Das „ikonografische Rückgrat“ der Welthandelsfrucht Banane
Bananenbilder und ihre Wirkung auf Politik, Handel und Konsum der Früchte
Die Banane wurde seit Jahrhunderten dort konsumiert, wo sie wuchs: in tropischen und subtropischen Regionen. In den gemäßigten Klimazonen des Nordens war ihr Konsum bis Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Dank der wissenschaftlichen Fortschritte, vor allem in der Dampfschifffahrt und durch die Entwicklung von Kühltechniken, gelang es, die leicht verderblichen, empfindlichen Früchte schneller und sicherer über die Weltmeere zu transportieren, sodass sie die Märkte sowohl des Nordens als auch des Südens unverdorben erreichten. Damit war eine der wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, durch die sich Ende des 19. Jahrhunderts aus einigen Gelegenheitsexporten ein bedeutendes Handelsgeschäft mit diesen Früchten entwickeln konnte, und zwar sowohl hinsichtlich der Pflanzungen in tropischen Regionen weltweit als auch hinsichtlich des Vertriebs und des Konsums. Die Banane wurde innerhalb der vergangenen 130 Jahre zu einer bedeutenden Welthandelsfrucht.
Was sind die Gründe dieser Erfolgsgeschichte? Warum flaute das Konsuminteresse im Laufe der Jahrzehnte nicht wieder ab, sodass Bananen neben anderen tropischen Produkten und dem Angebot an lokal wachsenden Früchten zu einem Obst unter vielen wurden? Die These dieser Untersuchung ist, dass die Bilderwelt rund um die Banane einen besonderen Einfluss auf diese Prozesse hatte. Visuelle Darstellungen mit Bananen durchdrangen alle Lebensbereiche, insbesondere in den Importländern der Früchte. Mit ihrer Bildsprache prägten sie nicht nur das Ernährungsverhalten, sondern auch Träume und Wünsche. Außerdem nahmen sie als Medium der Verständigung über historische Prozesse Einfluss auf Wahrnehmungen und Wirklichkeitsinterpretationen.
Quellenbasis der Untersuchung ist im Wesentlichen eine Museumssammlung von Grafik, Fotografie, Kunst und Alltagsobjekten zur Handels- und Kulturgeschichte der Banane, die von einem privaten Sammler zusammengetragen wurde und sich seit 2007 im Museum der Arbeit in Hamburg befindet. Die Untersuchung greift aus dem umfangreichen Bildbestand exemplarisch solche Quellen für die Analyse heraus, die durch ihre mediale Wirkung an der Herausbildung des Symbolcharakters der Banane beteiligt waren. Der Titel „Ikonografisches Rückgrat“ charakterisiert das Programm.
Der Blick richtet sich auf Bilder, die in den Industrieländern Informationen und Wissen über die Botanik der tropischen Frucht, die Plantagenwirtschaft und den Handel sowie die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen vermittelten. An ausgewählten Bildbeispielen aus der Chronologie der Bananenbilder wird ihre aktive Rolle innerhalb gesellschaftlicher und politischer Diskurse untersucht, in denen sie in den vergangenen 130 Jahren eine Rolle gespielt haben. Für die Klärung der Frage, warum bestimmte Bilder oder Bildmotive auch noch nach Jahrzehnten präsent sind und verstanden werden, wird auch das Zusammenwirken von Bildsprache, Bildbotschaft und medialer Verbreitung untersucht. Für die Kontextualisierungen der Bildquellen werden sowohl die Entwicklung der Banane zur Welthandelsfrucht als auch politische Ereignisse und Prozesse wie beispielsweise der Kalte Krieg oder die Öffnung der innerdeutschen Grenze 1989 herangezogen, die mit Bananenmotiven symbolisch kommuniziert wurden. Dabei finden auch Diskurse über Mentalitäten, Konsum, Politik und Umwelt Berücksichtigung.
„Die Banane“ – Darstellungen im Schulwesen
Dieses Schulwandbild ist ein Beispiel für die Verknüpfung von Wissensvermittlung im Geografieunterricht mit einer Werbung für das in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg noch weitgehend unbekannte tropische Bananengewächs. Solche Darstellungen von Anbau, Pflege, Ernte, Transport, Verschiffung und Botanik der Banane galten der United Fruit Company als geeignetes Mittel, um das Interesse der jungen Generation an der exotischen Frucht zu wecken. Die Konsumnachfrage sollte von dem Interesse für entfernte tropische Paradiese profitieren.
