„Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun?

Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Gerhard Paul an der Europa-Universität Flensburg Juni 2016

Videoauge der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Berlin, 9. November 2007. Foto: Cory Doctorow, Quelle: Flickr https://www.flickr.com/photos/doctorow/1933949337/in/photolist-oCZ81v-CcvqZ-7uky5M-4SdWmN-bHWsqF-7ukwKe-3WTZL6-LhEEL-7uprZJ-934JRw-7ukyDr-7upomA-7ukxBR-7ukxai-7upoUm-7ukwFH-97bSi2-7ukwie-cvuL9f-cvuKnC-cksD8, Lizenz: CC BY_SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Videoauge der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Berlin, 9. November 2007. Foto: Cory Doctorow, Quelle: Flickr CC BY-SA 2.0

„Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun?“ – so lautet der vielleicht etwas rätselhafte und ungewöhnliche Titel meiner heutigen Abschiedsvorlesung.[1]

„Video. Zu Ihrer Sicherheit“ –  so ist auf Hinweisschildern an und in U-Bahnhöfen in Berlin und auch in den Bahnen selbst zu lesen. Zu sehen ist ein einzelnes stilisiertes Auge, ein Monoculus, das den Betrachter fixiert. Klären möchte ich im Folgenden einige Fragen, die auch etwas mit unserem heutigen Alltag zu tun haben: Was hat „Video“ – zu deutsch: „Ich sehe“ – mit „Sicherheit“ zu tun? Woher stammt der irrwitzige Glaube, dass Sehen bzw. Gesehenwerden Sicherheit erzeugt? Warum ist es ein Einzelauge und kein Augenpaar, das uns fixiert? Wer sieht hier eigentlich bzw. wird gesehen? Es geht um Fragen wie: Wo kommen diese Bildzeichen her? Für welches Bildverständnis stehen sie? In welchen anderen kulturellen Zusammenhängen begegnen wir ihnen? Was bedeuten bzw. was bedeuteten sie?

Also: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe mit Homer zu tun? Die richtige Antwort müsste lauten: Das Bindeglied zwischen beiden ist Polyphemos, der Kreisäugige – jener furchterregende Zyklop aus der Mythologie des Dichters Homer, den dieser in seiner „Odyssee“ beschreibt. Wie unser BVG-Emblem nämlich besaß auch er ein furchterregendes Monoculus.

In dem folgenden Vortrag lade ich Sie ein zu einem Parforceritt durch Raum und Zeit. Wir werden durch die Bildgeschichte von der griechischen und der ägyptischen Antike in unsere Gegenwart, von der Westlichen Höhe in Flensburg bis ins ferne Da Nang in Vietnam, vom brasilianischen Bundesstaat Paraná bis nach Valencia reisen und dabei die Geschichte jenes Emblems verfolgen, das auf dem Hinweisschild der Berliner Verkehrsbetriebe zu sehen ist. Die Wissenschaft, die uns dabei hilft, ist die u.a. von mir in den letzten Jahren mitkonturierte „Visual History“,[2] die u.a. die Codierung und Umcodierung – i.e. die Bedeutungszuschreibung und -umschreibung – von uns umgebenden Bildern und Bildzeichen unterschiedlichster Art über große zeitliche und geografische Räume verfolgt und sich dabei der Kenntnisse und Methoden anderer Wissenschaften wie der Kunstgeschichte, der Medien- und der Kommunikationswissenschaft versichert.

Unser Monoculus ist wie das Porträt des chinesischen Staatsführers Mao vom Platz des Himmlischen Friedens in Peking[3] oder das bekannte Foto des Napalm-Mädchens aus dem Vietnamkrieg[4] eine Medienikone[5] im heutigen Sinne, ein Bildmotiv also, das sich auf Wanderschaft begibt und sich dabei von seinen Ursprungszusammenhängen entfernt, das frei flottierend durch unterschiedlichste kulturelle Räume vagabundiert, dabei ständig neue Bedeutungen erzeugt und immer neue Geschichten „erzählt“.

 

 

Das Auge Gottes in der sakralen Kunst der Renaissance

Das Emblem des körperlosen Auges lag in unserer dominant christlich geprägten Kultur seit dem 13. Jahrhundert als Auge Gottes gleichsam „in der Luft“. Wir begegnen ihm erstmals in einer Darstellung des Thomas von Aquin:[6] ein vom menschlichen Körper getrenntes statisches Auge inmitten eines mächtigen Sonnenemblems. Dieses ist das Ergebnis eines Abstraktionsprozesses, der das Auge zum Emblem und zum vornehmsten aller Sinnenorgane gemacht hat. Das Bild bildet nicht einfach ab, es generiert vielmehr eine Idee. Das Auge ist Sinn-Bild. Erstmals ist hier Gott als körperloses Auge visualisiert, das den Betrachter frontal fixiert. Das erkennende Auge des Gläubigen ist in der Sonne und damit metaphorisch in Gott. Auf diese Weise stellten sich die Zeitgenossen Gott vor.

Mit der Frührenaissance zwei Jahrhunderte später – einer Zeit, die als eine des Wiederauflebens der Künste und der Wiedergeburt des antiken Geistes bezeichnet worden ist – sowie der Erfindung der Zentralperspektive finden wir das Monoculus in gänzlich anderen Codierungen wie auf einer Zeichnung des Universalgenies Leon Battista Alberti, dem eigentlichen Erfinder und Theoretiker der Zentralperspektive in der Malerei.[7]

 

Das Auge Gottes in der Sonne. Emblem von Thomas von Aquin, aus: Christiane Vielhaber (Hrsg.), Augenblicke. Das Auge in der Kunst des 20. Jahrhunderts (Ausst.-Kat.), Köln 1988, S. 47, Kölnisches Stadtmuseum, Köln, 13.04.-12.06. 1988, Villa Stuck, München 06.07.-04.09.1988, Kulturhistorisches Museum, Osnabrück 18.09.-30.10.1988 ©

Das Auge Gottes in der Sonne. Emblem von Thomas von Aquin, aus: Christiane Vielhaber (Hrsg.), Augenblicke. Das Auge in der Kunst des 20. Jahrhunderts (Ausst.-Kat.), Köln 1988, S. 47, Kölnisches Stadtmuseum, Köln, 13.04.-12.06. 1988, Villa Stuck, München 06.07.-04.09.1988, Kulturhistorisches Museum, Osnabrück 18.09.-30.10.1988 ©

Leon Battista Alberti, Schlussseite „Della famiglia“, um 1438, Bibl. Nazionale Centrale, Florenz, gemeinfrei

Leon Battista Alberti, Schlussseite „Della famiglia“, um 1438, Bibl. Nazionale Centrale, Florenz, gemeinfrei

 

 

Auch bei Alberti hat sich das Auge vom Körper gelöst. Mit Flügeln versehen, ist es lebendig, mobil geworden. Anders als das ruhende Auge Gottes nämlich muss das menschliche Auge aktiv sein, auf Reisen gehen – Reisen, die später mit dem Mikroskop, dem Teleskop oder dem Aufklärungsflugzeug unternommen werden. In Albertis Zeichnung ist das Auge zum Agenten des Subjekts in der Welt bzw. zum Emblem seines neuen Blicks auf die Welt geworden oder wie es Hans Belting formuliert: „Bei Alberti ist das geflügelte Auge das Wappenzeichen eines Subjekts, das im Blick souverän geworden ist. Der Mensch, so die neue Maxime, eignet sich die Erkenntnis durch Sehen und Beobachtung an.“[8] Albertis Zeichnung steht für ein neues Bildverständnis, das mit der Entdeckung der Zentralperspektive möglich geworden war: der Vorstellung eines zwar von Menschen geschaffenen, aber gleichwohl lebendigen Bildes. Durch seine Zeichnung hat der Genueser das körperlose Auge endgültig zum Emblem gemacht. Unterstrichen wird dies durch eine zeitgenössische Gedenkmedaille.[9] Mit der Fixierung der Zeichnung und deren Vereinfachung auf einer Medaille setzte eine Medialisierung des Augenmotivs ein, das dieses zu einem der bedeutendsten und häufigsten Embleme unserer Geschichte machen sollte.

Eine andere Variante des Gottesauges finden wir auf einem Gemälde aus der Schule des Hieronymus Bosch. Das allsehende Auge ist hier in eine Bildergeschichte integriert. Erstmals wird in ihm mit dem allsehenden Gott gedroht, der die Todsünden der Menschen genau registriert und mit „den letzten vier Dingen“ beantwortet, von links oben gegen den Uhrzeigersinn: mit dem Tod, der Hölle, dem Jüngsten Gericht sowie dem ewigen Leben. Gott finden wir in der Pupille als Jesus dargestellt und von dem lateinischen Schriftzug „Cave, cave, deus videt“ – deutsch: „Hüte Dich, hüte Dich – Gott sieht“ – sowie einer strahlenförmigen Iris umgeben.

Schüler des Hieronymos Bosch, „Die sieben Todsünden und die letzten vier Dinge“, um 1495-1520, Öl auf Holz, Prado Madrid, gemeinfrei

Schüler des Hieronymos Bosch, „Die sieben Todsünden und die letzten vier Dinge“, um 1495-1520, Öl auf Holz, Prado Madrid, gemeinfrei

Jan Provost, „Une Allégorie Sacrée“, um 1510, Öl auf Holz, Louvre Paris, gemeinfrei

Jan Provost, „Une Allégorie Sacrée“, um 1510, Öl auf Holz, Louvre Paris, gemeinfrei

Und noch etwas fällt auf: Die „Neue Sachlichkeit“ der Frühen Neuzeit stellt das Auge hier erstmals als ein anatomisch-menschliches vor, ganz ähnlich wie zur gleichen Zeit bei dem flämischen Maler Jan Provost. Hier schwebt das göttliche Auge ohne Blickkontakt zur Szenerie, gleichsam zeit- und raumlos über der irdischen Welt. Neu an dem Gemälde ist die Tatsache, dass das Bild keinen abgeschlossenen Raum mehr darstellt, sondern eine Beziehung zum Betrachter aufbaut, ihn anschaut und auf diese Weise das Bild selbst verlässt.

