Fritz Brill – Wissenschaftliche Fotografie in der Werbung
Der Name des Fotografen Fritz Brill ist vielen ein Begriff, sowohl aus dem Kulturfilm „Schöpfung ohne Ende“ aus dem Jahr 1956 als auch aus aktuellerem Anlass im Rahmen der Berliner Ausstellung „Mikrofotografie. Schönheit jenseits des Sichtbaren“ (2010).[1] Im Gegensatz zu den meisten der dort ausgestellten Künstler und Wissenschaftler bediente Brill jedoch auch eine eher ungewöhnliche Kundschaft für wissenschaftliche Fotografie: die Werbeindustrie.[2]
Fritz Brill (1904-1997) kam über Umwege zur Fotografie. Nach einer kaufmännischen Ausbildung studierte er in Berlin Gebrauchsgrafik und besuchte die Schule des ehemaligen Bauhauslehrers Johannes Itten. Danach arbeitete er ein Jahr lang als Werbegrafiker für Herbert Bayer im Studio Dorland. Hier begann er auch die Fotografie für sich zu entdecken. Mit seiner späteren Ehefrau Hedwig Bornemann gründete er 1932 ein „Atelier für Werbegestaltung“ in Berlin. Trotz spärlicher Ausrüstung und fast ohne Startkapital gelang es ihnen, Aufträge von großen Firmen wie AEG, Mondamin und Pharma Bauer & Co zu erhalten. Zudem fertigte er schon ab 1933 Farbfotografien als Pinatypien an und ergänzte sein Arbeitsspektrum sehr bald um die Mikrofotografie, wie sich schon 1938 im neuen Namen der Firma erkennen lässt: „Chemisch-Physikalisches Institut für Industrie-Mikroskopie“.[3]
Nach der Unterbrechung durch die Kriegsjahre stellte Brill 1949 die ersten Nachkriegsaufnahmen in Kassel aus. Ein Jahr später fand er durch einen Großauftrag für die Druckfarben-Fabrik Celle einen Neueinstieg in die wissenschaftliche Fotografie für die Industrie – in seinem Fall die Mikro-, Makro- und Hochgeschwindigkeitsfotografie. Er selbst bezeichnete sein Arbeitsgebiet als „Photoanalyse“, eine Vorgehensweise, die „durch Methodik, Fotografie, Kinematographie und spezielle Entwicklung von Hilfsapparaturen Analysen technischer und biologischer Vorgänge erarbeitet“ wurde.[4] Diese Hilfsapparaturen waren oft sehr aufwändige Versuchsaufbauten, die für seine ungewöhnlichen Aufnahmen notwendig waren, da Brill den Anspruch hatte, genau das sichtbar zu machen, was für nicht fotografisch belegbar gehalten wurde.
Schon sehr früh begann er das Medium Film einzusetzen, da viele seiner Arbeiten gerade auf die Darstellung von Prozessen abzielten, die am besten im bewegten Bild eingefangen werden konnten. Fritz Brills erster komplett eigenständig realisierter Film war eine Auftragsarbeit für die Doktor August Oetker GmbH mit dem Arbeitstitel „Zur Entstehung des Rührkuchens“, der später in „Das Steckenpferd der Hausfrau“ abgewandelt wurde.[5] Die meisten Aufnahmen mussten gedreht werden, während sich der Teig im Backofen befand, was Brill vor einige Schwierigkeiten stellte. Um eine ausreichende Belichtung der Szene zu erreichen, fertigte er einen Spezialbackofen mit vielen Fenstern an. Diese beschlugen jedoch aufgrund der hohen Backtemperaturen, was wiederum nur durch den Einbau eines Kühlwasserkreislaufs in die Glasscheibe zu beheben war. Ein weiteres Problem waren die Filmaufnahmen an der Teigoberfläche, die im Makrobereich aufgenommen werden sollten. Die Brennweite der Kameraoptik erfasste einen Tiefenschärfebereich von ca. 17 mm, der Teig ging jedoch durch das Backpulver um 7 cm nach oben auf. Brill baute daraufhin eine Abtastapparatur in den Ofen, welche die Kuchenform in dem Maße, wie der Teig aufging, auf einer Plattform nach unten fuhr, so dass die Teigoberfläche im Schärfenbereich der Kamera blieb. Diese Vorrichtung musste zudem die hohen Temperaturen im Backofen aushalten.[6]
Oftmals ging Brill bei seinen Aufträgen große finanzielle Risiken ein, da das Honorar von der erfolgreichen Realisierung seiner Ideen abhing, er jedoch im Vorfeld in technische Gerätschaften investieren musste. Ab 1961 konnte er einen lang gehegten Wunsch verwirklichen und sich fortan auf fotografische Arbeiten im Dienste der Forschung konzentrieren, insbesondere für die Druckindustrie. Allerdings nahm Brill auch weiterhin vereinzelt Aufträge im Bereich Werbung an. Seine Versuchsaufbauten im eigens gebauten Institut für Photoanalyse in Hofgeismar waren nicht weniger aufwändig als seine früheren Arbeiten, wie die Aufnahme aus seinen Arbeitsnotizen zeigt.[7]
Trotz der überwiegend auf Technik und Forschung ausgerichteten Fotografien überzeugen viele Ausführungen der Werbeaufträge auch durch ästhetische Qualitäten. So gelingt es ihm nicht nur, die Schönheit von Penicillin-Kristallen hervorzuheben, sondern er zaubert auch beeindruckende Effekte aus einem von Natur aus eher profanen Kabelbrand.
Brills wissenschaftlicher Nachlass befindet sich seit 2011 im Archiv des Deutschen Museums in München und umfasst neben etwa 300 Fotografien auch Filme, Arbeitsskizzen und Notizen Brills sowie diverse Unterlagen zu seinen Aufträgen.[8]
[1] Ludger Derenthal und Christiane Stahl (Hrsg.), Mikrofotografie. Schönheit jenseits des Sichtbaren, Ostfildern: Hatje Cantz Verlag 2010.
[2] Katharina Scholz: Wissenschaftliche Fotografie in der Werbung. Eine Untersuchung an Beispielen von Fritz Brill und Manfred P. Kage. Master-These, München 2013.
[3] Fritz Brill, Rückblickend, in: Berlinische Galerie (Hrsg.), Fritz Brill. Grafik – Fotografie – Analyse, Berlin: Albert Heutrich 1982.
[4] Ders., Die optische Photoanalyse. Sinn – Aufgabe – Technik, 1960, Deutsches Museum, München, Archiv (DMA), NL 240/Vorl.Nr. 0011.
[5] Ders., Erläuterungen zum Backfilm-Auftrag Dr. Oetker, ca. 1954, DMA, NL 240/Vorl.Nr. 0279.
[6] Ders., Fotoanalyse, 1958, DMA, NL 240/Vorl.Nr. 0016.
[7] Ders., Arbeitsnotizen 1977-1983, DMA, NL 240/Vorl.Nr. 0504.
[8] http://www.deutsches-museum.de/archiv/bestaende/nachlaesse/verzeichnis/b/brill-fritz-1904-1997/