CfP: Gezähnte Geschichte II

Philatelie und Postgeschichte als Teil der Geschichtswissenschaft, Erfurt 1.-4. Oktober / Deadline CfP: 31.07.2020

Briefmarken, Foto: WissensDürster, 23. August 2010. Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0

1982 stellte der ehemalige Bundespostminister Kurt Gscheidle (SPD) in seinem Porträt über die Deutsche Bundespost „In Verbindung bleiben“ fest: „Die Post ist für die meisten Menschen unersetzlich, ja, lebensnotwendig. Dennoch ist sie kein Thema, das Menschen in ihrer Freizeit beschäftigt, wenn wir einmal von einigen Liebhabern und, natürlich, von den Philatelisten absehen, die in der Tat weit über die Briefmarken hinaus an der Post interessiert sind.“

Diese Schilderung Gscheidles ließe sich auch auf das Interesse der Geschichtswissenschaft an der Institution Post, deren interner Kommunikation wie auch auf den Postverkehr mit all seinen Facetten übertragen. So ist es nicht verwunderlich, dass die weitaus häufigsten Analysen zur Postgeschichte – mit Ausnahmen – bis heute vor allem aus dem Kreis der außeruniversitären Philatelie stammen. Verschiedene Arbeitsgruppen – unter anderem des Bundes Deutscher Philatelisten e.V. (BDPh) – widmen sich den Fragen der postalischen Kommunikation. Aber auch postgeschichtlich interessierte bürgerwissenschaftliche Kreise nehmen sich diesem Thema an.

In der universitären Geschichtswissenschaft hingegen gelten sowohl Philatelie als auch Postgeschichte als eher randständige Themen. Dies ist umso erstaunlicher, als der Post in der Kommunikationsgeschichte und damit in der Gesellschaftsgeschichte eine besondere Bedeutung zukommt. Denn mit ihr hätten, so Gscheidle in seinem Porträt, fast alle Bürgerinnen und Bürger jeden Tag zu tun. Dieses hochkomplexe Konstrukt würde allerdings nur dann ins Bewusstsein rücken, wenn es oder Teile seiner vielfältigen Wechselbeziehungen nicht funktionierten. Ansonsten bestünde kein allgemeines Interesse an etwas so Alltäglichem und Selbstverständlichem.

Dass dem nicht so ist, zeigt sich an vielen ergiebigen Fragestellungen zum Thema „Philatelie und Postgeschichte als Teil der Geschichtswissenschaft“. In Bezug auf die Geschichte der Philatelie ließe sich fragen: Was macht Briefmarken und ihre Träger wie Karten oder Briefe so interessant, um diese auch zu sammeln? So käme die Geschichte der Philatelie allgemein und auch länderspezifisch in den Blick. Es ließe sich beispielsweise deren Organisation – z.B. im Kulturbund der ehemaligen DDR – oder auch die Entwicklung philatelistischer Presseorgane untersuchen. Aber auch einzelne Vereine oder die Entwicklung der Museumsstiftung Postgeschichte und Kommunikation lohnen einen Blick: In welchem Umfeld und unter welchen Fragestellungen entstanden diese Institutionen, und wie war die Einbindung in das jeweilige politische System?

Über den Bereich der Philatelie hinaus soll im Rahmen der Tagung jedoch auch die Postgeschichte als Teil der Geschichtswissenschaft und damit unter anderem die Frage der Entwicklung postalischer Infrastruktur in den Blick genommen werden. Wie änderten sich im Laufe der Zeit die Transportmittel des Postverkehrs zu Wasser, zu Land und in der Luft? Gab es länderspezifische Unterschiede? Wie wirkten sich Unterschiede in der Geschwindigkeit beispielsweise durch Motorisierung oder Technisierung auf das Kommunikationsverhalten von Institutionen oder der Bevölkerung aus?

In Zeiten der Privatisierung von Postdienstleistungen und der Digitalisierung lässt sich auch fragen, wie sich dies auf den Informationsfluss auswirkt und welche historischen Entwicklungslinien hierbei sichtbar werden. Wie konnten bestehende Strukturen geändert und eventuell umgenutzt werden? Gab es einen Begriff der „Störung“, wie wurde dieser definiert, und wie wurde in den verschiedensten Bereichen der Postkommunikation damit umgegangen? Ein vollkommen anders gelagerter Aspekt wäre, die ökonomische wie auch soziale und politische Rolle des Postverkehrs, der Postwirtschaft herauszuarbeiten.

 

Wie schon die vorangegangene Tagung „Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle“ im Oktober 2017 und in Fortführung des dort begonnenen bürgerwissenschaftlichen Dialogs unternimmt diese Folgeveranstaltung den Versuch, zwischen universitärer Wissenschaft und außeruniversitärer Philatelie zu vermitteln. Ihr Anliegen ist es, die Bedeutung philatelistischer und postgeschichtlicher Untersuchungen für die verschiedensten Bereiche der Geschichtswissenschaft auszuloten und damit Impulse für eine grundwissenschaftlich verstandene Philatelie und Postgeschichte zu legen.

Die Tagung wird vom 1. bis zum 4. Oktober 2020 an der Universität Erfurt stattfinden. Wir bitten diesbezüglich um Einreichung einer kurzen Zusammenfassung Ihres geplanten Vortrages im Umfang von 2000 Zeichen. Senden Sie diesen bitte bis zum 31. Juli 2020 an rene.smolarski@uni-erfurt.de.

Die Vorträge können in englischer oder deutscher Sprache gehalten werden. Es ist geplant, eine erweiterte Version der Beiträge in einem eigenen Tagungsband zu veröffentlichen; Details dazu werden im Nachgang der Tagung bekannt gegeben.

Die Übernahme von Unterkunft und Fahrtkosten (maximal Bahnticket 2. Klasse) nach dem Thüringer Reisekostengesetz ist unter Finanzierungsvorbehalt vorgesehen.

Aufgrund der derzeitigen Situation im Umgang mit Covid-19 kann eine Durchführung der Tagung am genannten Termin nicht garantiert werden. Sollte eine Durchführung im genannten Zeitraum unmöglich oder nur unter erhöhtem Gesundheitsrisiko für die Teilnehmer sei, so würden wir die Veranstaltung gern auf einen späteren Zeitraum (Frühjahr 2021) verschieben.

Die Tagung wird bereits dankenswerterweise unterstützt vom Bund Deutscher Philatelisten e.V. und dem Netzwerk für digitale Geisteswissenschaften und Citizen Science an der Universität Erfurt.

Weiterführende Informationen zur Anmeldung, zum Programm und den Tagungspartnern finden Sie unter: https://projekte.uni-erfurt.de/gezaehnte_geschichte/

 

Kontakt: René Smolarski, Universität Erfurt
Nordhäuser Str. 63, 99089 Erfurt
rene.smolarski@uni-erfurt.de

 

Tagung: Gezähnte Geschichte II. Philatelie und Postgeschichte als Teil der Geschichtswissenschaft

Erfurt, 1.-4. Oktober 2020

Veranstalter*innen: Silke Vetter-Schultheiß, TU Darmstadt; Pierre Smolarski, Universität Wuppertal; René Smolarski, Universität Erfurt

Die Tagung auf H-Soz-Kult

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