Der Kameramann von Leni Riefenstahl

Ein Urheberrechts-Urteil des Landgerichts Köln

Alpen-Tschadseeflug, 2.12.1930-23.1.1931. Reportage mit 1125 Bildern. Fotograf: Walter Mittelholzer, Quelle: ETH-Bibliothek_LBS_MH02-08-0108. Lizenz: gemeinfrei

Ein großer Fan und Bewunderer von Leni Riefenstahl betrieb mehrere private Websites zu ihrem Leben und ihrem Werk, Fansites sozusagen. Dort zeigte er unter anderem ein Porträt von Riefenstahl als Hauptdarstellerin in dem Film „Das blaue Licht“, ein mystisch-romantischer Bergfilm, mit dem sie 1932 ihr Regiedebüt gab. Das Foto hatte Walter Riml gemacht, der Standfotograf des Films. Darüber hinaus waren 24 weitere Fotos von Riml auf den Seiten des Betreibers zu sehen.

2013 ließ der Sohn des Fotografen, der ein Archiv mit den Fotos seines 1994 verstorbenen Vaters betreibt, den Riefenstahl-Fan abmahnen und forderte Schadenersatz von knapp 100.000,- €. Diesen Betrag hatte er aufgrund der Honorar-Richtlinien der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) errechnet.

Der Beklagte gab daraufhin eine Unterlassungserklärung ab und entfernte das gesamte Bildmaterial von der Website. Er weigerte sich aber, Schadenersatz zu leisten, mit der Begründung: Leni Riefenstahl sei die Rechteinhaberin der Bilder und habe ihm noch zu Lebzeiten die Nutzung erlaubt. Die Fotos des Standfotografen Riml hätten ihrem Regime unterstanden und seien eine bildliche Wiedergabe ihres Arrangements und ihrer gestalterischen und schöpferischen Leistung gewesen. Riefenstahl habe die Perspektive, das Motiv, den Aufbau und die dramaturgische Gestaltung des Films sowie des Bildwerks bestimmt. Es handele sich also um Lichtbilder ohne eigene „schöpferische Höhe“, bei denen die Schutzfrist bereits 1958 abgelaufen sei (25 Jahre nach Veröffentlichung der Fotos). Auch sei der Internetauftritt ein rein privates Projekt ohne kommerzielle Interessen und Einkünfte. Bezogen auf die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzes verwies der Beklagte auf die Lizenzgebühren der Deutschen Kinemathek Museum für Film und Fernsehen mit einem Basispreis von 40,- € pro Bild.

Das Landgericht Köln entschied nun im Juni 2017, dass dem Kläger, also dem Sohn des Fotografen, Schadenersatz zustehe: Sein Vater sei zweifelsfrei Urheber der Standfotos gewesen. Die Tatsache, dass Leni Riefenstahl Regie geführt habe, bedeute keine (Mit-)Urheberschaft. Denn selbst wenn unterstellt werde, so das Gericht, dass „Frau Riefenstahl – wie bei Regisseuren üblich – derartige Anweisungen an den Kameramann gegeben haben sollte, bleibt grundsätzlich der Kameramann Rechteinhaber als derjenige, welcher die Aufnahmen selbständig schafft“. Die Lichtbilder seien, so heißt es im Urteil weiter, im Sinne der Schutzdauerrichtlinie (Richtlinie 2006/116/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006) geschützt. Standfotografien seien individuelle „Lichtbildwerke“ und keine reinen „Knipsbilder“. Denn Walter Riml habe das von Leni Riefenstahl getroffene Arrangement genutzt, um auf dieser Grundlage eine eigene geistige Schöpfung herzustellen. Daher würde eben auch das Urheberrecht mit einem Schutz von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers greifen, das erlassen wurde, um auch geistige Schöpfung vererben zu können. Ein gutgläubiger Erwerb, so das Gericht weiter, käme nicht in Betracht. Selbst wenn ihm Leni Riefenstahl erlaubt habe, die Fotos für seine Websites zu nutzen, hätte der Betreiber den Erben von Walter Riml um Zustimmung fragen müssen.

So weit, so gut. Für alle, die sich mit dem Urheberrecht ein wenig auskennen, ist das Urteil keine wirkliche Überraschung. Aber die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes ist äußerst interessant.

Das Landgericht stellte die Nutzung der Fotos auf einer privaten und nichtkommerziellen Homepage fest. Es setzte als Nutzungsgebühr pro Bild 180,- € fest, sodass sich unter Abzug eines Mengenrabatts ein Gesamtbetrag von 3000,- € ergab. Ein Schadenersatz könne beansprucht werden, so das Gericht, reduziere sich aber wegen des fehlenden „Werbeeffekts“ für Folgeaufträge, da der Fotograf ja schon tot sei.

Letztlich – die genauen Berechnungen und juristischen Erläuterungen dazu lassen sich im Blog Fotorecht Seiler oder direkt im Urteil des Landgerichts Köln nachlesen – urteilte das Gericht schließlich, dass der Kläger 95 Prozent der Prozesskosten zu tragen habe. Durch den hohen Streitwert ergaben sich so für den Sohn des Fotografen Gesamtkosten in Höhe von knapp 18.000,- € (so die Berechnung von Rechtsanwalt Seiler in seinem Blog). Der Riefenstahl-Fan hatte dagegen nur 3750,- € Schadenersatz und Nutzungsgebühren zu zahlen.

So hatte der Kläger zwar sein Recht bekommen, musste dafür aber über 14.000,- € aufwenden – ein klassischer Pyrrhussieg. Gerade aus Sicht einer nichtkommerziellen Wissenschaftsredaktion wie Visual History ist zu wünschen, dass dieses Urteil zu denken gibt. Eine Urheberrechts-Klage sollte wohlüberlegt sein und birgt ein erhebliches Kostenrisiko, nicht nur für den Beklagten, sondern eben auch für den Kläger. In den meisten Fällen lassen sich mit einem Telefonat oder einer Mail viele Urheberrechtsfragen und -probleme klären, und zwar kostengünstiger, ohne gleich die Gerichte zu bemühen.

 

Da sich die Redaktion aus naheliegenden Gründen scheut, ein Foto von Leni Riefenstahl von ihrem Kameramann Walter Riml zu zeigen, illustrieren wir diesen Beitrag mit einem Alpenfoto von Walter Mittelholzer. Der Schweizer Flieger und Fotograf starb 1937, somit ist sein Werk gemeinfrei.

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