„In Straßburg auf der Schanz“
Es ist Donnerstag, der 29. September 1870. Seit dem gestrigen Tag schweigen in Straßburg – neben Metz die am stärksten befestigte Stadt Frankreichs – die Waffen. Die seit dem 12. bzw. dem 23. August andauernde Belagerung bzw. Bombardierung der Stadt durch Truppen des Norddeutschen Bundes unter Führung Preußens sowie der mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt hat mit der Kapitulation des lokalen französischen Befehlshabers ein Ende gefunden. Die deutschen Nachbarn haben ihren Besitzanspruch auf die alte Reichsstadt gewaltmäßig durchgesetzt.
Die Opfer: 2600 tote und verwundete Soldaten auf beiden Seiten sowie mehr als 1500 tote und verwundete Einwohner und Einwohnerinnen. Insbesondere im Westen der Stadt, in der Stein-Vorstadt, und entlang der Befestigungen zwischen dem Steintor und dem Nationaltor ist die Stadt ein einziges Ruinenfeld. Das vorangegangene Bombardement liefert einen Vorgeschmack auf den totalen Krieg des kommenden Jahrhunderts.
Der historische Symbolwert Straßburgs und das Ausmaß der Zerstörungen ziehen Journalisten, Pressezeichner sowie etwa ein Dutzend Fotografen an und machen die Kapitulation der Stadt zu einem multimedialen Ereignis, das gleichermaßen in Wort und Bild festgehalten wird. Bereits am 27. September ist Otto von Corvin – patriotisch-deutscher Schriftsteller und Journalist, der einige Jahre zuvor bereits für die „New York Times“ über den amerikanischen Sezessionskrieg berichtet hat – vor Straßburg eingetroffen, ohne indes Zutritt zur zerstörten Festungsstadt zu erhalten. Erst am Morgen des 29. September wird ihm und anderen Zivilisten gestattet, die Zerstörungen zu besichtigen.
Corvin ist von deren Ausmaß überrascht. „Es war als ob ein Riese, hoch wie das Münster, mit einem tausend Centner schwerem Hammer in der Hand, sich damit amüsirt hätte, die Häuser zu zerklopfen“, schreibt er in der „Gartenlaube“, dem führenden illustrierten Blatt der Zeit. Am „tollsten“ habe es am Steintor ausgesehen. Jedes Haus sei „von Kugeln, wie ein Sieb, durchlöchert, und manche brachten die wunderbarsten Effecte hervor“. Umso mehr wundert sich Corvin: „Ich begreife nicht, wo die Photographen stecken. In Amerika waren sie auf jedem Schlachtfelde bei der Hand und ihnen verdanken wir die interessantesten Ansichten. Die deutschen Photographen werden angetrottelt kommen, wenn das Charakteristische der Schlachtenbilder längst verwischt ist.“ Fotografen haben bei Corvin und seinen Kollegen kein gutes Image. Dennoch ahnt er, welches ästhetische und erinnerungspolitische Potenzial Fotografien vom Krieg haben können: „Die militärischen Behörden selbst hätten, des Ruhmes der Armee wegen, dafür sorgen sollen.“[1]
Neben anderen Journalisten und freiberuflichen Pressezeichnern wie dem Maler und Illustrator Robert Heck, von dem zwei Holzstiche der Szene mit ähnlichen Motiven in der „Gartenlaube“ stammen[2] und der schon vom Deutsch-Dänischen Krieg berichtet hat, „trotteln“ dann im Laufe des Tages auch etliche Fotografen ein, um in fast identischer Perspektive die Zerstörungen abzulichten bzw. den deutschen Sieg in Szene zu setzen.
Unter ihnen befinden sich Fotografen, die in Straßburg beheimatet sind und sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen wie Charles Winter, der preußische Soldaten auf den Trümmern einer zerstörten Schanze fotografiert und Aufnahmen vom Inneren der zerstörten Bastion 12 und der weitgehend zerstörten Stein-Vorstadt macht.[3] Eine fast identische Perspektive wie er wählt Georg Maria Eckert, dessen Aufnahme allerdings nur einen Soldaten auf der Schanze zeigt und weniger durchkomponiert erscheint. Beherrscht wird sein Bild von einer Achse, die von dem Soldaten auf der Schanze über die Steinstraße bis zum Münster reicht.[4] Andere Aufnahmen von Eckert zeigen das Schlachtfeld vor der Stadt mit Laufgräben und toten Bäumen und einmal mehr das Münster im Hintergrund.[5] Unter den Fotografen, die am Tag nach der Kapitulation Straßburgs fotografieren, befinden sich mit Karl Schwier und seinen Kollegen auch Angehörige des mobilen „Königlich-Preußischen Feld-Photographie-Detachements“.
Alle ihre Aufnahmen sind Nachher-Bilder der militärischen Aktion, so auch die Fotografie von Charles Winter, die auch von Paul Sinner unter dessen Namen veröffentlicht wurde und zum Symbolbild, gleichsam zur Ikone des Kampfes um Straßburg und des Deutsch-Französischen Krieges insgesamt wurde (Abb. 1).[6] Winters Fotografie fällt aus den Aufnahmen seiner Kollegen heraus, weil sie komponierter erscheint. Er ist ein erfahrener Fotograf, der genau weiß, welche Aufnahmen gefragt sind und wie er diese zu arrangieren hat. Von erhöhter Position aus richtet er den Blick seiner Kamera, dabei die in der Malerei beliebte Rückenansicht nutzend, über zwei Wache schiebende Soldaten auf die Steinstraße und über die zerstörte Vorstadt auf das historische Münster im Hintergrund. Seine Aufnahme ist der symbolisch überhöhte Blick des Siegers auf die zerstörte Stadt, gleichsam die fotografische Variante des populären Liedes von der „Wacht am Rhein“.
Winters und Sinners Aufnahmen entsprechen dem Verlangen eines bürgerlichen Publikums nach patriotischer Erbauung. Sie werden als Holzschnitt zeitversetzt und mit kleineren Abweichungen in dem illustrierten Unterhaltungsblatt „Über Land und Meer“ publiziert (Abb. 2). Sie erhalten damit eine Publizität, von denen Kollegen von Winter und Sinner mit ihren Aufnahmen nur träumen können. Indem der Xylograph den bei Winter und Sinner rechtsstehenden Soldaten als Vordergrundmotiv weglässt, verstärkt er die Mittelachse und betont damit das axiale Blickfeld zum Münster. Dieses tritt sowohl in den Fotografien Winters und Sinners als auch im Holzstich als unbeschädigtes Sujet auf.
Fast identische Perspektiven auf die Szene finden sich auch bei anderen Fotografen und Xylographen, weshalb die Aufnahmen – insbesondere die von Winter und Sinner – oft verwechselt werden. Denkbar ist allerdings auch, dass die Fotografen ihre Bilder untereinander austauschten und dann unter ihrem Namen verkauften und veröffentlichten.
Alle Aufnahmen haben gemeinsam, dass sie fotografische Variationen des klassischen Blicks vom Feldherrenhügel sind und sich daher in den vertrauten Konventionen und Perspektiven der traditionellen Kriegs- und Schlachtenmalerei bewegen. Nur sind es im modernen Krieg nicht mehr Feldherren, sondern einfache Soldaten, über deren Schulter die Fotografen und damit die Betrachter auf das Geschehen schauen. Und wie in der klassischen Malerei des Krieges entziehen sich in der Totalen die Opfer des Bombardements dem Blick.
