Beflügelte Bilderfahrzeuge für und wider Krieg und Faschismus
Länder und Meere sind auf Marken nur die Provinzen, Könige nur die Söldner der Ziffern, die nach Gefallen ihre Farbe über sie ausgießen. Briefmarkenalben sind magische Nachschlagewerke, die Zahlen der Monarchen und Paläste, der Tiere und Allegorien und Staaten sind in ihnen niedergelegt. Der Postverkehr beruht auf deren Harmonie wie auf den Harmonien der himmlischen Zahlen der Verkehr der Planeten beruht.
Walter Benjamin[1]
Der einstmals weitverbreitete Zeitvertreib der Philatelie gilt – ob zu Recht oder zu Unrecht sei einmal dahingestellt – als verstaubte Sammelleidenschaft von Stubenhockern und Philistern. Übersehen wird indes, dass zwei prominente Wegbereiter der kulturwissenschaftlichen Wende in der Geschichtswissenschaft und somit auch der visual history zu dieser im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftretenden Spezies gehörten. Denn sowohl Aby Warburg als auch Walter Benjamin waren passionierte Briefmarkensammler.[2] Benjamin erkannte darin, so ist einer in seinem Nachlass verwahrten Vorarbeit zum Essay Briefmarken-Handlung zu entnehmen, „wahre[ ] Altersheime für die abgelegten heraldischen Wesen. Die ganze Ahnengalerie der Menschheit ist auf Briefen untergekommen. Löwen, Giraffen, Strauße, Adler stoßen an Griechengötter, an Waldmenschen mit der Wappenkeule, an Genien mit dem Heiligenschein des Weltverkehrs.“[3]
Für Warburg hingegen besaß die Briefmarke beziehungsweise das Briefmarkenbild, wie seinen Notizen aus den Jahren 1926/27 zu entnehmen ist, eine „weltpolitische Funktion […] im Geistesverkehr der menschlichen Welt“.[4] Anlass genug, einen Blick auf diese ephemere Bildgattung zu werfen, die, wenngleich sich die Staaten damit repräsentierten und dieses Bild global verbreiteten, von der historiografischen Forschung bislang weitgehend vernachlässigt wurde.
Als noch nicht vorwiegend via elektronischer Medien korrespondiert wurde, zierte ein verdichtetes Bilderzeichen, so muss mittlerweile in Erinnerung gerufen werden, ein jegliches Briefcouvert und eine jede Postkarte. Und dieses Zeichen verwies, so es mit Bedacht vom Sender ausgewählt wurde, unter Umständen auf Letzteren oder auf den Adressaten, auf jeden Fall aber auf den Staat, der das Briefmonopol innehatte, den Nachrichtenverkehr gewährleistete und der sich in der Marke visualisierte. Bei den vom Staat emittierten Briefmarken handelt es sich um massenhaft verbreitete „Bilderfahrzeuge“ des „Zeitalters technischer Reproduzierbarkeit“, mittels derer es der Staat vermochte, die Zeichen seiner Macht und Würde auch weit über die Grenzen seines Landes hinaus zu verbreiten.[5] Für Warburg stand die Briefmarke in einer langen Entwicklungslinie, die, folgt man seinen Ausführungen in der 1929 verfassten Einleitung zum „Mnemosyne Bilderatlas“, mit flandrischen Teppichen ihren Ausgang nahm:
„Der flandrische Teppich ist der erste noch kolossalische Typus des automobilen Bilderfahrzeugs, der von der Wand losgelöst, nicht nur in seiner Beweglichkeit, sondern auch in seiner auf vervielfältigende Reproduktion des Bildinhaltes angelegten Technik ein Vorläufer ist des bildbedruckten Papierblättchens, d.h. des Kupferstichs und des Holzschnittes, die den Austausch der Ausdruckswerte zwischen Norden und Süden erst zu einem vitalen Vorgang im Kreislaufprozesse der europäischen Stilbildung machten.“[6]
Warburgs Interesse an den „Wanderstraßen der Kultur“ lenkte seinen Blick auf die „Bilderfahrzeuge“, welche den „Austausch der Ausdruckswerte“ und Ideen beförderten.[7] Und während die flandrischen Arrazzi selten und ihre Wanderungen langsam waren, fanden Briefmarken eine massenhafte Verbreitung, die zudem weltweit und angesichts des erst kürzlich angebrochenen motorisierten Luftpostzeitalters nun auch beschleunigt war.[8] Damit erhöhte sich naturgemäß auch die Reichweite der Bilder und Ideen, deren Träger die Postwertzeichen waren.
Der Kunstwissenschaftler Warburg wies den Briefmarken jedenfalls einen maßgeblichen Wert zu, wie einer Notiz von Ende November 1926 zu entnehmen ist: „Wenn alle Documente verloren, genügt ein vollständiges Markenalbum zur Total-Reconstruction der Weltkultur im technischen Zeitalter.“[9] In Vorbereitung unter anderem seines Vortrags in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek (K.B.W.) am 13. August 1927, bei dem er die „weltpolitische Funktion des Briefmarkenbildes im Geistesverkehr der menschlichen Welt“ zu erläutern gedachte, hielt er fest: „Wenn die K.B.W. ein Museum für die Geschichte der kosmischen Orientierung ist, gehört die Briefmarke mit hinein, da sie das Wort magisch beflügelt, vom Träger löst und einem Dritten übermittelt.“[10]
Im Zentrum dieses Beitrags stehen drei Briefmarken, die als „automobile Bilderfahrzeuge“, „Embleme und Werbezeichen der Macht“ sowie als Träger von Ideologemen verstanden werden.[11] Es gilt zu verdeutlichen, dass diese nur scheinbar marginalen Bilder gewichtige Quellen einer visual history darstellen, in denen nicht allein die politische Ikonografie der Staaten ihren Niederschlag gefunden hat – das wäre beinahe eine Selbstverständlichkeit. Vielmehr wird gezeigt, dass sich politische Ziele und Visionen wie maßgebliche Konflikte des „Zeitalters der Extreme“ (Hobsbawm) in den kleinstformatigen Grafiken widerspiegeln.
Hierzu wird in einem ersten Teil der Kontext erläutert, innerhalb dessen Warburgs intensivierte Beschäftigung mit Briefmarken in den mittleren 1920er Jahren stattfand. Im zweiten Abschnitt wird Warburgs Briefmarken-Entwurf Idea Vincit aus dem Jahr 1926 näher betrachtet, in dessen Zentrum nicht von ungefähr ein Flugzeug steht. Dieser Entwurf wird vor dem Hintergrund sowohl von Warburgs bildwissenschaftlichen Überlegungen als auch der politischen Situation während der mittleren Jahre der Weimarer Republik gedeutet. In einem dritten Teil wird anhand zweier Briefmarken des faschistischen Italiens eine von der Warburg’schen Aufladung der Aviatik deutlich abweichende symbolische Indienstnahme des Flugzeugs betrachtet. Es wird deutlich gemacht, inwiefern die zeitgenössische Aviatik eine „Metapher des Faschismus“ darstellte.[12]
„Der liebe Gott steckt im Detail“[13] oder die Briefmarke als Kulturdokument
Marken sind die Visitenkarten, die die großen Staaten in der Kinderstube abgeben. Als Gulliver bereist das Kind Land und Volk seiner Briefmarken. Erdkunde und Geschichte der Liliputaner, die ganze Wissenschaft des kleinen Volks mit allen ihren Zahlen und Namen wird ihm im Schlafe eingegeben. Es nimmt an ihren Geschäften teil, wohnt ihren purpurnen Volksversammlungen bei, sieht dem Stapellauf ihrer Schiffchen zu und feiert mit ihren gekrönten Häuptern, die hinter Hecke thronen, Jubiläen.
