Moral Iconographies: Bild und Moral in der Moderne
Das Blog „Moral Iconographies“ untersucht die moralischen Dimensionen ikonischer Bilder der jüngeren Vergangenheit
Ob in den Debatten zur Flüchtlingspolitik, in der Berichterstattung zu terroristischen Anschlägen oder bei globalen Konflikten und humanitären Katastrophen: Bilder, Moral und Politik sind aufs engste miteinander verbunden. Moral Iconographies will diese Zusammenhänge beispielhaft historisch einordnen. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und insbesondere mit der Durchsetzung der Fotografie ist die visuelle Kommunikation zu einem zentralen Feld des öffentlichen Diskurses geworden. Damit sind grundlegende moralische Deutungen auch durch massenmediale Bilderwelten geprägt worden.
Das Blog nimmt unter dieser Perspektive aktuelle Bilder des gesellschaftlichen und medialen Diskurses in den Blick und fragt nach historischen Traditionslinien, Deutungskontinuitäten und wiederkehrenden visuellen Topoi. Die Blogeinträge greifen jeweils ein aktuelles Bild auf, dessen Motiv, Bildsprache und Bildintention hinsichtlich moralischer Deutungsangebote analysiert wird. Für die historische Verortung werden jeweils drei bis fünf weitere Bilder – Fotografien ebenso wie andere visuelle Medien – herangezogen. Die Beiträge sollen sich hierbei bewusst nicht auf aktuelle politische Ereignisse oder herausragende Aufnahmen des globalen Fotojournalismus beschränken. Vielmehr werden „moralische Ikonographien“ dezidiert auch auf der Ebene der visuellen Alltagskultur, in der Bildsprache von Werbung und Produktkommunikation sowie in zeitgenössischen Populär- und Subkulturen aufgezeigt. Hinsichtlich der historischen Traditionslinien wird nach Motiven, Darstellungsweisen und intendierten Bildaussagen gefragt, aber auch nach Gesten und Körpersprachen, symbolischen Aufladungen oder einem bewussten Aufgreifen ikonischer Bilder und Motive. Für die moralische Dimension sind der Kontext, die Intentionen und jeweilige (Bild-)Kontroversen zu berücksichtigen.
Das Blog entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts zu moralischen Ikonographien des 20. Jahrhunderts am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Köln und soll zur historischen Einordnung aktueller Moraldebatten beitragen, wobei es sich zugleich als Beitrag zu einer visuellen „Vorgeschichte der Gegenwart“ versteht. Die ersten Beiträge finden sich im Blog bei Hypotheses – darunter ein Beitrag zur Bildsprache einer „fair gehandelten“ Schokoladenpackung von Benjamin Möckel, zum Bild der „Schuhe eines Kämpfers“ von Corinna Bittner und dem „Nachleben“ der Bilder von Emmett Till von Habbo Knoch. Mit dem Blog ist beabsichtigt, aktuelle Bilder oder visuelle Zeichen hinsichtlich ihrer Bildspuren im Kontext von Moralzusammenhängen zu betrachten und so zu einer visuellen Archäologie des Moralischen im 19. und 20. Jahrhundert beizutragen. Die Bildspuren dürfen und sollen dabei gern auch im Sinne ikonographischer Tradierungen weiter zurückgehen.
Siehe auch: Habbo Knoch/Benjamin Möckel, Moral History. Überlegungen zu einer Geschichte des Moralischen im „langen“ 20. Jahrhundert, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 14 (2017), H. 1, Druckausgabe: S. 93-111