Auf den Spuren einer Avantgardefotografin
Der Martin-Gropuis-Bau zeigt eine Fotoausstellung zur deutsch-niederländischen Fotografin Germaine Krull
Germaine Krull (1897-1985) zählt zu den bedeutenden Fotografinnen der 1920er- und 1930er-Jahre. Ihre mitunter experimentellen Aufnahmen und Fotoreportagen für Magazine wie „VU“, „Variété“ und „Jazz“ prägten die Geschichte der Fotografie. Im Oktober 2015 eröffnete die Ausstellung „Germaine Krull – Fotografie” im Martin-Gropius-Bau in Berlin, die in Zusammenarbeit mit der Galerie nationale du Jeu de Paume, einem Pariser Museum, entstand.
Die mit 130 Bildern eher kleine Ausstellung beginnt mit einführenden Worten sowie einem chronologischen Überblick über das Leben der Avantgardekünstlerin. Der zweite Raum schließt sogleich an und widmet sich zunächst den Anfangsjahren 1917 bis 1920. Er enthält viele Fotos, die von Porträts bis hin zur Industrie- und Gebäudefotografie die vielseitige Motivauswahl von Krull zeigen. Germaine Krull lässt sich schwer einordnen, da sie keine konsequente Linie verfolgte, so der Direktor des Martin-Gropius-Bau Gereon Severin. Allerdings spiegelt ihr Leben das 20. Jahrhundert wider. So zeigen ihre Fotografien das Leben in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs oder in Nordindien, als sich in dieser Region die aus ihrer Heimat vertriebenen buddhistischen Tibeter niederließen. Weiter begleiten die Fotografien auch das Leben von Germaine Krull selbst, zeigen die Veränderungen und die Entwicklung ihrer Fotografie. Diese Veränderung, der Blick auf die Fotografin Germaine Krull ist eines der Hauptanliegen der Ausstellung.
Der engen Zusammenarbeit zwischen dem Jeu de Paume und dem Martin-Gropius-Bau ist es zu verdanken, dass in der Ausstellung zwei Praktiken umgesetzt werden, die schon in der früheren Ausstellung in Paris Anwendung fanden: zum einen die historisch und zeitgenössisch aufbereitete Wiedergabe der künstlerischen Arbeit der Fotografin und zum anderen die Fokussierung auf Frauen, die sich in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen mit ihrer Arbeit kritisch äußerten, so die Ausstellungskoordinatorin Judith Czernichow. Allerdings erfährt der Besucher kaum etwas über Krulls mitunter sehr politisches Leben, beispielsweise ihrer Beteiligung an der Münchner Räterepublik 1919-1920.
Ausgestellt werden neben schlicht gerahmten Fotografien auch Bücher mit den Bildern Krulls. Die Realität ihrer Arbeit solle gezeigt und das Warum ihres Schaffens mit der Präsentation der Magazine beantwortet werden, so der französische Kurator der Ausstellung Michel Frizot. Ihre Auftraggeber würden durch diese Exponate sichtbar werden. Und so geht es auch dem Besucher, der sie als Bildreporterin entdecken kann. Viele Originale Krulls sind in den 1960er-Jahren zerstört worden oder gingen im Laufe der Zeit verloren. Durch Reprints aus privaten Sammlungen entstand dennoch eine an Technik und Motivauswahl vielseitige Ausstellung.
Der letzte Raum wirft einen Blick auf die Privatperson Germaine Krull. Hier wird zu Beginn das Thema „Auto und Geschwindigkeit” behandelt, eine der Leidenschaften der Fotografin. Das Auto und die Faszination an der Geschwindigkeit spiegelt die Modernität ihrer Person wider, galten sie doch als Symbol und Sinnbild für die Moderne, so Michel Frizot. Neben „Auto und Geschwindigkeit” erhalten aber auch der Krieg, die Frau als Motiv sowie die Aktfotografie einen Raum. In Verbindung mit den zu Beginn der Ausstellung gezeigten Aktfotografien wird dem Besucher die Entwicklung ihrer Arbeit verdeutlicht. So unterscheiden sich die späteren Werke mit ihrem Blick für Details und zum Teil ungewöhnlichen Haltungen der Fotomodelle von den frühen Werken aus den 1920er-Jahren, die sich noch an der Aktmalerei orientierten. Der Krieg und ihre Indienreise sind die letzten Themen der Ausstellung und komplettieren ihren Lebensweg fotografisch.
Zu guter Letzt wird noch eine Filminstallation „Il partit pour un long voyage” von 1932 in der Ausstellung gezeigt. Hier führte Krull zusammen mit Georges H. Patin Regie. Die Nutzung dieses neuen Mediums unterstreicht die Modernität Germaine Krulls ein weiteres Mal. Eine Ausstellung mit vielen Fassetten, ganz wie Germaine Krull.
Die „Fotoausstellung Germanie Krull – Fotografie”im Martin-Gropius-Bau Berlin 15.10.2015 – 31.01.2016