Von Feuerbach bis Bredekamp
Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse
Teil 3: Das wiedervereinigte Deutschland
Bilderstreit und iconic turn
Bilddiskurse der Gegenwart um den neuen Status des Bildes
Die Bilddiskurse des wiedervereinigten Deutschlands fokussierten zum einen auf die Frage nach dem Umgang mit den Bildern der unmittelbaren deutschen Vergangenheit, denen der NS-Zeit und der DDR wie denen der jüngsten bundesdeutschen Geschichte, zum anderen stellten sie allgemein die Frage nach dem neuen Status der Bilder in der digitalen Gesellschaft.
Ausdruck jener ikonoklastischen Mentalität, die Teile der deutschen Bevölkerung nach 1989/90 erfasst hatte, war der Versuch, sowohl die Bildwelten der DDR als auch die des bundesdeutschen Terrorismus, der die schwerste Krise der Republik in den 1970er-Jahren ausgelöst hatte, zu verdrängen bzw. aus dem kollektiven Gedächtnis abzuspalten. Anlass der als „deutsch-deutscher Bilderstreit“[1] bezeichneten Debatte über die Werke so bedeutender DDR-Künstler wie Bernhard Heisig, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer war die Entscheidung des Chefs der Berliner Nationalgalerie, deren Bestände neu zu ordnen und um ausgewählte Werke von DDR-Malern zu ergänzen. Der Streit drehte sich um die Frage, ob die ausgewählten Werke lediglich ideologische Produkte einer DDR-Staatskunst seien und daher in der Walhalla der deutschen Kunst nichts zu suchen hätten oder künstlerisch eigenständige, politisch ambivalente Zeugnisse eines mühsamen Ringens um Kunstfreiheit und Verantwortung und sich daher in die Geschichte der deutschen Kunst einreihen ließen.
Während die Kritiker befürchteten, dass die Hängung der Werke von Heisig & Co. eine kunstpolitische Anerkennung der DDR-„Malerdiplomaten“ bedeute, führten die Befürworter den ästhetischen Eigenwert der diskutierten Bilder ins Felde, der es rechtfertige, sie den Großen der deutschen Kunstgeschichte hinzuzufügen. Der Zwist, so Ulrich Greiner in der „Zeit“, sei „auch ein Kulturkampf der Westkunst gegen die Ostkunst, der Modernen gegen die Realisten“[2] – ein Zwist, der in den kommenden Jahren durch Ausstellungen wie Auftrag: Kunst 1949-1990 1995 im Deutschen Historischen Museum und Deutschlandbilder 1997 im Berliner Martin-Gropius-Bau immer wieder aufflackerte und seinen Höhepunkt 1999 in der Ausstellung Aufstieg und Fall der Moderne in Weimar fand, die die DDR-Kunst gleichermaßen in eine räumliche wie in eine ästhetische Nähe zur NS-Kunst stellte.[3] „In liebloser Inszenierung“ sei die Kunst aus der DDR „kollektiv als Untergangsphänomen abgefertigt und in eine Entsorgungsperspektive gerückt“ worden, fasste Eduard Beaucamp das Weimarer Unterfangen zusammen.[4] Selbst die eher konservative „Welt“ beklagte: „Auch in Weimar haben nach der Wende jene intellektuellen Putzkolonnen Einzug gehalten, die alles, was im entferntesten nach DDR-Kultur roch, sofort in die Magazine verbannten.“[5] Zahlreiche Werke bedeutender DDR-Künstler waren zu diesem Zeitpunkt bereits aus Museen und Ausstellungen entfernt und in den Depots und Magazinen „versenkt“ worden. Zum Teil trug der deutsch-deutsche Bilderstreit Züge eines „ästhetischen Bürgerkrieges“ (Karl-Siegbert Rehberg).
Dessen Überwindung bedeuteten erst die Ausstellungen Abschied von Ikarus. Bilderwelten in der DDR – neu gesehen 2012/13 in Weimar und die zur gleichen Zeit in der Berlinischen Galerie gezeigte Ausstellung Geschlossene Gesellschaft über die künstlerische Fotografie in der DDR[6] sowie das große, zwischen 2009 und 2012 durchgeführte, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt „Bildatlas: Kunst in der DDR“, das mehr als 20.000 Werke aus SBZ und DDR in 165 Museen, Sammlungen, Depots erfasste und online im Internet zugänglich machte.[7]
Ähnlich emotionsgeladen wie der „deutsch-deutsche Bilderstreit“ verlief 2005 die Debatte über die Berliner Ausstellung Zur Vorstellung des Terrors.[8] Anders als Kritiker vorab befürchteten, war dies keine Ausstellung über die „Rote Armee Fraktion“, sondern eine über die besondere Zeitzeugenschaft der Kunst. Zu sehen waren 100 Arbeiten von 50 Künstlern, darunter so prominenter wie Gerhard Richter, Joseph Beuys, Martin Kippenberger, Sigmar Polke, Klaus Staeck und Jörg Immendorff, die sich seit den 1970er-Jahren mit der RAF auseinandergesetzt hatten. Geplant war die Ausstellung auch als Auseinandersetzung mit der Macht der Bilder und dem Umgang mit den medialen Bildern des Terrors sowie denen des kollektiven Gedächtnisses. Bereits im Vorfeld löste die Ausstellung heftige Reaktionen aus.[9]
Während sich Ex-Innenminister Gerhart Baum für die Ausstellung engagierte, forderten CDU-Politiker einen Stopp des Projekts. Kritiker beklagten eine Vernachlässigung der Opfer und eine Ästhetisierung bzw. Verharmlosung der Gewalt der RAF. Hanno Rauterberg kritisierte in der „Zeit“, die Ausstellung zeige, wie die Kunst vom Terror überwältigt werde.[10] Und Bettina Röhl, die Tochter der Terroristin Ulrike Meinhof, warf den Ausstellungsmachern vor, dass ihre Ausstellung nicht den Mythos der RAF zertrümmere, sondern von ihm lebe und die Opfer ignoriere.[11]
Demgegenüber ließ eine offene und breite Auseinandersetzung mit der NS-Kunst weiter auf sich warten, sodass Frank-Rutger Hausmann noch 2010 feststellen musste: „Die Erforschung der Kunst des Nationalsozialismus wie der Kunst im Nationalsozialismus steckt noch in den Anfängen.“[12] Vier Jahre zuvor hatte eine im Schleswig-Holstein-Haus in Schwerin gezeigte Ausstellung mit Werken Arno Brekers 120 Künstler zu einem Offenen Brief gegen die „Verwendung öffentlicher Mittel für die Rehabilitation von Nazi-Kunst“ provoziert[13] und eine u.a. von Klaus Staeck angeheizte öffentliche Debatte mit starken volkspädagogischen Zügen zur Frage entfacht, ob man Nazi-Kunst überhaupt ausstellen dürfe.[14] Erst in jüngster Zeit macht sich ein Wandel im Umgang mit der NS-Kunst bemerkbar, und es stellen sich wie 2012 in München oder 2013 in Würzburg immer mehr Museen offen und kritisch ihrer eigenen Vergangenheit.[15]
Vor allem waren es jedoch die neuen Bilderwelten, die herausforderten. Wie nie zuvor wurde seit den 1990er-Jahren und damit 100 Jahre nach der Erfindung des Films und 150 Jahre nach der Vorstellung der ersten Daguerreotypien über den Status von Bildern nachgedacht. Die neuen Prozesse der Digitalisierung der Bilderwelten sowie der qualitativ veränderte Status von Bildern in den „neuen Kriegen“ bildeten Rahmen und Bezugspunkt für eine Intensivierung der zeitgenössischen Bilddiskurse, die erstmals weit über die Kunstgeschichte hinaus ausstrahlten. „Soviel Bild wie heute war nie, schon gar nicht soviel Gespräch, Debatte und Diskussion über das Bild und die Bilder“, konnte daher Michael Diers notieren.[16] Seit dem byzantinischen Bilderstreit und den Bilderstürmen der radikalprotestantischen Bewegungen, so auch Horst Bredekamp, sei nicht „in derselben Intensität über den Status des Bildes nachgedacht worden wie in den letzten vier Jahrzehnten“.[17] Die Diskurse stellten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven die Frage nach den besonderen Funktionen und den Wirkungspotenzialen von Bildern. Sie verwiesen zugleich darauf, dass die bisherige Begrifflichkeit nicht ausreichte, die neuen Entwicklungen der Bilderwelten adäquat zu begreifen. Das elektronische Bild, das in der Speicherform einer Datei existiert, „die zwar bildhaft in Erscheinung tritt, sich aber kaum mehr materiell, sondern nur mehr als Rechengröße manifestiert“, erzwinge „eine Revision überkommener Begriffe“.[18]
