Prora

Scherben von Prora

 

 

 

 

AKTUELL

Scherben von Prora / Fragments of Prora ist Teil des Europäischen Kulturjahres 2018 Sharing Heritage – mit Visual History als Kooperationspartner. Das Projekt wurde von der EU-Kommission mit dem Atiero Spinelli Prize for Outreach ausgezeichnet!

 

Markus Georg Reintgen

Im Rahmen eines Projektstipendiums hat Markus Georg Reintgen seine 2008 begonnene künstlerische Auseinandersetzung mit der wechselvollen Geschichte des Architekturkomplexes „Prora“ auf Rügen fortgeführt. Das unvollendet gebliebene nationalsozialistische Seebad wird nach einer militärischen Zwischennutzung in der DDR seit 2010 zur Wohn- und Hotelanlage ausgebaut. Diese Transformation dokumentiert Markus Georg Reintgen in seinen neuen fotografischen Arbeiten, die in starker Untersicht aufgenommen wurden. Sie stehen in Tradition der Ästhetik des „Neuen Sehens“ sowie der konstruktivistischen Fotografie – und damit eben jenen Protagonist/innen der Avantgardefotografie der 1920er- und 1930er-Jahre in Deutschland, die vom NS-Regime unterdrückt und geächtet wurden.

Die mit einer historischen Kamera aufgenommenen analogen Schwarzweiß-Fotografien sind überwiegend als Bildpaare konstruiert, die einander durch Drehung perspektivisch ergänzen. Markus Georg Reintgens vorbereitende Arbeitszeichnungen zu Beginn der Bildstrecke geben Einblick in den der Bildfindung vorangestellten analytischen Entwurfsprozess, der auf der Konstruktion von die Betrachter/innenperspektive markierenden „Sehlinien“ basiert. Markus Georg Reintgen (*1963, Nastätten) hat an der Kunsthochschule Mainz Freie Kunst mit dem Schwerpunkt Fotografie studiert und lebt in Mainz.

Regine Ehleiter, Kuratorin der Ausstellung

 

Markus Georg Reintgen: „X“, 2tlg., aus der Serie „PRORA“, Technik: carbon print 2015 © mit freundlicher Genehmigung

Markus Georg Reintgen: „X“, 2tlg., aus der Serie „PRORA“, Technik: carbon print 2015 © mit freundlicher Genehmigung

Ein kurzer Arbeitsaufenthalt in Prora auf der Insel Rügen im April 2015 hat mich davon überzeugt, dass mein 2008 begonnenes und 2011 fortgeführtes Fotografieprojekt PRORA nicht abgeschlossen ist, sondern dringend der Fortsetzung bedarf. Es ist absehbar, dass das im Bau befindliche „Neue Prora“ die Erinnerung an die 1936 begonnene und 1939 wieder abgebrochene nationalsozialistische Monumentalarchitektur eines KdF-Seebades der 20.000 (ab 1945 Kaserne der Roten Armee, nach 1949 Kaserne der Nationalen Volksarmee DDR, 1989-1992 Kaserne der Bundeswehr) auslöschen wird. Teile der Blöcke wurden entkernt; die Umwandlung von zwei Prora-Blöcken in hochwertige Ferieneigentumswohnungen in Strandnähe schreitet rasant voran. Neben den maroden Blocks aus DDR-Zeiten existieren bereits strahlend weiße Musterwohnungen und Showrooms – „Wohnen im Denkmal“ verspricht ein Investor. Dabei ist zu befürchten, dass Prora gerade seine Mahn- und Denkmalfunktion weitgehend verlieren wird und das „Wohnen im Denkmal“ zu einer beliebigen Formel der Aufwertung von Wohnraum verkommt. Diese orientiert sich an ökonomischen Interessen, nicht an dem Bedürfnis, den Besuchern Proras die wechselvolle Geschichte dieses Ortes zu vermitteln.

Darum geht es in meinem 2008 begonnenen Fotografieprojekt PRORA. Ziel ist die fotokünstlerische Dokumentation eines komplexen und wiedersprüchlichen Wandels, der Versuch, mit der analogen ADOX Fotokamera vom Typ Golf der 1950er Jahre die baulichen Veränderungen und Eingriffe sowie die unterschiedlichen Nutzungszusammenhänge darzustellen, zu kommentieren und zu deuten. Nach den Erfahrungen mit den Fotografieprojekten „Das Mainzer Rathaus von Arne Jacobsen“ (2013) und „Jüdisches Gemeindezentrum Mainz“ (seit 2014) liegt mir daran, außer mit den Prinzipien der Montage und Collage vor allem mit den stilistischen Mitteln des Neuen Sehens (extreme Untersicht, Verwendung der dynamisierenden Diagonale, radikale Licht- und Schattenwirkungen, Achsenverschiebungen) zu experimentieren. Der Transfer des Zwei-Augen-Prinzips auf meine fotografische Arbeitsweise, dem die ADOX in besonderer Weise entspricht, käme mit der paarweisen Anordnung von Bildern einer Präsentationsform entgegen, die wie ein großes Fotoalbum die Geschichte Proras vor Augen führt.

Markus Georg Reintgen

 

Ausstellung im arp museum Bahnhof Rolandseck „Was sich abzeichnet“

Stipendiat/innen des Künstlerhaus Schloss Balmoral und des Landes Rheinland-Pfalz 2016/17 vom 12. Februar 2017 – 25. Juni 2017

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4 Kommentare “Prora

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