Walter Benjamin[14]
Der Philatelist Warburg, so ist den vorbereitenden Notizen zu seinem Vortrag im August 1927 zu entnehmen, ging immerhin seit mehreren Jahren mit der Idee schwanger, eine Kunstgeschichte der Briefmarke zu schreiben.[15] Es war nicht zuletzt die zeitgenössische politische Ikonografie, speziell die Inszenierung Mussolinis gewesen, die Mitte der 1920er Jahre seine Aufmerksamkeit auf diese Bildergattung lenkte.[16] Bereits 1924, noch im Kreuzlinger Sanatorium Bellevue, war Warburg nämlich auf ein Bild Benito Mussolinis gestoßen, das seine Neugier weckte: Im Hintergrund sieht man Mussolinis Fahrer, Ercole Boratto, davor prangt Mussolini mit seinem Löwenwelpen Italia im Arm. Warburg sah darin, wie er an seine Frau schrieb, etwas „eminent [mimisch]heidnisches: das gebändigte Monstrum (in [gezähmter]Miniaturausgabe) als Erweiterung und Erhöhung der Persönlichkeit; ein imperatorischer Triumph.“[17]
Die Fotografie Mussolinis mit dem Löwen, auf die weitere dieser Art folgen sollten, lässt sich topisch verstehen: Der Ministerpräsident und „Duce“ der faschistischen Bewegung wird mit einem klassischen Herrschaftsattribut abgebildet, das eben diese Herrschaft legitimiert. Da es sich indes um eine „Miniaturausgabe“, um einen Löwenwelpen handelte, deutet das Bild über die klassische Indienstnahme des Tiers als Insigne der Macht hinaus. Wie die weiteren Abbildungen bestätigen, die Mussolini mit dem nunmehr gewachsenen Löwen meist hinter Gittern zeigen, wurde die Bändigung des „Monstrums“ und somit der Macht visualisiert.[18] Nicht nur der Leviathan, der sich hier ankündigt, ist von besonderer Natur, sondern auch der künftige Diktator: Er ist nicht nur das Staatsoberhaupt, welches das zerrüttete Land wieder in gelenkte Bahnen leitet, sondern er ist auch der Dompteur, der es vermag, die intransigenten, gewalttätigen Revolutionäre der eigenen Partei, die Bestie PNF zu zähmen. Zudem versöhnt er das in dunkle Vorzeiten zurückreichende Zeichen der Macht, den Löwen, mit den Mitteln der Moderne, dem Automobil, und schafft somit Kontinuität und Erneuerung.
Auf das Bild des automobilen Löwenbändigers Mussolini sollte Warburg, der darin auch einen motorisierten sol invictus sah, anlässlich eines Vortrags Erich Rothackers in der K.B.W. am 16. Juli 1927 zurückkommen.[19] Es war naturgemäß das „Nachleben der Antike“, das Warburg an diesem Herrscherportrait interessierte und seine Aufmerksamkeit auf die Briefmarken des faschistischen Italiens lenkte, von denen zahlreiche auf den Tafeln, die Warburg bei seinem Vortrag zeigte, versammelt waren.[20]
Einige Briefmarken und Motive kehrten einen Monat später wieder, als sich Warburg nun im Rahmen des Vortrags des Reichskunstwarts Edwin Redslob zur „Briefmarke als Kulturdokument“ vor „160 erlesene[n] Hörer[n]“ dezidiert der „Funktion des Briefmarkenbildes“ widmete.[21] Redslob stand qua seines Amts im Mittelpunkt der wenig erfolgreichen Symbolpolitik der Weimarer Republik; und der Flaggenstreit, in dessen Folge Reichskanzler Hans Luther zurückgetreten war, lag erst ein gutes Jahr zurück.[22] Der Briefmarke widmete man sich an diesem Abend im August 1927 also nicht nur aus kunst- und kulturhistorischem Interesse, sondern auch deswegen, weil die Suche nach symbolischen Identifikationsangeboten der Republik bislang eher unglücklich verlaufen war: Der Erfolg eines Staats gründe auch darin, dass er sich angemessen zu visualisieren vermöge. Er müsse sich seinen Bürgern in Bildern präsentieren, die wiederum als Chiffren der tragenden Ideen des Gemeinwesens zu entziffern seien.
Wenngleich Warburg, so berichtete das „Hamburger Fremdenblatt“, nur „ein Paar Randbemerkungen“ habe anbringen wollen, wuchsen sich seine Ausführungen „zu einem ausgedehnten Vortrag voller Humor und scharfem Sarkasmus“ aus, der durch den Einsatz von Briefmarkentafeln und Diapositiven anschaulich wurde.[23] Anlass zu diesen weitschweifenden und mit einer „veritablen Multimediashow“ unterstützten Ausführungen war zum einen Warburgs eigener Briefmarkenentwurf, auf den der Vortrag als Höhepunkt zulief.[24] Zum anderen war es aber auch die Verdichtung zahlreicher der ihn antreibenden bildwissenschaftlichen Probleme auf so kleinem Raum, die ihn reizte. So hatte Warburg in seinen Notizen festgehalten: „Mich hatte – seit jungen Jahren ein eifriger Sammler – das mikrosmische [sic] Element gepackt: Welt im Kleinen, die die Fülle zeigt, aber auch den Kampf der bildformenden Mächte verrät.“[25] Laut Bericht der „Hamburger Nachrichten“ ging Warburg jedenfalls davon aus,
„dass Zahlen, Wappen, Bildnisse des Landesherren alles Hoheitszeichen sind, die den Träger eines solchen Zeichens entpersönlichen, ihn zum Instrument machen. Er wird der Träger einer Idee. So wird auch die mit Hoheitszeichen geschmückte Briefmarke zur Idee des Staatswesens und hat sich als solche mit Würde und Distanzgefühl zu benehmen. An einer großen Zahl von im Lichtbild vorgeführten Briefmarkengruppen entrollte Professor Warburg eine geistreiche und höchst amüsante Staatspsychologie der verschiedensten Länder, wie sie sich aus der bald schroffen, abstrakten oder göttergleichen, bald beflissen reklamemäßigen Darstellung der Staatsoberhäupter, Landesprodukte oder Allegorien ablesen lässt.“[26]
Nebst einer Briefmarke der britischen Kolonie Barbados, die den englischen König George V. als Neptun „auf einem von Seepferden gezogenen Triumphwagen“ zeigt,[27] befasste sich Warburg mit den Liktorenbündeln, die seit 1923 auf den italienischen Marken zu sehen waren.
Bereits wenige Monate nachdem König Vittorio Emanuele III. Mussolini mit dem Amt des Ministerpräsidenten betraut hatte, begannen die Faschisten, die Staatssymbole zu faschistisieren:[28] Im Januar 1923 wurde die Emission von ein und zwei Lire-Münzen beschlossen, auf deren Rückseite bereits das Liktorenbündel prangte. Einige Monate später sollten die Briefmarken folgen. Das seit der Französischen Revolution verstärkt kursierende Symbol antiker Amtsgewalt musste erst von deren „Deformationen“ befreit werden; und so wurde der Archäologe Giacomo Boni, der um die Jahrhundertwende die Ausgrabungen des Forum Romanum und des Palatin geleitet hatte, mit der Rekonstruktion des antiken römischen Zeichens beauftragt.[29] Das auf den italienischen Briefmarken dargestellte Liktorenbündel wirkte auf Warburg furchteinflößend:[30] Hier waren Ruten und Axt kein Symbol der Amtsgewalt (imperium) der Konsuln, sondern evozierten die reale Bedrohung des Auspeitschens und Köpfens.[31]
Bilder und Symbole sind nach Warburg, so sei hier in Erinnerung gerufen, gestaltete Affekte, Speicher der phobischen Energie, die in ihnen weiterlebe. Zugleich aber schafften sie eine Distanz zu ihrer Ursache, denn die Angst sei objektiviert und geformt, die Angstursache benannt und somit auch gebannt. Zwar sei die Angst im Bild oder Symbol also präsent, doch – im Unterschied zum Totem oder zum Fetisch – werde das Bild von den Betrachtern nicht mit der Angstursache gleichgesetzt. Warburgs Sentenz „Du lebst und thust mir nichts“, das seine Psychologie der Kunst bündelte, galt für das auf den italienischen Briefmarken dargestellte Liktorenbündel also nicht.[32] Das Bild schuf eben keinen „Denkraum der Besonnenheit“, die Axt erschien vielmehr als konkrete Gefahr.