Identisch bei vielen Aufnahmen vom 29. September 1870 ist deren axialer Bildaufbau. Dieser schafft eine Verbindung von den deutschen Soldaten auf der Schanze hin zum Münster und scheint damit den Anspruch des sich bildenden neuen Reichs auf Straßburg und das Elsass mit einem göttlichen Segen zu versehen. Das Münster selbst, das Bauwerk Gottes, so scheint es, ist von Zerstörungen verschont geblieben.
Allerdings lässt der fotografische Bilderkorpus zur Kapitulation Straßburgs auch andere Perspektiven und Techniken erkennen, mit denen Betrachter und Betrachterinnen wie beim Rückenblick von Winter und Sinner ins Geschehen geholt werden. So hat der Baseler Fotograf Adam Varady Stereofotografien derselben Motive angefertigt, die mit entsprechender Brille beim Betrachter einen 3 D-Eindruck der Szene entstehen lassen. Gleichsam eine Variation der heute populären Perspektive des „embedded journalism“ von unten liefert die „Das Innere von Bastion 12“ betitelte Aufnahme der preußischen Feldphotographie (Abb. 3), in der sich Betrachter und Betrachterinnen – überwölbt von einem apokalyptischen Himmel – mit dem Fotografen unter den Soldaten in den Laufgräben vor den Schanzen der Stadt zu befinden scheinen und auf die Verwüstungen im Bildhintergrund blicken, aus denen – wie gehabt – der Turm des Münsters hervorragt. Es ist scheinbar eine Aufnahme aus dem Inneren der Bastion nördlich des Steintors und damit eine Perspektive, die man bis dato allenfalls in Ausnahmefällen einmal gesehen haben dürfte.
Die Kriegsfotografie vor 1870[7]
Seit Erfindung der Fotografie ist diese vom Image umgeben, Wirklichkeit naturgetreu abzubilden und den Zeitgenossen damit ein authentisches Bild zu vermitteln. Betrachter und Betrachterinnen werden auf diese Weise zu Augenzeugen von Dingen und Geschehnissen, die außerhalb ihres natürlichen Blicks angesiedelt sind bzw. stattfinden. Nicht zufällig trägt das erste Buch über das neue Medium den Titel „The Pencil oft Nature“.[8] Die Hoffnung, Wirklichkeit authentisch abzubilden, ja widerzuspiegeln, traf auch für kriegerische Auseinandersetzungen zu. So notierte der Fotograf des Amerikanischen Bürgerkriegs, Alexander Gardner, im Jahr 1866: „Verbal representations of such places, or scenes may or may not have the merit of accuracy; but photographic presentments of them will be accepted by posterity with an undoubting faith.“[9]
Nach dem Krimkrieg zwischen 1853 und 1856, dem amerikanischen Sezessionskrieg zwischen 1861 und 1865, dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 sowie dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 war der Deutsch-Französische Krieg der erste Krieg überhaupt, in dem Fotografen auf die Schlachtfelder vorgelassen wurden. Der Stand der frühen fotografischen Technik sowie der Drucktechnik setzte einer militärischen oder propagandistischen Verwendung der Fotografie noch enge Grenzen. Primär ging es um die Dokumentation des Geschehens. Aber auch dies war eine Illusion, da die Fotografien in der Regel immer nur Momentsituationen abbildeten oder Aufnahmen für die Kamera inszenierten.
Den hohen Erwartungen konnte die Kriegsfotografie in ihren Anfängen in keiner Weise gerecht werden. Belichtungszeiten von zum Teil mehreren Minuten schlossen Aufnahmen von militärischen Aktionen von vornherein aus. Schnappschüsse oder „Momentaufnahmen“, wie sie zeitgenössisch hießen, waren erstmals im Spanisch-Amerikanischen Krieg um Kuba 1898 möglich. Die Aufnahmen waren somit auf ruhende Objekte und damit auf Vor- und Nachher-Aufnahmen des Geschehens begrenzt. Da Fotografen auf den Kriegsschauplätzen während der Kampfhandlungen unerwünscht waren, blieben ihnen nur wenige Sujets, die sie ablichten konnten. In der Regel ließen die Generalstäbe die Fotografen erst vor Ort, wenn die Schlachtfelder von Leichen gesäubert waren. Eine Ausnahme machte nur der Amerikanische Bürgerkrieg, in dem auch Leichen fotografiert wurden.[10] Ihre Bilder erwiesen sich allerdings als schlechtes Geschäft.
Zudem konnten die auf nassen Platten festgehaltenen Aufnahmen noch nicht konserviert werden, sondern mussten nach dem Belichten sofort vor Ort entwickelt werden, was entsprechende Logistik und Materialien voraussetzte. Auf etlichen zeitgenössischen Aufnahmen sind daher von Pferden gezogene Dunkelkammern zu erkennen, die die Fotografen mitführten und vor denen sie sich selbst stolz ablichten ließen (Abb. 4, 5).
Da es in den Anfängen der Fotografie noch keine Reproduktionsmöglichkeiten für die Aufnahmen gab, blieb ihnen der Zugang zu den populären illustrierten Zeitschriften versperrt. Diese waren daher zunächst einem kaufkräftigen Publikum als Sammelobjekte vorbehalten oder mussten zeit- und kostenaufwändig von sogenannten Xylographen in Holzstiche übertragen werden, um dann mit einer Zeitverzögerung von mehreren Wochen in den Zeitschriften zu erscheinen.
Schließlich lässt die Kriegsfotografie der Anfangsjahre noch keine eigene fotografische Bildsprache erkennen.[11] Vielmehr bewegte sich diese in aller Regel in den Konventionen und Perspektiven der klassischen Schlachtenmalerei. In den Aufnahmen dominierte das Bild eines männlich geordneten, gleichsam zivilisierten Krieges. Krieg erschien in ihnen als beherrschbar und humanisiert und damit seiner potenziellen Anarchie und Barbarei entkleidet. Der Krimkrieg etwa wirkte in den Aufnahmen des britischen Fotografen Roger Fenton euphemisierend wie ein „picknick war“. Die Hunderttausende von Toten kamen in den Aufnahmen der frühen Kriegsfotografen praktisch nicht vor. Im Gegenteil: Vielfach erhielt der Krieg ähnlich wie in der Malerei sogar einen romantischen Schleier verpasst. Gesellschaftliche und ästhetische Tabus blieben unverletzt. Solche Aufnahmen besaßen allenfalls Unterhaltungswert. Nur selten bildeten sich in ihnen Realitätssegmente ab, in denen der maschinelle bzw. der totale Krieg der Zukunft aufschien. Dies war etwa dort der Fall, wo die moderne Waffentechnik ins Bild geriet oder deren verheerende Wirkungen anhand zerstörter Städte und Landschaften abgelichtet wurden.
Trotz aller Begrenzungen wurden die Daheimgebliebenen durch diese Bilder erstmals visuell mit dem Kriegsgeschehen konfrontiert, gleichsam zu Zuschauern und virtuellen Beteiligten. Der Krieg drang in die Wohnstuben ein – ein Prozess, der im Echtzeitkrieg am laufenden Bildschirm seine vorläufig letzte Form gefunden hat.
