Lucia Halder, M.A.

Lucia Halder_foto.seweryn zelazny-0490 „Historiker sind visuelle Analphabeten“, so schallte es noch während meines Studiums durch alle Flure, und am lautesten riefen damals scheinbar die Historiker selbst. Als Studentin der Geschichtswissenschaft mit dem Zweitfach Kunstgeschichte lag es daher nahe, mich mit historischer Bildforschung zu beschäftigen, die alsbald unter „Visual History“ firmierte und damit ihr Erkenntnisinteresse ausweitete.

Insbesondere die Vielschichtigkeit des Untersuchungsgegenstandes erlaubt es, eine Vielzahl unterschiedlicher Fragen an visuelle Erzeugnisse im historischen Prozess zu stellen: Wie werden Bilder wahrgenommen? Wie werden zu welcher Zeit Bilder verbreitet? Wie werden Bilder intentional benutzt? Welche Bilder ragen aus der Bilderflut heraus, und was macht Bilder unvergesslich? Die Verschränkung mit technikgeschichtlichen Fortschritten, mit wahrnehmungsphysiologischen Erkenntnissen, pädagogischen Paradigmenwechseln oder auch erinnerungspolitischen Implementationen lassen zahlreiche Forschungsfragen und Perspektiven zu.

Dass Bilder als „narrative Abbreviaturen“, wie von Jörn Rüsen bezeichnet, oder in Anlehnung daran als „emotionale Abbreviaturen“ (Habbo Knoch) gelten, berührt auch den Rezipientenstandpunkt und wird insbesondere bei Ikonisierungsprozessen deutlich. Die Visual History spielt in diesen Ikonisierungsprozessen – bei genauer Betrachtung – keine geringe Rolle. Indem Bilder durch intensive Analyse und stete Wiederholung präsent werden und bleiben, halten sie Einzug in visuelle Bilderhaushalte. Nicht selten finden sich solch fortlaufend ikonisierte Bilder dann als Quellen in Schulbüchern wieder, die ich in meiner Dissertation untersuche (s. Projektbeschreibung).

Die oben gestellten Fragen lassen sich jedoch nicht nur an Schulbücher richten. Auch Museen und Ausstellungen spielen zunehmend als Medien der visuellen Kommunikation sowie als Medien des kollektiven Bildgedächtnisses eine Rolle. Als Mitarbeiterin an der Ausstellung „Bilder im Kopf. Ikonen der Zeitgeschichte“, die 2009 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen war, befragte ich einzelne Bilder nach ihrer Semantik, ihrer Geschichte und erinnerungspolitschen Besonderheit. Als Ausstellungskuratorin verantwortete ich anschließend in einigen Projekten Bildrecherche, Bildauswahl und -präsentation und wurde damit selbst Akteurin im Wechselspiel von Distribution und Auslassung. Die Beschäftigung mit Bildern, sowohl in historischer Forschung als auch in angewandter Geschichte, fordert Sehgewohnheiten und  Interpretationsmechanismen also stets aufs Neue heraus.

 

Lebenslauf

Seit Juli 2015
Wissenschaftliche Referentin, Historisches Fotoarchiv des Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Köln

September 2012-April 2016
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Georg-Eckert-Institut (Braunschweig) im Projekt  „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“
Thema: „Schulbücher als visuelle Medien. Ikonographien des Sozialismus“ (Arbeitstitel)
Betreuerin: Prof. Dr. Simone Lässig

2010-2012
Freiberufliche Historikerin und Ausstellungskuratorin

2008-2010
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im Projekt „Bilder im Kopf. Ikonen der Zeitgeschichte“

2006-2008
Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989“ des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und der Stiftung Berliner Mauer

2003-2004
Erasmus-Aufenthalt an der Università degli Studi di Bologna (Italien)

2001-2008
Studium der Neueren und Neuesten Geschichte und Kunstgeschichte; Universität Konstanz, Universität Tübingen, FU Berlin

 

Publikationen

Themenheft „Visuelle Bildungsmedien“, bildungsforschung 1 (2015), hrsg. von Annekatrin Bock und Lucia Halder. http://bildungsforschung.org/index.php/bildungsforschung/issue/view/23

Bilderwelten im Schulbuch
. Die visuelle Dimension eines multimodalen Massenmediums, in: Non Fiktion 2 (2014), S. 63-83.

Rezension zu: Gerhard Paul, BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Ästhetik und Geschichte der Fotografie, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Ästhetik und Geschichte der Fotografie 33 (2013) H. 130.

Rezension zu: Eva Schmidt (Hrsg.), Lieber Aby Warburg, was tun mit Bildern? Vom Umgang mit fotografischem Material. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Heidelberg 2012, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Ästhetik und Geschichte der Fotografie 33 (2013) H. 129, S. 57-58.

Ausstellungs-Rezension zu: 99x Neukölln – Die Dauerausstellung des Museum Neukölln, in: H-Soz-u-Kult, online unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=147&type=rezausstellungen

Ausstellungs-Rezension zu: Bilderschlachten, 22.04.2009-04.10.2009, Osnabrück, in: H-Soz-u-Kult, online unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=128&type=rezausstellungen