Warburgs eigener Briefmarkenentwurf sollte, so Ulrich Raulff, dem Betrachter hingegen Orientierung bieten „ohne ihm die Distanz zu rauben“.[33] Im Folgenden wird der Warburg’sche Briefmarkenentwurf aus dem Jahr 1926, in dessen Zentrum ein neusachlich stilisiertes Flugzeug prangt, näher betrachtet. Anschließend werden ihm zwei faschistische Briefmarken gegenübergestellt, die ebenfalls das aviatische Motiv bemühten. Es gilt, sowohl die jeweiligen Kontexte dieser verdichteten Bilderzeichen zu beleuchten als auch die Ideen herauszuarbeiten, als deren Träger sie jeweils fungierten.
Warburgs Briefmarke oder das beflügelte Bilderfahrzeug der liberal-aufklärerischen Idee
Wie oben bereits angedeutet, ist Warburgs Zusammenarbeit mit dem Kunsthistoriker und Reichskunstwart Redslob vor dem Hintergrund der Suche nach geeigneten Symbolen für die junge und in weiten Teilen der Gesellschaft wenig beliebte deutsche Republik zu verstehen.[34] Warburg indes war zum Republikaner geworden und trat der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, die der bürgerlichen Intelligenz im Allgemeinen eine politische Heimat bot.[35] Trotz des großbürgerlichen oder ganz spezifischen Milieus wilhelminischer Hochfinanz, dem Warburg entstammte, entsprach Warburgs politische Haltung jener des kosmopolitischen, fortschrittsorientierten und im Geist der Aufklärung agierenden Bildungsbürgers.[36] Sein Briefmarkentwurf Idea Vincit sollte, wie nun deutlicher gemacht werden wird, jedenfalls das Symbol eines friedlichen, den Ideen der Aufklärung verpflichteten Deutschlands im In- und Ausland verbreiten.[37]
Um dieses Vorhaben zu realisieren, nahm Warburg vermittelt durch seinen Bruder Max Kontakt zu Außenminister Gustav Stresemann auf, dem er die K.B.W. vorführen wollte, um ihm im Anschluss seinen Briefmarkenentwurf zu schenken. Das Treffen mit Stresemann am 20. Dezember 1926, kurz nachdem er und Aristide Briand den Friedensnobelpreis erhalten hatten, wie auch der Entstehungsprozess von Warburgs Briefmarkenentwurf sind von Dorothea McEwan und Ulrich Raulff bereits eindringlich geschildert worden.[38] Daher kann es an dieser Stelle genügen, mit Hilfe von Warburgs Eintrag in das Tagebuch der K.B.W. vom 21. Dezember 1926 den Kontext zu rekapitulieren:
„Ich erhielt von dem Maler-Radierer Alex Liebmann einen Hilferuf 4/XII aus München, den ich mit einem Auftrag beantwortete, mir eine neue deutsche Marke im Querformat erstmals zu zeichnen, die unten das Meer, darüber das steil auffliegende Flugzeug zeigen solle: mit der Inschrift Briand, Chamberlain, Stresemann. 3 banale allerdings sehr schnelle Probebogen waren die Antwort. […] Da das Essen für Stresemann verschoben war (vom 14. auf den 20.) und unterdessen den Nobelpreis erhalten hatten [sic] fiel mir ein, daß Strohmeyer der richtige Künstler sein dürfte, in dessen phantastisch-realer Statik ich immer (ohne viel Anklang zu finden) ein besonderes Instrument gesehen hatte. […] Ich zeigte ihm meine schäbigen Skizzen, nun nicht mehr für eine Briefmarke sondern für ein Blatt: aufsteigender Flug. Inschrift auf der Unterseite der Flügel und das Eisengestänge eines Bogens, das aber außerhalb der Bildfläche seine Höhe hatte. Er skizzierte in sein winziges Taschenbuch das Flugzeug.“[39]
Warburg beauftragte also zuerst den Freund Alexander Liebmann, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, mit dem Entwurf einer Briefmarke, welche die Republik wirksam repräsentieren sollte. Als Stresemanns Besuch der K.B.W. aufgrund der Nobelpreisverleihung verschoben wurde, wandte sich Warburg allerdings an einen weiteren ihm bekannten Grafiker, Otto Heinrich Strohmeyer, mit dem Auftrag für einen Linolschnitt, den dieser auf der Grundlage von Warburgs eigenen Skizzen entwickelte. Am 20. Dezember 1926 wurde Außenminister Stresemann durch die Bibliothek geführt, doch Warburg war mit der Führung durchaus unzufrieden: „Stresemann mit Gefolge verspätete sich […]. Fühlte mich durch gröbliche Ermahnungen, kurz zu sein, bedrängt und konnte keine der vorgesehenen Nuancen anbringen. […] Allein das Geschenk in blauem Leder (Saxls Verdienst) rettet die Situation.“[40]
Der als Geschenk überreichte Strohmeyer’sche Druck half aus der misslichen Lage. So schrieb Warburg tags darauf an Strohmeyer: „Wie ich Ihnen schon telephonierte, hat Ihr Blatt dem Reichsminister Dr. Stresemann einen starken Eindruck gemacht: er hat sich wirklich sehr über Form und Inhalt des Blattes gefreut; wenn wir Ihr Kunstwerk nicht gehabt hätten, würde er die K.B.W. nicht in so guter Erinnerung behalten, da ich meinen Vortrag in Folge von Zeitbedrängnis ganz schauderhaft zusammenschneiden mußte.“[41]
Das Strohmeyer’sche Blatt war ein Erfolg, und so bestellte Warburg 46 weitere Exemplare und verschenkte ungefähr 20 an zahlreiche Freunde, Bekannte und Familienmitglieder.[42] Auch Ludwig Binswanger, Warburgs Analytiker, „dem Stammgast im Luftfahrzeug der Idea“ überreichte Warburg ein Exemplar als Neujahrsgruß.[43] Das Blatt zeigt ein schlichtes, neusachliches Flugzeug, das einem Hangar entsteigt. Die Flügel tragen die Aufschrift „IDEA VINCIT“, und die Namen Briand, Chamberlain und Stresemann bilden den unteren Rand des Motivs. Für das in Locarno ausgehandelte Vertragswerk waren ihnen, gemeinsam mit dem Amerikaner Charles G. Dawes, die Friedensnobelpreise 1925 und 1926 verliehen worden. Deutschland hatte in Locarno die in Versailles festgelegten Westgrenzen anerkannt und sich verpflichtet, aufkeimende Konflikte gewaltfrei und unter Einschaltung des Völkerbunds zu lösen. Die drei Staatsmänner leiteten mit den Verträgen eine kurz währende Phase der Stabilisierung und Pazifizierung der europäischen Politik ein, in deren Verlauf Deutschland in den Völkerbund aufgenommen wurde und Briand über die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu sinnieren begann. Warburg suchte diesen „Geist von Locarno“ in seinem Geschenk an den von ihm verehrten Stresemann zu bündeln.[44]