Die Fotografen [12]
Die Fotografen, die den Deutsch-Französischen Krieg ablichteten, stammten wie Charles Winter aus Straßburg selbst oder wie Auguste Colas-Baudelaire aus dem gerade mal 15 Kilometer entfernten Saint Pierre, kannten sich also vor Ort aus. Einige wie Paul Sinner oder Georg Maria Eckert waren aus dem 120 bzw. 140 Kilometer entfernten Tübingen und Heidelberg angereist, Carl Friedrich Mylius kam aus Frankfurt am Main. Aus Aachen war August Kampf nach Straßburg gereist, von dem eine Atelieraufnahme existiert, die ihn als Kriegsfotografen mit seiner Ausrüstung und preußischem Kreuz auf dem Oberarm zeigt.[13]
Die weiteste Anfahrt hatten neben dem „Königlich-Preußischen Feld-Photographie Detachement“ aus Berlin, das vermutlich bereits die Bahn benutzt hatte, Heinrich Schnaebeli, „Hof-Maler und Hof-Photograph Sr. Majestät d. Königs“, und Ernst Lucke, ebenfalls aus Berlin, auf sich genommen. Schnaebeli war im Januar 1871 eigens nach Versailles gereist, um dort Aufnahmen von den Teilnehmern und den Räumlichkeiten der Kaiserproklamation zu machen.[14] Bilder von der Proklamation selbst waren ihm untersagt. Diese blieben den großen preußischen Historienmalern wie insbesondere Anton von Werner vorbehalten. Dafür durfte Schnaebeli das luxuriöse Quartier des Kronprinzen Friedrich Wilhelm – des späteren „99-Tage-Kaisers“ – in Versailles fotografieren. Auf der Rückreise nach Berlin machte Schnaebeli Aufnahmen von den Schlachtfeldern bei Metz sowie vor allem vom Arsenal der Stadt, das den Preußen in die Hände gefallen war (Abb. 7).
Alle diese Fotografen waren Männer, die über die entsprechenden technischen und finanziellen Voraussetzungen verfügten, einen Kriegsschauplatz aufzusuchen. Dies traf auch auf Adolphe Braun zu, der über ein bereits europaweit bekanntes, gut gehendes Atelier verfügte,[15] auf André Adolphe-Eugène Disdéri aus Paris, der sich 1854 sein „Carte-de-visite-Verfahren“ hatte patentieren lassen und ebenfalls in ganz Europa bekannt war. Dazu gehörten auch Heinrich Schnaebeli aus Berlin, der ein gut gehendes Atelier Unter den Linden 5 führte, und Pierre Lanith Petit, der seit 1858 ein eigenes Atelier im 9. Pariser Arrondissement mit Filialen in Baden-Baden und Marseille besaß.
Vom Alter her gehörten diese Fotografen den Geburtsjahrgängen zwischen 1812 und 1838 an, waren 1870 also zwischen 32 und 58 Jahre alt. Der Älteste von ihnen war Adolphe Braun, Jahrgang 1812, der Jüngste Paul Sinner, Jahrgang 1838. Wie die meisten Fotografen der Zeit waren sie von der Kunst bzw. der Lithografie zur Fotografie gekommen. Georg Maria Eckert war ursprünglich Kunstlehrer und Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule gewesen. Carl Friedrich Mylius hatte an der Städelschule in Frankfurt studiert und dann eine Lehre als Lithograf absolviert. Adolphe Braun war zunächst Zeichner und Designer in einer Kattundruckerei gewesen, bevor er 1847 zur Fotografie kam und 1850 ein eigenes Atelier eröffnete. Eugène Gonzalve Malardot aus Metz hatte sich zuerst als Maler und Radierer einen Namen gemacht. 1853 ging er nach Frankfurt, um dort die Technik der fotografischen Retusche zu studieren. Nur Pierre Lanith Petit, Jahrgang 1832, hatte sein Handwerk von Anbeginn an im Pariser Atelier von Eugène Disdéri gelernt. 1867 war er offizieller Fotograf auf der Pariser Weltausstellung gewesen.
Ihre künstlerische Vorbildung kam den neuen Kriegsfotografen insofern entgegen, da sie wussten, welche Rolle Perspektive, Sujet und Licht für ihre Arbeit spielten. Dies war schon deshalb nötig, weil die Platten, die sie mit sich führten, begrenzt und teuer waren. Anders als heutige Kriegsfotografen konnten sie nicht einfach drauflos fotografieren. Fotografisch hatten sich einige von ihnen wie Carl Friedrich Mylius und Charles Winter auf Architektur- und Landschaftsfotografie spezialisiert. Zum Teil spiegelten sich diese Vorlieben in ihren Aufnahmen wider.
Eine etwas andere Karriere hatte Paul Sinner vorzuweisen. Ursprünglich war er Schlosser gewesen, hatte sich dann aber infolge eines Arbeitsunfalls der Fotografie zugewandt, eine Fotografenlehre absolviert und 1865 zusammen mit einem Kompagnon in Stuttgart ein eigenes Atelier für Malerei und Fotografie eröffnet. Um als Fotograf mobil zu sein, kaufte er sich bereits im ersten Jahr seiner Selbstständigkeit ein Pferd und eine Kutsche, mit der er ein aufklappbares Dunkelkammerzelt transportieren und auf diese Weise die nassen Platten sofort nach dem Belichten entwickeln konnte. Diese Kammer bestand aus einer großen, flachen Holzkiste mit klappbaren Beinen.[16] Dank dieser Vorrichtung war Sinner unabhängig vom Atelier und konnte sowohl bei seinen Kunden als auch im Freien fotografieren. Für Aufnahmen des Klosters Bebenhausen war er vom König von Württemberg 1868 mit einer „Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft“ ausgezeichnet worden. Diese Auszeichnung wiederum dürfte es ihm erleichtert haben, 1870 eine Fotografiergenehmigung für Straßburg zu erhalten.[17]
Auch sein Kollege Charles Winter verfügte über eine fahrbare Dunkelkammer. Eine Aufnahme zeigt ihn am 29. September 1870 mit dieser inmitten der Trümmer seiner Heimatstadt Straßburg – vermutlich fotografiert von seinem Kollegen Paul Sinner (Abb. 4). Auch Winter war vorher Maler und Lithograf gewesen, bevor ihn 1840 eine Wanderausstellung erstmals mit der Fotografie bekannt machte.