Seit Beginn der 1990er-Jahre überschlugen sich die Stimmen derer, die meinten, das Bild habe im Medien- und Informationszeitalter eine völlig neue Dimension erhalten. Von einer allgemeinen „Image-Revolution“ war die Rede.[19] Medienwissenschaftler diagnostizierten die Ablösung der „Gutenberg-Galaxis“ durch einen „Cyperspace“.[20] Für den Wandel des Bildes verantwortlich gemacht wurden vor allem Digitalisierung und Computer. „Niemals zuvor wohl hat sich die Welt der Bilder so rasant verändert wie in den letzten Jahren“, konstatierte der Medientheoretiker Oliver Grau. „Nicht nur das Fernsehen wandelt sich zum tausendkanäligen Zappingfeld, Großbildleinwände ziehen in unsere Städte ein, Infographik durchsetzt die Printmedien, Handys versenden Micromovies in Echtzeit. Wir erleben den Aufstieg des Bildes zum computergenerierten virtuellen Raumbild, das sich ‚scheinbar’ ‚autonom’ zu wandeln und eine lebensechte, visuell-sensorische Sphäre zu formulieren vermag. Interaktive Medien verändern unsere Vorstellung vom Bild zu einem multisensorischen, interaktiven Erfahrungsraum im zeitlichen Ablauf. Bildwelten, welche zur Zeit nur mit teuren Stand-Alone-Systemen erzeugbar sind, die jedoch ins Internet einziehen, sobald dies die Bandbreiten, Übertragungs- und Kompressionsraten gewährleisten. Ehedem nicht darstellbare Objekte, Bildräume und Prozesse werden optional, die Raumzeitparameter beliebig wandelbar und das Virtuelle als Modell- und Erfahrungsraum nutzbar. Es entstehen polysensuell erfahrbare Bildräume interaktiver Kunstrezeption […].“[21]
Aus kunstgeschichtlicher Perspektive wurde eine Debatte über das „Ende des fotografischen Zeitalters“[22] bzw. über die „Fotografie nach der Fotografie“[23] geführt. Vom Tod der Fotografie und einer „post-photographic era“ war die Rede.[24] Diagnostiziert wurde ein epistemischer Bruch in der Wahrnehmung und der Konstruktion von Wissen, da der Referenzbezug der Bilder verloren gegangen sei. Damit sei die Spezifik des fotografischen Bildes in Frage gestellt und der Manipulierbarkeit Tür und Tor geöffnet. Über die Fotografie hinaus erweiterte sich der Diskurs schon bald auf das gesamte Spektrum der Bilder. „Der Umstand, dass im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wohl erstmals in der westlichen Kultur dem Bild eine dominante kulturelle und auch philosophisch relevante Rolle zugestanden wurde, suchten die Formeln des iconic und des pictorial turn im Jahre 1994 Rechnung zu tragen.“[25] Inhaltliche Klammer der unterschiedlichen Projekte und Diskurse war das Bestreben, den neuen Status der Bilder zu begreifen und die lange vernachlässigte Bildkompetenz zu fördern.
Die „öffentliche Bildeuphorie“ seit den 1980er-Jahren, so der Basler Kunsthistoriker Gottfried Boehm 1994, sei noch keineswegs verstanden und eingeordnet.[26] Boehm forderte daher eine „ikonische Wende“ in der Kunstgeschichte im Sinne der Ausweitung des kunsthistorischen Gegenstandsbereichs und der Erschließung populärkultureller Bilderwelten sowie der Beantwortung der Frage nach der Kraft der Bilder. Wie Boehm erkannte einige Jahre später auch der Kunsthistoriker und Medienmogul Hubert Burda die Gefahr, dass sich die Kunstgeschichte gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit abschotte, wenn es ihr nicht gelänge, sich auf die neuen Bilderwelten zu beziehen. Unter „iconic turn“ verstand Burda die schleichende Dominanzsteigerung populärer, massenmedialer und somit industrieller Bilderwelten im Gefolge des Aufstiegs des Fernsehens zum Leitmedium und die Digitalisierung der Bilderwelten.[27] Es seien „nicht Texte, sondern Bilder, die die Wende zum 21. Jahrhundert markieren und sich in unsere Köpfe eingebrannt haben“, notierte er zusammen mit Christa Maar.[28] Vor allem der TV-Bildschirm hole die Welt „‚da draußen‘ in den abgeschlossenen Raum des heimischen Wohnzimmers“. Mit der Digitalisierung trete eine neue Dimension hinzu, da dieselben Bilder nun praktisch zur gleichen Zeit auf der ganzen Welt gesendet und empfangen werden könnten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass digitale Bilder unser Leben in allen Bereichen veränderten. Um deren Wirkungsweisen zu verstehen, sei es notwendig, stärker die Kontexte mit einzubeziehen, in denen Bilder stehen. Darüber hinaus gehe es um den Erwerb einer allgemeinen Bild- und Methodenkompetenz.
Diese Gedanken waren prinzipiell nicht neu. Ähnliches hatte ja schon Günther Anders in den 1950er-Jahren registriert,[29] ohne dass seine Analyse aber folgenreich geblieben wäre. Es bedurfte vermutlich der Autorität des Namens Burda, um die Diskussion voranzubringen, was auch Boehm nicht wirklich gelungen war. Der gewachsenen Bedeutung der Bilder widmete sich daher im Wintersemester 2002/03 eine öffentliche Vorlesungsreihe an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Titel „Iconic Turn – Das neue Bild der Welt“, in der so unterschiedliche Bild-Wissenschaftler und -praktiker im weitesten Sinne wie Hans Belting und Wolf Singer, Norman Foster und Horst Bredekamp, Peter Sloterdijk und Friedrich Kittler über den neuen Status der Bilder und dessen Konsequenzen in Wissenschaft und Gesellschaft nachdachten.[30]
Vor dem Hintergrund der Warburg’schen Tradition plädierte Horst Bredekamp dafür, die Kunstgeschichte als paradigmatische, fachlich wie vom Gegenstand her begründete Bildwissenschaft zu begreifen. Sein Credo: Die Kunstgeschichte sei die eigentliche Bildwissenschaft. Eine Bildwissenschaft, die sich von der Kunstgeschichte entferne, laufe „Gefahr, das Bildhafte der Bilder zu verfehlen“. Eine Kunstgeschichte ihrerseits, die sich nicht als Bildwissenschaft verstehe, drohe „ihrerseits ihr kritisches Instrumentarium zu verlieren und ihre historische Aufgabenstellung zu schwächen“.[31] Zugleich sei Bildgeschichte immer auch Mediengeschichte, die die Träger und Logiken von Bildern im Blick behalten müsse.[32] Aus diesem Grund habe sich die Kunstgeschichte neuen Themenstellungen zu öffnen. Dass dies für Bredekamp kein unverbindliches Diktum war, zeigten seine eigenen Analysen und Stellungnahmen, die weit über die der traditionellen Kunstgeschichte hinausreichten, so wenn er das Frontispiz von Thomas Hobbes’ „Leviathan“ oder die sich auf das Kriegsende 1945 beziehenden Bildakte analysierte, das Fußballspiel als letztes Gesamtkunstwerk beschrieb, sowohl Fosters Reichstagskuppel als auch Christos Verhüllung des Reichstags einer Untersuchung unterzog oder zu 9/11 und dem islamistischen Bilderterror Stellung nahm.[33]
Anders als während der Bilddiskurse vergangener Jahrzehnte blieb es nicht bei Appellen und isolierten Analysen, vielmehr fand der geforderte iconic turn in einer Reihe von Graduiertenkollegs sowie Instituts- und Zeitschriftengründungen vor allem im kunstgeschichtlichen Bereich einen institutionellen Ausdruck.
