenntnisinteresse und fragt nach Funktionen von Fotografien in revolutionären Kontexten.

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