Alle diese Fotografen handelten in eigenem Auftrag, auf eigenes Risiko und auf eigene Kosten. Für sie waren ihre Aufnahmen in erster Linie kommerzielle Waren, für die Käufer gefunden werden mussten, nicht publizistische Informationsträger. Nur in Einzelfällen erreichten ihre Aufnahmen ein größeres Publikum, wenn etwa Xylographen ihre Aufnahmen in reproduzierbare Holzstiche übertrugen. Von Brauns Aufnahmen aus Paris ist überliefert, dass der Maler Ernest Meissonier bei seinen Darstellungen von Kriegszerstörungen auf diese als Inspirationsquelle zurückgriff.[18]
Bodo von Dewitz hat das Dilemma der Fotografen des Deutsch-Französischen Krieges präzise beschrieben: „Die Photographen dieses Krieges kamen immer zu spät, waren mangelhaft organisiert, wurden beim Photographieren im okkupierten Terrain von der feindlich gesinnten Bevölkerung behindert, waren den Witterungsproblemen schutzlos ausgeliefert und litten oft unter Transportmängeln und Wassernot.“[19]
Nachdem die Generalstäbe in Frankreich und England bereits seit Beginn der 1860er Jahre über eigene fotografische Dienste verfügten, schickte auch das preußische Kriegsministerium mit dem „Königlich-Preußischen Feld-Photographie-Detachement“ – so sein offizieller Titel – 1870 erstmals eine mobile Fotografeneinheit ins Feld.[20] Deren Aufgabe bestand darin, „die Angriffsfront photogrammetrisch aufzunehmen“, also fotografische Panoramen der Schlachtfelder zum Zwecke der militärischen Planung sowie der fotografischen Dokumentation anzufertigen. An eine publizistisch-propagandistische Nutzung war indes nicht gedacht. „Photogrammetrie“ war ein zeitgenössisches Verfahren, bei dem fotografische Aufnahmen mit geometrischen Berechnungen kombiniert wurden, um auf diese Weise die Erstellung exakter Lagepläne zu ermöglichen.
Unter Führung eines Hauptmanns bestand die Abteilung aus drei Fotografen – einer von ihnen war Karl Schwier[21] –, aus zwei Offizieren, zwei Zeichnern und zehn Pionieren. Von ihrer Ausbildung und der mitgeführten Technik waren diese Männer allerdings nur ungenügend auf ihre Aufgabe vorbereitet. Neben einem Stehwagen, der als Dunkelkammer diente, und einem Requistenwagen, der die notwendigen Präparate und Chemikalien enthielt, führte die Abteilung ein transportables Dunkelzelt mit, wie aus einer Aufnahme hervorgeht, die ebenfalls in den Tagen um den 28. September 1870 vor Straßburg entstand (Abb. 5). Eine dieser Aufnahmen zeigt inmitten der vor Straßburg völlig zernarbten Landschaft zwischen Einschusskratern einen der beiden von dem Detachement mitgeführten Wagen, seitlich davor ein mit Tüchern verhangenes Gestell, das vermutlich als Dunkelkammer diente. Neben drei Personen am Wagen selbst ist unscharf noch eine weitere Personengruppe im Hintergrund zu erkennen.
Organisations- und Transportprobleme hatten dazu geführt, dass die Einheit erst am 19. September und damit zu spät vor Straßburg eintraf. Zu Vermessungszwecken machte sie noch drei Aufnahmen, nach denen anschließend ein Plan im Maßstab 1:2500 angefertigt wurde. Nach der Kapitulation der Stadt entstanden weitere 100 Aufnahmen vom Operationsgelände, von Schützengräben, eingenommenen Bastionen und erbeuteten Geschützen. Anfang Dezember traf die Abteilung in Versailles ein, wo sie 123 Aufnahmen der preußischen Angriffsbatterien machte. Nach der Kaiserproklamation beorderte man sie zurück nach Berlin, wo sie im März 1871 demobilisiert wurde.
Die Arbeit des „Feld-Potographie-Detachements“ entsprach nicht den Erwartungen der Militärs. Ihr militärischer Nutzen erwies sich als gering. Zudem kamen die Fotografen mit ihren Wagen mit den schnell vorrückenden Truppen oft nicht mit, wie Karl Schwier später in einem Bericht eingestand. „Auf der anderen Seite benöthigt die Photographie ein voluminöses und gebrechliches Gepäck, welches einen raschen Transport nicht zulässt und durch die unvermeidlichen Erschütterungen, so sorgfältig auch die Verpackung erfolgte, theilweise zerbrochen und in der Weise beschädigt wird, dass der Photograph nicht in der Lage sein wird, seine Operationen auszuführen.“ „Während der eigentlichen Schlacht“ habe es zudem keinen Platz für die Fotografen gegeben.[22]
Insgesamt besaßen Fotografen bei Militärs, Journalisten und den Zeichnern der illustrierten Blätter keinen guten Ruf. Sie galten – wie es in dem einleitend zitierten Artikel bei Corvin hieß – als zu langsam, da sie dem Geschehen oft hinterherhinkten. Ihre Aufnahmen und hier besonders die von den revolutionären Nachwirkungen des Krieges, der Pariser Commune, galten manchen sogar als nicht-authentisch und inszeniert, was eine Zeichnung in der Zeitung „The Illustrated London News“ vom Juni 1871 auf den Punkt brachte. (Abb. 6)
Sujets und Perspektiven
Differenziert man den überlieferten Bilderkorpus zum Deutsch-Französischen Krieg nach Sujets, so handelt es sich von der Häufigkeit her zunächst ganz überwiegend um Porträt- und Gruppenaufnahmen für private Zwecke, also um typische Genreaufnahmen des Krieges. War in früheren Zeiten nur Staatsmännern oder hohen militärischen Persönlichkeiten die Ehre eines gemalten Porträts zuteilgeworden, konnte sich dank der Fotografie nun jeder Soldat auf einem Bild unsterblich machen – ein Angebot, das auch reichlich genutzt wurde. Sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite bestürmten Soldaten in Uniform die fotografischen Ateliers, um sich ablichten zu lassen. Solche Aufnahmen unterschieden sich kaum von denen, die es schon vor 1870 gegeben hatte, und denen, die später entstanden. Dies gilt auch für Gruppenbilder, die Mannschaften und Offiziere einer Einheit oder Batterie in ihren Stellungen oder mit kriegstypischen Trophäen bzw. Souvenirstücken wie erbeuteten oder verteidigten Regimentsfahnen zeigen (Abb. 7). Dazu kamen immer wieder touristische Ansichten von Schlössern, Kirchen und Museen – im Deutsch-Französischen Krieg vor allem Innen- und Außenansichten des Schlosses von Versailles.
Aufnahmen der Brüder Prillot aus Metz von einem französischen Heerlager bei Vallières in der Region Auvergne-Rhône-Alpes (Abb. 8) erinnern an die des britischen Fotografen Roger Fenton aus dem Krimkrieg, mit denen dieser dem Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich und dessen Verbündeten Frankreich und Großbritannien das Image als „picknick war“ verpasst hatte.[23] Der Krieg erschien als touristisches Unternehmen, nicht als potenziell tödliche Aktion.
Um den Tauschwert von Fotografien zu erhöhen, suchten die Fotografen des Deutsch-Französischen Krieges immer auch nach spektakulären, die Aufmerksamkeit des Publikums mobilisierenden Motiven. (Abb. 9) Dazu gehörten Aufnahmen von Kriegsgefangenen, wie sei etwa Paul Sinner nach der Schlacht bei Wörth im Unterelsass am 6. August 1870 gemacht hatte. Anders als in späteren Kriegen gestattete die preußische Armeeführung Fotografen, sogar Porträtfotos von französischen Kriegsgefangenen anzufertigen, die diese dann nach Hause schicken durften.
Letztlich gaben der Stand der fotografischen Technik und die Vorgaben der Militärs vor, was vom Kriegsgeschehen fotografisch festgehalten werden konnte und was nicht. In der Regel waren dies Nachher-Aufnahmen kriegerischer Gewalt und ruhende Sujets wie das von Leichen und Militärschrott gesäuberte Schlachtfeld, erbeutete Waffen, Ruinenwälder und städtische Trümmerlandschaften. Ganz selten und eher zufällig gerieten Fotografen wie etwa Eugène Gonzalve Malardot aus Metz dabei auch einmal Gefallene ins Bild, die die Leichensammelkommandos übersehen hatten (Abb. 10). Die Wucht der kriegerischen Auseinandersetzung ließ sich allenfalls anhand der zersplitterten und entlaubten Bäume erahnen. In der Regel sind diese Aufnahmen menschenleer oder nur von wenigen Schlachtfeld-Touristen bevölkert.
