Neue Rezensionen: H-SOZ-KULT

Neue Rezensionen auf H-Soz-Kult zu Publikationen aus dem Bereich der Historischen Bildforschung und Visual History

Roger und Renate Rössing: Günther studiert, Leipzig 1952. Quelle: Deutsche Fotothek
http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/88888350, CC BY-SA 3.0 DE

 

Karl-Konrad Tschäpe: Verstrickte Bilder. Deutsche und sowjetische Propagandabilder als Komplizen von Krieg und Gewalt 1941-1945

Metropol Verlag, Berlin 2020

rezensiert von Bianka Pietrow-Ennker, redaktionell betreut durch Christoph Classen

© Metropol

Die vorliegende, breit angelegte und höchst aufschlussreiche Studie ist Bildwelten im deutsch-sowjetischen Krieg 1941 bis 1945 gewidmet. Sie waren, wie Karl-Konrad Tschäpe es ausdrückt, in eine grausame Gewaltgeschichte „verstrickt“. Die Propagandabilder, um die es ihm geht, wurden in Massenauflagen angefertigt und verbreitet, sie erzielten eine weitreichende Wirkung durch Formen, Inhalte und die Quantität ihrer Produktion und Distribution. Bestimmte Bilder und spezifische Sujets werden bis heute in unterschiedlichen Kontexten intensiv rezipiert und beeinflussen weiterhin Wahrnehmung und Stereotypenbildung. Das Verdienst des Autors ist wahrlich groß: dies in Hinblick auf seine Quellenauswahl, seinen Forschungsansatz und sein interdisziplinäres Konzept.

 

 

 

Brinkmann, Ulrich: Achtung vor dem Blumenkübel! Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus. Ansichtspostkarten in Ost- und Westdeutschland 1949 bis 1989; ders., Vorsicht auf dem Wendehammer! Die Straße als Element des Städtebaus. Ansichtspostkarten in der DDR und Bundesrepublik 1949 bis 1989

DOM Publishers, Berlin 2020 und 2023

rezensiert von Alexander Kraus, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

© DOM Publishers

In den besten Fällen funktionieren Bücher als Augenöffner – nach der Lektüre nimmt man seine Umwelt mit einem Mal anders wahr. Wer Ulrich Brinkmanns bereits 2020 erschienenes Buch „Achtung vor dem Blumenkübel! Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus. Ansichtspostkarten in Ost- und Westdeutschland 1949 bis 1989“ gelesen und betrachtet hat, wird fortan schwerlich durch eine innerstädtische Verweilzone spazieren können, ohne sie umgehend in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen: Ob kleinteilige Pflasterungen mit Raster- und Teppichstrukturen, die es zu dechiffrieren gilt, ob markante Beleuchtungen, überall platzierte Kleinarchitektur, Blumenkästen oder künstlich geschaffene Wasserlandschaften – die Elemente scheinen einem Setzbaukasten entnommen, ohne dabei ewig gleiche Ergebnisse hervorgebracht zu haben.

 

 

 

Kersti Markus: Visual Culture and Politics in the Baltic Sea Region, 1100-1250

Brill, Leiden 2020

rezensiert von Julia Trinkert, redaktionell betreut durch Anna Derksen

© Brill

Den roten Faden ihrer Studie benennt Kersti Markus im letzten Satz ihres Buches: „For a very brief period, the periphery became the centre“ (S. 356), und fasst damit sowohl das dänische Vorhaben, nach der Eroberung Jerusalems 1187 ein Neues Jerusalem im Norden zu errichten, wie auch die überwiegend mitteleuropazentrierte (kunsthistorische) Forschungsperspektive pointiert zusammen. In fünf Kapiteln stellt Markus dazu einzelne Aspekte der Verknüpfung von visueller Kultur und Politik im 12. und 13. Jahrhundert im Ostseeraum vor. Diese befassen sich mit der Missionierung und Kolonialisierung des Baltikums aus westlichen Territorien auf Grundlage der jeweiligen bildzeichenhaften Selbstvergewisserung, die sich in der Architektur und Bildsprache der unterschiedlichen Regionen wechselseitig manifestierte.

 

 

 

Horst-Alfred Heinrich; Lorenz Klumpp (Hg.), Demokratie im Bild

Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2022

rezensiert von Isabel Groll, redaktionell betreut durch Claudia Prinz

© Franz Steiner

Keine Politik kam jemals ohne Bilder aus, kein Herrscher oder Herrscherkollektiv ohne Inszenierung der eigenen Macht. Nicht nur, aber auch angesichts des häufig proklamierten Aufstiegs totalitärer Regime und autokratisch-diktatorischer Machthaber drängt sich die Frage nach einer Bildsprache der Demokratie, einer visuellen Kultur des Demokratischen geradezu auf. Dieser Frage widmet sich der jüngst von Horst-Alfred Heinrich und Lorenz Klumpp herausgegebene, angenehm handliche Sammelband mit sechs Beiträgen aus mehreren geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Die empirische Sozialforschung ist mit drei Beiträgen am stärksten vertreten, hinzu gesellen sich Artikel aus der Kunstgeschichte, der Anthropologie und der Politikwissenschaft.

