NEUE REZENSIONEN: H-SOZ-KULT
Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung – rezensiert auf H-Soz-Kult
Konstanz University Press – KUP, Konstanz 2019
Rezensiert von Valentin Groebner, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Das menschliche Gesicht, so lässt sich die lesenswerte Studie des Kunst- und Medienwissenschaftlers Roland Meyer bilanzieren, kann einfach zuviel. Es produziert ununterbrochen Bedeutungsüberschüsse, weil es sich bewegt; weil es anderen Leuten zulächelt oder ihnen Grimassen schneidet, sie anlocken oder abwehren möchte. So nützlich diese Gesichtsausdrücke im Alltag sind, sie verwandeln sich, sobald ein Gesicht seinen Besitzer zweifelsfrei erkennbar machen soll, in störendes Rauschen. Damit es präzise erfasst, mit anderen verglichen und in Datenbanken eingespeist werden kann, muss der größte Teil dessen, was ein Gesicht ist und tut, zum Verschwinden gebracht werden: reduziert, stillgestellt, herausgerechnet.
Vera Chiquet: Fake Fotos. John Heartfields Fotomontagen in populären Illustrierten
Transcript, Bielefeld 2018
Rezensiert von Valentin J. Hemberger, redaktionell betreut durch Kai Nowak
Es ist die ambitionierte Verschränkung hochaktueller Forschungsschwerpunkte an den Schnittstellen von Kunstgeschichte, Mediensoziologie und allgemeiner Pressegeschichte, die die von Vera Chiquet an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel eingereichte Dissertationsschrift zu einer vielversprechenden und interdisziplinäre Anschlussfähigkeit nahelegenden Neuerscheinung macht. Das zeitgenössische Fake News-Phänomen (als vermeintlich neueste Herausforderung für die Postulate von Authentizität und Objektivität in Massenmedien) versucht die Autorin historisch einzuordnen.
V&R unipress, Göttingen 2019
Rezensiert von Dirk Naguschewski, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Dass die analytische Beschäftigung mit Briefmarken aktuell im Trend der kultur- und geschichtswissenschaftlichen Forschung liegt, ist nicht zu übersehen. Mitte des 19. Jahrhunderts etabliert, um den Postverkehr effizienter zu gestalten, gehören die Miniaturgrafiken zu den verbreitetsten Massenmedien des 20. Jahrhunderts – mit Auflagenhöhen, die zuweilen jenseits der Milliardengrenze lagen. Im digitalen Zeitalter hat ihr Gebrauchswert zwar deutliche Einbußen erlitten, doch je mehr die Briefmarke zu einem historischen Medium wird, desto größer ist das Interesse, sich akademisch mit ihr auseinanderzusetzen.
Amsterdam University Press, Amsterdam 2018
Rezensiert von Krystyna Biernawska, redaktionell betreut durch Christoph Classen
In her book „Images of Dutchness. Popular Visual Culture, Early Cinema and the Emergence of National Cliché, 1800–1914“, Sarah Dellmann analysed 3000 images from eleven different media formats, ranging from print press and magazines, postcards, advertising trade cards, tourist brochures, and promotional materials to early cinema. All materials are categorised as nonfiction and fit within one of three discourses: anthropology, popular geography, and tourism (as in consumer culture). It is interesting that, as the author explains, she gained access to the materials in question not only through traditional, institutionalised media of archives, but also through platforms such as YouTube and eBay.
Herbert von Halem Verlag, Köln 2019
Rezensiert von Natalie Fritz, redaktionell betreut durch Christoph Classen
Es gibt eine neue Sichtbarkeit der Religion – darüber wird nicht nur in den Medien spekuliert, darin sind sich auch diverse wissenschaftliche Disziplinen seit längerem einig. Tanja Maier prangert jedoch durchaus gerechtfertigt an, dass insbesondere in der deutschsprachigen Medien- und Kommunikationswissenschaft kaum Studien vorliegen, die das Thema „Religion und ihre mediale Präsenz“ – speziell die mediale Sichtbarkeit christlicher Motive im Wandel der Zeit – fokussieren würden. Maiers Studie Die (un)sichtbare Religion möchte diese Lücke schließen.
Böhlau Verlag, Köln 2019
Rezensiert von Julia Hauser, redaktionell betreut durch Maria Framke
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Visual History ein produktives Feld in der Geschichtswissenschaft und benachbarten Disziplinen. Einer ihrer Schwerpunkte liegt dabei auf der Untersuchung von Repräsentationen des kulturell Anderen im kolonialen Kontext. In diesen Forschungszweig schreibt sich auch Angela Müller mit ihrer Dissertation über Bilder von Südasien in Deutschland und der Schweiz 1920 bis 1980 ein. Müller argumentiert, dass die Darstellung Indiens in deutschsprachigen Illustrierten und Fotobänden stets durch Exotisierung gekennzeichnet war und dass über die Auseinandersetzung mit Indien die „europäische […] Moderne“ (S. 12) verhandelt wurde.