Wie bei so vielen Emblemen der Zeit greift Provost auf antike Vorbilder zurück, in unserem Fall auf die des furchterregenden Zyklopen Polyphem aus der griechischen Mythologie.[10] Die Renaissance nämlich war die Bildermaschine der christlichen Kultur, durch die wir direkt – wie dies der große Bildhistoriker Aby Warburg betont hat – mit der Antike verbunden sind. Durch seine unnatürliche Symmetrie wirkt das Auge des Zyklopen kalt und bedrohlich. Zudem fehlt ihm das Tränenkarunkel, weshalb der Zyklop auch nicht weinen kann.

 

Kopf des Zyklopen Polyphem, um 150 v. Chr., Museum of Fine Arts Boston, gemeinfrei

Kopf des Zyklopen Polyphem, um 150 v. Chr., Museum of Fine Arts Boston, gemeinfrei

Aber auch das Auge des Zyklopen wiederum war letztlich nur ein Plagiat des Auges des Horus, des Hauptgottes in der Mythologie Ägyptens, wie wir es hier auf einem Sarg aus der Zeit um 1450 vor Christus sehen. Auch hier ist das Auge seiner biologisch-anatomischen Primärfunktion beraubt, vom Körper getrennt, und in einer vereinfachten, fast abstrakten Form Sinnbild für Geist, Religiosität und Schutz. Das Auge bewacht den toten Körper in Gestalt der Mumie.

 

Auge des Horus: Ausschnitt aus dem Holzsarg der Mumie „Madja“ aus Deir el-Medina, um 1450 v.Chr., Louvre Paris, gemeinfrei

Auge des Horus: Ausschnitt aus dem Holzsarg der Mumie „Madja“ aus Deir el-Medina, um 1450 v.Chr., Louvre Paris, gemeinfrei

Kehren wir in die Renaissance zurück. Mit ihm findet das Monoculus wie in diesem Gemälde des Florentiner Malers Jacopo da Pontormo seine ikonische Form. Nicht erst der Barock, wie oft vermutet,[11] sondern bereits die Renaissance nämlich fügte dem Auge das Zeichen der Trinität, der göttlichen Dreieinigkeit, bei. Das körperlose Auge ist zum Bildzeichen geworden: zum Logo für Gott. Es überstrahlt bzw. überwacht im Wortsinne das Abendmahl. Wir dürfen es allerdings noch keineswegs im heutigen Sinne als Symbol von Überwachung verstehen, sondern vielmehr als Schutz gewährendes Auge der Vor-Sehung, das die Lebensläufe der Menschen vorherbestimmt und ihnen so Sicherheit verleiht. Die Menschen der Zeit begegneten ihm noch nicht mit einem Gefühl der Furcht, sondern eher mit einem der Ehrfurcht.

Jacopo da Pontormo: „Cena in Emmaus“, Öl auf Leinwand, Uffizien Florenz, gemeinfrei

Jacopo da Pontormo: „Cena in Emmaus“, Öl auf Leinwand, Uffizien Florenz, gemeinfrei

 

Das Auge Gottes in Kunst und Publizistik seit dem Barock

Mit dem Barock und seinen neuen Kommunikationsverhältnissen wird das allsehende, körperlose Monoculus zur transkulturellen Ikone, der man in Europa nun ebenso begegnet wie in Südamerika. Das Emblem wird grafisch weiter ausgestaltet und mit Sehstrahlen versehen. Das Dei Oculus erhält dekorative Funktionen für ganz unterschiedliche Zwecke. Mit neuen medialen Bildträgern wie dem Buch in Gestalt von Bibel und Schulbuch setzt sich die Medialisierung unseres Emblems fort.

Matthäus Merian d.Ä., „Die Schöpfung“, kolorierter Kupferstich aus der Folge der 258 Kupfer zur Heiligen Schrift (1625/27), AKG Images 42412 © mit freundlicher Genehmigung

Matthäus Merian d.Ä., „Die Schöpfung“, kolorierter Kupferstich aus der Folge der 258 Kupfer zur Heiligen Schrift (1625/27), AKG Images 42412 © mit freundlicher Genehmigung

Zunächst bewegt sich die Ikonografie noch ganz im konventionellen religiösen Rahmen wie auf diesem Kupferstich der populären Merian-Bibel, auf dem es die Schöpfung visualisiert. Das anatomische Auge selbst hat Merian durch den hebräischen Schriftzug „Gott“ ersetzt. Längst ist den Zeitgenossen klar, dass Gott Auge ist, ein aktives Auge zudem, das mit seinen Sehstrahlen die Welt erschafft. Erstmals ist das trinitarische Gottesauge von einem Strahlenkranz, einer Gloriole, umgeben.

„Providentia Dei/Die Vorsehung Gottes“, aus: Johann Amos Comenius, Orbis sensualium pictus, Nürnberg 1658, S. 304, gemeinfrei

„Providentia Dei/Die Vorsehung Gottes“, aus: Johann Amos Comenius, Orbis sensualium pictus, Nürnberg 1658, S. 304, gemeinfrei

Mit Comenius’ „Orbis sensualium pictus“ – einem vom 17. bis zum 19. Jahrhundert weit verbreiteten Schul- und Jugendbuch[12] – erfährt das Providentia Dei, das göttliche Auge der Vorsehung, eine weitere Popularisierung. Der aus Mähren stammende Pädagoge und Theologe versieht die einzelnen Bildelemente mit Nummern und Erklärungen. Zu diesem Bild schreibt er: „Das menschliche Gluckwesen ist nit zuzuschreiben dem Glück oder dem Zufall oder den Stern-Einflüssen, sondern Gottes allsehendem Aug (Dei Oculo) [2] und dessen allregirender Hand [3].“[13] Der Mensch – Nummer 5 – so will Comenius verdeutlichen, ist immer im Blick Gottes. Er ist der Gesehene, der visible man. In der christlichen Pädagogik wird daraus der vielzitierte Reim: „Es gibt ein Aug’, das alles sieht, wenn’s auch in dunkler Nacht geschieht.“ Jacob Böhme – der erste deutsche Philosoph – verwendete zur gleichen Zeit das Motiv des Auge Gottes, aber auch Albertis Flügelauge als Titelkupfer seiner Schriften.[14] Ein naturalistisch dargestelltes Auge ist für ihn gleichermaßen Metapher für die Erklärung der Welt wie Spiegel göttlicher Weisheit, vor allem aber ist es erstmals Medium der – wir würden heute sagen – Aufmerksamkeitsökonomie.

Das trinitarische Gottesauge erhält im Barock eine ornamental-dekorative Funktion, ob als Deckengemälde im Vatikan, als Titelkupfer zu einem Gebetbuch des Aufklärers Daniel Chodowiecki oder als Schmuckelement an Kirchenportalen wie am Aachener Dom oder der Trinitarierkirche in Bratislava sowie an unzähligen Chorgittern und Altären. Wie eine moderne Medienikone wird unser Motiv nun zeit- und ortlos. Es beginnt zu vagabundieren. Es überdauert die Renaissance und verlässt den Binnenraum der Kirche. Es findet sich nun ebenso auf Grabplatten, als Zierelement an Profangebäuden oder als Schmuckemblem im Andreassaal des Moskauer Kreml, unter dem sich später gern Wladimir Putin zelebrieren wird.

 

Das Auge Gottes am Eingangsgebäude zum Domhof des Aachener Doms, 3. Januar 2009. Foto: Arnoldius, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aachen_Domhof_Eye.jpg?uselang=de CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Das Auge Gottes am Eingangsgebäude zum Domhof des Aachener Doms, 3. Januar 2009. Foto: Arnoldius, Quelle: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Das Auge Gottes in der Freimaurer-Symbolik, Quelle: Wikimedia Commons https://de.wikipedia.org/wiki/Auge_der_Vorsehung#/media/File:MasonicEyeOfProvidence.gif gemeinfrei

Das Auge Gottes in der Freimaurer-Symbolik, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

 

 

Ende des 18. Jahrhunderts wird es zum Logo der Freimaurer. Es symbolisiert nun die sich stets enthüllende Wahrheit. Es fordert zu Weisheit auf und appelliert an das Gewissen. Wir finden es daher auf den gotisierenden Bilderrahmen eines Caspar David Friedrich wie dem Tetschener Altar, einem freimaurerischen Programmbild, das der Maler dem schwedischen König Gustav IV. Adolf gewidmet hatte. Das Motiv dient hier nicht mehr primär der Anbetung des Göttlichen, sondern der Assoziation des Übermenschlichen, ähnlich übrigens wie am Logengebäude der Freimaurer bei uns in Flensburg, von wo aus es seit mehr als 100 Jahren unsere Stadt überstrahlt.

 

Caspar David Friedrich: Tetschener Altar, Szene: Das Kreuz im Gebirge wikidata:Q884782 1807/08. Quelle: Gemäldegalerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Gal.-Nr. 2197 D /Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Friedrich_Tetschener_Altar_1808.jpg?uselang=de gemeinfrei

Caspar David Friedrich: Tetschener Altar, Szene: Das Kreuz im Gebirge wikidata:Q884782 1807/08. Quelle: Gemäldegalerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Gal.-Nr. 2197 D /Wikimedia Commons gemeinfrei

Ansicht des Logenhauses der Freimaurer-Loge „Wilhelm zur nordischen Treue“ von 1902/03, Flensburg 2016, Foto: Gerhard Paul, CC BY-NC 3.0 DE

Ansicht des Logenhauses der Freimaurer-Loge „Wilhelm zur nordischen Treue“ von 1902/03, Flensburg 2016, Foto: Gerhard Paul, CC BY-NC 3.0 DE

 

Mit den europäischen Kolonisatoren gelangte es nach Amerika, wo es ähnlich allgegenwärtig ist wie bei uns. Das Bild wurde universell, indem es etwa von dem Caodaismus – der nach Katholizismus und Buddhismus drittgrößten Religion Vietnams – übernommen wurde.