Das lässt sich auch den Erklärungen entnehmen, die er jenen etwas verdutzten Bekannten gab, denen er eines der Strohmeyer’schen Blätter zugesandt hatte. So heißt es in einem Brief vom 1. Februar 1927 an den amerikanischen Altorientalisten Cyrus Adler, den Warburg während seines Aufenthalts in den Vereinigten Staaten 1895/96 kennengelernt hatte: „In dem Symbol der ‚Idea vincit‘ soll ausgedrückt sein, daß der Gedanke der Verständigung unter den europäischen Nationen – dem in der Konferenz von Locarno Briand, Stresemann und Chamberlain zu gehorchen begannen – schließlich doch einmal zu einer verlängerten Pause der Vernunft führen wird, kann, soll. Wenn man die politischen Verhältnisse in Europa kennt, dann wird man die anscheinende Selbstverständlichkeit, die in dieser scheinbar unkriegerischen Weisheit der Staatsmänner liegt, sehr hoch einschätzen, weil die Widerstände, die sich dagegen stemmen, noch unglaublich mächtig sind. Auch jetzt noch ist die Lage umstrittener als je; gerade darum haben wir von Hamburg aus, Stresemann in seinem Glauben an die Vernunft durch Zuspruch in diesem Symbol stärken wollen.“[45]
Allein durch einen Sieg der Vernunft sei ein friedliches und einiges Europa möglich. Am 9. September 1928 hielt Warburg im Tagebuch der K.B.W. triumphierend fest: „Wir lesen in der Frankfurter Zeitung: […] ‚Reichsminister Stresemann hat einem französischen Blatt nach der Unterzeichnung des Kellogg-Paktes folgende Botschaft gegeben: ‚höher als die materielle Gewalt steht die Macht der Idee, die die Menschheit mit sich fortreißt.‘ […] Seht ihr wohl, er hat also ganz zu Recht 1926 die ‚Idea vincit‘ empfangen.“[46]
Warburg suchte seinen Briefmarkenentwurf als Träger sowohl eines neuen deutschen Friedenswillens als auch des Europagedankens zu nutzen. Das beflügelte Bilderfahrzeug sollte diese Ideen nach Europa und in die Welt hinaustragen und somit nicht nur zu einem Wandel des Deutschlandbilds beitragen, sondern auch den zugrunde liegenden Geist verbreiten. Die „Idea Vincit“ ist zudem als Visualisierung von Warburgs aufklärerischen und bildungsbürgerlichen Idealen, von seiner Hoffnung auf die Vernunft und somit auch seines liberalen Humanismus zu verstehen. In Anspielung auf Warburgs Aufsatz Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten lässt sich behaupten, dass Warburgs Idea einen Beitrag zur Rückeroberung des vom Logos geleiteten Athens aus dem mythisch-magischen Alexandrien leisten sollte.[47]
Vor dem Hintergrund von Warburgs Schlangenritual-Vortrag vom 21. April 1923 einerseits und der von Panofsky und Cassirer in diesen Jahren im Umfeld der K.B.W. angestellten Forschungen zur platonischen Ideenlehre andererseits[48] scheint es auch naheliegend, das Bild als eine Aktualisierung des platonischen Höhlengleichnisses zu lesen: „In der Verehrung der Sonne trifft sich die ganze Menschheit. Und sie als das Symbol zu nehmen, das uns aus der nächtlichen Niederung nach oben führt, ist das Recht der Wilden wie des Gebildeten. Die Kinder stehen vor einer Höhle. Heraufbringen zum Licht ist die Aufgabe nicht bloß der amerikanischen Schule, sondern der Menschheit überhaupt.“[49]
Warburg stellt das aviatische Motiv ganz in den Dienst einer aufklärerischen Lichtmetaphorik und Teleologie der Vernunft. Der Briefmarkenentwurf visualisiert das „Heraufbringen zum Licht“, denn dem Flieger gelingt, getragen und geleitet von der Idee, der Aufstieg aus dem an die Höhle erinnernden Hangar. Die Idea Vincit sollte als Bilderfahrzeug der pazifistischen wie auch aufklärerisch-humanistischen Idee fungieren.
Dieser Indienstnahme des aviatischen Motivs gilt es im Folgenden, die faschistische Kodierung des Flugzeugs gegenüberzustellen.[50] Es wird gezeigt, wie das faschistische Italien seine Briefmarken als Bilderfahrzeuge in den Dienst seiner Ideologie stellte. Es werden zwei aussagekräftige „Visitenkarten“ betrachtet, um den Benjamin’schen Begriff aufzugreifen, die der Faschismus im In- und Ausland verteilte, und es wird erörtert, wie sich das faschistische Italien in den Wertzeichen repräsentierte und welche Konnotationen das Flugzeug-Motiv ins In- und Ausland trug.
Volare necesse est. Zwei beflügelte Bilderfahrzeuge im Dienst des Faschismus
Während es Warburgs aviatischem Briefmarkenentwurf nicht vergönnt war, als tatsächliche Briefmarke im „Geistesverkehr der menschlichen Welt“ zu fungieren, sollte das italienische Königreich bereits zum ersten Jahrestag des Marschs auf Rom eine Briefmarke mit Fliegermotiv emittieren. Sie gehörte jener Serie an, der auch die fasces-Marke entstammte, die Warburg am Redslob-Abend in der K.B.W. der Barbados-Marke gegenübergestellt hatte.[51] Da es sich nicht um eine Luftpostmarke handelte, bei der die Wahl des Flugzeug-Motivs naheliegend gewesen wäre, gilt es zu fragen, welche Aspekte der „faschistischen Revolution“, der die Marke ja gewidmet war, durch das Flugzeug zum Ausdruck gebracht werden sollten.[52] Welche „Idee des [italienischen] Staatswesens“ wurde damit in die Welt getragen?[53]
Das Briefmarkenbild wird von den furchteinflößenden fasces gerahmt und bestimmt, denn auch die Wertbezeichnung „Lire 5“ ist einem stilisierten liegenden Liktorenbündel eingefügt. An dieser Briefmarkenserie, die knapp ein Jahr nach Mussolinis Ernennung zum Ministerpräsidenten emittiert wurde, ist also die einsetzende symbolpolitische Faschistisierung des Königreichs zu beobachten. Denn das Symbol der faschistischen Bewegung und Partei hat das Wappen der Savoia verdrängt und dient neben der Stella d’Italia als Hoheitszeichen. Die fasces sind in einem jugendstilhaft wirkenden Rauch eingebettet, der einer Vielzahl städtischer Fabrikschlote im Bildhintergrund entsteigt. Darüber kreisen drei Doppeldecker um die Stella dʼItalia, die ihrerseits vom Schriftzug „Italia“ gekrönt wird.
Dieses Bild des Faschismus an der Macht lässt sich für den mit den Methoden der Kunstgeschichte mehr schlecht als recht dilettierenden Historiker nur mittels Zuhilfenahme diverser Paratexte und – naturgemäß – einer Berücksichtigung des zeitgenössischen Kontexts entziffern. Betrachtet man die Briefmarke vor dem Hintergrund der ökonomischen Nachkriegskrise, des biennio rosso mit seinen Fabrikbesetzungen, Streiks und der faschistischen Gewalt gegen die sozialistische Arbeiterbewegung und ihre Institutionen, kann man hinter den rauchenden Schloten die Zusicherung vermuten, die Produktion laufe wieder. Es scheint auch naheliegend anzunehmen, dass die von den Liktorenbündeln symbolisierten Faschisten hieran einen gewaltigen Anteil hätten: Erst dank ihrer die Sozialisten bändigenden Gewalt sei die Ordnung wiederhergestellt, die von ihrer Macht auch garantiert werde.
