Artist Meets Archive
Das Artist-in-Residence-Projekt der Internationalen Photoszene Köln
Die Basis für das „Artist Meets Archive“-Projekt liegt im Jahr 2015. Im August brachten wir als Internationale Photoszene Köln die zweite Ausgabe unseres Magazins „L.Fritz“ heraus rund um das Thema Found Footage in der Fotografie. Unabhängig davon besuchten wir kurz darauf erstmals das Historische Fotoarchiv des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln und waren überrascht, fasziniert und begeistert von dem Konvolut an ethnologischen Aufnahmen. Wie konnte es sein, dass sich in dieser Stadt ein solcher Schatz befindet – und wir wissen nichts davon? Ähnliche Erfahrungen machten wir in anderen Museen, Sammlungen und Archiven, die wir besuchten oder von denen wir – teils durch Zufall – erfuhren. Schnell war uns klar, dass sich Köln zwar gerne als Stadt der Fotografie bezeichnet, aber viel zu wenig Wissen darüber existiert, welch riesiges visuelles Archiv in zahlreichen Häusern, Kellern, Regalen, Schubladen, Mappen und Kisten schlummert.
Doch wie sollte man damit umgehen, wie der Öffentlichkeit und der Kunstwelt davon berichten? Sicherlich könnte man Führungen durch die Institutionen anbieten, aber das konnte noch nicht alles sein. Sensibilisiert durch die zweite Ausgabe von „L.Fritz“ kam noch während des Treffens mit der wissenschaftlichen Referentin für das Historische Fotoarchiv im Rautenstrauch-Joest-Museum, Lucia Halder, die Idee auf, eine Künstlerin oder einen Künstler im Rahmen eines Stipendiums einzuladen, sich mit dem Archiv des Hauses zu beschäftigen. Sie sollten mit einem möglichst fremden Blick, unwissenschaftlich, subjektiv und zeitgenössisch auf die Aufnahmen der Forscher und Kolonialherren des 19. Jahrhunderts schauen und daraus eine eigene künstlerische Position entwickeln. Die Begeisterung für dieses Projekt war da, allein es fehlte an Zeit und den finanziellen Mitteln, es auch umzusetzen.
So schlummerte der Gedanke noch eine Weile in unseren Köpfen, bis wir ihn bei der Suche für ein Festivalthema im Sommer 2017 erneut aufgriffen. Wenn es in Köln so viele Archive gibt, warum dann eigentlich nur eine Künstlerin einladen und nicht gleich mehrere? Schnell hatten wir unsere „Wunschliste“ an Archiven und Sammlungen zusammengestellt und sprachen mit den Verantwortlichen im Rautenstrauch-Joest-Museum, dem Museum Ludwig, dem Museum für Angewandte Kunst Köln, dem Kölnischen Stadtmuseum, dem Rheinischen Bildarchiv und der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Obwohl es ein solches Projekt in einem so großen Rahmen noch nie gegeben hatte, stimmten alle Beteiligten sofort zu. Das Projekt „Artist Meets Archive“ (kurz: AMA) wurde geboren!
Als nächstes ging es um die Künstler*innenauswahl: Wir waren uns einig, dass wir möglichst diverse Blicke von möglichst diversen Künstlern auf die Archive haben wollen. So luden wir schließlich Erik Kessels aus den Niederlanden, Ola Kolehmainen aus Finnland, Ronit Porat aus Israel, Fiona Tan aus den Niederlanden und Indonesien, Roselyne Titaud aus Frankreich und Antje van Wichelen aus Belgien für das Projekt ein. Während des Photoszene-Festivals im September 2018 hielten sie sich für mehrere Wochen in Köln auf und beschäftigten sich mit den sehr unterschiedlichen Archiven und Sammlungen. Ab dem 3. Mai werden nun die Ergebnisse während des Photoszene-Festivals 2019 in den jeweiligen Häusern präsentiert.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Und? Was haben die Künstler*innen daraus gemacht? Da ich zum Photoszene-Team gehöre und Mitinitiator von AMA bin, fällt meine Antwort natürlich sehr positiv aus. Tatsächlich aber war es für uns ein Experiment – und Experimente haben immer einen ungewissen Ausgang. Im Grunde hätte alles auch daneben gehen können: Was, wenn sich die Künstler*innen von den Archiven nicht inspiriert gefühlt oder wir die Zeit zu knapp bemessen hätten, wenn uns die künstlerische Umsetzung finanziell nicht gelungen wäre oder die Ergebnisse für uns irrelevant gewesen wären?
Nichts von dem ist eingetreten! AMA war und ist sowohl für uns als Photoszene als auch für die beteiligten Institutionen und für die sechs Künstler*innen ein unglaublich bereicherndes Projekt. AMA hat die Fotografie in Köln gleich auf mehreren Ebenen neu verortet: Zum einen bekommen die Besucher*innen ganz besondere Einblicke in die vielfältigen und nahezu unbekannten visuellen Schätze unserer Stadt, zum anderen haben wir mit AMA ein Netzwerk zwischen den beteiligten Institutionen etablieren können, das es bislang in dieser Form nicht gegeben hat.
Nun müssen die Besucher*innen über die sechs Ausstellungen urteilen. Wir sind sehr gespannt auf das Lob und offen für jede Kritik. Eines steht aber schon jetzt fest: „Artist Meets Archive“ ist noch lange nicht zu Ende, sondern steht erst am Anfang. Es gibt noch viele Dutzende Archive und Sammlungen in Köln, die für künstlerische Recherchen und Interventionen spannend und ergiebig sein können. Wir müssen sie ihnen nur zur Verfügung stellen.
Internationale Photoszene-Festival vom 3.-12. Mai 2019 in Köln