Cao-Dai-Tempel in Da Nang (Vietnam), 20. August 2015, Foto: Dada1960, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Danang_Temple_Interior_2.jpg?uselang=de CC-BY-SA 4.0

Cao-Dai-Tempel in Da Nang (Vietnam), 20. August 2015, Foto: Dada1960, Quelle: Wikimedia Commons  CC-BY-SA 4.0

Modifiziert finden wir das Ein-Auge aber auch auf der Hand der Fatima (Hamsa, Khamsa) im islamischen Volksglauben als Schutzzeichen und Abwehramulett gegen die Dämonen und Geister des Dschinn-Glaubens und den „bösen Blick“ ebenso wie auf der Hand der Miriam (Hamsa, Khamsa oder Hamesh) im Judentum, wobei im ersten Fall die Finger der Hand nach oben und im letzten Fall in der Regel nach unten weisen. Hier wie dort soll die mit dem Monoculus versehende Hand, so der aus der islamischen in die jüdische Kultur implementierte Volksglaube, das Böse abwehren und zugleich Schutz und Sicherheit gewähren.

Halten wir fest: Seit dem Barock macht das allsehende Auge Gottes einen Prozess der Umkodierung und Diversifizierung wie des Formwandels und der Universalisierung durch. Es ist nun gleichermaßen Symbol der Vorsehung und damit von Schutz und Sicherheit wie auch der Schöpfung und der Weisheit. Es steht allgemein für Gott, ist aber auch ganz profan Medium der Aufmerksamkeitsmobilisierung. Optisch hat es sich zum Schmuckelement und zum Logo gewandelt.

 

„Hand der Fatima“, o.O. o.J.August 2008, Vektorgrafik erstellt von: Fluff, Quelle: Wikimedia Commons https://de.wikipedia.org/wiki/Hand_der_Fatima#/media/File:WPVA-khamsa.svg CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/

„Hand der Fatima“, o.O. o.J.August 2008, Vektorgrafik erstellt von: Fluff, Quelle: Wikimedia Commons  CC BY 3.0

Hamsa-Amulett, o.O. o.J., Quelle: 66.media.tumblr.com © http://66.media.tumblr.com/tumblr_ll03vv4BYa1qawlwvo1_500.jpg

Hamsa-Amulett, o.O. o.J., Quelle: 66.media.tumblr.com ©

 

 

Das Auge des Gesetzes

Mit der Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen wird das Auge Gottes vollends entsakralisiert. An seine Stelle tritt das Auge des Gesetzes bzw. das des Staates. In beiden Varianten – dem körperlosen, lediglich von Sehstrahlen umgebenen sowie dem mit dem Symbol der Trinität umkränzten Auge – finden wir es zunächst auf etlichen Münzen des 18. Jahrhunderts.[15] Im Unterschied zu den Renaissancebildern überstrahlt es nicht mehr göttliche Gemeinschaften, sondern Stadtkulissen. Es ist zum Symbol des göttlichen Schutzes der weltlichen Gemeinschaft geworden: der Beginn des Entsakralisierungsprozesses.

Das zeigt auch seine Verwendung auf der Rückseite des Großen Siegels der Vereinigten Staaten von 1776, dem Jahr ihrer Unabhängigkeitserklärung, die als „Novus ordo seculorum“, als „eine neue Ordnung des Zeitalters“, gefeiert wird, verstärkt durch den lateinischen Schriftzusatz „Annuit coeptis“ – deutsch: „Er heißt das Begonnene gut“. Das trinitarische Auge schwebt über der als Pyramide dargestellten neuen Ordnung und verleiht dieser den göttlichen Segen. Das Motiv ist vollends zur Ikone geworden. In dieser Form findet es sich seit 1935 auf jeder Ein-Dollar-Note und damit in den Brieftaschen der Menschen, aber auch auf dem Siegel des US-Bundesstaats Colorado, das interessanterweise das später von den italienischen Faschisten benutzte Liktorenbündel verwendete.[16] Ähnlich thront dasselbe Auge 1789 über der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung.

 

Rückseite des Großen Siegels der Vereinigten Staaten von Amerika, 1776, gemeinfrei

Rückseite des Großen Siegels der Vereinigten Staaten von Amerika, 1776, gemeinfrei

Jean-Jacques-Francois Le Barbier, Das Auge der Vorsehung über der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 1789, Musée Carnavalet, Paris, gemeinfrei

Jean-Jacques-Francois Le Barbier, Das Auge der Vorsehung über der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 1789, Musée Carnavalet, Paris, gemeinfrei

 

 

 

 

 

 

 

Fête célébrée en l’honneur de l’Être suprême, le 20 prairial an II de la République Gravure à l’eau forte, coloriée, 1794, Bibliothèque nationale de France, Paris, gemeinfrei

Fête célébrée en l’honneur de l’Être suprême, le 20 prairial an II de la République. Gravure à l’eau forte, coloriée, 1794, Bibliothèque nationale de France, Paris, gemeinfrei

Die Französische Revolution forciert die Entchristianisierung weiter, wie auf dieser Radierung eines Unbekannten aus der Zeit der Diktatur Robespierres zu sehen ist. Dieser verband die Entchristianisierung mit dem deistischen Kult eines Höchsten Wesens, das 1794 offiziellen Status erhielt. Der Kult des Höchsten Wesens gehörte zu einem Ensemble zivilreligiöser Feste und Glaubensformen während der Revolution, das an Stelle der Kirche treten sollte. Zu diesem Zwecke übernahm Robespierre das trinitarische Gottesauge, das hier die Feierlichkeiten überstrahlt. Mittler zwischen Höchstem Wesen und empirischen Menschen sind die blau-weiß-rot gewandeten Frauengestalten: die Marianne mit phrygischer Mütze und der Tafel der Menschenrechtserklärung und die Glücksgöttin Fortuna, die ihr Füllhorn über den Erdenbürgern ausgießt. Mit der Enthauptung Robespierres schließlich trat noch im selben Jahr erstmals das Antlitz eines konkreten Menschen, das des geistigen Wegbereiters der Revolution, von Jean-Jacques Rousseau, in Gestalt eines Medaillons an die Stelle des Gottesauges.[17] Nun war er es, der die Revolution überwachte und ihr seinen Segen verlieh.

Noch einen Schritt weiter war man zu Beginn des Jahrhunderts in Preußen gegangen, wo wie auf dem preußischen Gardestern von 1701, dem Schwarzen Adlerorden, das Auge Gottes durch das weltliche Herrschaftsemblem – hier den gekrönten Adler, das preußische Wappentier – ersetzt worden und nur die Gloriole übrig geblieben war. Die ästhetisch radikalste Form der Verweltlichung des Gottesauges war schließlich die von einem dreifarbigen Strahlenkranz gesäumte Kokarde der Revolutionäre von 1789, deren Mitte die phrygische Mütze und der Schriftzug Liberté und Égalité zierte.

 

Der „Hohe Orden vom Schwarzen Adler“, gestiftet Preußen 1701, Q https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Black_Eagle_Order_star.jpguelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei

Der „Hohe Orden vom Schwarzen Adler“, gestiftet Preußen 1701, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Kokarde der Revolutionäre von 1789, gemeinfrei

Kokarde der Revolutionäre von 1789, gemeinfrei

 

 

Im Königreich Hannover finden wir 30 Jahre später eine Weiterentwicklung des Emblems. Statt Liberté und Égalité ist es nun ganz konkret das Auge des Gesetzes, das über die Ordnung wacht.

Titelblatt „Juristische Zeitung für das Königreich Hannover“, Nr. 1, 1,7.1832, gemeinfrei

Titelblatt „Juristische Zeitung für das Königreich Hannover“, Nr. 1, 1. Juli 1832, gemeinfrei

Bereits 1799 hatte Friedrich Schiller in seinem „Lied von der Glocke“ die berühmt gewordenen Zeilen notiert: „Schwarz bedecket / Sich die Erde; / Doch den sichern Bürger schrecket / Nicht die Nacht, / Die den Bösen gräßlich wecket; / Denn das Auge des Gesetzes wacht.“ In der populären Bildpublizistik wurde die Metapher vom Auge des Gesetzes im 19. Jahrhundert personifiziert und oftmals karikiert. Längst ist es zu dieser Zeit die Polizei, die über den Schlaf des Bürgers wacht und diesem Sicherheit verspricht, genauso wie es unser Eingangsbild suggeriert.

In Gestalt des Polizeisterns auf den Mützen der Polizisten sind Gloriole und Monoculus bis heute erhalten geblieben. An die Stelle des Gottesauges sind ähnlich wie auf dem preußischen Gardestern die Hoheitszeichen der Bundesländer bzw. des Bundes getreten. Unterhalb des Polizeisterns befindet sich auf den Schirmmützen der Polizeibeamten mit der Kokarde ein zweites säkularisiertes Gottesauge, das dem der Revolutionäre von 1789 gleicht, nur dass es nicht mehr die Farben der Revolution sind, sondern nun die der Republik. Das Auge des Gesetzes wacht gleichsam doppelt! Und noch auf einem anderen Hoheitszeichen finden wir das als Polizeistern säkularisierte Gottesauge: auf den Dienstmarken der vermeintlich Sicherheit gewährenden Polizei, wie der Volkspolizei der DDR oder der Kriminalpolizei der Bundesrepublik. Die Symbolbedeutung ist unabhängig vom jeweiligen politischen System geworden – ein Hinweis auf die weitere Universalisierung unseres Emblems.