Die Rolle, die den Flugzeugen zukommt, ist indes weniger eindeutig. Bewachen auch sie vom Himmel aus die industrielle Produktion und die revolutionäre Arbeiterschaft? Es scheint jedenfalls fast so, als befreiten die Flugzeuge den Himmel von den Rauchschwaden. Erst dadurch kommen der Stern und das im Krieg siegreiche und doch um die Früchte dieses Siegs geprellte Italien wieder zum Vorschein. Der Faschismus als Fortführung des Kriegs „per la più grande Italia“, als Bewegung der „trincerocrazia“ und als Widerstand gegen die „vittoria mutilata“ ist gleich den Flugzeugen dafür verantwortlich, dass Italiens Stern wieder leuchte, dass das wahre Italien wieder aufsteige. Das sind naturgemäß nur Ansätze zu einer Deutung eines stets polyvalent bleibenden Bilds, das selbstverständlich weniger als Abbild einer Realität zu verstehen ist denn als Beitrag zu deren Interpretation und Hervorbringung. Das Bild ist als eine, so Gerhard Paul, „Mythosmaschine“ zu verstehen, die Realitäten erst schafft.[54]
Die Flugzeuge auf der Briefmarke können auch als Blickfang verstanden werden: Die Begeisterung für die Aviatik, die in den ersten Jahrzehnten der Fliegerei herrschte und die durch die heroisierten Kampfpiloten des Ersten Weltkriegs noch gesteigert wurde, lenkt den Blick auf das Bild und soll ihn dort halten.[55] Im Kontext der Nachkriegszeit stand die Aviatik nicht zuletzt für Heroismus und Virilität, kriegerischen Geist, Liebe zur Gefahr und Technikbeherrschung, aber auch für Modernität. Die Briefmarke sucht diese Konnotationen auf das faschistische Italien zu übertragen.
Dass die Faschisten die Aviatik in diesem Sinne lasen und zu instrumentalisieren suchten, davon zeugt etwa die „pagina dell’aviazione“ [„Seite der Fliegerei“], die am 20. August 1919, fast genau fünf Monate nach der Gründung der fasci di combattimento auf der Mailänder Piazza San Sepolcro, in Mussolinis 1914 gegründeter Tageszeitung „Il Popolo d’Italia“ erschien.[56] Ein Doppeldecker, ein sechszylindriger Flugmotor sowie ein Propeller umrahmten die Überschrift; unter einem fett gedruckten „Volare!“ beschrieb Mussolini wie die Aviatik das Außeralltägliche verkörpere, die Verbindung des Menschen zum „Ewigen“ und „Göttlichen“ sowie den ikarischen Geist und die prometheische Macht. Zudem verhieß die Fliegerei, das verdeutlichten die Worte des künftigen „Duce“, einen Aufbruch zu neuen Ufern und zu höheren Zielen. Insofern war die Aviatik die perfekte Metapher für die vom Faschismus angestrebte Palingenese.
Es scheint also sinnvoll, auch die drei auf der Briefmarke dargestellten Flugzeuge, die den Stern Italiens umfliegen, als Symbol jenes palingenetischen Strebens zu lesen, das den mythischen Kern der faschistischen Ideologie bildete.[57] Aufgrund ihrer Konnotationen vermochte die Aviatik als Zeichen der Sehnsucht nach einer Wiedergeburt und Erneuerung der Nation, nach Aufbruch und Stillstellen der Zeit zu fungieren. Der „Marsch auf Rom“, dessen Jahrestag mit der Briefmarke gefeiert wurde, galt als „nationale Revolution“ und wurde somit auch als Aufbruch in eine neue Zeit, in die era fascista inszeniert. Diese neue Ära bedurfte, wie die Faschisten immer wieder betonten, eines „Neuen Menschen“, und der Flieger stellte – etwa dank der mit ihm verbundenen Liebe zur Gefahr, seiner Disziplin, seines Gewaltpotenzials und Höherhinausstrebens – eine Personifikation des „neuen Italieners“ dar.
Die Zuschreibungen an und die Rezeption der Aviatik während des ventennio müssen also stets vor dem Hintergrund der versuchten „anthropologischen Revolution“ gelesen werden.[58] Von dieser Indienstnahme der Aviatik als Symbol des faschistischen Aufbruchs und des zu schaffenden „Neuen Menschen“ zeugt etwa das 1935/36 erschienene Buch Guido Mattiolis „Mussolini aviatore“ [„Der Flieger Mussolini“]. Denn Mussolini inszenierte sich keineswegs nur als Löwendompteur, sondern eben auch als Flieger, als „primo pilota“, als „erster Pilot“ des Landes.[59] Aber ist dieser Nexus von Fliegerei und Faschismus, von Pilot und faschistischem „Neuen Menschen“ bereits in der 1923 emittierten Briefmarke präsent, oder ist das ein Anachronismus?
Das Flugzeug vermochte bereits im ersten Jahr der faschistischen Regierung als Symbol des Faschismus zu fungieren, denn die Grundlagen dieser Indienstnahme wurden bereits im Ersten Weltkrieg gelegt, und zwar sowohl von dem Dichter und Flieger Gabriele D’Annunzio als auch von den Futuristen, die zu den Faschisten der ersten Stunde zählten.[60] Die Bedeutung sowohl der Futuristen als auch D’Annunzios für die Herstellung des Nexus von Aviatik und Faschismus zeigt sich in der neun Jahre später zum Decennale des Marschs auf Rom erschienenen Briefmarke.
Dem zehnten Jahrestag der „faschistischen Revolution“ gedachte man unter anderem durch eine nunmehr zwanzigteilige Briefmarken-Serie, die vom Künstler Corrado Mezzana gestaltet wurde.[61] Darunter befanden sich zwei Luftpost-Marken: Auf der einen sieht man ein monumentales Adlerstandbild – nebst dem Löwen ein weiteres klassisches Emblem der Macht –, das von zwei Savoia Marchetti S.55-Flugzeugen überflogen wird.[62] Darunter prangt die Sentenz: „Rischiare la vita per sentir quanto vale“ [ „Das Leben riskieren, um seinen Wert zu spüren“]. Doch die zweite Luftpostmarke verdient größere Aufmerksamkeit. Wenngleich darauf kein Flugzeug an sich zu sehen ist, handelt es sich dennoch um ein aviatisches Motiv. Denn die Briefmarke wird zum einen von dem d’annunzianischen Diktum „volare necesse est“, zum anderen von dem aus der Luftperspektive gezeichneten Bild bestimmt, zu dessen künstlerischer Umsetzung Giacomo Balla, Marinetti und andere in ihrem Manifesto dell’Aeropittura vom September 1929 aufgerufen hatten.[63]
Zunächst gilt es, das d’annunzianische „volare necesse est“ etwas näher zu betrachten. Der Satz geht auf den bei Plutarch überlieferten Ausspruch des Pompeius zurück „navigare necesse est, vivere non est necesse“, den dieser an Matrosen gerichtet haben soll, die sich aufgrund eines Sturms weigerten, ihre Schiffe zu bemannen.[64] Antikisierendes Pathos niemals scheuend, verkündete D’Annunzio am 9. Juli 1919 den auf dem Flugfeld von Centocelle versammelten Fliegern, dass das nach dem Waffenstillstand verhängte Flugverbot nun aufgehoben sei: Während der letzten acht Monate hätten sich die „alten, sesselfurzenden Führer“ der Ungeduld der Flieger widersetzt, die vom „ikarischen Geist“, vom „Willen des römischen Adlers“ beseelt seien, der nun „in unseren jungen Scharen wiedergeboren scheint“: „‚Weshalb wollt ihr euer Leben aufs Spiel setzen? […] Bleibt doch ruhig am Boden.‘ […] Kameraden, das Fliegen ist nicht mehr verboten. Im Gegenteil, von heute an wird die maritime Sentenz himmlisch: volare necesse est, vivere non est necesse.“[65] Von der Ablehnung der „sesselfurzenden“ Liberalen, über die Wiedergeburt des römischen Geistes bis zur Beschwörung eines nietzscheanischen „Excelsior!“ versammelt die Rede eine Vielzahl an Topoi, die auch in späteren Jahren die Beschreibungen des beflügelten faschistischen „Neuen Menschen“ bestimmen sollten.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte D’Annunzio mit dem Roman „Forse che sì, forse che no“ (1910) begonnen, einen fliegenden Übermenschen zu kreieren. Diesem verlieh er durch eine Vielzahl publizistischer Schriften und Reden, durch den „Notturno“ (1916/1921) wie auch durch seine eigenen Taten – man denke nur an die Flugblattabwürfe über Triest, Trient und Wien – weiteren Auftrieb. D’Annunzios Flieger war ein miles christi, denn der Pilot wurde von ihm zum Heiland und das Flugzeug zum Kreuz der Erlösung einer sakralisierten Nation stilisiert.[66] Den „Neuen Menschen“ verkörperte er indes nicht allein wegen seiner Opferbereitschaft für die Nation, sondern weil er als Inbegriff des kriegerischen Willens, technischen Könnens, der Verschmelzung mit der Maschine, einer erstarkten Virilität und aristokratischen Haltung sowie der Verachtung des satten, feigen, bürgerlichen Lebens galt. Der Flieger verkörperte das „vivere pericolosamente“, das „gefährliche Leben“, jener Habitus, den nunmehr die gesamte italienische Bevölkerung einnehmen sollte.