In den USA hatte sich diese Werbestrategie bereits bewährt. Dort hatte die United Fruit Company (UFC) über ihre Vermarktungsgesellschaft, die Fruit Dispatch Company, damit begonnen, die Banane an Schulen und Universitäten zum Unterrichtsstoff zu machen, indem man Informationsmaterialien zum Anbau und dem besonderen Nährwert der Frucht verteilen ließ. Mit der Übernahme der ehemals britischen Bananenhandelsfirma Elders & Fyffes verfügte die UFC seit 1910 auch in Europa über ein Vermarktungsunternehmen, das ihre Marketingstrategie auf die Erfordernisse europäischer Länder übertrug.
Beim Schulwandbild „Die Banane“ kamen drei unterschiedliche Bildelemente zum Einsatz: eine großflächig gezeichnete Illustration, die die Vorgänge von Ernte, Lagerung, Eisenbahntransport und Verschiffung in einem fiktiven tropischen Anbaugebiet scheinbar realitätsnah in einer Situation komprimierte, vier botanische Zeichnungen von Blüte und Frucht sowie 16 Fotos, die die einzelnen Stationen der Produktionskette dokumentierten, jedes einzelne Bild mit einer Bildunterschrift versehen. Die Fotomotive stammen von der United Fruit Company. Sie wurden im Zeitraum von 1906 bis 1930 in verschiedenen Medien veröffentlicht, so etwa auf Postkarten, als Dias für Vorträge, in Informationsbroschüren, in Fachzeitzeitschriften und Illustrierten, in Zeitungen und in der Fachliteratur über die Entstehung des Bananenanbaus sowie zur Firmengeschichte der United Fruit Company.
Durch die Abbildungen wurde ein Bild von Anbau-, Ernte- und Transportmethoden der Banane entworfen, das diese Prozesse als aufwändig, aber durchaus innovativ darstellte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Chronisten der United Fruit Company für die Errungenschaften dieser Agrarwirtschaft die Bezeichnung „Bananenindustrie“ geprägt. Mit der Vermittlung des Themas an Schulen wollte man das Interesse der jungen Konsumenten an entfernten tropischen Regionen damit verbinden, dass man sie gleichzeitig zu Kennern des Produkts machte. Die dahinter stehende Strategie der Konsumentenbindung sollte sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts als besonders erfolgreich erweisen, betrachtet man den stetig wachsenden Bananenkonsum in den Ländern der gemäßigten Klimazonen.
Die Banane als Gemäldemotiv: „Gloriosa Victoria“
In dem Gemälde „Gloriosa Victoria“ von Diego Rivera (1886-1957), das 2010 in der Ausstellung „Oh Revolucíon“ in Guatemala gezeigt wurde, wird der von der CIA geplante und organisierte Staatsstreich gegen die 1954 demokratisch gewählte Regierung von Guatemala dargestellt. Unter der Bezeichnung „PBSUCCESS“ wurde diese Operation gemeinsam von der amtierenden US-Administration, mit Diplomaten, Militärs und führenden kirchlichen Würdenträgern in Guatemala sowie von der United Fruit Company durchgeführt. Letztere war mit den politisch Verantwortlichen in Washington gut vernetzt. Im Verlauf der Enthüllung der Hintergründe der Jahrzehnte andauernden US-Intervention wurde im Detail nachgewiesen, wer bei der Vorbereitung und Durchführung der Operation beteiligt gewesen war und welche Rolle die einzelnen Beteiligten gespielt hatten.
