Public Visual History zur Industriekultur

 

Industriekultur in Berlin, Brandenburg und Luxemburg

Nach dem Industriezeitalter kommt die Industriekultur. Fotografie spielt dabei eine wichtige Rolle. Und ehemalige Industrieanlagen bilden beliebte fotografische Motive. Im Seminar „Public Visual History“ beschäftigten sich Studierende des Masterstudiengangs Public History an der Freien Universität Berlin mit der Geschichte der Industriekultur in Berlin, Brandenburg und Luxemburg. Auf dem Instagram-Kanal von Visual History stellten die Studierenden ihre Texte und Fotos vor und kombinierten somit Public und Visual History.
Hanno Hochmuth

 

Das Industriemuseum in Brandenburg an der Havel. Foto: Hanno Hochmuth 2022/2023, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Das ehemalige Stahlwerk in Brandenburg an der Havel, in dem sich jetzt ein Industriemuseum befindet. Foto: Hanno Hochmuth 2022/2023, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

 

Die Gesenkschmiede F. & W. Hendrichs

100 Jahre lang (1886-1986) wurden in der Gesenkschmiede F. & W. Hendrichs Scherenrohlinge produziert. Das Gebäude aus rotem Backstein mit der Eckfassade, den schrägen Sheddächern und hohen Schornsteinen steht in der „Klingenstadt“ Solingen. Das gesamte Fabrikensemble inklusive Inventar ist als LVR-Industriemuseum heute noch erhalten. Das Besondere: Besucher:innen können die Fallhämmer nicht nur ansehen, sondern auch knallen hören. Produziert wird hier nämlich bis heute – wenn auch nur die „Museumsschere“.

Christine Bader

 

Nahaufnahme von Scherenrohlingen

Nahaufnahme von Scherenrohlingen. Foto: Christine Bader, Solingen, Februar 2023, CC BY-NC-SA 4.0

Eckfassade aus rotem Backstein mit der Aufschrift F. & W. Hendrichs Scherenschlägerei u. Gesenkschmiede, gegründet 1886

Eckfassade aus rotem Backstein: F. & W. Hendrichs Scherenschlägerei u. Gesenkschmiede, gegründet 1886. Foto: Christine Bader, Solingen, Februar 2023, CC BY-NC-SA 4.0

 

Schnupftabakfabrik Bernard in Regensburg

In der Regensburger Altstadt wurde in einem Patrizierhaus aus dem 12. Jahrhundert die erste Schnupftabakfabrik Deutschlands gegründet. Von 1812 bis 1998 produzierte die Firma Bernard an diesem Standort. Dank schonender frühindustrieller Produktionsweisen und der Anreicherung des Schnupftabaks mit Fett – zur Befeuchtung und als Geschmacksträger – wurde der „Schmalzerfranzl“ ein Kassenschlager. Im Rahmen von Führungen kann man drei der in Originalzustand belassenen Produktionsräume besichtigen.

Felix Lodermeier

 

Ein Schnupftabak-Werbeplakat „SchmalzlerFranzl“, auf dem ein Mann mit Schnauzbart, Hut und Janker zu sehen ist, der den Tabak schnupft; darunter der Schriftzug „Gebrüder Bernard A.G. Regensburg“

Schnupftabak-Werbeplakat „SchmalzlerFranzl“ der Firma Bernard (ab 1923 A.G.). Foto: Felix Lodermeier, Regensburg, Dezember 2022, CC BY-NC-SA 4.0

Blick in eine schmale Straße, in der sich zwei Passanten befinden: Zu sehen ist die Front der ehemaligen Schnupftabakfabrik

Front der ehemaligen Schnupftabakfabrik in Regensburg. Foto: Felix Lodermeier, Regensburg, Dezember 2022, CC BY-NC-SA 4.0

 

Schwartzkopff-Siedlung in Berlin

Wer südöstlich von Berlin am S-Bahnhof Wildau aussteigt, steht direkt vor der ehemaligen Werkssiedlung. Benannt wurde sie nach dem Gründer der Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft (BMAG) Louis Schwartzkopff. Für die Arbeiter:innen der BMAG entstanden hier zwischen 1900 und 1922 etwa 950 Wohnungen, eine Schule, ein Freizeitzentrum und vieles mehr. Trotz Variationen in der Häusergröße- und form zeichnet sich die Siedlung durch ihre einheitliche Gestaltung aus. Ganz besonders war es damals, dass jede Wohnung eine Innentoilette und einen kleinen Garten hatte.