Bereits 1989 kam es zur Gründung des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) durch den Kunsthistoriker Heinrich Klotz. Dieser sah die neuen Bildmedien im Kontinuum der Kunstgeschichte. Zur Aufgabe des ZKM führte er aus, „die schöpferischen Möglichkeiten einer Verbindung zwischen traditionellen Künsten und Medientechnologie auszuloten“. Eine „Bereicherung der Künste, nicht deren technische Amputation“ sei das Ziel. Deshalb müssten sich „traditionelle Künste und Medienkünste aneinander messen. Beide Seiten haben – für sich und miteinander – im ZKM einen Ort der Förderung.“ Zum Vorbild erklärte Klotz das Bauhaus in Weimar.[34]
Anknüpfend an Aby Warburgs Bildatlas-Projekt gründete der Kunsthistoriker Martin Warnke 1991 im Hamburger Warburg-Haus die Forschungsstelle Politische Ikonographie, deren Ziel es war, mit den neuen Möglichkeiten elektronischer Medien eine „visuelle Enzyklopädie“ des politischen Raumes zu erstellen.[35] In den 1990er-Jahren hatte Warnkes Forschungsstelle Schrittmacherfunktionen bei der Analyse von visuellen Repräsentationen politischer Herrschaft, während zu Beginn des neuen Jahrhunderts ihr Glanz ein wenig verblasste. Wichtigstes Ergebnis war das 2011 erschienene „Handbuch zur politischen Ikonographie“, das allerdings die politische Ikonografie der zeitgenössischen Bilderwelten bis auf wenige Ausnahmen unterbelichtet ließ.[36]
Im universitären Bereich war es 2002 die Donau-Universität im österreichischen Krems, die als erste Universität im deutschsprachigen Raum ein eigenes Department für Bildwissenschaft eröffnete, das seit 2005 von dem Kunsthistoriker und Medientheoretiker Oliver Grau, einem Schüler Warnkes und Bredekamps, geleitet wird. In der Selbstdarstellung des Departments heißt es: „Als Wissensspeicher und Kommunikationsinstrument erwächst dem Medium Bild zunehmend Bedeutung in unserer globalen Gesellschaft. Bilder formen Netze gesellschaftlichen Zusammenhalts, sie können politische und religiöse Leidenschaften entzünden, Bilder schaffen Werte und sind eine Kernressource bei der Entstehung und Vermittlung neuer wissenschaftlicher Theorien. Heute definiert die Dynamik der Medienrevolution viele Fragen neu, denen sich die Bildwissenschaft stellt. In fast allen Bereichen wird praktisches und theoretisches Wissen um Entstehung, Funktion, Verwertung, Geschichte und Wirkung der Bilder zur essenziellen Voraussetzung für den Erwerb von Bildkompetenz im digitalen Zeitalter.“[37]
In der Schweiz war es der vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte und von Gottfried Boehm geleitete Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) „Bildkritik – Macht und Bedeutung der Bilder“ (eikones) an der Universität Basel, der sich ebenfalls seit 2005 mit der „Bedeutung und Macht der Bilder“ befasst. Die digitale Revolution habe „eine neue, bildgestützte Gesellschaft“ hervorgebracht. In noch nie da gewesener Weise benützten die Menschen dieser Gesellschaft „Bilder für die Kommunikation und als Instrumente der Generierung und Vermittlung von Wissen“. Das Verständnis der Besonderheiten, der Funktionen, der Macht und Wirkung der Bilder habe mit dieser Entwicklung jedoch nur beschränkt Schritt gehalten.[38] Als seine wichtigste Aufgabe betrachtete es der NFS daher, diese Lücke zu schließen und „die Konjunktur der Bilder einer kritischen Reflexion zu unterziehen: In erster Linie durch wissenschaftliche Forschung, die sich den spezifischen empirischen und historischen Bedingtheiten von Bildern widmet und zugleich die theoretische Grundlagenarbeit einer Bildkritik vorantreibt, aber auch in praktischer Hinsicht, insofern es das Ziel einer fundierten Bildkompetenz sein muss, mit der Vielfalt der Bilder nicht nur intellektuell oder in historischer Perspektive, sondern auch politisch, praktisch und künstlerisch umzugehen.“[39]
An der Berliner Humboldt-Universität wurde 2009 unter der Leitung von Horst Bredekamp und John Michael Krois die Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“ eingerichtet. Ihr Ziel wiederum war es, auf dem Fundament historischer Bildphänomene eine Bild- und Verkörperungstheorie zu entwickeln, „die die Basis für die Erforschung aktueller Fragen von bildgebenden Verfahren, Bildverarbeitung und Verkörperungsfragen in den Kognitionswissenschaften bietet und damit das Verständnis des Reflexionsvermögens in seiner gesamten Bandbreite berührt“. Bildakte und Bilder allgemein ließen sich – so die Arbeitshypothese – „erst dann erklären, wenn ihre Form und Lebendigkeit, ihre Fähigkeit anderes zu vertreten und gegenstandslose Stimmungen darzustellen, auf der Basis einer Verkörperungstheorie untersucht werden“. Dafür sei die Verbindung von historischer Bildwissenschaft mit Forschungsansätzen der Verkörperungstheorie in der Philosophie und der Kognitionswissenschaft unabdingbar. Als zentrale Arbeitsthesen des Kollegs wurden formuliert, „dass in jeder Bilderkennung die Augen nicht als Wahrnehmungsorgan isoliert werden können, sondern dass der gesamte Körper wahrnimmt, und zweitens, dass Bilder niemals nur abbilden, sondern immer auch im Bildakt erzeugen, was sie darstellen“.[40]
Ebenfalls 2009 kam es im Umfeld des Tübinger Medien-und Bildtheoretikers Klaus Sachs-Hombach zur Gründung der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft als lockerem Zusammenschluss von Kunsthistorikern, Kommunikationswissenschaftlern, Psychologen und Medieninformatikern. Ihr Ziel: zu klären, was die unterschiedlichen bildbezogenen und -verwendenden Wissenschaften unter dem Begriff Bild verstehen, sowie eine interdisziplinäre Bildwissenschaft als eigenständige Grundlagendisziplin zu fördern und in den Universitäten zu verankern.[41] Anders als in der Kunstgeschichte stehen im Fokus dieses Ansatzes nicht einzelne Bilder oder Kunstwerke. Vielmehr richtet sich ihr Interesse auf die menschliche Fähigkeit, Bilder zu erzeugen und sie als Medium der Kommunikation einzusetzen, sie zu rezipieren und zu nutzen.[42] Und anders als die Kunstgeschichte steht sie für ein breites Spektrum von hermeneutischen, historisch-kritischen bis hin zu medientechnischen Ansätzen.