An der Apotheose des Fliegers hatte indes nicht nur D’Annunzio maßgeblichen Anteil. Vielmehr hatten auch die Futuristen bereits vor dem Ersten Weltkrieg damit begonnen, den Flieger und das Flugzeug zu verherrlichen. Doch spätestens seit dem Manifesto dell’Aeropittura futurista aus dem Jahr 1929 brachten sie den vergöttlichten Flieger, die vom Flugzeug erzeugte Geschwindigkeit und die von ihm ermöglichte neue Perspektive auch immer häufiger ins Bild[67] – so etwa in Fedele Azaris Gemälde Teatro aereo futurista.
Die von Corrado Mezzana für die Briefmarke gewählte Perspektive ruft jedenfalls die Aufforderung der Futuristen im Manifesto dell’Aeropittura in Erinnerung, alles zu synthetisieren und zu transfigurieren. Visuell auffällig ist zunächst einmal der Effekt, der durch das Schrägstellen der rahmenden Liktorenbündel erzielt wird: das rhombusförmige Sichtfenster, das die ganze Briefmarkenserie bestimmt. Das Fenster, aus dem der Betrachter/die Betrachterin hier nach unten schaut, ist indes das eines imaginären Cockpits. Aus diesem „Flugzeug“ ist eine Vielzahl italienischer Baudenkmäler gleichzeitig zu sehen, reicht doch der synthetisierte Blick vom Mailänder Dom und der Mole Antonelliana in Turin, über den Campanile di Giotto in Florenz und den Altare della Patria in Rom bis zur Basilica di San Marco in Venedig. Diese – aus Sicht der frühen Futuristen wohl eher zu zerstörenden passatistischen Bauten – zeugten von Italiens (wiedererweckter) Größe und von seinem verdienten Platz unter den führenden Nationen.[68] Es war nicht zuletzt diese Botschaft, die das beflügelte Bilderfahrzeug im In- und Ausland verbreiten sollte.
Doch mit der in der Briefmarke zur Darstellung kommenden Perspektive aus der Luft geht mehr einher als das Preisen von Italiens Größe, Schönheit und künstlerischem Genie. Die neue Sichtweise auf die Welt, die der Blick aus dem in luftiger Höhe schwebenden Flugzeug eröffnet hatte, inspirierte in der Zwischenkriegszeit zwar zahlreiche Künstler und Architekten wie etwa Malewitsch und Le Corbusier, doch von keinem -Ismus wurden die neue Perspektive wie auch das Fluggerät selbst derart verklärt wie von den Futuristen.[69] Das gründete auch in den weiteren Konnotationen, die von der Briefmarke evoziert werden: zum einen die des Göttlichen, zum anderen die des bevorstehenden und befürchteten Kriegs aus der Luft.[70]
Unabhängig von Mezzanas Intention als auch von den hochtrabenden ästhetisch-philosophischen Vorstellungen der Futuristen ruft das Briefmarkenbild zahlreiche Topoi in Erinnerung, welche die Futuristen mit der aeropittura feierten und die sie von Anbeginn an fasziniert hatten: Der Kult der Maschine und des beflügelten Übermenschen fanden in diesem göttlichen Blick auf die italienischen Städte ebenso ihren deutlichen Ausdruck wie die Liebe zur Geschwindigkeit und zur Gefahr. Das zerstörerische Potenzial, das von der Aviatik ausging und das Marinetti bereits in Uccidiamo il Chiaro di Luna! rühmte, wird von der Briefmarke indes nicht dezidiert veranschaulicht. Im Gegensatz zu zahlreichen Gemälden der aeropittura – man denke etwa an Tulio Cralis Incuneandosi nell’abitato von 1939 – wird die vom Flugzeug ausgehende Bedrohung also höchstens indirekt evoziert, und zwar dann, wenn man danach fragt, weshalb volare necesse est oder „Fliegen not tut“.[71]
Der Erste Weltkrieg hatte zu enormen Entwicklungsschüben sowohl in der Luftaufklärung und der Luftfotografie, dem Vorläufer und Vorbild der aeropittura, als auch des Bombardements aus der Luft geführt. Die entsprechende strategische Luftkriegstheorie hatte bekanntlich Giulio Douhet in seiner 1921 erstmals erschienenen und mehrfach erweiterten Abhandlung „Il Dominio dell’aria“ [„Luftherrschaft“] vorgelegt.[72] Lange bevor das faschistische Italien in Abessinien den massiven Einsatz von Bombern und Giftgas 1935/36 in die schreckliche Tat umsetzte,[73] waren also die Befürchtungen weit verbreitet, dass der künftige Krieg ein totaler werde, in dem aus der Luft gegen Städte und ihre Bevölkerungen vorgegangen würde.
Gleich den in diesen Jahren massenhaft verbreiteten Heldenberichten, etwa Balbos „Stormi in volo sull’oceano“ [„Fliegerschwärme über dem Ozean“] von 1931, den zahlreichen Luftfahrtillustrierten, wie „L’ala d’Italia“, oder der „Esposizione dell‘aeronautica italiana“ [„Ausstellung der italienischen Luftfahrt“] von 1934 und der aeropittura selbst, leistete auch die Briefmarke einen Beitrag dazu, die „airmindedness“ der Nation, ihren „Luft(kriegs)geist“ herzustellen, ein „Volk von Fliegern“[74] zu schaffen und auf den kommenden (totalen) Krieg nicht zuletzt durch seine Ästhetisierung vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund scheint es auch naheliegend, diese Briefmarke durch die Benjamin’sche Brille zu betrachten:
„‚Fiat ars – pereat mundus‘ sagt der Faschismus und erwartet die künstlerische Befriedigung der von der Technik veränderten Sinneswahrnehmung, wie Marinetti bekennt, vom Kriege. Das ist offenbar die Vollendung des l’art pour l’art. Die Menschheit, die einst bei Homer ein Schauobjekt für die Olympischen Götter war, ist es nun für sich selbst geworden. Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuß ersten Ranges erleben läßt.“[75]
Nicht zuletzt dadurch, dass die zum zehnten Jahrestag des Marschs auf Rom emittierte Luftpostmarke der Erhöhung der „airmindedness“[76] der italienischen Nation und somit der Kriegsvorbereitung diente, stand sie in diametralem Gegensatz zu Warburgs Idea vincit. Trug Warburgs Bilderfahrzeug die Idee des europäischen Friedens in die Welt hinaus, so kündeten die faschistischen Visitenkarten von einem kommenden Krieg, für den man gewappnet sein wollte. Ganz beiläufig, in einer Fußnote, erwähnt Ulrich Raulff, dass bei Warburgs Wahl des Flieger-Motivs auch die „polemische Spannung (oder der Versuch einer Gegen-Aneignung) zu dem von Warburg gehassten Aviatiker und Dichter des Faschismus, D’Annunzio“, zu berücksichtigen sei, „wie überhaupt die gesamte Symbolpolitik Warburgs, wie sie sich konkretisiert, in spürbarer Konkurrenz zum italienischen Faschismus steht“.[77]
Es dürfte deutlich geworden sein, dass der humanistische Aufklärer Aby Warburg und das faschistische Italien die Aviatik antithetisch kodierten und ihre Briefmarken als Träger nahezu gegensätzlicher Ideen in den Dienst nahmen.[78] Warburgs Idea war ein bildgewordenes Plädoyer, an der Vorstellung des Fortschritts trotz der erschütternden Erfahrungen des Ersten Weltkriegs festzuhalten. Es galt eben immer wieder, Athen aus Alexandrien zurückzuerobern.