Nina Markert

 

Eine kaum befahrene Straße. Dahinter eine Reihe von Häusern aus rotem Klinker mit Ziergiebeln

Eine kaum befahrene Straße in der Schwartzkopff-Siedlung. Foto: Nina Markert, Schwartzkopff-Siedlung, Wildau, Brandenburg, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

Der obere Teil eines Hauses mit Ziergiebeln und Ornamenten aus rotem Klinker

Ein einzelnes Haus in der Schwartzkopff-Siedlung mit Ziergiebeln und Ornamenten aus rotem Klinker. Foto: Nina Markert, Schwartzkopff-Siedlung, Wildau, Brandenburg, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

 

Siemenslager Ravensbrück

Zur deutschen Industriegeschichte gehört auch die Ausbeutung von Zwangsarbeiter:innen zur Zeit des Nationalsozialismus. Durch die Zwangsarbeit versuchten das NS-Regime und die beteiligten Firmen, die Rüstungsproduktion und die Industrie in Kriegszeiten aufrechtzuerhalten. Im Jahr 1942 eröffnete die Siemens & Halske AG eine „Fertigungsstelle“ für Feldfernsprecher und elektrische Kleinteile in unmittelbarer Nähe zum KZ Ravensbrück. Die dort inhaftierten Frauen mussten fortan unter elenden Lebensbedingungen Zwangsarbeit leisten. Viele der Zwangsarbeiterinnen mussten jahrzehntelang auf Entschädigungszahlungen warten. Heute steht keine der Fertigungsbaracken mehr. Seit 2010 besuchten Siemens-Auszubildende jährlich das Gelände und errichteten verschiedene Erinnerungszeichen.

Hannah Schulz

 

3D-Modell der Baracken des „Siemenslagers“ aus Glas

3D-Modell der Baracken des „Siemenslagers“ aus Glas. Foto: Hannah Schulz, Fürstenberg, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

Blick auf das ehemalige sog. Siemenslager: vorne ein mit Gras bewachsener Weg, im Hintergrund Bäume und ein Glasobjekt auf einer Betonfläche

Blick auf die Fundamente des ehemaligen „Siemenslagers“. Foto: Hannah Schulz, Fürstenberg, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

 

Telefunkenwerk in Berlin-Lichterfelde

Das Mehrfamilienhaus am Platz des 4. Juli in Berlin-Lichterfelde hat eine industrielle Vergangenheit. Von 1939 bis 1945 war an diesem Ort der Hauptsitz der Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H. (ab 1955 Telefunken GmbH), eine Tochterfirma von AEG und Siemens. Gebaut als Teil der vom NS-Regime geplanten „Welthauptstadt Germania“, beschäftigte das Werk zu Höchstzeiten 10.000 Arbeiter:innen, darunter viele Zwangsarbeiter:innen in der Rüstungsindustrie. Nach der Demontage 1945 wurde das Werk bis 1994 unter dem Namen McNair Barracks als Wohnanlage für US-amerikanische Soldaten genutzt.

Nick Snipes

 

Blick auf die rechte Seite des Flügels unter dem Uhrenturm auf die Wohnungen

Blick auf die Wohnungen im rechten Gebäudeteil. Foto: Nick Snipes, Berlin, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

Blick von der Straße auf ein großes, rechtwinkliges, weiß verputztes Gebäude mit Uhrenturm

Das ehemalige Hauptgebäude von Telefunken mit dem alten Uhrenturm am Platz des 4. Juli in Berlin-Lichterfelde. Foto: Nick Snipes, Berlin, Januar 2023, CC BY-SA 3.0

 

Zeppelin-Tower in Berlin-Staaken

Die Luftschiffbau Zeppelin GmbH erwarb 1915 das Grundstück in Staaken und baute dort bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Zeppeline. Danach wurde das Gelände für den zivilen Flugverkehr, als Verkehrsfliegerschule und als Filmproduktionsstätte verwendet. Heute befinden sich dort ein Gewerbepark und der denkmalgeschützte „Zeppelin-Tower“, der in den 1920er Jahren für die Flugaufsicht erbaut wurde. Neben dem Turm erinnert lediglich noch der Straßenname „Am Zeppelinpark“ an die Geschichte des Ortes.

Claudia Botor

 

Seitenansicht: rotes, schmales, langgezogenes Backsteingebäude mit einer abgerundeten Hauswand auf der linken Seite des Bildes; auf dem vorderen Dach befindet sich eine große Glaskonstruktion in der Form des Hauses.

„Zeppelin-Tower“ in der Seitenansicht. Foto: Claudia Botor, Berlin-Staaken, Januar 2023, CC-BY-SA 3.0

Rotes, schmales, langgezogenes Backsteingebäude mit einer abgerundeten Hauswand auf der linken Seite des Bildes; auf dem vorderen Dach befindet sich eine große Glaskonstruktion in der Form des Hauses.

„Zeppelin-Tower“ in Berlin-Staaken. Claudia Botor, Berlin-Staaken, Januar 2023, CC-BY-SA 3.0

 

 

 

 

 

Das Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg

1920 wurde Berlin zur größten Industriestadt Europas. Im folgenden Jahrzehnt entwarf der Architekt Hans Heinrich Müller für die Berliner Städtische Elektrizitätswerke Akt.-Ges. (BEWAG) 40 Umspannwerke. Eines davon liegt am Landwehrkanal in Kreuzberg. Von außen erinnert es an eine Kirche. Statt Gottesdienste beherbergte die „Kathedrale der Elektrizität“ aber große Transformatoren. Bis 1989 versorgten sie das Viertel mit Strom. Dann stellte die BEWAG den Betrieb ein. Heute dient das Gebäude unter anderem als Arbeits- und Veranstaltungsort für gemeinnützige Vereine.