 

Uniform der Polizei der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen 2009. Fotograf: unbekannt, 4. November 2009. Quelle: Sächsisches Staatsministerium des Innern / Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uniformmodell_Brandenburg2.jpg?uselang=de, Lizenz: CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Uniform der Polizei der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen 2009. Fotograf: unbekannt, 4. November 2009. Quelle: Sächsisches Staatsministerium des Innern / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Dienstmarken der Kriminalpolizei der Deutschen Volkspolizei der DDR und der Kriminalpolizei des Landes Niedersachsen; Slg. G. Paul ©

Dienstmarken der Kriminalpolizei der Deutschen Volkspolizei der DDR und der Kriminalpolizei des Landes Niedersachsen; Slg. G. Paul ©

 

 

 

 

 

„iconic buildings“

Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Break machen und einen kleinen Exkurs in Architektur und Stadtplanung unternehmen. Es gibt wahrnehmungsmächtige, William J.T. Mitchell nennt sie „anstößige“ Bilder,[18] die wie die Twin Towers von New York geradezu Gegenbilder wie die des Angriffs islamistischer Terroristen von 9/11 provozieren. Es gibt Bilder wie die des „Napalm-Mädchens“, die zu transkulturellen Medienikonen aufsteigen. Und es gibt Bilder, die Räume zu gestalten vermögen, die aus der Zweidimensionalität der Fläche in die Dreidimensionalität des Raumes treten. Horst Bredekamp hat die besondere Fähigkeit von Bildern, „wie aus dem Nichts, ex nihilo, weit über den eigenen Rahmen hinaus zu formen und zu gestalten“, als „die zweite Sphäre“ beschrieben, „in der sich die Eigenaktivität von Bildern“ zeige.[19]

Die Metapher vom „Auge der Architektur“, von der auf einem Plakat des Basler eikones-Projekts die Rede ist,[20] spielt auf jene Momente an, in denen ein Bau aufgrund seiner bildlichen Qualität uns anzusprechen oder anzublicken scheint. Das können besonders gestaltete Treppenhäuser oder Fensteröffnungen sein, in denen uns das Monoculus zu fixieren scheint, oder ganz klassisch die Kuppel des Petersdoms, aus dessen Öffnungen das Licht wie Sehstrahlen eindringt und dem Innenraum einen göttlichen Glanz verleiht.[21]

Museum Oscar Niemeyer, Curitiba (Brasilien), 13. November 2013. Foto: Mariordo (Mario Roberto Durán Ortiz), Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:CWB_Olho_Niemeyer_11_2013_7268.JPG?uselang=de CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Museum Oscar Niemeyer, Curitiba (Brasilien), 13. November 2013. Foto: Mariordo (Mario Roberto Durán Ortiz), Quelle: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Das Motiv des Monoculus nahmen sich Architekten bei der Gestaltung des Wissenschaftsmuseums in Valencia[22] ebenso zum Vorbild wie die des Museums für den großen Architekten Oscar Niemeyer in Brasilien, im Volksmund „Museu do Olho“ – Museum des Auges – genannt. Oder um zwei Beispiele aus Europa zu nennen: die Architekten eines Telekom-Gebäudes in Darmstadt[23] und die des für Überwachungsmaßnahmen zuständigen Government Communications Headquarters in Cheltenham,[24] das nicht zu Unrecht als Auge des britischen Abhörzyklopen – des britischen Pendants der amerikanischen NSA – bezeichnet wird. Auffällig viele Augenbilder finden wir auch im und am Berliner Kanzleramt, ob an der Außenfassade oder im Innern wie im Presseraum des Amtes.

Das aber ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass Auge und perspektivisches Prinzip bei absolutistischen wie autoritären Herrschern die Vorstellung nährten, ihr Reich wie im Theater überblicken zu können. Das Monoculus in Verbindung mit dem perspektivischen Prinzip und der Gloriole geriet zum Vorbild für Gefängnisbauten und Lager wie für ganze Städte. Wir sprechen daher von skopischen, von beobachtenden Regimen.

Das bekannteste Beispiel eines „iconic building“ mit skopischen Qualitäten ist Jeremy Benthams „Panopticon or Inspection House“ von 1791, bei dessen Modellgefängnis das Monoculus Pate stand.[25] Im Zentrum des Auges, gleichsam in seiner Pupille, die einstmals Gott reserviert war, befindet sich der Kontrollturm, von dem aus die Bewacher Einblick in die strahlenförmig von dem Zentralraum abgehenden Zellen haben. Dass nach solchen Plänen tatsächlich gebaut wurde, zeigt dieses Gefängnis in Kuba, in dem während des Zweiten Weltkriegs u.a. deutsche und japanische Staatsangehörige interniert waren und das auch noch von Fidel Castro als Gefängnis für Verfolgte genutzt wurde. Ein anderes Beispiel ist das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis von Stateville im US-Bundesstaat Illinois.[26]

 

Panopticon-Skizze von Jeremy Bentham (1791), Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Panopticon.jpg

Panopticon-Skizze von Jeremy Bentham (1791), Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Innenansicht des Presidio Modelo, Isla de la Juventud, Cuba, 23. September 2005. Foto: Friman, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Presidio-modelo2.JPG?uselang=de CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

Innenansicht des Presidio Modelo, Isla de la Juventud, Cuba, 23. September 2005. Foto: Friman, Quelle: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

 

 

 

 

 

Schließlich inspirierte unser Monoculus Potentaten wie den Markgrafen von Baden-Durlach, Städte wie das 1715 gegründete Karlsruhe nach dem Modell des Einauges anzulegen. Vom Zentrum des Auges, dem Residenzschloss, gehen die Straßen strahlenförmig ab. Mit seinem Plan hatte sich der Landesfürst explizit an die Stelle Gottes gesetzt und sich ganz nebenbei des perspektivischen Prinzips bedient. Ganz ähnlich war auch das Modell des Konzentrationslagers Sachsenhausen konzipiert, in dem das Torhaus mit Wachturm die Position von Benthams Kontrollturm bzw. des absolutistischen Schlosses eingenommen hat.[27]

 

Stadtansicht Karlsruhe, Kupferstich von Heinrich Schwarz 1721, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karlsruher_Stadtansicht.jpg?uselang=de, gemeinfrei

Stadtansicht Karlsruhe, Kupferstich von Heinrich Schwarz 1721, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Modell der gesamten Anlage des Konzentrationslagers Sachsenhausen, Fotograf: Heinz Korff, o.D., Bildagentur bpk, Nr. 00010542 / Heinz Korff © mit freundlicher Genehmigung

Modell der gesamten Anlage des Konzentrationslagers Sachsenhausen, Fotograf: Heinz Korff, o.D., Bildagentur bpk, Nr. 00010542 / Heinz Korff © mit freundlicher Genehmigung

 

Claude-Nicolas Ledoux, Hauptvertreter der französischen Revolutionsarchitektur, diente das Monoculus als Vorlage für seinen Entwurf des Theaters von Besançon. Mit ihm kündigt sich ein skopisches Prinzip neuer Art an, nämlich die Demokratisierung des perspektivischen Prinzips: Alle Zuschauer, gleich welchen Standes, haben vom Zuschauerraum nun denselben Blick auf die Bühne.

Claude-Nicolas Ledoux, Theater von Besançon, Radierung 1894, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ledoux,_Theatre_of_Besan%C3%A7on.jpg?uselang=de, gemeinfrei

Claude-Nicolas Ledoux, Theater von Besançon, Radierung 1894, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

 

 Das Monoculus in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts[28]

Kehren wir zum Monoculus selbst zurück und folgen wir ihm nun in der bildenden Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Infolge der allgemeinen Entsakralisierung, der Abkopplung des Monoculus von der einen göttlichen Bedeutung, wird das Motiv für unterschiedlichste Zuweisungen frei. Seine Bedeutungen diversifizieren sich weiter. Vor allem den Malern des Symbolismus, des Surrealismus, des Expressionismus sowie der gemäßigten Abstraktion diente es nun für ganz unterschiedliche profane Zwecke. Dabei können wir feststellen, dass auch die modernen Adaptionen letztlich nur Variationen des einst göttlichen Auges sind.

Im 19. Jahrhundert hatten zunächst Schriftsteller, später dann die Maler des Symbolismus den Traum und mit diesem das Monoculus als Zugang zum Inneren der Menschen, zu ihrer Psyche, als Motiv entdeckt. Dies begann mit den Traumvisionen und absurden Bildern des französischen Karikaturisten und Zeichners Grandville.[29]

Odilon Redon, „L‘Oeil comme un ballon bizarre se dirige vers l'infini“, Lithografie 1882, Wallis Foundation Fund in memory of Hal B. Wallis. Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:To_Edgar_Poe_(The_Eye,_Like_a_Strange_Balloon,_Mounts_toward_Infinity)_(A_Edgar_Poe_(L%27oeil,_comme_un_ballon_bizarre_se_dirige_vers_l%27infini))_LACMA_AC1997.14.1.1.jpg?uselang=de, gemeinfrei

Odilon Redon, „L‘Oeil comme un ballon bizarre se dirige vers l’infini“, Lithografie 1882, Wallis Foundation Fund in memory of Hal B. Wallis. Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Den Höhepunkt der Augenmetaphorik finden wir in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Odilon Redon, bei dem das Auge des Künstlers dasjenige Gottes ersetzt. Das frei flottierende körperlose Auge wird ihm – ähnlich wie lange zuvor bei Alberti – zur Metapher für die Eigenständigkeit und Freiheit des sich vom zeitgenössischen Naturalismus absetzenden künstlerischen Schaffens bzw. für den Übergang des Visuellen ins Visionäre und Spirituelle. Zugleich verweist es auf die enorme Popularität, die der Fesselballon als Zeichen von Modernität bei den Zeitgenossen besaß.