Publizistischen Ausdruck fand der zeitgenössische Bilddiskurs in der Gründung einiger Periodika wie dem seit 2001 erscheinenden E-Journal „kunsttexte.de“ für Kunst- und Bildgeschichte am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Berliner Humboldt-Universität[43] bzw. dem ebenfalls im Umfeld Bredekamps erstmals 2003 unter dem Titel „Bildwelten des Wissens“ erschienenen kunsthistorischen Jahrbuch für Bildkritik.[44]
Ihm folgte 2005 unter dem Titel „Image“ das u.a. von Klaus Sachs-Hombach herausgegebene und vom Zentrum für interdisziplinäre Bildforschung (ZiB) betreute elektronische „Journal of Interdisciplinary Image Science/Zeitschrift für interdisziplinäre Bildwissenschaft“[45]. Aus dem angelsächsischen Raum erhielt der Bilddiskurs seit den 1990er-Jahren wichtige Anregungen von den Visual Culture Studies.[46] Im Unterschied zur Kunstgeschichte richteten diese ihr Interesse nicht so sehr auf einzelne visuelle Objekte, sondern auf die Praktiken des Sehens und Wahrnehmens und damit auf Visualität als einem „Medium, in dem Politik (oder Identifikation, Begehren und soziale Bindungen) betrieben wird“.[47]
Inspiriert von der amerikanischen Filmwissenschaft stand für Wissenschaftler wie William J.T. Mitchell daher nicht so sehr die Interpretation von Bildern im Zentrum der Bemühungen, sondern die Beschreibung des sozialen Feldes, in dem wahrgenommen und gesehen wird, mithin die „Konstruktion von Subjektivität, Identität, Begehren, Gedächtnis und Einbildungskraft“.[48] Der von Mitchell Anfang 1994 ausgerufene pictorial turn betonte vor allem den Beitrag der Bilder zur kulturellen Konstruktion im täglichen Leben, in den Medien sowie in den visuellen Künsten.[49] In Abgrenzung zur Kunstgeschichte öffneten die Visual Culture Studies ihr Untersuchungsfeld dem weiten Feld der populären Bilder bis hin zu digitalisierten bildlichen Informationen von Websites und visuellen Alltagspraktiken.[50]
Unabhängig von den Diskussionen um eine Neuausrichtung der Kunstgeschichte als Bildwissenschaft und der Etablierung einer interdisziplinären Bildwissenschaft wurden das Bild und sein Status in der Gesellschaft erstmals auch in nennenswertem Maße außerhalb der Kunstgeschichte zum Gegenstand von Reflexionen und Forschungsbemühungen. In der Geschichtswissenschaft waren es zunächst nur wenige Einzelkämpfer, die sich seit den 1980/90er-Jahren über den Quellenstatus von Bildern hinaus mit Bildern als Medien und genuinen Gegenständen befassten.[51] Zu ihnen zählte der Osteuropa-Historiker Frank Kämpfer, der bereits 1985 eine beachtenswerte Studie zur Theorie und Geschichte des politischen Plakats vorgelegt hatte, die sich sowohl mit dem Stellenwert des Plakats im Gefüge der modernen Bildmedien als auch mit seiner konkreten Bedeutung zwischen 1914 und 1945 befasst hatte.[52]
1997 setzte Kämpfer seine bildanalytischen Studien zu den politischen Bildern des 20. Jahrhunderts mit der Herausgabe des ersten Bandes seines „20th Century Imaginarium“ fort, der wichtige Studien zur Fotografie als Leitmedium des 20. Jahrhunderts, zu Einzelfragen des politischen Plakats sowie zur sowjetischen Memorialkultur enthielt.[53] Drei weitere von Kämpfer initiierte Bände befassten sich bis zum Jahr 2000 mit der Erweiterung der (Bild-)Medienlandschaften am Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, vor allem mit der Bildpropaganda und Pressefotografie des Ersten Weltkriegs,[54] bevor die im Selbstverlag herausgegebene Schriftenreihe wegen geringer Resonanz wieder eingestellt werden musste.
In der Rückschau auf das ausgehende Jahrhundert bezeichneten nur wenig später jüngere Historiker das vergangene Säkulum als „Jahrhundert der Massenmedien“ (Axel Schildt) bzw. als „Jahrhundert der Bilder“ (Karin Hartewig). Unter Berufung auf Mitchell sprach der Technikhistoriker David Gugerli 1999 erstmals vom pictorial turn in der Geschichtswissenschaft, der insbesondere der Gesellschaftsgeschichte neue Impulse verleihen könne.[55] Und der Zeithistoriker Axel Schildt konstatierte 2001 optimistisch: „Die Zeiten, in denen Historiker in rankeanischer Tradition offen ihre ignorante Geringschätzung gegenüber der Geschichte der modernen Medien, als Objekte und als Quellen (‚veritas in actis’), zum Ausdruck brachten, sind wohl – allerdings noch nicht sehr lang – vorbei.“[56] Impulse erhielt das Fach um die Jahrhundertwende durch die zeit- und kulturgeschichtlichen Bildforschungen von Cornelia Brink zu den „Ikonen der Vernichtung“, von Habbo Knoch zu Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur, des Verfassers zur Visualisierung des modernen Krieges[57] sowie von Bernd Roeck zu Kunstwerken als Zeugen ihrer Zeit.[58]
Ausdruck dessen, dass die Geschichtswissenschaft in ihrem Verhältnis zum Bild in Bewegung geraten war, war der Historikertag 2006 in Konstanz zum Leitthema „GeschichtsBilder“,[59] auf dem Horst Bredekamp den Abschlussvortrag zum Thema „Bild – Akt – Geschichte“ hielt.[60] Der zeitgleich mit dem Historikertag erschienene Sammelband „Visual History“ fächerte das Spektrum auf und legte ein Programm zum Umgang mit Bildern als Medien und Gegenstand insbesondere der Zeitgeschichte vor.[61] Ausdruck des iconic turn in der Geschichtswissenschaft war 2008/09 dann der zweibändige Bildatlas „Das Jahrhundert der Bilder“[62] sowie wenig später die Etablierung eines Verbundprojekts mehrerer Einrichtungen unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft mit dem Titel „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“.[63] Besonderes Augenmerk legt das Projekt auf die Erforschung von Institutionen, Akteuren und Medien, die auf je spezifische Weise das Bildgedächtnis moderner Gesellschaften prägten und prägen.
Historiker entdeckten Bilder jetzt verstärkt als „Überrest“ der Geschichte, aber ebenso als Traditionsmotoren, als Agenturen der Erinnerung und der Mythenproduktion wie auch als genuinen Gegenstand der Analyse. Vor allem in der neueren Kulturgeschichte erlebte die Bildanalyse einen regelrechten Boom,[64] sodass die amerikanische Zeitschrift „German History“ 2009 feststellen konnte: „Yet German Historians have only recently begun to pay serious attention to the politics of images.”[65] Und auch die konstruktiven Kräfte und Eigenleistungen von Bildern bzw. die sinngebende Rolle der Ästhetik wurden von Historikern in der Zwischenzeit anerkannt.[66] Das Interesse habe sich, so Alf Lüdtke, auf die „konstruktiven Dimensionen beim Machen wie beim Wahrnehmen der Bilder” verschoben.[67]
Gleichwohl bezogen sich auch in der Geschichtswissenschaft ähnlich wie in der konventionellen Kunstgeschichte die Erkenntnisse primär auf vergangene Bilderwelten. Kaum einmal wurden zeitgenössische Bilderwelten auf die Funktion und die Macht von Bildern befragt. Anders sah dies in Disziplinen wie der Politik- und der Medienwissenschaft aus. Innerhalb der Politikwissenschaft war es vor allem Herfried Münkler, der in einer Vielzahl von Publikationen auf die Bedeutung von Bildern und Symbolen insistierte und sie konsequent zum Gegenstand der Analyse machte, ob in seinen Studien über „politische Bilder“ und Visualisierungsstrategien der Macht oder über das Bild als Waffe in einer globalisierten Welt und in den „neuen Kriegen“ der Gegenwart, in denen er Bildern eine zentrale Rolle zugestand.[68]
Wie Münkler befasste sich auch Thomas Meyer in etlichen Publikationen mit der zunehmenden „Theatralisierung von Politik“.[69] Visualität, so Meyer, sei „zum Charakter der sozialen Welt und gleichzeitig zum beherrschenden Medium ihrer Deutung“ geworden, wodurch es letztlich zu einer hinter die Erfindung des Buchdrucks zurückfallenden „Revisualisierung unserer Kultur“ bzw. zu einer „Kolonisierung der Politik durch die Medien“ gekommen sei.[70] Aus dem Bereich der Medienwissenschaft waren es besonders Andreas Dörner, Karl Prümm, Knut Hickethier und Werner Faulstich, die sich mit dem Aufstieg des Bildes und seinem neuen Status in der Medien- und Kulturgeschichte befassten. Im Grenzbereich von Politikwissenschaft, politischer Ikonografie und Kommunikationswissenschaft waren die Studien von Marion G. Müller zur politischen Liturgie und zu den Bilderwelten der Gegenwart angesiedelt.[71]
Während alle diese Studien Bildern – ob Pressebilder oder visuelle Inszenierungen – einen bedeutenden Status innerhalb der postmodernen Gesellschaften sowie bei der Transformation von Politik in „Politainment“ und von Demokratie in „Mediokratie“ bescheinigten, gingen die Kunsthistoriker Bredekamp und Mitchell ein Stück weiter, indem sie bestimmte Bilder als beseelte, lebendige und aktive Kräfte betrachteten. Für Mitchell besaß das Bild einen „gewissen vitalen, lebendigen Charakter, der es dazu befähigt, das zu fühlen, was ihm zugefügt wird“. Es sei nicht bloß ein transparentes Medium, mit dem eine Botschaft kommuniziert werden könne, „sondern es ist so etwas wie ein beseeltes, lebendiges Ding, ein Objekt, das mit Gefühlen, Intentionen, Begierden und Tatkraft ausgestattet ist“ und deshalb manchmal auch „wie Pseudo-Personen“ behandelt werde.[72] Bilder seien im modernen Zeitalter keineswegs geschwächt, „sondern stellen eine der letzten Bastionen des magischen Glaubens dar und gehören daher zu denjenigen Gegenständen, die sich am schwierigsten durch Gesetze und rational konstruierte Strategien regulieren lassen“.[73] Insbesondere „anstößige Bilder“ seien in der Lage, Menschen in Zorn zu versetzen und sie zu körperlichen Gewalttaten zu bewegen, mit der Folge, diese Bilder anzugreifen, zu zerstören, mutwillig zu beschädigen oder dem Blick zu entziehen.[74] Offenkundig unter dem Eindruck der Bilder von 9/11 notierte Mitchell: „Bilder neigen […] dazu, lebendig zu werden […]. Manche werden lebendig, wenn sie uns anzublicken beginnen […]; andere, wenn sie sich zu bewegen beginnen […]; wieder andere, wenn sie sprechen.“[75] Für die Kritiker hatte der neue bildwissenschaftliche Animismus mit solchen Äußerungen in Mitchell seinen „Tempelpriester“ gefunden.[76] Äußerungen wie diese seien Ausdruck einer „animistischen Bilderverehrung“, wie sie bereits die Renaissance gekannt habe.