 

 

 

Steffi Töpfer: Ungeliebtes Erbe. Die sowjetischen Ehrenmale in Berlin und Wien 1945 bis 2010

Sandstein Verlag, Dresden 2022

rezensiert von Stefanie Endlich, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

© Sandstein Verlag

Steffi Töpfers Leipziger Dissertation konzentriert sich auf die großen Sowjetischen Ehrenmale in Wien und Berlin, die gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs errichtet wurden. Die Autorin schildert ihre Entstehungsgeschichten, beschreibt und interpretiert ihre Merkmale und fragt danach, wie Politik und Gesellschaft im Zeitraum bis zum Jahr 2010 mit ihnen umgegangen sind. Das Erscheinen der großzügig gestalteten Publikation fällt in eine Zeit, in der durch die russische Annexion der Krim von 2014 und durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 auch die Sowjetischen Ehrenmale (wieder) verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung geraten sind, nicht zuletzt aufgrund ihrer militärischen Attribute.

 

 

 

Kathleen Rosenthal: POLIT-KUNST!? Die bildende Kunst in der DDR und ihre Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Mauerbau

Böhlau, Köln 2022

rezensiert von Bernd Lindner, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

© Böhlau

An Büchern und Katalogen, die sich mit der bildenden Kunst in der DDR und ihren unterschiedlichen Facetten auseinandersetzen, besteht mittlerweile kaum noch ein Mangel. Seltener sind Schriften, die sich mit ihrer Wahrnehmung außerhalb der DDR-Grenzen befassen, inklusive ihrer Rezeption in der Bundesrepublik Deutschland. Das betrifft gerade die Kunst aus der Frühzeit der DDR. Hier schließt der faktenreiche Band von Kathleen Rosenthal eine markante Lücke. Die Autorin zeigt, wie auch in der Kunst „bereits vor dem Mauerbau 1961 ein unüberbrückbarer Graben zwischen Ost und West entstanden war“ (S. 15) und welche Institutionen auf beiden Seiten darauf hingearbeitet haben.

 

 

 

 

Marco Rasch: Das Luftbild in Deutschland von den Anfängen bis zu Albert Speer. Geschichte und Rezeption des zivilen „Stiefkindes der Luftfahrt“

Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2021

rezensiert von Noemi Quagliati, redaktionell betreut durch Kai Nowak

© Wilhelm Fink

In diesem fruchtbaren Forschungsfeld stellt Marco Raschs Buch Das Luftbild in Deutschland von den Anfängen bis zu Albert Speer einen wesentlichen Beitrag dar, um unser Wissen über die historische Entwicklung und die öffentliche Rezeption der zivilen Luftbildfotografie in Deutschland bis 1945 zu erweitern: Ein Thema, so argumentiert der Autor, das aufgrund des primären Interesses der Forschung an der militärischen Reichweite der Luftbilderkundung bisher unterschätzt wurde. Die umfangreiche und detaillierte Studie basiert auf der Dissertation des Autors. Die Inspiration dafür bezog er von einer geheimnisvollen Luftbildsammlung im Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg (DDK), deren Geschichte mit dem Architekten Albert Speer verbunden ist.

 

 

 

Florian Korn: Künstlerische Aufarbeitung. Die NS-Vergangenheit im deutsch-deutschen Erinnerungsdiskurs, 1960 bis 1990

Transcript, Bielefeld 2022

rezensiert von Ella Falldorf, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch

© Transcript

In seiner Leipziger Dissertation untersucht der Kunsthistoriker Florian Korn Grafiken, Gemälde und Installationen deutscher Künstler:innen, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzten und zwischen 1960 und 1990 in beiden deutschen Staaten ausgestellt wurden. Er betrachtet nicht in erster Linie Bildinhalte oder Formensprache der Kunstwerke, sondern erforscht mit einem rezeptionsgeschichtlichen Ansatz zeitgenössische Rezensionen und kunsthistorische Analysen aus der Bundesrepublik und der DDR. Wie der Autor festhält, „gibt es nur wenige kunsthistorische Untersuchungen, die über kunstimmanente Fragestellungen hinaus die Rezeption und daran anknüpfend die Relevanz von Kunst für Ereignisse, Debatten und Diskurse um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit herausarbeiten“ (S. 16).

Folgende Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Artikel kommentieren

Ihre Email wird nicht veröffentlicht.

AlphaOmega Captcha Historica  –  Whom Do You See?