In den 1920er-Jahren geraten der Blick und das Sehen diesseits wie jenseits des Atlantiks zunehmend in ein Aktionsfeld surrealistischer Bild-Text-Experimente, die sich der schaulustigen Wahrnehmung und grausamen Augenspielen widmen.[30] Neue bildmediale Darstellungsformen ordnen, verfremden und irrealisieren das Monoculus und die Prozesse der Wahrnehmung in immer neuen Bildern wie bei Man Ray, einem der bedeutendsten Künstler des Surrealismus in den USA, oder bei dem Wallonen René Margritte, der sich ebenso wie der Katalone Salvador Dalí, der Hauptvertreter des Surrealismus, Ledoux‘ Theater von Besançon zum Vorbild genommen hat.

 Das surrealistische Auge spielt geradezu „mit den Ambivalenzen und Pervertierungen einer Blickästhetik, deren Schockbilder und Blickfallen sich […] allzu gern im Schein der voyeuristischen Verführung und Lust entpuppen“.[31] Ganz anders bei den Künstlern des Expressionismus wie bei Otto Dix und in der gemäßigten Abstraktion Picassos, in dessen Guernica-Gemälde aus dem einst christlichen Emblem eine ganz profane Deckenleuchte geworden ist, die das Grauen des modernen Kriegs beleuchtet. Ernst Nay kündigt dagegen mit seinen Bildern aus den 1950er-Jahren den Aufstieg des Monoculus zum Logo des visuellen Zeitalters an. Nays Augenbilder – erstmals auf der documenta von 1964 ausgestellt[32] – hängen heute im Pressesaal des Bundeskanzleramts und fixieren dort die anwesenden Journalisten – ein Schelm, wer Böses dabei denkt! In der Graffiti-Art ist unser Monoculus bis heute schließlich weltweit eines der am häufigsten benutzten Motive.

Ernst Wilhelm Nays Triptychon im Pressesaal des Kanzleramtes in Berlin, Foto: Slg. G. Paul © 2016 für die abgebildeten Werke von E. W. Nay: © Elisabeth Nay-Scheibler, Köln / VG Bild-Kunst, Bonn 2016 mit freundlicher Genehmigung

Ernst Wilhelm Nays Triptychon im Pressesaal des Kanzleramtes in Berlin, Foto: Slg. G. Paul © 2016 für die abgebildeten Werke von E. W. Nay: © Elisabeth Nay-Scheibler, Köln / VG Bild-Kunst, Bonn 2016 mit freundlicher Genehmigung

 

Das Monoculus in Grafik, Reklame und Film

Die Diversifizierung der Bedeutungen setzte sich in Grafik, Reklame und Film des 20. Jahrhunderts fort. Immer mehr geriet das Einzelauge zu einem beliebten Medium der Aufmerksamkeitsmobilisierung so etwa in den Werken des Jugendstil wie bei Albert Klingner, dessen Plakat wenig später Franz von Stuck als Vorlage für sein berühmtes Hygiene-Auge diente, das bis heute das Logo des Dresdner Hygiene-Museums ist. In den folgenden Jahren machte sich vor allem die Reklame das Motiv zu eigen, ob in der Werbung für Reklameschauen, für Zeitungen, völlig stilisiert bei der Werbung für eine kulturelle Woche oder als Logo der Leipziger Buchmesse. Selbst die Oper kommt nicht mehr ohne unser Monoculus aus, wie zuletzt Mozarts „Zauberflöte“ in der viel beachteten Inszenierung von Barrie Kosky an der Komischen Oper in Berlin.

 

Albert Klingner, Plakat zur Internationalen Kunstausstellung 1901 in Dresden , Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Internationale_Kunstausstellung_Dresden_1901,_Albert_Klingner.jpg?uselang=de, gemeinfrei

Albert Klingner, Plakat zur Internationalen Kunstausstellung 1901 in Dresden, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Franz von Stuck, Plakat zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Farblithografie. Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plakat_v_Stuck11.jpg?uselang=de, gemeinfrei

Franz von Stuck, Plakat zur Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Farblithografie. Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

 

Eines von HALs 9000 Interfaces mit Kameraauge und Lautsprecher aus Stanley Kubricks Film „2001 – A Space Odyssey“. Grafik erstellt von: Grafiker61, 12. Oktober 2012, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HAL9000_Case.svg, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Eines von HALs 9000 Interfaces mit Kameraauge und Lautsprecher aus Stanley Kubricks Film „2001 – A Space Odyssey“. Grafik von: Grafiker 61, 12. Oktober 2012, Quelle: Wikimedia Commons  CC BY-SA 4.0

Es überrascht nicht, dass es der Spionage- und Agentenfilm war, der sich des Monoculus als Metapher für Beobachtung und Überwachung bediente, ob in den frühen Filmen eines Fritz Lang, in amerikanischen Filmen seit den 1950er- oder in den James Bond-Filmen seit den 1960er-Jahren. Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist der Schuss aus dem Auge bzw. in das Auge wie im sonntäglichen Tatort das stärkste Medium der Aufmerksamkeitsmobilisierung überhaupt. Zwischen dem Auge des Betrachters und dem des Filmbildes wird wie zwischen zwei sich Auge in Auge begegnenden Personen eine Beziehung hergestellt, der man sich kaum entziehen kann. Schließlich nutzte auch der Science Fiction-Film das Monoculus wie 1968 Stanley Kubrick in 2001: A Space Odyssey, in dem es als rotes Auge des Bordcomputers HAL9000 eine wichtige dramaturgische Funktion übernimmt. Anders dagegen bei Hans-Jürgen Syberberg, in dessen vielgelobtem Hitler-Film[33] der Kinobesucher mit dem Protagonisten quasi durch das Auge in das Innere des NS-Regimes und das seines „Führers“ blickt.

Filmstill aus: Hans-Jürgen Syberberg, „Hitler, ein Film aus Deutschland“, 1977 © Hans-Jürgen Syberberg mit freundlicher Genehmigung

Filmstill aus: Hans-Jürgen Syberberg, „Hitler, ein Film aus Deutschland“, 1977 © Hans-Jürgen Syberberg mit freundlicher Genehmigung

Inspiriert vom Surrealismus ihrer Zeit kreierten Luis Buñuel und Salvador Dalí in ihrem Film Ein andalusischer Hund 1929 eine der vielleicht berühmtesten Filmszenen aller Zeiten, die von keinem Filmschrecken überboten wird.[34] Ein Mann durchschneidet – so scheint es – mit einem Rasiermesser Hornhaut, Iris und Pupille eines Mädchens, bis Augenflüssigkeit austritt. Buñuel zerstört hier mit filmischen Mitteln in einem gleichsam blasphemischen Akt das einst göttliche Monoculus und setzt es zugleich als Zeuge ein. Dabei täuscht er die Augen des Zuschauers. Die Szene nämlich findet so nur in dessen Kopf statt. Zugleich zwingt er das unermüdlich neugierige Auge und die Fantasie des Betrachters, bis zur letzten Konsequenz zuzusehen.

Luis Buñuel/Salvador Dali, „Un chien andalou“ (Der andalusische Hund)«, Filmplakat 1928, Quelle: AKG Images 481853 © mit freundlicher Genehmigung

Luis Buñuel/Salvador Dali, „Un chien andalou“ (Der andalusische Hund)«, Filmplakat 1928, Quelle: AKG Images 481853 © mit freundlicher Genehmigung

Fimstill aus: Dziga Vertov, Der Mann mit der Kamera, UdSSR 1929, Quelle: Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Man_with_a_Movie_Camera_by_Dziga_Vertov.jpg, gemeinfrei

Fimstill aus: Dziga Vertov, Der Mann mit der Kamera, UdSSR 1929, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Eine diametral entgegengesetzte Verwendung des Augenmotivs finden wir im frühen sowjetischen Experimentalfilm wie in Dziga Vertovs Kino-Auge und Der Mann mit der Kamera. Das auf den Betrachter gerichtete Objektiv der Filmkamera ist mit dem menschlichen Auge zu einer Bildermaschine verschmolzen. In der filmischen Betrachtung der Welt, so Vertovs These, entsteht wie weiland bei Merian eine neue Welt der Visualität. Das ist gleichsam eine Vorform der These von der tendenziellen Ersetzung des physischen „Leib-“ durch einen virtuellen „Bildraum“, wie ich sie in meinem neuen Buch über die Entstehung des „visuellen Zeitalters“ entfaltet habe.

Auf einen weiteren, viel zu wenig beachteten Verwendungszusammenhang des Kamera-Monoculus kann ich nur verweisen. Wie uns spätestens der Folterskandal von Abu Ghuraib 2003/04 gezeigt hat, ist das Kameraauge nicht nur Instrument der Schaffung der Welt, sondern ebenso Waffe und Folterinstrument, wie dies Errol Morris in seinem Film über den Folterskandal eindrucksvoll dokumentiert hat – auch dies eine Variante des allsehenden strafenden Auges wie einst zu Zeiten von Hieronymus Bosch.

 

 

Das Monoculus im Nationalsozialismus

Auch und gerade der Nationalsozialismus hat sich der Potenziale des Kamera-Monoculus als Medium der Schaffung einer neuen Welt, als Waffe der Verfolgung sowie als drohendem Symbol der Überwachung zu bedienen gewusst. Wie einst Gott schufen seine Spitzenregisseure mit ihren Filmkameras eine eigenständige mediale Realität der „Volksgemeinschaft“, die es in der Realität so nie gab, oder nutzten wie Kameramänner der Propagandakompanien der Wehrmacht die Filmkamera als Waffe bei der Diskriminierung und Verfolgung von Juden. Es reichte nicht aus, Menschen zu töten. Verfolgung und Mord mussten zusätzlich auch im Bild fixiert werden, was den Druck auf die unmittelbar Betroffenen zusätzlich verstärkte und die Wirkung der Bilder medial ins Unermessliche potenzierte. Wie Gott nämlich ist auch das Kamera-Monoculus in der Lage zu töten.