Zu den ruhenden Sujets zählten Aufnahmen erbeuteter Waffen, zum Teil ganzer Geschützparks oder Arsenale. Diese ließen sich als Ausdruck der militärischen Überlegenheit der deutschen Truppen lesen und waren beim Publikum äußerst beliebt. Heinrich Schnaebeli waren solche Sujets so bedeutsam, dass er Aufnahmen im Arsenal von Metz machte und diese in seine Serie von Stereoskopien mit dem Titel „Der Deutsche Krieg von 1870“ integrierte (Abb. 11).[24]
Das weitaus häufigste Sujet indes waren Ruinen in jeder nur erdenklichen Art: Ruinen von Kirchen und Museen, Ruinenwälder, Ruinen einzelner Wohnhäuser (Abb. 12) und ganzer Straßenzüge bzw. Stadtteile, wie man sie bisher nicht gesehen hatte.[25] Die Motive der Fotografen, Ruinen abzulichten, waren vielfältig. Den einen dienten sie als Beleg militärischer Stärke und Überlegenheit, den anderen umgekehrt als Zeichen kriegerischer Barbarei, den dritten gar als ästhetisch reizvolle Objekte. Vor allem Bilder vom zerschossenen Paris und hier wiederum vor allem von der im Westen gelegenen Gemeinde Saint-Cloud machten die Runde – eine Gemeinde, die zunächst von preußischen Truppen besetzt und anschließend von den Verteidigern von Paris in der Schlacht bei Buzenval beschossen worden war. Vor allem französische Fotografen wie Adolphe Braun lichteten idealisierte Ruinen ab, die ähnlich aufgeräumt erschienen wie die Schlachtfelder. Auch auf ihnen waren sämtliche Spuren menschlichen Leids getilgt. Selbst Serien mit Stereoaufnahmen mit Titeln wie „Siége de Paris, 1871“ widmeten sich den Pariser Ruinenlandschaften. Besonders in Frankreich entstand eine regelrechte fotografische „Ruinen-Industrie“.Mit den Ruinenbildern knüpfte die Fotografie des Deutsch-Französischen Krieges an die in der Kunstgeschichte beliebte Ruinenmalerei an, in der Ruinen – besonders in der Landschaftsmalerei der Romantik – als Sinnbild des Verfalls galten. In den fotografischen Aufnahmen wuchs den Ruinen eine Schönheit zu, ein „Surplus an Bedeutung“ (Hartmut Böhme),[26] die sich zu einer eigenständigen Ruinenästhetik formte und die zerstörte Stadt gleichsam zu einer antiken Ruinenlandschaft werden ließ. Aus Orten des Todes wurden auf diese Weise Stätten der Kontemplation, die eine seltsam verstörende Anziehungskraft besaßen. Die zerbombten Häuserfassaden und Plätze wirkten wie Ziele in einem Reisekatalog. Tatsächlich zog es nach dem Krieg Touristen – vor allem aus England – nach Paris, die sich am Anblick von Zerfall und Zerstörung ergötzten. Zusätzlich befriedigten die Ruinenfotos voyeuristische Bedürfnisse, weil sie Einblicke in Räume des Privaten ermöglichten. Ähnliche Aufnahmen gab es später erst wieder im Spanischen Bürgerkrieg nach 1936.[27]
Bilanziert man die fotografischen Aufnahmen des Deutsch-Französischen Krieges und vergleicht sie mit den farbintensiven repräsentativen Gemälden der Schlachtenmalerei und den detailverliebten Holzstichen der illustrierten Blätter, so fällt zunächst auf, dass es wie schon in den Aufnahmen eines Roger Fenton ausschließlich statische Bilder ohne Dramatik und Dynamik sind. Das Grauen des Krieges bildete sich in ihnen nicht ab, „wenn Verwundete auf den Bildern auftauchten, dann waren sie in einer Weise arrangiert, die eher rührend als erschreckend wirkte“, so der Historiker Frank Becker.[28] Die entstandenen Aufnahmen seien „von einer merkwürdigen Irrealität geprägt“: „Die Gefechtsfelder wirken, als seien sie in Ruhe für den Fotografen präpariert worden: die Ruinen vom Schutt befreit, die Toten sorgfältig beiseite geschafft.“[29] Die schätzungsweise 180.000 toten Soldaten des Krieges – etwa 75 Prozent von ihnen Franzosen – sind nirgends zu sehen, nicht einmal zu ahnen. Allenfalls indirekt geraten sie durch Aufnahmen von Soldatengräbern am Wegesrand in den Blick.
Die Beschreibung des Kriegselends und der verheerenden Wirkungen der modernen Artillerie blieb dem Wort, der Frontreportage, vorbehalten. „In den langen Jahren meiner Tätigkeit als Kriegsberichterstatter habe ich noch nie so grauenhaft anzuschauende Leichen gesehen, Soldaten, in deren Gesichtern noch der Schrecken stand“, schrieb etwa William Howard Russell von der Londoner „Times“ nach der Schlacht von Sedan. „Abgerissene Hände hingen in den Bäumen, Gliedmaßen lagen weit entfernt von den Körpern, zu denen sie gehörten.“[30] Eine auch nur annähernd ähnlich authentische Darstellung des Krieges in der Fotografie hat es nicht gegeben. „Deren Darstellung gerann allenfalls zur Demonstration von Wehrhaftigkeit und Kampfesbereitschaft im Portrait“, wie der Kunsthistoriker Bodo von Dewitz es beschrieb, „zur Dokumentation von Kriegsfolgen, zur Heldenverklärung durch Tableaus.“[31]
Ganz anders war dies bei den in Holzstiche übertragenen Bildern der Zeichner der illustrierten Blätter. Sie schienen genau das abzubilden, was die Fotografien des Krieges ausblendeten: die Dynamik des Geschehens und seine Opfer. Oftmals handelte es sich um bluttriefende Bilder von Nahkämpfen wie auf einer Zeichnung vom „Straßenkampf in Le Bourget in der Gartenlaube“ (Abb. 13), die vorwärts stürmende Soldaten zeigt, die bereits am Boden liegende Gegner mit dem Bajonett abstechen, während im Hintergrund eine Kanonenkugel in das Dach eines Hauses einschlägt. Bilder wie diese verdichteten und dramatisierten das Geschehen, füllten dieses mit Leben und erzählten kleine Geschichten. Ihre Bilder entsprachen den Bedürfnissen des Publikums nach Unterhaltung und ließen die Betrachter erschauern.