Ganz ähnlich wie Mitchell notierte fast zur selben Zeit und ebenfalls inspiriert von den Bildern von 9/11 und aus dem Irakkrieg auch Horst Bredekamp in seiner „Theorie des Bildakts“, offenkundig seien Bilder „mehr als nur die Summe verschiedener auf sie gerichteter Perspektiven“, und im Bild sei „mehr enthalten […] als nur ein Abbild“.[77] Das Bild spreche, „und indem es sich äußert, fordert es vom Ankömmling eine Reaktion“. Und wie bei seinem amerikanischen Kollegen stand für Bredekamp außer Zweifel, dass „Bildern eine aktive Kraft innewohnt“.[78] Im „Bildakt“, so Bredekamp, werde das Bild befähigt, „bei Betrachtung oder Berührung aus der Latenz in die Außenwirkung des Fühlens, Denkens und Handelns zu springen“, wobei diese Kraft für Bredekamp sowohl aus dem Bild selbst – dem Bildblick und seiner intrinsischen Formkraft – wie auch aus der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und hörenden Gegenüber entsteht.[79] Für Bredekamp stand zudem außer Zweifel, dass Bildakte Fakten schaffen, indem sie Bilder in die Welt setzen. Besonders „markante Bilder”, wie jene des 11. September 2001, verfügten über „dieselbe Kraft wie Schwerthiebe oder Faustschläge”.[80] Vor allem die „neuen Kriege“ wie der Irakkrieg sind für Bredekamp Beleg dafür, dass der Fakten schaffende Bildakt ebenso wirksam ist wie der Waffengebrauch selbst. Wir sähen gegenwärtig Bilder, „die Geschichte nicht abbilden, sondern sie erzeugen”. Der Zweck des Enthauptens etwa sei längst nicht mehr nur die Tötung eines Gefangenen, sondern der Bildakt, der die Augen des Rezipienten erreiche. Menschen würden getötet, damit sie zu Bildern werden. Damit avanciere zugleich das Betrachten der auf diese Weise hergestellten Bilder selbst zu einem Akt der Beteiligung.[81]
Dieser durch die modernen Reproduktionstechnologien verstärkte und durch die neuen globalen Bilderströme verbreitete Fakten schaffende Bildakt hat wie nie zuvor im ausgehenden 20. Jahrhundert eine neue Realität des Visuellen jenseits des physisch Realen hervorgebracht, in der Menschen handeln – ein Gedanke, der die Geschichte des visuellen Zeitalters seit ihren Anfängen begleitete, der aber nie zuvor so breit und vehement artikuliert wurde wie jetzt. Indem diese zweite Realität das Material der physischen Realität nutzte bzw. im substitutiven Bildakt Realität ersetzte, schuf sie beständig neue, von dem ursprünglich Realen entkoppelte Realitäten.
Der Soziologe Niklas Luhmann sprach 1996 von der „Realität der Massenmedien“, die eigenen Gesetzen folge.[82] Der Medientheoretiker Dietmar Kamper diagnostizierte 1991 eine „zweite Natur“, an der die Medien arbeiten würden und die die erste Natur mit all ihren Kalamitäten habe vergessen lassen.[83] Diese „zweite Natur“ des Visuellen ist keineswegs ein einfaches Abbild der physischen Realität, sondern vielmehr eine in der Regel stille und zweidimensionale, stark verdichtete, mitunter assoziativ funktionierende Realität mit einem völlig eigenen Regelwerk. In dieser Welt der Bilder und Zeichen, so Kamper, seien die Menschen noch nie Herren des Geschehens gewesen.[84]
Von unterschiedlichsten Autoren ist diese zweite Realität des Visuellen beschrieben worden. Der Philosoph Gernot Böhme etwa sprach von einer „Welt technisch produzierter Bilder“, die eine neue „Wirklichkeit“ geschaffen habe, in der Menschen heute agieren.[85] Anknüpfend an Jean Baudrillard hat auch Thomas Meyer eine „hochgradig soziale Eigenrealität“ der Bilder und damit verbunden eine „Vorherrschaft der ‚Logik’ der Bildunterhaltung über diejenige der Sprachlichkeit und der dialogischen Verständigung“ ausgemacht.[86] Andere diagnostizierten eine „mediale Parallelgesellschaft“ bzw. ein „Zwischenreich der Zeichen und Symbole“, die sich als Medienrealität etabliert habe.[87] Bilder, so die französische Kunsthistorikerin Marie-José Mondzain 2006, befänden sich „auf halbem Wege zwischen Dingen und Träumen“, in einer „Zwischenwelt, in einer Quasiwelt“. Sie besäßen eine „sinnlich spürbare Realität, die gleichzeitig dem Blick und der Erkenntnis dargeboten“ werde.[88] Für Mitchell sind genau diese medialen Parallel- oder Zwischenwelten die Räume, in denen Bilder „lebendig“ werden.
Längst haben Erkenntnisse wie diese ihren Niederschlag auch in der Publizistik gefunden. So notierte Bernd Ulrich – stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“ – zum Jahresende 2014 in der Hamburger Wochenzeitung: „Etwas ist geschehen mit den Bildern. Wir sehen sie uns nicht mehr an, sie sehen uns an. Wir nehmen sie nur selten zur Hand, vielmehr umgeben sie uns. ‚Fotos machen’ kann man zu dem, was die meisten Menschen neuerdings tun, auch nicht mehr sagen, sie werden kaum mehr gemacht, sie unterlaufen einem eher, sie werden beinahe eingeatmet und ausgeatmet. Fotoapparate, genauer: Geräte aller Art, mit denen sich Aufnahmen machen lassen, sind schon lange nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Situationen ohne ein Kameraauge kommen kaum noch vor.“[89]
Neben Wissenschaft und Publizistik entwickelte sich seit den 1990er-Jahren ein breiter Gegendiskurs in bildender Kunst und Kunstfotografie, der die unterschiedlichen Formen und Facetten der neuen medialen Sichtbarkeitspolitik befragte. Maler, Grafiker und Fotografen thematisierten so etwa die Änderungen des öffentlichen Bildes von Angela Merkel auf ihrem Weg von der Kanzlerkandidatin zur Kanzlerin.