Wehrmachtssoldaten filmen die von den Besatzern initiierten Ausschreitungen der ukrainischen Bevölkerung gegen die jüdischen Bewohner Lembergs (Motiv 17 von 17), Anfang Juli 1941 in Lemberg (Lwów). Fotografie eines unbekannten Fotografen. Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz bpk-Bild Nr. 30010088 © mit freundlicher Genehmigung

Wehrmachtssoldaten filmen die von den Besatzern initiierten Ausschreitungen der ukrainischen Bevölkerung gegen die jüdischen Bewohner Lembergs (Motiv 17 von 17), Anfang Juli 1941 in Lemberg (Lwów). Fotografie eines unbekannten Fotografen. Quelle: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz bpk-Bild Nr. 30010088 © mit freundlicher Genehmigung

Erstmals wurde der technische Apparat der Kamera nun auch systematisch als Instrument der Erfassung und Überwachung der Bevölkerung eingesetzt. Bereits 1933 drohte die Presse, die Gestapo sehe alles. Zu diesem Zweck agierten Gestapobeamte mit ihren Kameras offen auf der Straße und ließen sich dabei auch selbst fotografieren. Auf den Dienstmarken der Gestapo finden wir das einstige Gottesauge gleich doppelt: in der ovalen, dem Auge nachgebildeten Form der Marke wie in dem vom Ährenkranz umsäumten Hakenkreuz, das der Reichsadler in seinen Krallen hält.

Die Nationalsozialisten waren auch diejenigen, die das ehemals göttliche Auge als Logo des neuen, ab 1936 regelmäßig sendenden Mediums Fernsehen einführten. Indes hatten sie mehr vor, als mit dem Kameraauge nur in die Welt zu blicken. Ihr Auge, wie auf diesem Plakat, schaute den Betrachter immer auch an. Goebbels hoffte, mit der neuen Technik zugleich in die privaten vier Wände der „Volksgenossen“ schauen zu können – eine Vorstellung, die zunächst Utopie blieb und erst heute mit der eingebauten Kamera in jedem Notebook oder iPhone technisch möglich geworden ist.

Wie in den Jahrhunderten zuvor knüpften die Nazis an die religiösen Bedeutungen des göttlichen Monoculus als Symbol der Überwachung an. Allerdings sind es wie auf diesem Plakat nicht die optischen Medien allein, auf die man setzte. „Übersicht“ – der „gläserne Mensch“, von dem auch und gerade die Nationalsozialisten träumten – sollte, so die Werbebotschaft der US-amerikanischen Firma Hollerith, eine Vorläuferfirma von IBM – durch die Einführung des Lochkartensystems erzielt werden: Big Data lässt grüßen.

 

Ausstellungsplakat, Entwurf Eugen M. Cordier, 1937. Quelle: Bildarchiv Münchner Stadtmuseum p C 1/70 © mit freundlicher Genehmigung

Ausstellungsplakat, Entwurf Eugen M. Cordier, 1937. Quelle: Bildarchiv Münchner Stadtmuseum p C 1/70 © mit freundlicher Genehmigung

Plakat-Werbung 1933/34 der Firma Dehomag für Hollerith-Lochkarten, auf denen die Volkszählung von 1933 aufbereitet und ausgewertet wurde. Quelle: Slg. G. Paul ©

Plakat-Werbung 1933/34 der Firma Dehomag für Hollerith-Lochkarten, auf denen die Volkszählung von 1933 aufbereitet und ausgewertet wurde. Quelle: Slg. G. Paul ©

 

Auf dem Weg zum Logo des visuellen Zeitalters

Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Monoculus längst auf dem Weg zu dem Logo des „visuellen Zeitalters“. Abgekoppelt von seinen ursprünglichen Bedeutungen war ein universelles und allgemeines Image übriggeblieben, das je nach Interesse für Informiertheit, Seriosität und Autorität, vor allem aber für Schutz und Sicherheit stehen konnte.

Logo des Deutschen Fernsehens von 1954, ARD, Quelle: Wikimedia Commons, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=6335370https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:ARD_Logo_1954.png markenrechtlich geschützt

Logo des Deutschen Fernsehens von 1954, ARD, Quelle: Wikimedia Commons markenrechtlich geschützt

In den 1950er-Jahren symbolisierte das Monoculus dann vor allem das neue Medium Fernsehen, das sich anschickte, zum visuellen Leitmedium der Zeit aufzusteigen. Nicht nur die großen Funkausstellungen bedienten sich des Emblems, sondern seit 1952 auch das auf Sendung gegangene Deutsche Fernsehen. Mit dem neuen Logo hoffte man, das mit dem Monoculus verbundene Image von Weisheit auf das neue Massenmedium zu übertragen. An die Stelle Gottes wie noch bei Merian – Sie erinnern sich! – war nun der Schriftzug „Deutsches Fernsehen“ getreten. Gerade bei vielen Älteren zehren das Fernsehen und dessen Nachrichtensendungen bis heute völlig zu Unrecht von der einstmals göttlichen Autorität und Seriosität. Das dem Monoculus nachgebildete Fernsehauge indes ist kein typisch deutsches Phänomen. Wir finden es ähnlich auch in Österreich, Großbritannien und den USA sowie bei etlichen Privatsendern, wo es wie bei dem internationalen Format Big Brother gleichermaßen in Deutschland, der Türkei und Brasilien sowie in vielen anderen Ländern Verwendung findet und dort für die neue Lust am Beobachten und Beobachtetwerden steht.

Siegel des Information Awareness Office, Quelle: Wikimedia Commons https://de.wikipedia.org/wiki/Information_Awareness_Office#/media/File:IAO-logo.png, gemeinfrei

Siegel des Information Awareness Office, Quelle: Wikimedia Commons gemeinfrei

Vor allem aber steht unser Monoculus wie bei Pontormo und Merian heute für Schutz und Sicherheit, so als Zitat des Großen Siegels der Vereinigten Staaten auf dem Logo des Information Awareness Office (IAO), einem nach den Ereignissen von 9/11 im Rahmen der Terrorismusbekämpfung von George W. Bush ins Leben gerufenen Projekt des Pentagon. Aufgabe des IAO war es, alle ermittelbaren Merkmale von Bürgerinnen und Bürgern in einer Datenbank zusammenzutragen und diese auf verdächtige Muster hin auszuwerten. Zu diesem Zweck tastete das Auge der amerikanischen Verfassung mit seinen Sehstrahlen die Welt und hier vor allem Europa, Afrika und Russland ab.

Mit demselben Bildzitat wirbt auch der private Sicherheitsdienstleister „Global Security. Public Eye“ für seine Dienste.[35] Bei diesem handelt es sich um einen nicht-kommerziellen Think Tank, der Analysen und Berichte zu unterschiedlichen sicherheitspolitischen Themen offeriert und zu diesem Zweck den Erdball u.a. mit Hilfe von Satelliten und Aufklärungsflugzeugen optisch erfassen lässt. Mit einem stilisierten Monoculus werben in der Zwischenzeit in aller Welt vor allem private Sicherheitsfirmen oder kommunale Dienstleister wie die Berliner BVG, die ihren Kunden Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr versprechen und mit dem Einzelauge auf die allgegenwärtige optische Überwachungstechnik hinweisen. Längst nämlich reicht es nicht mehr aus, nur Überwachungsanlagen zu installieren. Da sich die Bürger an diese gewöhnt haben und oft gar nicht mehr registrieren, musste das Monoculus mit der Signalfarbe gelb unterlegt und zusätzlich mit einem Schriftzug auf die Apparatur hingewiesen werden.

Digitus OptiDome Pro-Kamera, Quelle: Slg. G. Paul ©

Digitus OptiDome Pro-Kamera, Quelle: Slg. G. Paul ©

Verstärkt seit den 1970er-Jahren ist mit der Erfindung neuer optischer Überwachungstechnologien das Monoculus aus der Fiktionalität der Zeichnung und des Gemäldes hinausgetreten in die außerbildliche Realität. Orwells „Big Brother“ ist als Überwachungskamera, ob als sogenannte Dome-Kamera im Indoor-Bereich oder wie bei der BVG gepaart mit klassischen Outdoor-Kameras, Realität geworden. Auch das geflügelte Auge ist nicht mehr nur Fiktion des Künstlers wie noch bei Alberti oder Redon, längst umkreist es in Form von Satelliten und High-Tech-Drohnen den Erdball. Die Kampfdrohne ist die vorläufig letzte Variante des fliegenden Auges. Das Monoculus ist bewaffnet geworden. Es beobachtet nicht mehr nur, sondern bringt wie einst „die letzten vier Dinge“ bei Hieronymus Bosch Leid und Tod über die Menschen. Das fliegende Auge hat realiter göttliche Qualität erhalten!

 

 

Counterdiskurse[36]

Gegen alle diese tatsächlichen und möglichen Entwicklungen formierte sich immer auch Widerstand. Ikonen wie das Monoculus, ob fiktional als Bild oder real als Instrument der Überwachung, provozierten immer auch Gegenbilder, ganz gleich ob in Grafik und Malerei, in Film und Video oder in der außerbildlichen Realität.

