Was erzählen Fotografien? Albert Dieckmanns Bilder aus dem besetzten Osteuropa 1941/42
Ausstellung im Museum Berlin-Karlshorst ab dem 23. Juni 2023
In der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg spielen Fotografien eine zentrale Rolle. Als vermeintlich objektive Quelle wurden und werden sie in Büchern, Filmen, Dokumentationen und Ausstellungen reproduziert und prägen das visuelle Gedächtnis bis heute. Dies gilt auch für den Krieg gegen die Sowjetunion, in dem die Deutschen nach dem Überfall am 22. Juni 1941 bis dahin beispiellose Verbrechen an Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung begingen.
Albert Dieckmann (1896-1982) war leidenschaftlicher Amateurfotograf, der schon früh die Farbfotografie für sich entdeckte. Anfang Juli 1941 wurde der Arzt, Ehemann und Vater dreier Kinder als Stabsoffizier in die kurz zuvor von der Wehrmacht eroberten sowjetischen Gebiete versetzt. Bis zu seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im Sommer 1942 machte er viele Aufnahmen in Belarus, Russland und Polen. Mehr als 380 Farbdias von Albert Dieckmann befinden sich seit 2007 in der Sammlung des Museums Berlin-Karlshorst.
Die aktuelle Ausstellung zeigt 40 dieser Farbfotos. Im Gegensatz zu üblichen Fotoausstellungen kontextualisiert sie die Bilder umfassend. Dazu wurde mit Hilfe von Archivrecherchen der Einsatz des Radfahr-Wachbataillons 48 (B) rekonstruiert, in dessen Stab Albert Dieckmann als Arzt diente. Diese Einheit unterstand seit Juli 1941 verschiedenen Kommandanten des rückwärtigen Armeegebiets. Diese sogenannten Korücks verwalteten die besetzten Gebiete zwischen Gefechtsgebiet und den rückwärtigen Heeresgebieten. Ihre Aufgabe war die Sicherung von Nachschubwegen, Versorgungsstützpunkten, Eisenbahnlinien und Nachrichtenverbindungen sowie die Bewachung und der Abtransport von Kriegsgefangenen. Die den Korücks unterstellten Einheiten waren an diversen Verbrechen an Kriegsgefangenen und an der (jüdischen und nichtjüdischen) Zivilbevölkerung beteiligt, so auch das Radfahr-Wachbataillon 48 (B).
In der Ausstellung werden ergänzend zu den Farbfotos beispielhaft Zitate aus Archivdokumenten präsentiert ebenso wie Zitate aus Briefen, die Albert Dieckmann während seines Einsatzes an seine Frau schrieb.
Eine eigenständige Ebene der Ausstellung bildet die quellenkritische Annäherung an die gezeigten Bilder. Warum wählte Albert Dieckmann diese Motive? Was fotografierte er und was fehlt in seinen Aufnahmen? Lassen sich aus seinen Bildern Rückschlüsse auf seine Haltung, z.B. gegenüber der einheimischen Bevölkerung ziehen? Wie reagierten die Fotografierten? Wie betrachten wir die Bilder? Und wie verändert sich unser Blick, wenn wir mehr über den Kontext wissen? Diese und andere Fragen möchten die Besucher:innen dazu anregen, sich quellenkritisch mit den Bildern auseinanderzusetzen.
Graphic Novel-Elemente verknüpfen die Zusammenstellung aus Fotos, Dokumenten- und Briefzitaten, Leitfragen und Ausstellungstexten. Sie unterstützen die Dekonstruktion der Bildinhalte und eröffnen eine neue Ebene für die Vermittlung. So entsteht auf 30 Ausstellungstafeln eine Bildgeschichte, die auf eine innovative Art die Ausstellungsinhalte für ein breites Publikum zugänglich macht.
29. August 2023, 19:00 Uhr
Christoph Kreutzmüller, Fotografien der NS-Deportationen
Zu vielen Verbrechenskomplexen des NS-Regimes gibt es eine überraschend dünne fotografische Überlieferung. Deshalb werden häufig die immer gleichen Fotos gezeigt. Dies betrifft auch Verbrechen, die in aller Öffentlichkeit geschahen, wie die Deportationen von hunderttausenden Jüdinnen und Juden, Rom:nja und Sinti:zze aus dem Deutschen Reich zwischen 1938 und 1945. In dem Projekt #LastSeen werden die überlieferten Fotos in einem digitalen Bildatlas gesammelt und erschlossen. Christoph Kreutzmüller stellt die Forschungsergebnisse vor und präsentiert ein interaktives Spiel, mit dem sich Nutzer:innen die historischen Ereignisse anhand der Fotos selbstständig erschließen können.
Christoph Kreutzmüller ist Stellvertretender Projektleiter von #LastSeen am Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin Brandenburg
26. September 2023, 19:00 Uhr
Michael Loebenstein, Filmdokumente der alliierten Streitkräfte aus den befreiten Konzentrationslagern und von anderen Verbrechensorten
Es gibt nur vereinzelt Bilder von der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden. Unsere heutige Vorstellung vom Holocaust ist nachhaltig von den filmischen Dokumenten geprägt, die alliierte Streitkräfte in befreiten Konzentrationslagern sowie an anderen Stätten nationalsozialistischer Verbrechen angefertigt haben. Diese standen im Zentrum des Projekts „Visual History of the Holocaust: Rethinking Curation in the Digital Age“. Michael Loebenstein stellt das Projekt vor, das vom Ludwig Boltzmann Institute for Digital History (Ludwig Boltzmann Gesellschaft) in enger Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum koordiniert wurde.
Michael Loebenstein ist Direktor des Österreichischen Filmmuseums in Wien
Für die Teilnahme an den Veranstaltungen melden Sie sich bitte an unter kontakt(at)museum-karlshorst.de. Der Eintritt ist frei.
Ausstellung im Museum Berlin-Karlshorst 23. Juni bis 17. Dezember 2023
„Was erzählen Fotografien? Albert Dieckmanns Bilder aus dem besetzten Osteuropa 1941/42“
https://www.museum-karlshorst.de/was-erzaehlen-fotografien-1