Das gewandelte, effeminierte Merkel-Image inspirierte 2006 eine Gruppe von Fotografen und Designern zu ihrem „Angelina-Merkel-Project“, bei dem sie mit den Mitteln der digitalen Bildbearbeitung Fotos der Politikerin mit denen bekannter Models, Schauspielerinnen und Sängerinnen „kreuzten“ und damit den tatsächlich vollzogenen Imagewandel auf die Spitze trieben. In 60 Retuschen wurde aus Britney Spears Angelina Spears oder aus Jennifer Lopez Angelina Lopez.[90] Herlinde Koelbl verfolgte zwischen 1991 und 1998 in ihrem fotografischen Langzeitprojekt „Spuren der Macht“ die Verwandlung des Menschen durch das Amt. Acht Jahre lang besuchte sie immer wieder Politiker und fotografierte die Spuren, die das Amt in ihr Gesicht eingebrannt hatten.[91]
Zu weiteren Themen der künstlerischen Auseinandersetzung gerieten die Medienikonen des 20. Jahrhunderts und die durch sie formatierte Erinnerung. Künstler wie Zbigniew Libera transformierten bekannte Medienikonen des 20. Jahrhunderts wie das „Napalm-Mädchen“ Kim Phúc oder die Beseitigung des polnischen Schlagbaums am 1. September 1939 durch Re-Inszenierungen ins Positive und irritierten damit die eingefahrenen Blicke der Betrachter.
Der einstige Werbepapst Michael Schirner rechnete in seiner Medien-Kunst-Aktion Bye Bye auf digitalem Wege die Menschen aus den Pressebildern des 20. Jahrhunderts heraus und zwang den Betrachter damit, diese in seinem Kopf im Prozess der Betrachtung neu erstehen zu lassen.
Auf den umgekehrten Weg begab sich Matthias Wähner, der sich in die berühmtesten Bilder des 20. Jahrhunderts neben John F. Kennedy und Willy Brandt hineinretuschierte. Wie schon in der Pop Art befassten sich Künstler wie Sylvie Fleury und Daniele Buetti mit den Verführungskünsten der Konsumgüterindustrie. Der Italo-Schweizer Gianni Motti betrieb mit seiner Berlusconi-Seife mediales Reality Hacking, indem er, die Mechanismen der medialen Aufmerksamkeitsgesellschaft aufgreifend, den herrschenden Realitätsbegriff unterwanderte.
Die amerikanische Künstlerin Martha Rosler thematisierte in diversen Arbeiten am Beispiel der „neuen Kriege“ die Auflösung der Distanz zwischen Bild und Betrachter sowie die neuen Qualitäten der emersiven Bilder. Als Reaktion auf die neuen Überwachungspraktiken entwickelte sich ein kreatives System des Sich-Entziehens durch die Überwachten selbst, das in den Zentren der Videoüberwachung wie Großbritannien, Kanada und den USA deutlich breiter und stärker ausdifferenziert ist als in Deutschland.[92] Als symbolische Intervention und weniger zur praktischen Anwendung gedacht, offeriert das New Yorker Institute for Applied Autonomy eine Navigations-Software, die Bürgern und Besuchern von New York Wege anbietet, die weniger von Überwachungskameras eingesehen werden als andere. Die in einem virtuellen Stadtplan verzeichneten Standorte von Überwachungskameras lassen erkennen, wie weit die Durchdringung des öffentlichen Raumes durch elektronische Augen bereits fortgeschritten ist.[93] Laienschauspieler und Performance-Künstler konfrontierten die Überwachten auf der Straße mit der Tatsache ihrer Überwachung. Medienkünstler und „Kommunikationsguerillas“ wie Michael Naimark entwickelten Handreichungen, wie darüber hinaus die Hardware der Überwachung selbst angegriffen und die Videokameras etwa durch Laserpointer, Aufkleber oder Farbe unbrauchbar oder zerstört werden konnten.[94] Es ist etwas geschehen in den Bilderkulturen der Gegenwart und deren Reflexion.
[1] Grundlegend dazu Eduard Beaucamp, Der deutsch-deutsche Kunststreit – 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, in: Karl-Siegbert Rehberg/Hans-Werner Schmidt (Hrsg.), 60 40 20 – Kunst in Leipzig seit 1949, Leipzig 2009, S. 256-261; Karl-Siegbert Rehberg/Paul Kaiser (Hrsg.), Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch. Die Debatten um die Kunst aus der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung, Berlin 2013.
[2] Ulrich Greiner, Der deutsche Bilderstreit, in: Die Zeit, 27.5.1994; Karl-Siegbert Rehberg/Paul Kaiser (Hrsg.), Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch. Die Debatte um die Kunst der DDR im Prozess der deutschen Wiedervereinigung, Berlin 2013.
[3] Monika Flacke (Hrsg.), Auftrag: Kunst 1949-1990. Bildende Künstler in der DDR zwischen Ästhetik und Politik (Ausst.-Kat.), München/Berlin 1995; Rolf Bothe/Thomas Föhl (Hrsg.), Aufstieg und Fall der Moderne (Ausst.-Kat.), Ostfildern-Ruit 1999; Eckhart Gillen (Hrsg.), Deutschlandbilder. Kunst aus einem geteilten Land (Ausst.-Kat.), Berlin 1997; zu diesen und anderen Ausstellungen siehe Karin Thomas, Re-Vision eines Bilderstreites. Ausstellungen deutscher Kunst zwischen 1997-2012, in: Rehberg/Kaiser (Hrsg.), Bilderstreit und Gesellschaftsumbruch, S. 151-165.
[4] Beaucamp, Der deutsch-deutsche Kunststreit, S. 259.
[5] Johann Michael Möller, Deutsch-Deutscher Bilderstreit, in: Die Welt, 1.6.1999.
[6] Karl-Siegbert Rehberg/Wolfgang Holler/Paul Kaiser (Hrsg.), Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen (Ausst.-Kat.), Köln 2012; Berlinische Galerie (Hrsg.), Geschlossene Gesellschaft. Künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989 (Ausst.-Kat.), Bielefeld/Berlin 2012.
[7] http://www.bildatlas-ddr-kunst.de; Anna Littke/Anja Tack (Hrsg.), Das Forschungsprojekt Bildatlas: Kunst in der DDR, in: Zeitgeschichte-online, Oktober 2011.
[8] Klaus Biesenbach (Hrsg.), Zur Vorstellung des Terrors. Die RAF, 2. Bde. (Ausst.-Kat.), Berlin/Göttingen 2005.
[9] Zu den publizistischen Reaktionen siehe einen Pressespiegel unter Zeitgeschichte-online; allgemein zur Ausstellung und zur Debatte: Annette Vowinckel, Der Terror und die Bilder – Anmerkungen zum Verhältnis von Kunst und Geschichte anläßlich der Berliner RAF-Ausstellung, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 34 (2006), S. 309-329; siehe auch den Themenschwerpunkt auf Zeitgeschichte-online aus dem Februar 2005: Jan-Holger Kirsch/Annette Vowinckel (Hrsg.), Die RAF als Kunstwerk, Pressestimmen, Texte und Materialien zur Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors. Die RAF-Ausstellung“ in den Kunst-Werken Berlin mit Aufsätzen u.a. von Klaus Biesenbach, Annette Vowinckel, Wolfgang Kraushaar, Gerd Koenen.
[10] Hanno Rauterberg, In Geiselhaft, in: Die Zeit, 27.1.2005.
[11] Bettina Röhl, Terror verkauft sich, ebd.
[12] Frank-Rutger Hausmann, Darf man Arno Breker zeigen?, in: Süddeutsche Zeitung, 19.5.2010; zur Auseinandersetzung mit der NS-Kunst auch Christoph Zuschlag, Ein schwieriges Erbe. Über den Umgang mit Kunst aus der NS-Zeit, in: Bettina Keß (Red.), Tradition & Propaganda. Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg (Ausst.-Kat.), Würzburg 2013, S. 16-25.
[13] FocusOnline, 15.8.2006: „Breker-Ausstellung: Protestbrief namhafter Künstler“.
[14] Siehe u.a. Sebastian Preuss, Plötzlich schwollen die Muskeln. Nicht verharmlost, nicht verherrlicht. Die Arno Breker-Ausstellung in Schwerin, in: Berliner Zeitung, 21.7.2006; Der Spiegel, 17.7.2006: „Er hat nie bereut. Der Künstler Klaus Staeck über seine Vorbehalte gegen die Breker-Schau in Schwerin“; zusammenfassend: Das Schweriner Arno-Breker-Projekt. Dokumentation, hrsg. v. Rudolf Conrades im Auftrag der Landeshauptstadt Schwerin, Schwerin 2007.
