Gekurbelt, Entfesselt, Bunt, Digital. Kameratechnik und Filmkunst in der deutschen Kinematografie
35. Internationaler Filmhistorischer Kongress, Hamburg, 17.- 20. November 2022
Technische Innovationen lösten auch immer ästhetische Entwicklungen aus – und umgekehrt. Auch politische Ereignisse wie die beiden Weltkriege hatten Einfluss auf Erfindungen in der Aufnahmetechnik. Die hoch angesehene Kamerakunst der deutschen Kinematografie hatte auch international großen Einfluss. Etablierte Meister der Kamera gingen ins Ausland und halfen dort bei der Professionalisierung der Filmproduktion, Nachwuchskräfte aus dem Ausland verfeinerten ihr Können in deutschen Ateliers.
Ein Aspekt ist dabei auch das Schicksal von Immigranten und Exilanten und ihr Einfluss auf die jeweiligen Exilländer: z.B. Karl Freund, einer der bedeutendsten Kameramänner des Weimarer Kinos (Der letzte Mann, Varieté), gewann mehrere Oscars und beeinflusste in den 1950ern durch seine technischen Erfindungen die Herausbildung der Kameraführung im Fernsehen. Der in den 1920ern in Deutschland als Fotograf von Unterhaltungsfilmen populäre Heinrich Gärtner prägte in Franco-Spanien – trotz Intervention aus Nazi-Deutschland – als Enrique Guerner eine wichtige Kameraschule. Eugen Schüfftan, Erfinder einer seit den 1920ern viel genutzten Tricktechnik fotografierte im französischen Exil einige Meisterwerke des »Poetischen Realismus«, hatte aber in den USA Probleme, in seinem Metier zu arbeiten, weil ihm als Exilant die Kamera-Gewerkschaft die Mitgliedschaft verweigerte. Der Prager Otto Heller arbeitete u.a. mit Karel Lamač zusammen, in den 1930ern auch in Deutschland, ehe er 1939 ins Exil nach England ging.
Mit ihrer technischen Experimentierfreude und ihrem gestalterischen Sinn wurde die Entwicklung im 20. Jahrhundert von Personen wie Guido Seeber, Bruno Mondi (Agfacolor), Michael Ballhaus, Gisela Tuchtenhagen, Roland Dressel, Judith Kaufmann und vielen anderen vorangetrieben.
cinefest und CineGraph-Kongress 2022 verfolgen die vielfältigen Verknüpfungen zwischen Technik, Ästhetik und Politik im Panorama des 20. Jahrhunderts.
Der 35. Internationale Filmhistorische Kongress ist integraler Bestandteil des XIX. cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes (11. bis 20. November 2022). Er wird am Abend des 17. November 2022 im Metropolis-Kino eröffnet. Während der Veranstaltung werden auch die Willy Haas-Preise für je eine bedeutende internationale Publikation in der Kategorie Buch und DVD/Blu-Ray verliehen. Die Vorträge des Kongresses finden vom 18. bis 20. November 2022, jeweils von 10:00 Uhr bis ca. 16.00 Uhr, im Kommunalen Kino Metropolis sowie parallel als Online-Stream statt. Ab 17.00 Uhr laufen im Metropolis-Kino die Filmvorführungen, die die Vorträge ergänzen. Zusätzlich werden ab dem 12. November 2022 einige Filme online auf Metropolis+ präsentiert.
Für die Teilnahme am Kongress ist eine vorherige Akkreditierung erforderlich:
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Informationen zum begleitenden Filmprogramm: https:/
Die Vorträge des Kongresses werden in überarbeiteter Form in einem CineGraph Buch bei der edition text+kritik veröffentlicht.
Weitere Informationen zu Kongress und Festival: https:/
Donnerstag, 17. November 2022
20:00 Uhr
Kongress-Eröffnung und Verleihung der Willy Haas-Preise
DIE FILM-PRIMADONNA (D 1913, Urban Gad), Fragment, ca. 15 min
AUS DEM WUNDERREICH DER TECHNIK: DER TONFILM (D 1933, Wolfgang Loe-Bagier), 14 min
NUR DER NEBEL IST GRAU. IMPRESSIONEN AUS DEM NEUEN WERK DER AUGUST THYSSEN-HÜTTE
Freitag, 18. November 2022
10:00-12:00 Uhr
Panel I: KINEMATOGRAFIE IM WANDEL
Michael Neubauer, München (Eröffnungsvortrag): Berufsbild und Arbeitsrealität der Kameraleute im Wandel: Beispiel Deutschland
Axel Block, München: Krisen der Kameraarbeit. Einflüsse technischer Innovationen auf die Bildästhetik
13:30-15:45 Uhr
Peter Badel, Berlin: Volkseigenes Cinemascope und 70mm-Film – Ein Zugewinn für narrative und visuelle Erlebnisse im Kino der DDR
Panel II: KAMERA DIGITAL
Winfried Gerling, Florian Krautkrämer, Potsdam und Luzern: Was ist die (digitale) Kamera?
Samstag, 19. November 2022
10:00-12:00 Uhr
Panel III: LICHTEFFEKTE IN SCHWARZWEISS
Thomas Brandlmeier, München: Der Expressionismus-Irrtum. Deutscher expressiver Kamerastil und amerikanischer Film noir
Ursula von Keitz, Berlin: Zur Interaktion von Kameraarbeit und Szenographie in deutschen Filmen der 1960er Jahre
13:30-15:30 Uhr
Evelyn Hampicke, Berlin: Mit Oberlicht und Untersicht – die „Ostzone“ bewerben. Der ideologisierte Kamerablick im frühen DEFA-Grenz-Krimi
Panel IV: KAMERA IM KUNSTFILM
Chris Wahl, Potsdam: „Steinerne Wunder, bewegende Bilder – Die „Kunstfilme“ von Rudolf Bamberger und Curt Oertel“
Sonntag, 20. November 2022
10:00-12:00 Uhr
Panel V: KINEMATOGRAFISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS
Imme Klages, Mainz: In their own words. Zum Selbstverständnis des Berufsfeld Kamera im Spiegel der Texte exilierter Kameramänner
Martin Jehle, Marburg: Virtuose Performances und performte Virtuosität – Mythenbildung und Selbstmarketing durch innovative Kameraarbeit von Karl Freund bis Emmanuel Lubezki
13:00-15:45 Uhr
Panel VI: KAMERAÄSTHETIK IM STUMMFILM
Eleanor Halsall, Southampton: Emil Schünemann: Eine grenzüberschreitende Karriere
Katharina Loew, Boston, MA: Collageästhetik im deutschen Film der 1920er Jahre
ABSCHLUSSDISKUSSION
Die Vorträge sind auf ca. 20 Minuten angesetzt und werden anschließend im Plenum diskutiert. Die Konferenzsprachen sind Deutsch oder Englisch (es gibt keine Live-Übersetzung).
Kontakt
Erika Wottrich
Swenja Schiemann
CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung e. V.
Tel.: +49-(0)40-352194
E-Mail: kongress@cinegraph.de