Prof. Dr. Annette Vowinckel

PD Dr. Annette Vowinckel Als ich Ende der achtziger Jahre in Bielefeld Geschichte studierte, war die Sozialgeschichte auf dem Höhepunkt ihrer Strahlkraft. Das intellektuelle Klima in Bielefeld war außergewöhnlich, weil wir Studierenden einerseits sicher waren, am Puls der Zeit (und im Auge des Orkans) zu sein, andererseits aber auch spürten, dass wir die Sozialgeschichte nicht einfach in die Zukunft würden fortschreiben können. Manche lösten dies Dilemma, indem sie neue Themenfelder erschlossen, aber die Methoden der Sozialgeschichte beibehielten. Andere machten sich auf die Suche nach neuen Methoden, was unter anderem dazu führte, dass der Sonderforschungsbereich zur Geschichte des Bürgertums Platz machen konnte für einen Sonderforschungsbereich zur Geschichte politischer Kommunikationsräume. Zwar gab es stets eine Professur für Kunstgeschichte, doch galt der Umgang mit Bildern als randständig, der Lehrstuhl als Nische.

Der Zufall wollte es, dass ich nach einer Promotion über den Geschichtsbegriff bei Hannah Arendt (die immerhin die prominentere, von Koselleck selbst begründete Nische der Geschichtstheorie bediente) bei dem Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme an der HU Berlin landete und dort feststellen konnte, dass der Umgang mit Bildern, ebenso wie mit Tönen oder Artefakten, im Rahmen der dort betriebenen Kulturgeschichtsschreibung keineswegs randständig, sondern der Normalfall war. In meiner Habilitationsschrift zur Kulturgeschichte der Renaissance habe ich mit Text- und Bildquellen zu etwa gleichen Anteilen gearbeitet.

Dass ich im Rahmen der Projekts „Visual History“ versuche, eine Geschichte der Fotografie weder rein text- noch rein bildzentriert zu schreiben, sondern das Bild und die mit seiner Produktion verbundene Handlung sowie das die visuelle Öffentlichkeit konstituierende Feld als soziales und kommunikatives Feld zu beschreiben, ist also kein Zufall. In diesem Projekt finden die sozialgeschichtliche Ausbildung und das über Jahre gewachsene Interesse an der historischen Bildforschung zusammen. Meine Hoffnung ist, dass das daraus entstehende Buch dazu beitragen wird, den in der Geschichtswissenschaft zu lange gepflegten Wort- und Textfetischismus zu überwinden.

 

Lebenslauf

Seit 2021
Außerplanmäßige Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin

Seit 2014
Co-Leitung der Abteilung „Zeitgeschichte der Medien- und Informationsgesellschaft“ am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Seit Oktober 2013
Privatdozentin für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin

Juni 2011 – Oktober 2012
Kommissarische Leitung der Abteilung III: Wandel des Politischen im 20. Jahrhundert (ZZF Potsdam)

Seit April 2009
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)
Arbeitsbereich: Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts

WS 2009/10
Vertretung des Lehrstuhls für Medienwissenschaft am Institut für Europäische Medienwissenschaft der Universität Potsdam (Prof. Dr. Dieter Mersch)

WS 2008/09
Vertretung des Lehrstuhls für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts (Prof. Dr. Thomas Mergel) an der Humboldt-Universität zu Berlin

März 2006 – Dezember 2007
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

2006
Habilitation am Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität Berlin
Titel der Habilitationsschrift: „Das relationale Zeitalter. Individualität, Normalität und Mittelmaß in der Kultur der Renaissance“
Betreuung: Prof. Dr. Hartmut Böhme

1999
Promotion: „Geschichtsbegriff und Historisches Denken bei Hannah Arendt“
Betreuung: Prof. Dr. Dan Diner, Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Essen (erschienen im Böhlau-Verlag 2001)

1987-1994
Studium: Geschichte, Spanisch, Kunstpädagogik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Bielefeld, Jerusalem und Köln

 

Publikationen

Das relationale Zeitalter. Individualität, Normalität und Mittelmaß in der Kultur der Renaissance, München 2011.

Geschichtsbegriff und Historisches Denken bei Hannah Arendt, Köln/Weimar 2001.

(Hrsg.) mit Marcus M. Payk/Thomas Lindenberger, Cold War Cultures. Perspectives on Eastern and Western European Societies, New York 2012.

German (Jewish) Photojournalists in Exile. A Story of Networks and Success, in: German History 31 (2013) no. 4, 473-496.

Der Bildredakteur. Genese eines modernen Berufsbilds, in: Annelie Ramsbrock/Annette Vowinckel/Malte Zierenberg (Hrsg.), Fotografien im 20. Jahrhundert. Vermittlung und Verbreitung, Göttingen 2013, S. 69-89.

 

Homepage
http://www.annette-vowinckel.de/