Gegen die spätestens seit den 1930er-Jahren mit dem Fernsehen denkbar gewordenen Szenarien totaler Sichtbarkeit schrieb wie kein anderer George Orwell mit seinem Roman 1984 an. Das Cover seines Buches zeigt zumeist das uns bekannte Monoculus, das eine zentrale dramaturgische Rolle in Orwells Dystopie spielt. Orwells Auge nämlich schaute nicht in die Welt, sondern fixierte den Betrachter in seinen privaten Lebenszusammenhängen. Vor dem Monoculus des als „Big Brother“ verharmlosten Diktators hatten sich wie in Michael Andersons Verfilmung von Orwells Erfolgsroman die Untertanen beständig auszuweisen. Mit Hilfe des Televisors – ein in zwei Richtungen funktionierender, sendender wie empfangender Bildschirm – übte der Diktator seine Macht aus. Mit ihm versendete er seine Botschaften. Mit ihm blickte er – wovon Goebbels noch geträumt hatte – in die privaten Wände seiner Untertanen. Das Kürzel „Big Brother“ und der Begriff vom „Orwell-Staat“ sind seitdem weltweit zu Metaphern des Counterdiskurses zur staatlichen Überwachungspraxis geworden.[37]

Verschiedene Cover des Buches „1984“ von George Orwell ©

Verschiedene Cover des Buches „1984“ von George Orwell ©

Plakat „Die Grünen“ „High tech Republik.“ von Ralf Skiba, 1. Januar bis 31. März 1990 Berlin und Umgebung, Quelle: Wir waren so frei https://www.wir-waren-so-frei.de/index.php/Detail/Object/Show/object_id/653, CC BY-NC-ND 3.0 DE

Plakat „Die Grünen“ „High tech Republik.“ von Ralf Skiba, 1. Januar bis 31. März 1990, Berlin und Umgebung, Quelle: Wir waren so frei … Momentaufnahmen 1989/1990 CC BY-NC-ND 3.0 DE

In Deutschland geriet das Monoculus seit den 1980er-Jahren zum Symbol gleich einer ganzen Reihe staatlicher Handlungsmuster, angefangen von der Volkszählung und der Erstellung von Datenbänken bis hin zur polizeilichen Schleppnetz- und Rasterfahndung, ja selbst der Verkabelung. Damit wurden gleichermaßen das Bundeskriminalamt wie die Europäische Union stigmatisiert. Aktuell sind es vor allem „Die Piraten“, die sich auf ihren Plakaten des Monoculus als Logo des Überwachungsstaats bedienen.[38]

Auch die bildende Kunst nahm sich des Themas Überwachung und seiner neuen technischen Möglichkeiten an, ob in dieser, als „Cam Cities“ betitelten, Montage einer kanadischen Künstlerin oder in einem Gemälde einer aus China stammenden Schülerin von Georg Baselitz.[39] Und schließlich thematisierten auch Videokünstler die zunehmende Praxis der visuellen Überwachung wie in einem beeindruckenden Musikvideo des Absolventen Deniz Zağlı der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf.[40]

Still aus dem Musicvideo PTK „Auge des Gesetzes“ 2014 von Deniz Zağlı © mit freundlicher Genehmigung

Still aus dem Musicvideo PTK „Auge des Gesetzes“ 2014 von Deniz Zağlı © mit freundlicher Genehmigung

Gegen den Zwang zur totalen Sichtbarkeit und gegen die Überwachung durch die Polizei formierte sich nicht nur im Bild Widerstand, sondern zunehmend auch im außerbildlichen Alltag. Mit bemalten Papiertüten, die die Gesichter des Schahs von Persien und seiner Gattin zeigten, versuchten sich die Anhänger der Kommune I, bereits 1967 dem „Auge des Gesetzes“ zu entziehen. Ein ganz anderes Beispiel: Seit etwa 2000 bot das Institute for Applied Autonomy in New York Besuchern einen Spaziergang durch Manhattan an, der sich weitestgehend den Blicken der Überwachungskameras entzog.[41] Mit Laserpointern blenden Anhänger autonomer Bewegungen in den Metropolen immer häufiger Überwachungskameras und beharren damit auf einem nirgends fixierten Menschenrecht auf Nicht-Sichtbarkeit.

„Tarnkappen“ der Kommune 1: mit dem Gesicht des Schahs und seiner Frau bemalte Papiertüten, Berlin 1967. Foto: Michael Jentsch, Haus der Geschichte, Bonn (www.hdg.de) © mit freundlicher Genehmigung

„Tarnkappen“ der Kommune 1: mit dem Gesicht des Schahs und seiner Frau bemalte Papiertüten, Berlin 1967. Foto: Michael Jentsch, Haus der Geschichte, Bonn (www.hdg.de) © mit freundlicher Genehmigung

 

Von Orwell zu „Orwellness“

Gleichwohl blieben solche Praxen auf Minderheiten beschränkt. In den Mehrheitsgesellschaften des Westens findet seit Jahren vielmehr ein ganz gegensätzlicher mentalitätsgeschichtlicher Wandel statt, der staatliche Überwachung und ständige Observierung nicht mehr dominant negativ deutet, sondern diese mit Lust und Freude assoziiert.[42] Aus der Angst vor dem Überwachungsstaat wie noch bei Orwell scheint ein Gefühl der exhibitionistischen Zurschaustellung und des voyeuristischen Schauens – „Orwellness“ – geworden zu sein.[43] Nichts machte dies deutlicher als die Ausstrahlung der Sendung „Big Brother“, einer Sendung, die bewusst mit dem Emblem des Monoculus spielte und spielt.

„Monoculus“ eine gruselige „Halloween-Ergänzung“ zum Online-Taktik-Shooter „Team Fortress II” von Valve (2011), Foto: Gerhard Paul © mit freundlicher Genehmigung

„Monoculus“ eine gruselige „Halloween-Ergänzung“ zum Online-Taktik-Shooter „Team Fortress II” von Valve (2011), Foto: Gerhard Paul © mit freundlicher Genehmigung

Die andere Seite der Medaille, die Lust und der Nervenkitzel, vom Tod bringenden Monoculus, der „death cam“, verfolgt und attackiert zu werden, bedient das populäre Videospiel „Monoculus“, in dem ein körperloses Auge Horror verbreitet und von den Spielern gejagt werden muss. Die neue Lust beobachtet zu werden, zeigt sich im Alltag in vielfältigen Formen, so bei in den USA populären Tapeten mit dem Monoculus als grafischem Muster und Wanddekoration oder in Hotelzimmern, in denen das allsehende Auge Gottes zum Spiegel mutiert ist, in dem man sich selbst betrachtet bzw. von dessen Sehstrahlen man lustvoll fixiert wird.

Die höchste Form der Wirkmächtigkeit von Bildern ist deren Gebrauch im Alltag. Das erleben wir auch bei unserem Monoculus. So kann man dieses im Netz längst auch in der klassisch-barocken Form des Aachener Domes mit der lateinischen Aufschrift „regalis basilicae ecclesiae matricis b.m. virginis“ (deutsch: „der königlichen Basilika, der Mutterkirche der seligen Jungfrau Maria“) – als T-Shirt, ob mit rundem oder geradem Halsansatz, bestellen.[44] Das göttliche Auge ist seinem Träger im wörtlichen Sinne auf den Leib gerückt. Noch einen Schritt weiter gehen Menschen, die sich unser Emblem – ähnlich wie die Hand der Miriam im jüdischen Kulturkreis – als Tattoo stechen lassen.[45]

 

 

Resümee

Damit komme ich zum Schluss meines Parforceritts durch die Bildgeschichte. Fassen wir zusammen: Kaum ein anderes Emblem ist in unserer Bildkultur so verbreitet wie das Monoculus. Es ist eines der frühesten grafisch gestalteten Sinnbilder für Gott, assoziiert mit Schutz und Sicherheit, aber auch mit Beobachtetsein. Als Auge Gottes bzw. Auge der Vorsehung, als Chasma sowie als Hand der Fatima finden wir es gleichermaßen in der christlichen, in der jüdischen wie in der islamischen Kultur, was auf eine gemeinsame Symbolheimat verweist, die wir in der ägyptischen Antike vermuten dürfen. Hier wie dort ist es mit unterschiedlichen Ausprägungen in die Volkskultur und in den Volksglauben eingegangen. In der christlichen Kultur machte es nach einer ersten Blüte zur Zeit der Renaissance einen Prozess der Entsakralisierung durch, der es von seinen ursprünglichen religiösen Bedeutungen entkoppelte und frei machte für neue Zuschreibungen. Aus dem Auge Gottes wurde das Auge des Gesetzes bzw. das des Staates, das droht, observiert, identifiziert. Das Monoculus war nie nur passives Zeichen. Es war immer auch darauf angelegt, handelnd in die außerbildliche physische Realität einzugreifen. Mit den Fortschritten der optisch-apparativen Medien trat unser Emblem aus dem Bereich der Zweidimensionalität und dem der Fiktionalität heraus in die Dreidimensionalität und die Faktizität. Als Kameraauge begann es im außerbildlichen Leben zu agieren, zu gestalten, zu disziplinieren, zu überwachen. Es verließ den Arkanbereich der Kunst und avancierte zum Gebrauchsgegenstand im Alltag.

Wie eine moderne Medienikone durchlief es einen Prozess der Kanonisierung.[46] Zu diesem zählen: seine Re-Inszenierung in unterschiedlichen medialen Teilkulturen wie dem Buch, dem Piktogramm oder dem Film, seine mediale Kanonisierung, die Re-Inszenierung in Kunst und Kultur, seine kulturelle Kanonisierung, die Verbreitung im Bereich der Konsum- und Alltagskultur, seine ökonomische Kanonisierung, sowie die Etablierung als Gegenstand von politischen Kampagnen und Diskursen, seine politische Kanonisierung. Aber auch die beständige Re-Inszenierung durch die Bildproduzenten und -vermittler genügte letztlich nicht, um aus Bildern Ikonen des kulturellen Gedächtnisses werden zu lassen. Erst die massenhafte Aneignung der Bilder durch die Rezipienten und die Nutzung der Bilder im Alltag als Amulett, als Protestsymbol, Anschauungsobjekt usf. – seine alltägliche Kanonisierung – entscheiden darüber, ob und wie intensiv solche Ikonen Zugang zum individuellen wie zum kollektiven Gedächtnis finden. Erst durch solche Formen der beständigen Re-Inszenierung und des Gebrauchs ragt ein Bild aus der gesellschaftlichen Ikonosphäre heraus. Und noch etwas demonstriert uns die Bildgeschichte des Monoculus: Die Autonomie und ikonische Kraft eines Bildzeichens, das weitgehend unabhängig von Zeiten, Kulturen und Räumen sowie von Bildträgern, Bildagenturen und sonstigen Akteuren funktioniert, ja sogar eine solche Kraft entfaltet, dass nach ihm architektonische Räume gestaltet werden.