[15] Siehe das zur Ausstellung „Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955“ 2012 im Münchner Haus der Kunst herausgegebene Booklet unter sowie Tradition und Propaganda: Eine Bestandsaufnahme. Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Städtischen Sammlung Würzburg, Würzburg 2013.
[16] Michael Diers, Das Bild hängt schief. Kunstgeschichte als kritische Bildwissenschaft, in: ders., FotografieFilmVideo. Beiträge zu einer kritischen Theorie des Bildes, Hamburg 2006, S. 10-30, hier S. 12.
[17] Horst Bredekamp, Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Frankfurt a.M. 2010, S. 13.
[18] Diers, Das Bild hängt schief, S. 14.
[19] Harry Robin, The Scientific Image: From Cave To Computer, New York 1992.
[20] Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberg-Galaxis, München 1993.
[21] Oliver Grau, Immersion & Emotion – zwei bildwissenschaftliche Schlüsselbegriffe, in: ders./Andreas Keil (Hrsg.), Mediale Emotionen. Zur Lenkung von Gefühlen durch Bild und Sound, Frankfurt a.M. 2005, S. 70-106, hier S. 70.
[22] So Herta Wolf (Hrsg.), Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Bd. 1, Frankfurt a.M. 2002.
[23] Hubertus von Amelunxen (Hrsg.), Fotografie nach der Fotografie, Dresden 1995.
[24] William J. Mitchell, The Reconfigured Eye. Visual Truth in the Post-Photographic Era, Cambridge/Mass. 3. Aufl., 1998, S. 20; siehe auch Bernd Stiegler, Theoriegeschichte der Photographie. Bild und Text, München 2006, S. 403.
[25] Bredekamp, Bildwissenschaft, S. 57.
[26] Gottfried Boehm, Die Bilderfrage, in: ders. (Hrsg.), Was ist ein Bild?, München 1994, S. 325-343, hier S. 325; ders., Die Wiederkehr der Bilder, ebd., S. 11-38.
[27] Christa Maar/Hubert Burda (Hrsg.), Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, Köln 2004; Hubert Burda, In medias res. Zehn Kapitel zum Iconic Turn, Paderborn 2010.
[28] Hubert Burda, „Iconic Turn weitergedreht“ – Die neue Macht der Bilder, in: Maar/Burda (Hrsg.), Iconic Turn, S. 9-13, hier S. 11.
[29] Siehe hierzu: Gerhard Paul, Von Feuerbach bis Bredekamp. Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse, Teil 2: Die Zeit des „Dritten Reiches“ und der „alten“ Bundesrepublik, in Visual History, 9.11.2015, Anmerkungen 53-58.
[30] Maar/Burda (Hrsg.), Iconic Turn.
[31] Horst Bredekamp, Bildwissenschaft, in: Metzler-Lexikon-Kunstwissenschaft, Stuttgart u.a. 2003, S. 56-58, hier S. 58.
[32] Ders., Drehmomente – Merkmale und Ansprüche des iconic turn, in: Maar/Burda (Hrsg.), Iconic Turn, S. 15-26, hier S. 23f.
[33] Siehe ders., Thomas Hobbes ‚Der Leviathan’. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder, 1651-2001, 2. stark veränd. Auflage, Berlin 2007, sowie die Sammlung von Aufsätzen und Reden Bredekamps von Jörg Probst (Hrsg.), Bilder bewegen. Von der Kunstkammer zum Endspiel. Aufsätze und Reden, Berlin 2007, S. 159-168.
[34] Heinrich Klotz zit. nach Karl Georg Behr, Licht der Aufklärung, Zukunft der Künste, in: Die Rheinpfalz, 8.1.2009; zum ZKM siehe Peter Weibel/Christiane Riedel (Hrsg.), ZKM Museum Guide 1989-2009, Karlsruhe 2010; Rolf Funk/Michael Heck/Peter Weibel (Hrsg.), Das ZKM Karlsruhe. Die Anfänge der Zukunft, München 2014.
[35] http://www.warburg-haus.de/texte/forsch.html.
[36] Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hrsg.), Handbuch der politischen Ikonographie. 2 Bde., München 2011.
[37] http://www.donau-uni.ac.at/de/department/bildwissenschaften/.
[38] http://eikones.ch/eikones/kurzvorstellung/.
[39] http://eikones.ch/eikones/zielsetzung/.
[40] http://bildakt-verkoerperung.de/zielsetzungen/.
[41] http://www.gib.uni-tuebingen.de/gib/zielsetzung-2.
[42] Siehe Klaus Sachs-Hombach, Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft, Köln 2003; ders. (Hrsg.), Wege zur Bildwissenschaft. Interviews, Köln 2004; zusammenfassend ders., Zur Theorie einer interdisziplinären allgemeinen Bildwissenschaft, in: Visual History – Online-Nachschlagewerk für die historische Bildforschung, 10.7.2014.
[43] Online unter http://www.kunsttexte.de.
[44] Online unter http://www.kulturtechnik.hu-berlin.de/bildwelten.
[45] Online unter http://www.gib.uni-tuebingen.de/image.
[46] Norman Bryson u.a. (Hrsg.), Visual Culture. Images and Interpretations, Hanover 1994; Ron Burnett, Cultures of Vision. Images, Media and the Imaginary, Bloomington 1995; Nicholas Mirzoeff (Hrsg.), The Visual Culture Reader, London 1998; Ian Heywood/Barry Sandywell (Hrsg.), Interpreting Visual Culture. Explorations in the Hermeneutics of the Visual, London 1999.
[47] William J.T. Mitchell, Interdisziplinarität und visuelle Kultur, in: Wolf (Hrsg.), Diskurse der Fotografie, S. 38-50, hier S. 43.
[48] Ebd., S. 49.
[49] Ders., Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Representation, Chicago 1994; ders., The Pictorial Turn, in: Artforum (1992) März, S. 89-94; ders., Der Pictorial Turn, in: Christian Kravagna (Hrsg.), Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur, Berlin 1997, S. 15-40.
[50] Siehe ders., Iconology. Image, Text, Ideology, Chicago/London 1987.
[51] Ausführlich zum Forschungsfeld und zum Programm der Visual History siehe Gerhard Paul (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006; ders., Von der Historischen Bildkunde zur Visual History, in: ebd., S. 7-36; ders., Die (Zeit-)Historiker und die Bilder. Plädoyer für eine Visual History, in: Saskia Handro/Bernhard Schönemann (Hrsg.), Visualität und Geschichte, Berlin 2011, S. 7-22.
[52] Frank Kämpfer, „Der Rote Keil“. Das politische Plakat. Theorie und Geschichte, Berlin 1985.
[53] Ders., Propaganda. Politische Bilder im 20. Jahrhundert, bildkundliche Essays (20th Century Imaginarium, Bd. 1), Hamburg 1997.
[54] Dto., Bd. 2: Propaganda. Von der Macht des Wortes zur Macht der Bilder (1998); Bd. 3: Pressephotographie und Informationskontrolle im Ersten Weltkrieg (1999); Bd. 4: Bildpropaganda im Ersten Weltkrieg (2000).
[55] David Gugerli, Sozialtechnische Evidenzen. Der „pictorial turn“ als Chance für die Geschichtswissenschaft, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 6 (1999) 3, S. 131-159; ähnlich Bernd Roeck, Visual turn? Kulturgeschichte und ihre Bilder, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 294-315.
[56] Axel Schildt, Das Jahrhundert der Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001) 2, S. 177-206, hier S. 177.
[57] Cornelia Brink, Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher Gebrauch von Fotografien aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern nach 1945, Berlin 1998; Habbo Knoch, Die Tat als Bild. Fotografien des Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur, Hamburg 2001; Gerhard Paul, Bilder des Krieges/Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn 2004.
[58] Roeck, Visual turn?, ders., Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit. Von der Renaissance zur Revolution, Göttingen 2004.
[59] Clemens Wischermann u.a. (Hrsg.), GeschichtsBilder: 46. Deutscher Historikertag in Konstanz vom 19. bis 22. September 2006. Berichtsband, Konstanz 2007.
[60] Ebd., S. 289-309.
[61] Paul (Hrsg.), Visual History; siehe Miriam Yegane Arani, Rezension zu: Paul, Gerhard (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, in: H-Soz-Kult, 16.11.2006; Benjamin Drechsel, in: kult_online 12/2006.
