Vertrauliche Distanz. Fotografien von Barbara Niggl Radloff 1958-2004

Eine Ausstellung des Münchner Stadtmuseums vom 19. November 2021 bis zum 20. März 2022

Barbara Niggl Radloff, Die Autofahrt, München, um 1960 © Münchner Stadtmuseum

Die Künstlerin Barbara Niggl Radloff (1936-2010) fand in der Fotografie ihr Medium, um Menschen und Geschehen im München der Nachkriegszeit festzuhalten. Barbara Niggl Radloffs frühe Karriere als Bildjournalistin und ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Künstlerporträt haben zu einem beeindruckenden Œuvre geführt.

Der Nachlass der Fotografin gelangte 2018 als Schenkung der Familie Radloff in die Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums und umfasst über 2500 Abzüge sowie das Negativ-Archiv der Fotografin mit insgesamt mehr als 50.000 Aufnahmen. Obwohl ihr Werk in der deutschen Fotografie nach 1945 eine besondere Stellung einnimmt, ist es bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Im Rahmen einer großen Retrospektive präsentiert das Münchner Stadtmuseum dieses Werk nun erstmals der Öffentlichkeit.

„Wir freuen uns, mit dieser ersten umfassenden Retrospektive zum Werk von Barbara Niggl Radloff eine zentrale Akteurin des Bildjournalismus um 1960 sowie eine herausragende Porträtfotografin in den Fokus zu rücken. Niggl Radloff begeistert mit frühen Fotografien, in denen sie das München der Nachkriegszeit und die Aufbruchstimmung der 1960er Jahre spürbar macht.“ (Direktorin Frauke von der Haar)

Nach einem Vorkurs an der Meisterschule für Mode in München durchlief Barbara Niggl Radloff eine fotografische Ausbildung bei Hans Schreiner am Münchner „Institut für Bildjournalismus“, einer der führenden deutschen Fotoschulen der Nachkriegszeit. Schon früh veröffentlichte die „Süddeutsche Zeitung“ ihre Aufnahmen, und Barbara Niggl Radloff erhielt 1960 bei der Zeitschrift „Münchner Illustrierte“ – als damals einzige Frau – eine Anstellung als Verlagsfotografin. Auch in den Illustrierten „Quick“ und „twen“ sowie dem renommierten Jahrbuch „Das Deutsche Lichtbild“ wurden ihre Fotografien veröffentlicht.

Barbara Niggl Radloff, Zeitschrift „scala international“ mit Selbstporträt, 1965
© Münchner Stadtmuseum

In München sowie auf Reisen nach Moskau, Paris und Jerusalem porträtierte Barbara Niggl Radloff Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft sowie international bekannte Schriftsteller*innen oder Künstler*innen. 1966 zog sie mit ihrem Mann Gunther Radloff aus dem pulsierenden Schwabing nach Feldafing am Starnberger See. Sie unterbrach ihre aufstrebende Karriere als Bildjournalistin zugunsten ihrer Familie und legte die Kamera für wenige Jahre beiseite.

Barbara Niggl Radloff, Truman Capote (im Garten der Pension Biederstein),
München, 1960/61 © Münchner Stadtmuseum

Ab Mitte der 1970er Jahre wandte sie sich mit neuer Energie dem Künstlerporträt zu. In dieser zweiten Phase schuf sie ein umfangreiches Werk von Bildnissen internationaler Künstler*innen und Literat*innen, die ab 1986 im Künstlerhaus Villa Waldberta unweit vom Zuhause der Fotografin zu Gast waren. Bei ihren Begegnungen mit weltberühmten Akteur*innen des Kulturlebens wie Hannah Arendt, Max Horkheimer, Erich Kästner, Carlo Lèvi, Emilio Vedova oder Carl Zuckmayer entstanden eindringliche und nahbare Porträts, welche die einfühlsame Art der Fotografin erfahrbar machen.

Die Aufnahmen oszillieren zwischen Schärfe und Unschärfe, Intimität und Öffentlichkeit, psychischem und physischen Raum, Nähe und Distanz. Im Spiel mit Vorder- und Hintergründigem eröffnen sie den Betrachtenden einen Blick in eine Zeit, die von großer Bewegung innerhalb der Gesellschaft gekennzeichnet war. Die Ausstellung schöpft erstmals aus diesem umfangreichen Nachlass und zeigt Niggl Radloffs Arbeiten im Zusammenhang mit dem Bildpressewesen der 1950er und 1960er Jahre.

Barbara Niggl Radloff, Leiko Ikemura (Villa Waldberta), Feldafing 1988
© Münchner Stadtmuseum

Über die Porträtfotografie hinaus werden in der Ausstellung auch Themenfelder wie die Modefotografie und Sozialreportage beleuchtet, denen sich Barbara Niggl Radloff in ihrer ersten Schaffensphase widmete. Ihre Fotografien werden im Dialog mit ausgewählten Bildern ihrer Zeitgenoss*innen wie Regina Relang, Hanna Seewald, Herbert List, Evelyn Richter, Liselotte Strelow oder Stefan Moses aus der Sammlung Fotografie gezeigt.

Kuratiert wird die Ausstellung von Maximilian Westphal und Dr. Ulrich Pohlmann in Zusammenarbeit mit Nadine Isabelle Henrich, Stipendiatin im Programm „Museumskurator*innen für Fotografie“ der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung. Begleitend zu dieser Ausstellung erscheint im Schirmer/Mosel Verlag eine Werkmonografie mit Texten von Michael Koetzle, Verena Nolte, Ulrich Pohlmann, Ellen Strittmatter und Maximilian Westphal. In der Sammlung Online des Münchner Stadtmuseums finden sich zudem zwei Alben mit einer großen Auswahl an Fotografien von Barbara Niggl Radloff.

 

Vertrauliche Distanz. Fotografien von Barbara Niggl Radloff 1958-2004
Münchner Stadtmuseum 19. November 2021 bis 20. März 2022

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