Wie sieht es nun aber in unserem göttlichen Überwachungs-Leitstand der BVG tatsächlich aus? Dürfen wir denn auch tatsächlich mit Aufmerksamkeit rechnen, wenn wir sie brauchen? Ich bin da zusammen mit der Forschung eher skeptisch,[47] wenn man einen Blick in die neue BVG-Leitzentrale in Berlin-Lichtenberg oder in entsprechend aussehende Leitstände der Polizeibehörden wirft. Anders als das Auge des Zyklopen verbreitet das BVG-Monoculus heute weder Furcht noch Schrecken. Das Auge des Zyklopen ist gezähmt. Als Akteure hinter ihm agieren lammfromme, vielfach überforderte Bedienstete.

Blick in die neue BVG-Leitstelle in Berlin-Lichtenberg, 2015, Foto/Entwurf: Architekturbüro: sausel architekten, Entwurf: Sebastian Mordmüller (mo-architektur), Visualisierung: Oliver Brecht (OxB²), http://mo-architektur.de/architektur/ © mit freundlicher Genehmigung

Entwurf für eine geplante BVG-Leitstelle in Berlin, 2015, Foto/Entwurf: Architekturbüro: sausel architekten, Entwurf: Sebastian Mordmüller (mo-architektur), Visualisierung: Oliver Brecht (OxB²), Planung: trapez-architektur  © mit freundlicher Genehmigung

 

[1] Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um den leicht erweiterten und um Anmerkungen ergänzten Text meiner Abschiedsvorlesung an der Europa-Universität Flensburg vom 22. Juni 2016.

[2] Programmatisch Gerhard Paul (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006; zuletzt ders., Das visuelle Zeitalter. Punkt & Pixel, Göttingen 2016.

[3] Siehe Gerhard Paul, Das Mao-Porträt. Herrscherbild, Protestsymbol und Kunstikone, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 6 (2009), H. 1, Druckausgabe: S. 58-84.

[4] Siehe Gerhard Paul, Die Geschichte hinter dem Foto. Authentizität, Ikonisierung und Überschreibung eines Bildes aus dem Vietnamkrieg, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 2 (2005), H. 2, Druckausgabe: S. 224-245.

[5] Zum Begriff der Medienikone ausführlich Kathrin Fahlenbrach, Ikonen in der Geschichte der technisch-apparativen Massenmedien. Kontinuitäten und Diskontinuitäten medienhistorischer Ikonisierungsprozesse, in: Matthias Buck/Florian Hartling/Sebastian Pfau (Hrsg.), Randgänge der Mediengeschichte, Wiesbaden 2010, S. 59-74; Reinhold Viehoff/Kathrin Fahlenbrach, Ikonen der Medienkultur. Über die (verschwindende) Differenz von Authentizität und Inszenierung der Bilder in der Geschichte, in: Michael Beuthner u.a. (Hrsg.), Bilder des Terrors – Terror der Bilder? Krisenberichterstattung am und nach dem 11. September, Köln 2003, S. 42-60, sowie Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben. Medienikonen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Bilder, die Geschichte schrieben. 1900 bis heute, Göttingen 2011, S. 7-16.

[6] Siehe Paul Gräb, Gott hat keine Augen, Gott ist Auge, in: Christiane Vielhaber (Hrsg.), Augen-Blicke. Das Auge in der Kunst des 20. Jahrhunderts (Ausstellungs-Katalog), Köln 1988, S. 47-51.

[7] Siehe Horst Bredekamp, Albertis Flug- und Flammenauge, in: Christoph Brockhaus (Hrsg.), Die Beschwörung des Kosmos. Europäische Bronzen der Renaissance (Ausstellungs-Katalog) Duisburg 1994, S. 297-302.

[8] Hans Belting, Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks, München 2008, S. 230f.

[9] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/Leon_Battista_Alberti_by_Matteo_de_Pasti.jpg.

[10] Siehe die Website von Harald Schulze, Das planetarische Auge des Kyklopen.

[11] So auch Belting, Florenz oder Bagdad, S. 232.

[12] Adam Fijałkowski, Orbis Pictus. Świat malowany Jana Amosa Komeńskiego / Orbis Pictus. Die Welt in Bildern des Johann Amos Comenius, Warschau 2008.

[13] „Providentia Dei/Die Vorsehung Gottes“, aus: Johann Amos Comenius, Orbis sensualium pictus, Nürnberg 1658, S. 304.

[14] Jacob Böhme, Alle theosophische Schriften, Amsterdam 1682; ders., Die Gelassenheit.

[15] Siehe etwa http://img.ma-shops.de/schimmer/pic/tnue1742p.jpg.

[16] The Great Seal of the State of Colorado von 1876.

[17] Nicolas Henry Jeaurat de Berty, Allegorie der Revolution mit einem Medaillon des Porträts von Jean-Jacques Rousseau, Öl auf Leinwand (1794), Musée Carnavalet, Paris.

[18] William J.T. Mitchell, Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, München 2008, S. 31.

[19] Horst Bredekamp, Schlussvortrag: BILD – AKT – GESCHICHTE, in: 46. Deutscher Historikertag in Konstanz 2006. Berichtsband, Konstanz 2007, S. 289-309, hier S. 295.

[20] Matteo Burioni/Johannes Grave/Andreas Beyer (Hrsg.), Das Auge der Architektur. Zur Frage der Bildlichkeit in der Baukunst, München 2011; das Plakatmotiv online.

[21] Eine Abbildung davon.

[22] Sciene Center Valencia (Spanien).

[23] Siehe die Aufnahmen des „TZ-Rhein-Main-Auges“ auf der Website der Architektengruppe dbn.

[24] Luftaufnahme des Hauptsitzes des GCHQ in Cheltenham, Aufnahme von 2004.

[25] Siehe Janet Semple, Bentham’s Prison. A Study of the Panopticon Penitentiary, Oxford 1993.

[26] Innenansicht des Stateville Correctional Center.

[27] Ausführlich Paul, Das visuelle Zeitalter, S. 269f.

[28] Vielhaber (Hrsg.), Augen-Blicke; Kei Müller-Jensen, Das Motiv Auge, 2. Aufl., Karlsruhe 2007, S. 61ff.

[29] J.J. Grandville, Erster Traum: Verbrechen und Sühne, Holzstich 1847.

[30] Siehe Scarlett Winter, Das surrealistische Auge: Inszenierung der Schaulust bei Buñuel, Daíi und Almodóvar, in: Uta Felten/Volker Roloff (Hrsg.), Spielformen der Intermedialität im spanischen und lateinamerikanischen Surrealismus, Bielefeld 2004, S. 101-124.

[31] Ebd., S. 102.

[32] Siehe http://allover-magazin.com/wp-content/uploads/2012/10/nay.jpg.

[33] Hitler, ein Film aus Deutschland, 4 Teile 1977-1980, Regie: Hans-Jürgen Syberberg, WDR/BBC Koproduktion.

[34] Siehe Yasha David (Hrsg.), Buñuel. Auge des Jahrhunderts (Ausst.-Kat.), München 1994.

[35] Siehe http://www.globalsecurity.org/eye/ sowie http://www.globalsecurity.org/military/world/afghanistan/kabul-ikonos.htm.

[36] Ausführlich Dietmar Kammerer, Bilder der Überwachung, Frankfurt a.M. 2008, S. 323ff.

[37] Zur Rezeption von Orwells „1984“ siehe Thilo Weichert, Technik, Terror, Transparenz – Stimmen Orwells Visionen? (2004), https://www.datenschutzzentrum.de/vortraege/041118_weichert_dafta.htm.

[38] Siehe etwa http://www.piraten-freiburg.de/wp-content/Nie-wieder-Überwachungsstaat-Merkel-3400x1730mm-Druck-2013-07-22_1-Screen.jpg; http://landesportal.piratenpartei-sh.de/wp-content/blogs.dir/1/files/plakate_btw13/plakat_privatsphaere.jpg.

[39] Cheryl Sourkes, Cam Cities, photo digital print (2001), sowie Ce Jian, „Binocular“, Öl u. Collage auf Leinwand (2008), http://www.cejian.de/uploadfile/20120318/20120318230910752.jpg.

[40] Siehe das Musikvideo „Auge des Gesetzes“ von Deniz Zaglin von der Filmuniversität Babelsberg (2014).

[41] Institute for Applied Aautonomy (New York), Spaziergang durch Manhattan unter Umgehung von Videokameras, Version Oktober 2001.

[42] Ausführlich zu diesem Wandel siehe meine Anmerkungen in Paul, Das visuelle Zeitalter, S. 634ff.

[43] So Heribert Prantl, Das Ende der Privatheit. Orwell und Orwellness, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010.

[44] Siehe z.B. https://www.photo2fashion.com/photo-t-shirts/regalis-basilic-ecclesi-matricis-b-m-virginis/3006868259.php.

[45] Siehe diverse Beispiele zu dem Suchbegriff „Tattoo Auge Gottes“ bei der Google-Bildersuche.

[46] Siehe das Modell von Reinhold Viehoff/Kathrin Fahlenbrach, Medienikonen des Krieges. Die symbolische Entthronung Saddams als Versuch strategischer Ikonisierung, in: Thomas Knieper/Marion G. Müller (Hrsg.), War Visions. Bildkommunikation und Krieg, Köln 2005, S. 356-387, dem ich hier folge.

[47] Siehe etwa Kammerer, Bilder der Überwachung, S. 143ff.

 

 

Zitation


Gerhard Paul, „Video“ oder: Was haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit Homer zu tun? Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Gerhard Paul an der Europa-Universität Flensburg Juni 2016, in: Visual History, 02.10.2016, https://www.visual-history.de/2016/10/02/video-oder-was-haben-die-berliner-verkehrsbetriebe-bvg-mit-homer-zu-tun/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok.5.1211
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