Das Foto zeigt Álvaro Colom Caballeros, den 2008 demokratisch gewählten Präsidenten von Guatemala, mit den Künstlern Rina Lazo und Antonio García Bustos, deren Werke 2010 in der Ausstellung “¡OH REVOLUCION! 1944/2010 Múltiples Visiones“ im Palacio Nacional de la Cultura in Guatemala gezeigt wurden. Anlässlich der Ausstellungseröffnung präsentierten sich die drei medienwirksam vor dem Gemälde „Gloriosa Victoria“ (1954) von Diego Rivera, eine Geste, die auch 2010 noch politisch brisant war, da das Bild hochrangige politische Amtsträger zeigte und sie bei ihrer Beteiligung an dem Putsch von 1954 entlarvte. Die öffentliche Enthüllung gelang Rivera dadurch, dass er die beteiligten Politiker zu einer fiktiven Siegesfeier versammelte und sie derart realistisch auf die Leinwand brachte, dass ihre Zeitgenossen sie mühelos identifizieren konnten. Im Einzelnen handelte es sich um John Foster Dulles, den amtierenden US-Außenminister, seinen Bruder Allen Dulles, den Direktor der CIA, John Emil Peurifoy, den USBotschafter in Guatemala, hochrangige guatemaltekische Militärs, die den Putsch unterstützt hatten, und Gennaro Verolino, den apostolischen Nuntius von Guatemala und El Salvador. Die jeweilige Rolle der Personen und ihre Funktion bei der Vorbereitung und Ausführung des Staatsstreichs kennzeichnete Rivera mit charakteristischen Attributen, die er den Figuren zuordnete.
Für die US-Regierung von 1954 muss das Gemälde eine blanke Provokation gewesen sein, da sie von einem der bekanntesten und renommiertesten Künstler Lateinamerikas öffentlich der Mittäterschaft an dem Putsch bezichtigt wurde. Entgegen der Tatsachen hatten die US-Vertreter im UN-Sicherheitsrat die CIA-Aktion als Bürgerkrieg ausgelegt. Obwohl diese Darstellung von fast allen Mitgliedern des Sicherheitsrats als unglaubwürdig angesehen wurde, gelang es den US-Vertretern dennoch, durch geschicktes machtpolitisches Agieren sowohl eine offizielle Verurteilung ihres Vorgehens als auch eine zeitnahe Entsendung von UNO-Missionen nach Guatemala zu verhindern. Erst im Verlauf der Jahrzehnte gelang es, die bewusste Täuschung, es habe sich um einen vom guatemaltekischen Volk ausgelösten Bürgerkrieg gehandelt, zu entlarven. 2010 – als die Ausstellung in Guatemala eröffnet wurde – war jeder Zweifel am Wahrheitsgehalt von Riveras Gemälde ausgeräumt. Aber eine Aufarbeitung einschließlich einer Entschuldigung der USA mit Versöhnung und Wiedergutmachung stand noch aus.
Das Besondere der Ausstellung „¡OH REVOLUCION! 1944/2010 Múltiples Visiones“, deren renommiertestes Werk „Gloriosa Victoria“ war, ist die Tatsache, dass Riveras Gemälde wesentlich dazu beiträgt, dass das Wissen um die historischen Vorgänge 1954 und die Rolle der USA bis ins 21. Jahrhundert lebendig gehalten wird. Einzelheiten des Putsches und zu seinen Akteuren, wie Rivera sie in seinem Gemälde verewigte, kann man auf unterschiedlichen Portalen im World Wide Web finden. Riveras Gemälde leistete dazu einen wichtigen Beitrag; es avanciert zur politischen Ikone.
Die erste öffentliche Präsentation des Gemäldes in Guatemala war für das Land ein besonderes gesellschaftliches Ereignis. Nach dem Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg (1960-1996) mit über 200.000 Ermordeten und den Bemühungen um Aufklärung und Versöhnung seit dem Friedensvertrag von 1996 bekannte sich erstmals eine guatemaltekische Regierung zu der unrühmlichen und leidvollen Geschichte des Landes. Álvaro Colom Caballeros rehabilitierte offiziell als Präsident Guatemalas seinen Amtsvorgänger Jacobo Árbenz Guzmán, der 1954 auf Betreiben der CIA gestürzt worden war. Das Konterfei von Árbenz schmückte die großflächigen Fahnen, die während der Ausstellung den Palacio Nacional de la Cultura als Ankündigung der Ausstellung schmückten.
