NEUE REZENSIONEN: H-SOZ-KULT

Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung – rezensiert auf H-Soz-Kult

Wien, Innere Stadt, 11. Juli 2009, Fotografin: Ellen Munro. Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY 2.0

Roland Meyer: Operative Porträts. Eine Bildgeschichte der Identifizierbarkeit von Lavater bis Facebook

Konstanz University Press – KUP, Konstanz 2019

Rezensiert von Valentin Groebner, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

 

© Konstanz University Press

Das menschliche Gesicht, so lässt sich die lesenswerte Studie des Kunst- und Medienwissenschaftlers Roland Meyer bilanzieren, kann einfach zuviel. Es produziert ununterbrochen Bedeutungsüberschüsse, weil es sich bewegt; weil es anderen Leuten zulächelt oder ihnen Grimassen schneidet, sie anlocken oder abwehren möchte. So nützlich diese Gesichtsausdrücke im Alltag sind, sie verwandeln sich, sobald ein Gesicht seinen Besitzer zweifelsfrei erkennbar machen soll, in störendes Rauschen. Damit es präzise erfasst, mit anderen verglichen und in Datenbanken eingespeist werden kann, muss der größte Teil dessen, was ein Gesicht ist und tut, zum Verschwinden gebracht werden: reduziert, stillgestellt, herausgerechnet.

 

 

 

Vera Chiquet: Fake Fotos. John Heartfields Fotomontagen in populären Illustrierten

Transcript, Bielefeld 2018

Rezensiert von Valentin J. Hemberger, redaktionell betreut durch Kai Nowak

 

© Transcript

Es ist die ambitionierte Verschränkung hochaktueller Forschungsschwerpunkte an den Schnittstellen von Kunstgeschichte, Mediensoziologie und allgemeiner Pressegeschichte, die die von Vera Chiquet an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel eingereichte Dissertationsschrift zu einer vielversprechenden und interdisziplinäre Anschlussfähigkeit nahelegenden Neuerscheinung macht. Das zeitgenössische Fake News-Phänomen (als vermeintlich neueste Herausforderung für die Postulate von Authentizität und Objektivität in Massenmedien) versucht die Autorin historisch einzuordnen.

 

 

 

 

Pierre Smolarski/René Smolarski/Silke Vetter-Schultheiß (Hg.): Gezähnte Geschichte. Die Briefmarke als historische Quelle

V&R unipress, Göttingen 2019

Rezensiert von Dirk Naguschewski, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

 

© V&R unipres

Dass die analytische Beschäftigung mit Briefmarken aktuell im Trend der kultur- und geschichtswissenschaftlichen Forschung liegt, ist nicht zu übersehen. Mitte des 19. Jahrhunderts etabliert, um den Postverkehr effizienter zu gestalten, gehören die Miniaturgrafiken zu den verbreitetsten Massenmedien des 20. Jahrhunderts – mit Auflagenhöhen, die zuweilen jenseits der Milliardengrenze lagen. Im digitalen Zeitalter hat ihr Gebrauchswert zwar deutliche Einbußen erlitten, doch je mehr die Briefmarke zu einem historischen Medium wird, desto größer ist das Interesse, sich akademisch mit ihr auseinanderzusetzen.

 

 

 

 

Sarah Dellmann: Images of Dutchness. Popular Visual Culture, Early Cinema and the Emergence of a National Cliché 1800-1914

Amsterdam University Press, Amsterdam 2018

Rezensiert von Krystyna Biernawska, redaktionell betreut durch Christoph Classen

 

© Amsterdam University Press

In her book „Images of Dutchness. Popular Visual Culture, Early Cinema and the Emergence of National Cliché, 1800–1914“, Sarah Dellmann analysed 3000 images from eleven different media formats, ranging from print press and magazines, postcards, advertising trade cards, tourist brochures, and promotional materials to early cinema. All materials are categorised as nonfiction and fit within one of three discourses: anthropology, popular geography, and tourism (as in consumer culture). It is interesting that, as the author explains, she gained access to the materials in question not only through traditional, institutionalised media of archives, but also through platforms such as YouTube and eBay.

 

 

 

Tanja Maier: Die (un-)sichtbare Religion. Wandel des christlichen Bilderrepertoires in der visuellen Kultur

Herbert von Halem Verlag, Köln 2019

Rezensiert von Natalie Fritz, redaktionell betreut durch Christoph Classen

 

© Herbert von Halem

Es gibt eine neue Sichtbarkeit der Religion – darüber wird nicht nur in den Medien spekuliert, darin sind sich auch diverse wissenschaftliche Disziplinen seit längerem einig. Tanja Maier prangert jedoch durchaus gerechtfertigt an, dass insbesondere in der deutschsprachigen Medien- und Kommunikationswissenschaft kaum Studien vorliegen, die das Thema „Religion und ihre mediale Präsenz“ – speziell die mediale Sichtbarkeit christlicher Motive im Wandel der Zeit – fokussieren würden. Maiers Studie Die (un)sichtbare Religion möchte diese Lücke schließen.

 

 

 

 

 

Angela Müller: Indien im Sucher. Fotografien und Bilder von Südasien in der deutschsprachigen Öffentlichkeit, 1920-1980

Böhlau Verlag, Köln 2019

Rezensiert von Julia Hauser, redaktionell betreut durch Maria Framke

 

© Böhlau

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Visual History ein produktives Feld in der Geschichtswissenschaft und benachbarten Disziplinen. Einer ihrer Schwerpunkte liegt dabei auf der Untersuchung von Repräsentationen des kulturell Anderen im kolonialen Kontext. In diesen Forschungszweig schreibt sich auch Angela Müller mit ihrer Dissertation über Bilder von Südasien in Deutschland und der Schweiz 1920 bis 1980 ein. Müller argumentiert, dass die Darstellung Indiens in deutschsprachigen Illustrierten und Fotobänden stets durch Exotisierung gekennzeichnet war und dass über die Auseinandersetzung mit Indien die „europäische […] Moderne“ (S. 12) verhandelt wurde.

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