[62] Gerhard Paul, Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas. 2 Bde., Göttingen 2008/09; siehe dazu Wolfgang Ullrich, Rezension zu: Paul, Gerhard (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1949 bis heute, Göttingen 2008 / Paul, Gerhard (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1900 bis 1949, Göttingen 2009, in: H-Soz-Kult, 14.08.2009; Daniel Hornuff, Streifzüge durch das Kulturgedächtnis. Ein Essay zu Gerhard Pauls Das Jahrhundert der Bilder, in: r:k:m (rezensionen: kommunikation: medien) 18.12.2009.
[63] http://www.visual-history.de.
[64] Siehe den Überblick über den Forschungsstand bei Gerhard Paul, Visual History, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.3.2014.
[65] David F. Crew, Visual Power? The Politics of Images in Twentieth-Century Germany and Austria-Hungary, in: German History 27 (2009) 2, S. 271-285, hier S. 271.
[66] Siehe hierzu insbesondere die beeindruckenden Bildanalysen von Christoph Hamann, Visual History und Geschichtsdidaktik. Bildkompetenz in der historisch-politischen Bildung, Herbolzheim 2007.
[67] Alf Lüdtke, Kein Entkommen? Bilder-Codes und eigen-sinniges Fotografieren; eine Nachlese, in: Karin Hartewig/Alf Lüdtke (Hrsg.), Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat, Göttingen 2004, S. 227-236, hier S. 227.
[68] Herfried Münkler, Politische Bilder, Politik der Metaphern, Frankfurt a.M. 1994; ders., Die Visibilität der Macht und die Strategien der Machtvisualisierung, in: Gerhard Göhler (Hrsg.), Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht, Baden-Baden 1995, S. 213-230; ders., Politik als Theater. Die Inszenierung der Politik nach den Vorgaben der Kunst, in: Hermann Danuser/Herfried Münkler (Hrsg.), Zukunftsbilder. Richard Wagners Revolution und ihre Folgen in Kunst und Politik, Schliengen 2002, S. 274-286; ders./Jens Hacke (Hrsg.), Strategien der Visualisierung. Verbildlichung als Mittel politischer Kommunikation, Frankfurt a.M. 2009; Herfried Münkler, Die neuen Kriege, Reinbek 2002; ders., Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist 2006, S. 189ff.; ders., 9/11 – Das Bild als Waffe in einer globalisierten Welt, in: Stiftung Haus der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Bilder im Kopf. Ikonen der Zeitgeschichte, Köln 2009, S. 151-161.
[69] Thomas Meyer/Martina Kampmann, Politik als Theater. Die neue Macht der Darstellungskunst, Berlin 1998; Thomas Meyer/Rüdiger Ontrup/Christian Schicha, Die Inszenierung des Politischen. Zur Theatralität medialer Diskurse, Opladen 2000; Thomas Meyer, Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien, Frankfurt a.M. 2001; ders., Mediokratie – Auf dem Weg in einen andere Demokratie?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 15-16/2002, S. 7-14.
[70] Thomas Meyer, Visuelle Kommunikation und Politische Öffentlichkeit, in: Münkler/Hacke (Hrsg.), Strategien der Visualisierung, S. 53-69, hier S. 55; Meyer, Mediokratie.
[71] Marion G. Müller, Politische Bildstrategien im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1828-1996, Berlin 1997; dies., Politische Liturgie der Parlamente: Ein Vergleich parlamentarischer Zeremonialstrukturen in Großbritannien, USA, Deutschland, Frankreich und der Europäischen Union, Hamburg 2003; dies./Thomas Knieper (Hrsg.), Kommunikation visuell. Das Bild als Forschungsgegenstand – Grundlagen und Perspektiven, Köln 2001.
[72] William J.T. Mitchell, Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, München 2008, S. 108.
[73] Ebd., S. 109.
[74] Ebd., S. 106ff.
[75] Ders., Das Klonen und der Terror. Der Krieg der Bilder seit 9/11, Berlin 2011, S. 184.
[76] Daniel Hornuff, Bildwissenschaft im Widerstreit. Belting, Boehm, Bredekamp, Burda, München 2012, S. 112.
[77] Bredekamp, Theorie des Bildakts, S. 21 u. 56.
[78] Ebd., S. 38.
[79] Ebd., S. 52.
[80] „Wir sind befremdete Komplizen. Triumphgesten, Ermächtigungsstrategien und Körperpolitik: Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp über Bilder der Folter und Exekution im Irak“, in: Süddeutsche Zeitung, 28.5.2014; ähnlich Bredekamp im Interview mit Arno Widmann, in: Frankfurter Rundschau, 5.1.2009: „Neu ist: Menschen werden getötet, damit sie zu Bildern werden“; siehe auch Horst Bredekamp, Marks and Signs. Mutmaßungen zum jüngsten Bilderkrieg, in: Peter Berz/Annette Bitsch/Bernhard Siegert (Hrsg.), FAKtisch. Festschrift für Friedrich Kittler zum 60. Geburtstag, München 2003, S. 163-169.
[81] „Wir sind befremdete Komplizen“.
[82] Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, 2., erweiterte Auflage, Opladen 1996.
[83] Dietmar Kamper, Der Januskopf der Medien. Ästhetisierung der Wirklichkeit, Entrüstung der Sinne. Eine metatheoretische Skizze, in: Florian Rötzer (Hrsg.), Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt a.M. 1991, S. 93-99, hier S. 96.
[84] Ebd., S. 95.
[85] Gernot Böhme, Die Wirklichkeit der Bilder, in: Christian Filk/Michael Lommel/Mike Sandbothe (Hrsg.), Media Synaesthetics. Konturen einer physiologischen Medienästhetik, Köln 2004, S. 84-94; ders., Die Wirklichkeit der Bilder und ihr Gebrauch, in: Hestia. Jahrbuch der Klages-Gesellschaft 22 (2004-2007), Würzburg 2008, S. 137-148.
[86] Meyer, Visuelle Kommunikation und Politische Öffentlichkeit, S. 56f.
[87] So für die Sowjetunion Klaus Waschik, Virtual Reality. Sowjetische Bild- und Zensurpolitik als Erinnerungskontrolle in den 1930er-Jahren, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010). H. 1, S. 30-54; Götz Großklaus, Medien-Bilder. Inszenierung der Sichtbarkeit, Frankfurt a.M. 2004, S. 131.
[88] Marie-José Mondzain, Können Bilder töten?, Zürich 2006, S. 11 u. 15.
[89] Bernd Ulrich, Politik in Bildern. Dramen und Wunder, in: Die Zeit, 30.12.2014, S. 2.
[90] Siehe http://www.meyernet.de/CP/angelina.pdf.
[91] Herlinde Koelbl, Spuren der Macht. Die Verwandlung des Menschen durch das Amt. Eine Langzeitstudie, München 1999; siehe hierzu Hartmut Palmer, Häutungen im Zeitraffer, in: Der Spiegel, 13.9.1999.
[92] Siehe Gray Marx, A Tack in the Shoe. Neutralizing and Resisting the new Surveillance, in: Journal of Social Issues 59(2003) 2, S. 368-391; Dietmar Kammerer, Bilder der Überwachung, Frankfurt a.M. 2008, S. 325ff.
[93] Siehe die Homepage des Instituts und die dort offerierten Karten unter http://www.appliedautonomy.com/isee.html.
[94] Kammerer, Bilder der Überwachung, S. 338ff.; zum camera zapping siehe http://www.naimark.net/projects/zap/howto.html.
Gerhard Paul: Von Feuerbach bis Bredekamp. Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse: Teil 1: Das 19. und beginnende 20. Jahrhundert, in: Visual History, 28.9.2015
Dieser Artikel ist Teil des Themendossiers „Von Feuerbach bis Bredekamp – Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse“, hg. von Gerhard Paul
Themendossier: Von Feuerbach bis Bredekamp. Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse
Zitation
Gerhard Paul, Von Feuerbach bis Bredekamp. Zur Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse. Teil 3: Das wiedervereinigte Deutschland, in: Visual History, 29.02.2016, https://www.visual-history.de/2016/02/29/von-feuerbach-bis-bredekamp-zur-geschichte-zeitgenoessischer-bilddiskurse-3/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1267
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