Die Banane in der Plakatkunst: „Artists Call“
„Artists Call“ war eine Protestbewegung von Kulturschaffenden in den USA, Kanada, Australien, Kuba und Nicaragua, die sich 1984 für die Beendigung der hegemonialen Außenpolitik der USA gegenüber Lateinamerika einsetzten. Den Anstoß lieferte die Militärintervention der US-Streitkräfte in Grenada im Oktober 1983, ein Ereignis, das aus Sicht der Kulturschaffenden das Fass zum Überlaufen brachte. Denn zum wiederholten Male hatte die CIA die vielfach praktizierte Strategie angewendet, Sozialreformen eines „Dritte-Welt“-Landes durch politische Destabilisierung, wirtschaftliche Sanktionen und antikommunistische Propaganda zu unterbinden.
Die Aktivistinnen und Aktivisten von „Artists Call“ setzten sich für das Ende dieser Politik ein und forderten die US-Regierung auf, die militärische Unterstützung von Diktatoren in den Vertriebsstaaten von Bananen, also Honduras, El Salvador und Guatemala, zu beenden und das Handelsembargo der USA gegen Nicaragua aufzuheben.
Die Ikonografie des Plakats
Neben dem Manifest der Bewegung als gedrucktem Text stellte das Plakat gestalterisch den Bezug zwischen der Banane als Symbol für Konsum und der Banane als Symbol für politische Unterdrückung her. Der Pop-Art Künstler Claes Oldenburg, von dem der Entwurf stammt, wählte ein Bildmotiv mit einem für US-Bürger hohen Wiedererkennungswert: das Hissen der amerikanischen Flagge durch die U.S. Marines auf der japanischen Insel Iwo Jima am 23.2.1945. Außer dem zur Ikone avancierten Foto von Joe Rosenthal, der diesen historischen Moment vor Ort 1945 fotografisch festgehalten hatte, diente die legendär gewordene Siegerpose 1954 auch als Vorlage für ein Denkmal auf dem Soldatenfriedhof von Arlington: das US Marine Corps Memorial.
Oldenburg arrangierte den Schattenriss des Bildmotivs, sodass der Eindruck entstand, als zögen die US Marines die Banane von ihrem Denkmalsockel herunter. Damit nutzte er die Silhouette des Denkmals, um die Siegerpose am Ende des Zweiten Weltkriegs in ihr Gegenteil zu verkehren. Oldenburgs grafischer Entwurf wandelte das Bildmotiv des Flagge-Hissens auf Iwo Jima von einer Siegerpose zu einem Antikriegsplakat und verknüpfte es überdies mit einer Satire auf die Banane als Konsumsymbol.
Die Banane, eine „politische“ Frucht
Diese Karikatur ist eine Auseinandersetzung mit der Flick-Parteispendenaffäre in der Bundesrepublik Deutschland, die 1984 mit dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und Bundestagspräsident Rainer Barzel ihren Höhepunkt erreichte.
Horst Haitzinger visualisierte das Ereignis in Form eines Unfallberichts. Unfallursache waren Bananenschalen, die verstreut auf dem Boden eines fiktiven Orts lagen. Auf ihnen waren einige Politiker offenbar ausgerutscht. Die Bananenschalen weisen die Besonderheit auf, dass sie mit 1000 DM-Geldscheinen bedruckt sind, ein Hinweis auf die Verbindung des Geschehens mit Korruption und Bestechung. Die Unfallopfer bezeichnete Haitzinger als „Bananenrepublikaner“, eine Wortschöpfung, mit der er die ins Bild gesetzten Politiker zu Mitgliedern einer politischen Vereinigung machte. Liest man „Bananenrepublikaner“ programmatisch, dann kann man es so verstehen, als richteten die Politiker ihr Handeln an dem einer „Bananenrepublik“ aus. Dieser Begriff war der westdeutschen Öffentlichkeit 1984 gut bekannt: Er meinte Korruption und Bestechung der zeitgenössischen politischen Amtsträger. Wie zutreffend Haitzingers Charakterisierung 1984 war, hatten die politischen Ereignisse der Flick-Parteispendenaffäre in der Bundesrepublik von 1981 bis 1984 gezeigt. Mit dem Topos des „Ausrutschens auf der Bananenschale“ verlieh er dem ernsten politischen Thema von Bestechung und Korruption auch eine scherzhafte Seite.