In der Gunst der militärisch-politischen Eliten standen nach wie vor Maler an erster Stelle. Ein Gemälde galt – vielleicht letztmalig in einem Krieg – „als ein repräsentatives Medium mit hohem ästhetischem Anspruch, während ein Foto nur das technisch erzeugte Produkt einer Apparatur zu sein schien, die im Prinzip jeder Mensch bedienen konnte“.[32] Zum Teil war die Malerei der Fotografie noch haushoch überlegen und nahm Perspektiven vorweg, wie sie später erst die Kriegsfotografie des Spanischen Bürgerkrieges generieren sollte. So erinnert Anton von Werners fotorealistisch daherkommendes, tatsächlich aber rein fiktives Gemälde „Sturm auf den Spicherer Berg“ von 1880 (Abb. 14) an Fotos von Gerda Taro und Robert Capa vom 5. September 1936 aus der Gegend um Cerro Muriano, die republikanische Soldaten bei der Erstürmung eines Berges zeigen. Wie in den Aufnahmen der modernen Kriegsfotografie scheinen sich der Maler und mit diesem die Betrachter und Betrachterinnen zwischen den kämpfenden Soldaten zu befinden; zum Teil sind die Personen als Ausdruck von Authentizität angeschnitten; und selbst gefallene Kämpfer blendete von Werner nicht aus. Nur vereinzelt zeigten auch die fotografischen Aufnahmen vom Deutsch-Französischen Krieg neue Perspektiven und Sujets. Zu ihnen zählt eine Fotografie im Bestand des Bayernkönigs Ludwig II. im „Geheimen Hausarchiv“ der Wittelsbacher. Zu sehen sind bayerische Soldaten in ihrer Batterie im Belagerungsring vor Paris. Der unbekannte Fotograf schaut aus der Perspektive der Artilleristen über die Waffen auf das Ziel des Angriffs, das schemenhaft im Hintergrund durch seine Silhouette erkennbar ist, aus der die Erhebung von Montmartre hervorragt.[33] Durch die gewählte Perspektive gelingt es dem Fotografen, die Betrachter ins Bild zu holen und diese gleichsam zu virtuellen Kombattanten zu machen – eine Perspektive, die die moderne Kriegsfotografie des 20. Jahrhunderts zur höchsten Reife entwickeln sollte.In Einzelfällen gerieten den Fotografen auch ganz gezielt Opfer in den Blick. Erstmals wurden Aufnahmen nun auch zu propagandistischen Waffen. Dies trifft etwa für die Aufnahme eines Schweizer Fotografen von zwei Kindern zu (Abb. 15), die angeblich 1871 beim deutschen Angriff auf Montrouge bei Paris getötet wurden – angeblich deshalb, weil nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob es sich tatsächlich um getötete Kinder handelt, zumal deren Körper offensichtlich keine Spuren kriegerischer Gewalt aufweisen.[34]
Für öffentliche Empörung in Frankreich sorgte die Fotografie eines getöteten Freischärlers, eines „Franc-tireur“, den die Preußen nach Aussage eines Zeugen im Schloss von Pouilly bei lebendigem Leibe verbrannt hatten. Unter den deutschen Soldaten galten Franc-tireurs als unberechenbare Gegner, da sie ohne Uniformen und oft aus Hinterhalten und mit Sabotageakten die deutschen Nachschublinien angriffen. Der französische General Bordone hatte den verbrannten Leichnam fotografieren lassen.
Später erschien die Aufnahme im Postkartenformat (Abb. 16). Auf der Rückseite der Karte wurde ausführlich die Geschichte des getöteten Freischärlers geschildert. Bilder wie diese nahmen die Gräuelpropaganda des Ersten Weltkrieges vorweg. Der politisch motivierte Zugriff auf die Fotografie verstärkte sich, als 1871 dem Krieg mit Deutschland der Bürgerkrieg – die Pariser Commune – folgte. Nahezu 300 Fotografen schlugen sich ab Juni 1871 zeitweise durch Paris, sodass ein Karikaturist gar von einer Invasion sprach. Explizit zu Propagandazwecken mit dem Ziel, Getötete posthum zu diskreditieren, wurden Fotografien im Gefolge der Pariser Commune produziert. Und auch retuschierte und inszenierte Bilder ließen in dem aufgeheizten politischen Klima nicht auf sich warten: Fotomontagen, auf denen Schauspieler vermeintliche Verbrechen der Revolutionäre darstellten, sollten die Commune öffentlich diskreditieren.[35]
Verbreitung, Rezeption, Gebrauchswert
Die Fotografien des Deutsch-Französischen Krieges besaßen für die am Krieg unmittelbar Beteiligten in erster Linie Erinnerungs- und Souvenirfunktionen. Neben Einzel- und Gruppenporträts kauften Soldaten Fotografien von der Umgebung und Aufnahmen von Kriegsschauplätzen, Waffenarsenalen oder touristischen Sehenswürdigkeiten. Nach dem Ende des Waffengangs bewahrten sie die Bilder als persönliche Erinnerungen an ihre Soldatenzeit auf. Wie ein „köstliches Kleinod“ habe er eine Fotografie seines Regiments behandelt, hielt ein Gymnasiast aus Kassel im Rückblick fest. Immer wieder habe er die Preziose daheim „hervorgeholt und Bekannten gezeigt“.[36] Ein anderer Soldat klebte sogar das Porträtfoto eines französischen Offiziers in ein Erinnerungsalbum, das dieser ihm geschenkt hatte.[37]
Nach dem Waffenstillstand boten französische Fotografen deutschen Soldaten Fotografien der deutschen Stellungen als Andenken zum Verkauf an.[38] Die Bilder, die die Soldaten von ihren Stellungen kauften oder von sich selbst machen ließen, gelangten per Feldpost zu den Angehörigen in der Heimat. Die Daheimgebliebenen konnten sich auf diese Weise nicht nur vom Wohlbefinden ihrer Ehemänner und Söhne überzeugen, sondern erstmals auch mit eigenen Augen die Schauplätze des Geschehens sehen. Mit Hilfe der Fotografen und ihrer Aufnahmen war gewissermaßen ganz Deutschland im Feld. Dies festigte nicht nur private Verbindungen, sondern kam auch dem politischen Ziel entgegen, Deutschland zu einem Nationalstaat zu formen, Front und Heimat zu einer Nation zu verschmelzen.
Da die Fotografien des Deutsch-Französischen Krieges nur in wenigen Fällen – in Holzstiche übertragen – in illustrierten Blättern erschienen, blieb ihren Produzenten nur der Weg, sie zu Sammelmappen zusammenzustellen und wohlhabenden Kunden wie dem Bremer Kaufmann und Sammler Julius Menke anzubieten.[39] Diese Mappen mit bis zu 40 Abzügen tragen Titel wie „Das zerstörte Straßburg. Studien nach der Natur“, „Bilder aus dem Kriegsleben vor Paris und Strassburg während des Feldzuges 1870/71, nach der Natur photographisch aufgenommen“ oder „Die Belagerung von Straßburg 1870. 20 Blätter photographischer Aufnahmen der Breschen, Uebergänge, Thore und anderer militärisch bedeutender Ansichten“. Solche Mappen mit großformatigen Abzügen gab es neben Straßburg zu den unterschiedlichen Schauplätzen des Krieges wie Metz, Belfort und natürlich Paris.