Während Warburgs Idea als bildgewordener europäischer Geist der Versöhnung und eines vernunftgeleiteten republikanischen Humanismus gelesen zu werden vermag, wird an den italienischen Briefmarken der von Warburg beklagte „schizophrene Machtfimmel“ des faschistischen Italiens deutlich. Im Tagebuch der K.B.W. hieß es dementsprechend: „Die Antike als Marke (fasces) führt in Italien zur Offenbarung des schizophrenen Machtfimmels: dagegen die ‚Idea Vincit‘ Strohmeyers ein Protest der ‚unpraktischen‘ Idee.“[79] Im „Geistesverkehr der menschlichen Welt“ fungierten die hier betrachteten Briefmarken des faschistischen Italiens als Träger der Idee eines virilen und heroischen „Neuen Menschen“ sowie eines kriegerischen „Volks von Fliegern“. Als technoides Totem der von Gewalt bestimmten faschistischen Gesellschaft vermögen sie aber auch deshalb verstanden zu werden, weil sie als beflügelte Überbringer der palingenetischen Idee fungierten, die im In- und Ausland das Bild der wiedergeborenen und erneuerten italienischen Nation verbreiteten.
Eine italienische Version dieses Beitrags erschien als: „Veicoli iconici“. Il motivo dell’aviazione nel ‘francobollo di Warburg’ e nel fascismo, in: Visual History. Rivista internazionale di storia e critica dell’immagine III (2017), S. 99-120. Wir danken der Herausgeberin Costanza D’Elia.
[1] Walter Benjamin, Briefmarken-Handlung, in: ders.: Einbahnstraße, Berlin 1928, S. 66-70, hier S. 68.
[2] Zu Warburg und der Philatelie siehe: Frank Zöllner, „Im Geistesverkehr der Welt“. Aby Warburg und die Philatelie, in: Das Archiv 65 (2016), H. 3, S. 14-21, sowie ders., Philatelie, politische Philatelie!, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.06.2012, Nr. 147, S. N4, online unter https://www.gko.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/kunstgeschichte/pdf/zoellner/Publikationen/Aby_Warburg-Briefmarke_FAZ_27.Juni2012.pdf. Zöllner legt hier nahe, dass Warburgs „Denken in Bildern“ ohne Berücksichtigung seiner philatelistischen Interessen nicht zu verstehen sei. Zu Benjamins Briefmarkenleidenschaft, die eben in der Einbahnstraße, aber etwa auch in seinem Radiobeitrag Briefmarkenschwindel ihren Niederschlag fand, siehe etwa: Detlev Schöttker/Steffen Haug, Benjamins Briefmarken, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 238, 14.10.2009, S. N4, online unter http://www.phila-bb.de/konferenz/SchoettkerHaug%20Benjamins-Briefmarken.pdf. Siehe zudem: Walter Benjamin, Briefmarkenschwindel, in: ders., Gesammelte Schriften VII I, hg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1991, S. 195-200.
[3] Walter Benjamin, Einbahnstraße. Werke und Nachlass. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 8, hg. von Detlev Schöttker, Frankfurt a.M. 2009, S. 190.
[4] The Warburg Institute Archive (WIA), III, 99.1.1.1, S. 17.
[5] Siehe Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. I.2, hg. v. Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1980, S. 471-508.
[6] Aby Warburg, Mnemosyne Einleitung, in: ders., Werke in einem Band, hg. v. Martin Treml/Sigrid Weigel/Perdita Ladwig, Berlin 2010, S. 629-639, hier S. 636f. Vgl. dazu auch Warburgs 1907 erschienenen Aufsatz: Aby Warburg, Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen, in: Dieter Wuttke (Hg.), Ausgewählte Schriften und Würdigungen, Baden Baden 1992³ [original: 1907], S. 165-171. Dort (S. 165) heißt es: Beim Teppich handle es sich im Gegensatz zum Fresko um ein „bewegliches Bildervehikel; dadurch wurde er in der Entwickelung der reproduzierenden Bildverbreiter gleichsam der Ahne der Druckkunst […]. In diesen beweglichen, wenn auch noch recht kostbaren, textilen Fahrzeugen überschritten lebensgroße nordische Figuren die Grenzen Frankreichs und Flanderns, um die Märchen antiker oder ritterlicher Vergangenheit im Gewande der neusten Mode ‚alla franzese‘ prunkvoll zu verbreiten […].“
[7] Warburg spricht in einem Brief vom Mai 1928 an Fritz Saxl von den „Wanderstraßen der Kultur“ siehe: Dorothea McEwan (Hg.), „Wanderstraßen der Kultur“. Die Aby Warburg-Fritz Saxl Korrespondenz 1920 bis 1929, München 2004, S. 73.
[8] Vgl. hierzu: Uwe Fleckner/Isabella Woldt, Die Funktion des Briefmarkenbildes im Geistesverkehr der Welt, in: Aby Warburg, Bilderreihen und Ausstellungen. Gesammelte Schriften Bd. II.2 hg. von Uwe Fleckner/Isabella Woldt, S. 150-189, hier S. 151: „Insbesondere Luftpostmarken, die von einem modernen Verkehrsmittel in alle Himmelsrichtungen getragen wurden, konnten ihm [Warburg] so zum Sinnbild der Mobilität von Bildern und der in ihnen transportierten Ideen werden.“
[9] Notiz vom 28.11.1926, WIA, Notizkasten 3, Bl. o. Nrg. zit. nach: Ulrich Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee. Warburg und die Vernunft in der Republik, in: ders., Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg, Göttingen 2003, S. 72-116, hier S. 76.
[10] WIA III, 99.1.1.2, S. 56.
[11] Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee, S. 76.
[12] Mario Isnenghi, L’Italia del Fascio, Florenz 1996, S. 233.
[13] Zur Entstehung dieses Warburg’schen Mantras siehe: Dieter Wuttke, Nachwort, in: ders. (Hg.), Aby M. Warburg. Ausgewählte Schriften und Würdigungen, Baden Baden 1992³, S. 601-638, hier S. 623ff.
[14] Benjamin, Briefmarken-Handlung, S. 69.
[15] Dort heißt es: „Persönliches Seit 1913 eine Kunstgeschichte d. Marke als Bedürfnis empf.“ WIA, III, 99.1.1.1, S. 17. Und in einem Brief an seinen Psychiater Ludwig Binswanger vom 16.12.1926 ist zu lesen: „Ich habe enorm zu tun, bin geistig leistungsfähig bis sogar unternehmungslustig, so daß meine hochverehrte Psyche wirklich anfängt die letzten Ausläufer selbständigen Denkens aus der Vorkriegszeit getreulich wieder auszuspinnen. So packte mich zu meiner eigenen Verwunderung ein jugendlicher Enthusiasmus für die Freimarke, deren Kunstgeschichte zu schreiben, ich schon 1913 plante.“ Siehe Universitätsarchiv Tübingen 443/31, Bl. 44, Aby Warburg an Ludwig Binswanger vom 16.12.1926.
[16] Vgl. hierzu und zum Folgenden: Uwe Fleckner/Isabella Woldt, Aby Warburg: Die Funktion der sozialen Mneme als Bewahrerin der antikisierenden Dynamo-Engramme der Gebärdensprache, in: Aby Warburg, Bilderreihen und Ausstellungen. Gesammelte Schriften Bd. II.2, hg. von Uwe Fleckner/Isabella Woldt, S. 135-149; Jost Philipp Klenner, Mussolini und der Löwe. Aby Warburg und die Anfänge der politischen Ikonographie, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 1 (2007), S. 83-98, online unter https://www.z-i-g.de/pdf/ZIG_1_2007_klenner.pdf, sowie ders., Der Duce ist nicht aus Email. Aby Warburg politisch?, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.), Ordnungen in der Krise. Zur politischen Kulturgeschichte Deutschlands 1900-1933, München 2007, S. 449-480.