Ines Schröder

 

Innenhof mit Torbogen, hohe Ziegelfassaden und Turm

Innenhof mit Torbogen, hohe Ziegelfassaden und Turm. Foto: Ines Schröder, Berlin, Februar 2023, CC BY-SA 3.0

Blick auf das Umspannwerk vom Maybachufer aus.

Blick auf das Umspannwerk vom Maybachufer aus. Foto: Ines Schröder, Berlin, Februar 2023, CC BY-SA 3.0

 

Die Jungfernbrücke in Berlin

Die Jungfernbrücke ist die älteste erhaltene Brücke Berlins. Sie überspannt den Spreekanal, der bis 1893 der einzige innerstädtische Schifffahrtsweg zwischen Unterspree und Oberspree war. Bereits seit 1690 stand an diesem Ort eine Klappbrücke, um Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Hierfür wurde der Mittelteil der Brücke über Ketten und Räder angehoben. Nach Instandsetzungen Ende der 1990er Jahre gleicht das Erscheinungsbild wieder der im Jahr 1798 errichteten Brücke aus Holz und Eisen, die ein Beispiel der frühen industriellen Ingenieurskunst ist.

Patrick Weever

 

Die Jungfernbrücke von der Seite aus gesehen; im Hintergrund ein weißes, sechsstöckiges Gebäude

Die Jungfernbrücke von der Seite. Foto: Hanno Hochmuth, Berlin, 2022, CC BY-SA 3.0

Die Jungfernbrücke spiegelt sich im Spreekanal. Im Hintergrund sieht man die Kuppel des Humboldt Forums.

Die Jungfernbrücke spiegelt sich im Spreekanal. Im Hintergrund sieht man die Kuppel des Humboldt Forums. Foto: Hanno Hochmuth, Berlin, 2022, CC BY-SA 3.0

 

Stralauer Glashütte

Hättet Ihr gedacht, dass dieses Gebäude bereits aus dem Jahr 1921 stammt? Es war einst das Werkstattgebäude der Stralauer Flaschenfabrik Evert & Neumann, die später zur Stralauer Glashütte AG wurde (ab 1949 VEB Stralauer Glaswerke). Das Unternehmen wurde bereits 1889 gegründet, und schon fünf Jahre später produzierten hier hunderte Arbeiter:innen 20 Millionen Flaschen jährlich. 1996 wurde der Betrieb eingestellt. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz; es wurde in moderne Loftwohnungen umgebaut. An die Arbeiter:innen der Glashütte erinnert heute noch der Straßenname „Glasbläserallee“.

Verena Dieck

 

Ansicht des Gebäudes von links. Foto: Verena Dieck, CC BY-NC-SA 4.0

Ansicht des Gebäudes von links. Foto: Verena Dieck, Berlin, Januar 2023, CC BY-NC-SA 4.0

Ansicht des Gebäudes von rechts

Ansicht des Gebäudes von rechts. Foto: Verena Dieck, Berlin, Januar 2023, CC BY-NC-SA 4.0

 

Hochöfen in Esch, Luxemburg

Luxemburg kennt man heute vor allem als Finanzzentrum. Doch noch bis vor wenigen Jahrzehnten war der Süden des Landes ein Zentrum der Stahlindustrie. Die rote Erde der Minette barg viel Eisenerz, das man für die Herstellung von Stahl verwendete. Riesige Hochöfen dominierten die Gegend um Esch an der Alzette. Heute wird der Stahl in Esch mit Elektroenergie geschmolzen. Direkt neben den stillgelegten Hochöfen steht die neue Universität Luxemburg. 2022 war Esch Kulturhauptstadt Europas. Zahlreiche Projekte und Events erinnerten an die Industriekultur der Region.

Hanno Hochmuth

 

Ein stillgelegter Hochofen bei Nacht

Blick auf einen stillgelegten Hochofen bei Nacht. Foto: Hanno Hochmuth, Esch-sur-Alzette 2022, CC BY-NC-SA 4.0

Blick auf einen stillgelegten Hochofen; im Hintergrund ein hohes Universitätsgebäude

Blick auf einen stillgelegten Hochofen in Esch an der Alzette. Im Bildhintergrund ist links das Hauptgebäude der Universität Luxemburg zu sehen. Foto: Hanno Hochmuth, Esch-sur-Alzette 2022, CC BY-NC-SA 4.0

 

 

 

 

 

Zitation


Hanno Hochmuth, Public Visual History zur Industriekultur. Industriekultur in Berlin, Brandenburg und Luxemburg, in: Visual History, 28.03.2023, https://visual-history.de/2023/03/28/hochmuth-public-visual-history-zur-industriekultur/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2476
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