Daneben kamen erstmals auch gedruckte Mappen auf den Markt, die von Verlagen wie J. B. Obernetter in München und dem ebenfalls dort ansässigen, noch heute existierenden Verlag Bruckmann in der Art von großformatigen Fotoalben zusammengestellt, gedruckt und vertrieben wurden, so auch die Sammelmappe „Bilder aus dem Kriegsleben vor Paris und Strassburg während des Feldzuges 1870/71“, die einen Teil der gemachten Aufnahmen der mobilen preußischen Feldphotographie-Abteilung enthielt.[40] Das bei Bruckmann erschienene Album „Ansichten vom Kriegsschauplatze 1870-1871. Original-Aufnahmen nach der Natur von 1871“ (Abb. 17) umfasste 100 gedruckte Blätter ganz unterschiedlicher Sujets. Dazu gehörten touristische Ansichten von Versailles und Nancy, Fotografien von erbeuteten Waffen und Arsenalen, von Gräbern am Wegesrand, Aufnahmen von gesäuberten Schlachtfeldern wie etwa von Wörth und den Spicherer Höhen, von Forts, Lazaretten, Gefechtsbatterien sowie immer wieder Aufnahmen von zerstörten Festungsanlagen, Kirchen, Straßen und Häusern aus Straßburg, Sedan und Paris.[41]
Beworben wurden diese Mappen in den Journalen der Zeit mit Anzeigen wie „Zu Festgaben eignen sich vorzüglich P. Sinner’s Photographien vom Kriegsschauplatz“.[42] Erwerben konnte man sie in Buchläden oder direkt bei den Fotografen selbst. Mit dem Siegeszug der Ansichtskarte gegen Ende des Jahrhunderts erschienen etliche ihrer Aufnahmen zudem in größerer Auflage auch im Postkartenformat, und zwar auf deutscher wie auf französischer Seite.[43] Auch wenn die Kriegsfotografien noch nicht in Zeitschriften reproduzierbar waren, so war der Krieg mit ihnen doch erstmals in größerem Umfang im privaten Umfeld, in den eigenen vier Wänden der Menschen angekommen.
Als militärisches Hilfsmittel zu Vermessungszwecken waren die Fotografien vom Kriegsschauplatz nur von peripherer und von kurzer Bedeutung, wie das Schicksal des preußischen Feld-Detachements zeigt. Publizistisch-propagandistische Funktionen besaßen die Aufnahmen noch nicht, sieht man einmal von den Fotografien des dem Krieg unmittelbar folgenden Bürgerkrieges in Frankreich und der Pariser Commune ab. Der Siegeszug der Kriegsfotografie stand erst noch bevor.
Bei diesem Text handelt es sich um die überarbeitete und ergänzte Fassung eines Manuskriptes, das voraussichtlich 2022 in einem Ausstellungskatalog des Historischen Museums Saar zu der Ausstellung „Monumente des Krieges“ über die Bilderwelt des Deutsch-Französischen Krieges erscheinen soll.
[1] Otto von Corvin, Im Lager unserer Heere. Sechster Brief. Das zerstörte Straßburg, in: Die Gartenlaube 1870, S. 696-699, hier S. 697.
[2] Robert Heck, Das Steinthor in Straßburg, am Tage der Uebergabe, in: Die Gartenlaube (1870), S. 737, online unter Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Gartenlaube_(1870)_b_737.jpg; ders., In der Schanze der Torgauer Festungsartillerie vor Straßburg. Nach der Natur aufgenommen, in: Die Gartenlaube (1870), S. 653, online unter Wikimedia Common, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Gartenlaube_(1870)_b_653.jpg [30.11.2021].
[3] Charles Winter, Strasbourg au moment de sa reddition, fin septembre 1870, Bibliothèque nationale de France (BNUS) 003, online unter DNA – les Dernières Nouvelles d’Alsace, https://www.dna.fr/magazine-tourisme-et-patrimoine/2020/06/08/la-dechirure-de-1870 [30.11.2021].
[4] Georg Maria Eckert, Das zerstörte Strassburg. Studien nach der Natur in Photographien, Fotomappe, Heidelberg 1871, Musée d’art moderne et contemporain de Strasbourg, online unter Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Steinstrasse_(Le_Faubourg-de-Pierre)_1870.jpg [30.11.2021]
[5] Ders., Bombardement de 1870, Faubourg-de-Pierre, online unter POP: la plateforme ouverte du patrimoine, https://www.pop.culture.gouv.fr/notice/joconde/00160008677 [30.11.2021].
[6] Paul Sinner, Le faubourg de Pierre vu du rempart, Musée historique de Strasbourg, online unter Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Strassburg_vom_Steintor_aus_28_Sept_1870.jpg [30.11.2021].
[7] Siehe hierzu meine Anmerkungen in Gerhard Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004, S. 59ff.
[8] William Henry Fox Talbot, The Pencil of Nature, London 1844.
[9] Gardner’s Photographic Sketch Book of the War, 2 Bde., Washington 1865/66, Vorwort o.S.
[10] Ausführlich hierzu Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder, S. 65ff.
[11] Hierzu sowie zum Folgenden ebd., S. 79ff.
[12] Allgemein zu den Kriegsfotografen siehe Bernd Hüppauf, Fotografie im Krieg, Paderborn 2015, S. 268-278. Die im Folgenden genannten Daten habe ich auf der Basis der einschlägigen, oft weit verstreuten Literatur zusammengetragen.
[13] Siehe die Abbildung im Bestand der Bildagentur Süddeutsche Zeitung Photo unter „August Kampf“, https://www.sz-photo.de/ [30.11.2021].
[14] Siehe Heinrich Schnaebeli, Fotoaufnahmen der Kaiserproklamation in Versailles, Berlin 1871. Eine Auswahl dieser Aufnahmen befindet sich im Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin und ist dort auch online einsehbar.
[15] Siehe Ulrich Pohlmann/Paul Mellenthin (Hrsg.), Braun. Ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert, Ausst.-Kat. München 2017.
[16] Ein Foto der Rückansicht von Sinners Kutsche in Straßburg am 28. September 1870 findet sich in der Wikipedia (aus: Wolfgang Hesse, Ansichten aus Schwaben; Kunst, Land und Leute in Aufnahmen der ersten Tübinger Lichtbildner und des Fotografen Paul Sinner 1838-1925, Tübingen 1989), https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stra%C3%9Fburg_Steinstra%C3%9Fe_28_September_1870_Sinners_Wagen.jpg [30.11.2021].
[17] Siehe besonders Wolfgang Hesse, Zu Festgaben eignen sich vorzüglich P. Sinner’s Photographien vom Kriegsschauplatz, in: Kulturamt der Stadt Tübingen (Hg.), Mit Gott für Kaiser, König und Vaterland. Krieg und Kriegsbild Tübingen 1870/71, Ausst.-Kat. Tübingen 1986, S. 7-24; siehe auch ders., Ansichten aus Schwaben. Kunst, Land und Leute in Aufnahmen der ersten Tübinger Lichtbildner und des Fotografen Paul Sinner (1838-1925), Tübingen 1989; Mathilde Sinner, Der Tübinger Photograph Paul Sinner als Bildberichter im Siebzigerkrieg, in: Tübinger Chronik, 24. Dezember 1942.
[18] Siehe Ulrich Pohlmann/Paul Mellenthin (Hg.), in Zusammenarbeit mit Franziska Kunze, Adolphe Braun: ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert (Ausstellungskatalog), München 2017.
