NEUE REZENSIONEN: H-SOZ-KULT

Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung – rezensiert auf H-Soz-Kult

Berliner Büchertisch – Bucherfassung, Berlin, 3.2.2010. Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Kerry Wallach: Passing Illusions: Jewish Visibility in Weimar Germany

University of Michigan Press, Ann Arbor 2017

Rezensiert von Stefan Hofmann, redaktionell betreut durch Björn Siegel

Für die historischen Erfahrungen der Juden spielten Fragen der Sichtbarkeit von jeher eine herausragende Rolle. Gleichsam wie in einem Brennglas zeigt sich in ihnen das Verhältnis zur umgebenden Bevölkerung. Unterschiedliche Selbstverständnisse und Zugehörigkeitsgefühle von Juden manifestierten sich in der Wahl der Kleidung, der Sprache und des Verhaltens im öffentlichen Raum. So war die Entwicklung von Selbst-, aber auch Fremdbildern unauflöslich mit Praktiken des sichtbaren Zeigens oder Verdeckens jüdischer Zugehörigkeit sowie mit Projektionen über jüdische Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit verbunden. Kerry Wallach greift gerade diesen Themenbereich auf und legt mit ihrem Buch „Passing Illusions“ eine innovative Studie dazu vor. Intensiv widmet sie sich den innerjüdischen Perspektiven auf Fragen der jüdischen Sichtbarkeit in der Weimarer Republik und untersucht, wie und in welchen Kontexten Juden ihre jüdische Zugehörigkeit zeigten, wann dies nicht als erstrebenswert oder sogar gefährlich erachtet und wie dies in unterschiedlichen Medien diskutiert wurde.

 

Irene Ziehe/Ulrich Hägele: Eine Fotografie. Über die transdisziplinären Möglichkeiten der Bildforschung

Waxmann Verlag, Münster 2017

Rezensiert von Nic Leonhardt, redaktionell betreut durch Stefan Jordan

Bilder sind (all-)gegenwärtig. Es mag mit Fug und Recht behauptet werden, dass sicherlich zu keiner anderen als der gegenwärtigen Zeit so viele Menschen, seien sie professionelle Fotografen oder private „Knipser“, so viele Bilder verfertigten wie heute; auf vielfältige Weise, apparativ und stilistisch divers, in einer Distribution mit schier ins Unendliche mäandernder Reichweite. Nun hat jede Zeit ihre Bilder und jede Zeit ihre Bilder der Zeit, Bilder haben ihre Zeiten. Das haben nicht nur die Kunst- und Mediengeschichte, sondern auch die jüngeren Inter-Disziplinen der Bildwissenschaft und Visual Culture-Forschung herausgearbeitet. Es ist kaum auszudenken, wie gewaltig ein Archiv all der Bilder wäre, die allein in diesem Jahrzehnt erschaffen werden. Nur: lohnt es sich, die unzähligen Fotos zu archivieren? Wer hätte ein Interesse daran? Wem könnten sie zum Nutzen gereichen? Und wie werden künftige Wissenschaftler, Sammler, Kuratoren, Restaurateure ihren wissenschaftlichen, epistemologischen Wert bestimmen? Vor allem, wenn von den Bildern der Gegenwart nichts bleibt als ihr Bildgehalt.

 

Sönke Kunkel: Empire of Pictures. Global Media and the 1960s Remaking of American Foreign Policy

Berghahn Books, New York 2016

Rezensiert von Fabian Hilfrich, redaktionell betreut durch Silvan Niedermeier

This is an interesting and stimulating book about the use of pictures – both still and moving – in the propagation of the U.S. postwar empire. Sönke Kunkel argues that “pictures […] became a key resource” in the consolidation of this empire “because they created sensory experiences of American superiority and thereby strengthened global recognition of and for American leadership” (p. 3). While Kunkel acknowledges that other empires have created visual manifestations of their power, such as statues and triumphal arches, he insists that the visual display of American power was different for two reasons. First of all, the fact that the United States had an informal empire “limited the representational options, ” not only because Washington could hardly build triumphal arches in the capitals of its allies, but also because the message of power had to be tempered by values. Secondly, however, the spread of visual media and their global distribution compensated for this limitation because representations of American power and values were virtually ubiquitous (pp. 6–7).

 

Annette Vowinckel: Agenten der Bilder. Fotografisches Handeln im 20. Jahrhundert

Wallstein Verlag, Göttingen 2016

Rezensiert von Bernd Stiegler, redaktionell betreut durch Kai Nowak

  Der Untertitel von Annette Vowinckels umfassender Studie lässt eine Reflexion über das Bildhandeln erwarten, das sich vor allem dank Horst Bredekamp und Gerhard Paul seit einiger Zeit einer regen, wenn auch umstrittenen theoretischen Beliebtheit erfreut. Der Historiker Gerhard Paul ist zudem Mitherausgeber der Reihe. Die Formel „Fotografisches Handeln im 20. Jahrhundert“ verspricht eine historische Präzisierung dieser theoretischen Agenda. Auch die Einleitung verfolgt noch dieses Anliegen, indem die Autorin dort programmatische Überlegungen zum Bildhandeln anstellt, diese analog zu Sprechakten begreift und einen Wandel der politischen Kommunikation nicht zuletzt aufgrund der massenhaften Verwendung der fotografischen Bilder konstatiert. Ihre These, dass die Geschichtswissenschaft besser und kompetenter in der Lage sei, die „Geschichte der Öffentlichkeit und vor allem die Geschichte von Institutionen wie Presseorganen, Bildagenturen und Zensurbehörden zu erforschen, als die Kollegen aus der Kunstgeschichte“ (S. 15), legt die Latte relativ hoch und geht von einem recht klassischen Wissenschaftsverständnis aus, das mir spätestens seit Aufkommen der disziplinenübergreifenden Arbeiten zur Visual Culture ein wenig überholt zu sein scheint. Wie dem auch sei, die Fragen werden jedenfalls präzisiert und das Profil geschärft: „Was ist also eine Bildhandlung und was unterscheidet eine Bildhandlung von einer Sprachhandlung? Welche Formen des Bildhandelns hat die Moderne im Schatten der Massenproduktion und -reproduktion von Bildern hervorgebracht? Im welchem Verhältnis steht das Bildhandeln zum großen Ganzen des Politischen?“ (Ebd.) Das sind lauter große Fragen – auf die das Buch dann bedauerlicherweise eine Antwort schuldig bleibt, da im darauf Folgenden, um es so zu sagen, das Bildhandeln durch den Handel mit Bildern ersetzt wird. Gegenstand des Buches ist nämlich mitnichten eine theoretische Klärung des Bildhandelns, sondern eine materialgesättigte Rekonstruktion der Geschichte der Fotoagenturen und darüber hinaus. Es geht also um den historisch präzise zu fassenden Handel mit Fotografien.

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