Aktuelles Heft der „FOTOGESCHICHTE“:
Artist meets Archive
Hg. von Stefanie Diekmann und Esther Ruelfs
Das Archiv ist eine wenig sichtbare, aber mächtige Institution, die von Ideologien und Interessen, aber auch von strengen Ordnungen und Strukturen geprägt ist. Was hier abgelegt wurde, liegt auf unbestimmte Zeit und mit ungewisser Perspektive. Die Bereitstellung erfolgt meist nur auf Anfrage, im Zuge einer Recherche oder eines Projekts; gelegentlich sind die Archiv-Objekte für immer der Öffentlichkeit entzogen. Das Archiv bildet daher eine Grauzone zwischen Erinnern und Vergessen.
Seit einigen Jahren rücken die Archive vermehrt in den Blick der Kunst. Einzelne Objekte, gelegentlich auch Sammlungen als Ganze, werden in künstlerischer Perspektive gesichtet, neu angeordnet, medial übersetzt, übertragen oder performativ bearbeitet. Im Zuge dieser Interventionen werden auch die oft kaum sichtbaren administrativen Logiken des Sammelns und Aufbewahrens hinterfragt und die archivalischen Regeln einer irritierenden Re-Vision unterzogen. Fotograf:innen und Fotokünstler:innen, die ihren Blick auf (fotografische) Archive richten, bringen produktive Unruhe ins Gefüge des geordneten Sammelns. Sie reaktivieren das für lange Zeit stillgelegte Material und bauen es in neue, subversive Erzählungen ein.
Das aktuelle Heft der „Fotogeschichte“ Jg. 43 (Frühjahr 2023), Nr. 167
BEITRÄGE
Stefanie Diekmann, Esther Ruelfs: Artist Meets Archive. Editorial
Lena Holbein: Zwischen Widerstand und Affirmation. Strategien des Nicht-Zeigens im künstlerischen Umgang mit Archivfotos
Charlotte Praetorius: Chronologie der Unstimmigkeit: Zu Radu Judes Film The Dead Nation (2017)
Alexander Streitberger: Die Wirklichkeit aus den Angeln heben. Bildarchiv und Scheindokument im Werk Eric Baudelaires
Esther Ruelfs: Die Sammlung aktivieren. Interventionen von Jochen Lempert und Peter Piller
Alexa Färber, Işıl Karataş: Installative Archive. Zum Potenzial temporärer Veröffentlichungen von und mit Fotografie
FORSCHUNG
Reiner Hartmann: Ungarns Experiment mit der Moderne. Die Bildbeilage des Pesti Napló (zum Bericht)
Hans-Michael Koetzle: Der erste Satz ein Türöffner. Ein Gespräch mit dem Fotohistoriker, Autor und Kurator über Fotografie und Design, Paris und Amerika (zum Gespräch)
Moritz Lampe: Maschinenbild und Wunderglaube. Fotografische Bildpraktiken und die katholische Moderne in Italien, 1861–1915 (zum Bericht)
Benet Lehmann: Bildgewalt. Fotografien aus dem „Ostfeldzug“ und ihre „Biographien“ (1939–2022) (zum Bericht)
REZENSIONEN
Anton Holzer: Harry Walter: Bilder knistern. 24 Essays. Mit einem Nachwort von Christian Demand, Berlin: Schlaufen Verlag, 2022 (zur Rezension)
Gisela Steinlechner: Katrin Luchsinger, Stefanie Hoch (Hg.): Hinter Mauern / Behind Walls. Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen von 1880 bis 1935, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2022 (zur Rezension)
Bernd Stiegler: Boaz Levin, Esther Ruelfs, Tulga Beyerle (Hg.): Mining Photography. Der ökologische Fußabdruck der Bildproduktion, Spector Books, Leipzig 2022; Danièle Méaux: Photographie contemporaine & anthropocène, Filigranes Éditions, Landebaëron 2022 (zur Rezension)