[19] Bodo von Dewitz, „Ich begreife nicht, wo die Photographen bleiben!“ Zur Photographie von Kriegen im 19. Jahrhundert, in: ders./Roland Scotti (Hg.), Alles Wahrheit! Alles Lüge! Photographie und Wirklichkeit im 19. Jahrhundert. Die Sammlung Robert Lebeck, eine Ausstellung des Agfa-Foto-Historama im Wallraf-Richartz-Museum/Museum Ludwig, Ausst.-Kat. Köln 1996, S. 211-218, hier S. 216.
[20] Eine Untersuchung dieser Einheit steht aus. Einige Hinweise finden sich bei Karl Schwier, einer der Angehörigen der Einheit; siehe Karl Schwier, Ueber Erfahrungen in Feld-Photographie, in: Photographische Mittheilungen 8 (1871/72), S. 110-116, sowie bei Erich Stenger, Die beginnende Photographie im Spiegel von Tageszeitungen und Tagebüchern. Ein Beitrag zum hundertjährigen Bestehen der Lichtbildnerei 1839-1939, Würzburg 1943, S. 105. Zur photogrammetrischen Arbeit der Einheit siehe Th. Müller, Vor 100 Jahren: die erste deutsche Feldvermessungseinheit, online unter https://artilleriekunde.de/images/ArtS-TopTr-1/Müller_Th._FeldvermEinheit.pdf [30.11.2021].
[21] Zu Schwier siehe Christoph Lößnitz, Karl Schwier und die deutsche Fotografie, Weimar [1999]; Alf Rößner, Karl Schwier – ein bedeutender Bildchronist Weimars, in: Von Akzidenzen, Büchern und Zeitungen. 150 Jahre Weimarer Druckgeschichte 1854-2004, Weimar 2004, S. 20-21; Axel Stefek, Schüler von Hermann Wilhelm Vogel, Bildchronist des Krieges in Frankreich. Die Lehrzeit des Fotografen Karl Schwier (1842-1920) und sein „WARTBURG-ALBUM“ von 1872, in: Weimar – Jena: Die große Stadt 6/3 (2013), S. 175-204, online unter https://verlagvopelius.de/cms/pdf.php?&lan=ger&journal=1&name=3_13&article=201302141 [30.11.2021].
[22] Karl Schwier, Die Photographie bei den Armeen im Felde, in: Photographische Correspondenz. Organ der photographischen Gesellschaft in Wien 149 (1876), S. 168-173, hier S. 170.
[23] Siehe Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder, S. 61ff., sowie die Abbildungen auf S. 87-90.
[24] Einige dieser Stereoaufnahmen befinden sich ebenfalls im Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz; sie sind dort aufrufbar unter dem Suchbegriff „Schnaebeli“.
[25] Zur Ruinenfotografie des Deutsch-Französischen Krieges am Beispiel von Adolphe Braun siehe Paul Mellenthin, „C’est terrible, mais c’est beau!“ Photographien nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, in: Pohlmann/Mellenthin (Hg,), Braun, S. 254-295, hier S. 257ff. Siehe dort auch zahlreiche Bildbeispiele.
[26] Hartmut Böhme, Die Ästhetik der Ruinen, in: Dietmar Kamper/Christoph Wulf (Hg.), Der Schein des Schönen, Göttingen 1989, S. 287-304, hier S. 287, online unter https://www.hartmutboehme.de/media/Ruinen.pdf [30.11.2021].
[27] Siehe Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder, S. 186ff., sowie das Bildbeispiel aus der Zeitschrift „Life“ vom 25.10.1937, ebd., S. 216.
[28] Frank Becker, Die Anfänge der deutschen Kriegsfotografie in der Ära der Reichseinigungskriege (1864-1871), in: Thilo Eisermann/Dirk Maczkiewitz/Raoul Zühlke, Propaganda. Von der Macht des Wortes zur Macht der Bilder (20th century imaginarium Vol. 2) Hamburg 1998, S. 69-102, hier S. 84.
[29] Ebd., S. 78.
[30] William Howard Russell, Meine sieben Kriege. Die ersten Reportagen von den Schlachtfeldern des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2000, S. 332f. (Eintrag vom 3.9.1870).
[31] von Dewitz: „Ich begreife nicht, wo die Photographen bleiben!“, S. 217.
[32] Becker, Die Anfänge der deutschen Kriegsfotografie S. 83.
[33] Grit Lederer/Paul Mellenthin, „1870/71. Fotografien eines vergessenen Krieges“, Film Arte 2020.
[34] Der Fotohistoriker Ulrich Keller schreibt im grundlegenden Stichwort „Fotofälschung“ in dem Handbuch: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hrsg.), Handbuch der politischen Ikonographie. Bd. 1: Abdankung bis Huldigung, München 2011, S. 363f., zu dem Bild: „Der handschriftliche Bildtitel spricht vom ‚Mord Wilhelms und Bismarcks‘ und erläutert: ‚Kinder von einer Bombe bei Mont Rouge getötet. 12. Januar 1871‘. Daß zwei Pariser Kinder an diesem Ort und Tag deutschem Artilleriefeuer zum Opfer fielen, ist wohl Tatsache; Marconis Fotografie ist aber eindeutig Ergebnis einer Inszenierung mit lebenden, malerisch hingegossenen Modellen. Ohne kommerziell brauchbares Autotypie-Verfahren konnten derartige Fototrafien von der aufkommenden Bildpresse allerdings noch nicht massenhaft verbreitet werden, sondern kursierten nur in wenigen Originalabzügen.“
[35] Ausführlicher: Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder, S. 74ff., und dort die Abbildungen 23 und 24 auf S. 101f.
[36] Georg Mülhause, Kriegserlebnisse eines Einjährig-Freiwilligen der VI. Kompagnie des III. hessischen Inf.-Regts Nr. 83 aus den Jahren 1870/71, Hanau 1906, S. 146.
[37] Paul Bauriedel, Meine Erlebnisse während des Feldzugs im Jahr 1870/71, Nürnberg 1895, S. 52.
[38] Hierzu und zum Folgenden ausführlich Becker, Die Anfänge der deutschen Kriegsfotografie in der Ära der Reichseinigungskriege (1864-1871), S. 80f. u. 95 mit Belegen.
[39] Album des Kaufmanns Julius Menke (Bremen), Wallraf-Richartz-Museum/ Fotografie/ Sammlung Robert Lebeck.
[40] Ein Exemplar befindet sich im Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe; einige Digitalisate sind einsehbar unter Deutsche Digitale Bibliothek, https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/F56CJU64FXYUADI6WBPDZ5OC5ZTU7DMP [30.11.2021].
[41] Ein digitalisiertes Exemplar der Mappe in der Bayerischen Staatsbibliothek ist einsehbar unter https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11122231_00001.html [30.11.2021].
[42] Siehe Anm. 17.
[43] Siehe exemplarisch die Postkarte: „Souvenir de l’Année Terrible 1870-71 – Batterie N°2 – Général inspecteur“ aus dem Jahr 1900, Quelle: Departmental archives of Hauts-de-Seine / Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Carte_postale_-_Châtillon_-_Souvenir_de_l%27Année_Terrible_1870-71_-_Batterie_N°2_-_Général_inspecteur_-_9FI-CHT_130.jpg [30.11.2021].
Zitation
Gerhard Paul, „In Straßburg auf der Schanz“. Die Fotografie des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71), in: Visual History, 06.12.2021, https://visual-history.de/2021/12/06/die-fotografie-des-deutsch-franzoesischen-krieges-1870-71/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2330
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