[17] Brief Aby Warburgs an Mary Warburg vom 13. Februar 1924, zit. nach: Klenner, Der Duce ist nicht aus Email, S. 457.
[18] Alle Bilder lassen sich in Klenners online verfügbarem Artikel betrachten: Klenner, Mussolini und der Löwe, http://www.z-i-g.de/pdf/ZIG_1_2007_klenner.pdf [13.05.2020]. Vgl. hierzu auch: Simonetta Falasca-Zamponi, Fascist Spectacle. The Aesthetics of Power in Mussolini’s Italy, Berkeley, CA 1997, S. 68ff., sowie Stephen Gundle/Stephen Duggan/Giuliana Pieri (Hg.), The Cult of the Duce. Mussolini and the Italians, Manchester 2013. Vor dem Hintergrund der Bedeutung, die den amerikanischen „presidential pets“ zukommen sollte, ließe sich auch mutmaßen, ob eine weitere Aussage des Bildes nicht auch darin bestand, den „privaten“ Duce mit einem „Haustier“ abzubilden.
[19] Es findet sich neben einer Abbildung von Giottos Fresko Die Vogelpredigt auch auf Tafel 77 der vorletzten Fassung des Bilderatlas Mnemosyne. Siehe Aby Warburg, Der Bilderatlas Mnemosyne. Gesammelte Schriften. Studienausgabe, Bd. II.1 hg. von Martin Warnke, Berlin 2003, S. XVI.
[20] Siehe Fleckner/Woldt, Die Funktion der sozialen Mneme, S. 146.
[21] Siehe Aby Warburg, Eintrag vom 16. August 1927, in: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg. Gesammelte Schriften. Studienausgabe, Bd. VII, hg. von Karen Michels/Charlotte Schoell-Glass, Berlin 2001, S. 128. Siehe die Berichte über die Abendveranstaltung in der Lokalpresse: o.A., Die Briefmarke als Kulturdokument, in: Hamburger Fremdenblatt, 17.08.1927, Abendausgabe, sowie o.A., Die Briefmarke als Kulturdokument. Vorträge von Reichskunstwart Dr. Redslob und Professor Warburg, in: Hamburger Nachrichten, 15.08.1927.
[22] Zum Flaggenstreit 1926 siehe: Bernd Buchner, Um nationale und republikanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die politischen Symbole in der Weimarer Republik, Bonn 2001, S. 104-131. Zu Redslobs Tätigkeit, zum Amt des Reichskunstwarts sowie zu den „Mühen der Briefmarkengestaltung“ siehe: Annegret Heffen, Der Reichskunstwart. Kunstpolitik in den Jahren 1920-1933. Zu den Bemühungen um eine offizielle Reichskunstpolitik in der Weimarer Republik, Essen 1986, S. 132-139.
[23] o.A., Die Briefmarke als Kulturdokument, in: Hamburger Fremdenblatt, 17.08.1927, Abendausgabe. Im Bibliothekstagebuch hielt Warburg fest, der Abend habe sich zu einer „Symphonie“ entwickelt, „die nach meinem Ermessen, eine Hochspannung des aktiven und passiven Beteiligtseins hervorrief, wie wir sie noch nicht in der K.B.W. erlebt haben. Sie alle mitgenommen, wenn ich auch leider zugeben muss, dass ich zu lange sprach.“ Aby Warburg: Eintrag vom 16. August 1927, S. 128.
[24] Fleckner/Woldt, Die Funktion des Briefmarkenbildes, S. 154.
[25] WIA, III. 99.1.1.2, S. 58.
[26] O.A.: Die Briefmarke als Kulturdokument, in: Hamburger Nachrichten, 15.08.1927.
[27] Aby Warburg, Mediceische Feste am Hofe der Valois auf flandrischen Teppichen in der Galleria degli Uffizi, in: ders., Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance. Gesammelte Schriften, Bd. 1.1, hg. von Horst Bredekamp, Berlin 1998, S. 255-258, hier S. 258. Die Briefmarke ist unter anderem hier einzusehen: Christoph Johnson, Meditations on Tafel #61-64: Part II, http://iconology.hypotheses.org/1142 [12.02.2020].
[28] Vgl. hierzu und zum Folgenden: Emilio Gentile, Il culto del littorio. La sacralizzazione della politica nell’Italia fascista, Rom/Bari 20053, S. 74-80; Daniele Vadalà, A Bundle of Rods. Transmigration of Symbols and Spatial Rhetoric in the Architecture of Modernity, in: California Italian Studies 6 (2016), http://escholarship.org/uc/item/5jq7x3rk# [12.05.2020].
[29] Siehe Gentile, Il culto del littorio, S. 77, sowie ausführlicher: Paola S. Salvatori, Liturgie immaginate. Giacomo Boni e la romanità fascista, in: Studi Storici 53 (2012), S. 421-438.
[30] Fleckner/Woldt, Die Funktion des Briefmarkenbildes, S. 164f. Es handelt sich um eine der zum ersten Jahrestag des Marschs auf Rom emittierte Briefmarke mit der Michel-Nummer (MiNr.) 179. Hinter den behandelten Briefmarken werden auch im Folgenden die Katalognummern sowohl des deutschen Michel als auch des Bolaffi-Klassifikations-Systems angegeben (PO 272). Siehe Michel, Europa-Katalog 2015, Bd. 3 Südeuropa, hg. v. Schwaneberger Verlag Unterschleißheim 2015 sowie Bolaffi. Il catalogo dei francobelli italiani, http://www.catalogobolaffi.it/.
[31] Vgl. hierzu: Ernst H. Gombrich, Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie, Frankfurt a.M. 1981, S. 354.
[32] Vgl. Gombrich, Aby Warburg, S. 98; Horst Bredekamp, „Du lebst und thust mir nichts“. Anmerkungen zur Aktualität Aby Warburgs, in: ders./Michael Diers/Charlotte Schoell-Glass (Hg.), Aby Warburg. Akten des internationalen Symposions Hamburg 1990, Weinheim 1991, S. 1-7.
[33] Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee, S. 102.
[34] Folgende Ausführungen beruhen zu weiten Teilen auf: Fernando Esposito, Fascism, Aviation and Mythical Modernity, Basingstoke 2015, S. 49-79.
[35] Vgl. hierzu etwa: Raulff, Wilde Energien, S. 72. Dort heißt es: Warburg habe sich „vom leidenschaftlichen Anhänger des Kaiserreichs zum überzeugten Republikaner gewandelt“ und sei bereit gewesen, so schrieb er in einem Brief an seinen Bruder Max im Jahr 1928, „seine ‚republikanische geistige Freiheit gegen jedermann (zu) verteidigen‘“.
[36] Bekanntlich stammt Warburg aus der Bankiersfamilie Warburg, die 1798 das Bankhaus M.M. Warburg & Co. gründete, das zu einer der führenden, international tätigen Privatbanken Hamburgs, ja ganz Deutschlands geworden war. Siehe hierzu: Eduard Rosenbaum/Ari J. Sherman, Das Bankhaus M.M. Warburg & Co. 1798-1938, Hamburg 1978². Speziell zu Aby Warburgs Bruder Max und seiner Zeit an der Spitze des Bankhauses sowie seiner Politik siehe: Niall Ferguson, Max Warburg and German Politics. The Limits of Financial Power in Wilhelmine Germany, in: Geoff Eley/James Retallack (Hg.), Wilhelminism and its Legacies. German Modernities, Imperialism, and the Meanings of Reform, 1890-1930, Oxford 2003.
[37] Nicht zuletzt als Reaktion auf den während des Kriegs erstarkenden Antisemitismus hatte sich Warburg vom konservativen Monarchisten und Nationalisten zu einem liberalen Verfechter der neuen Republik gewandelt.Siehe Mark A. Russell, Between Tradition and Modernity. Aby Warburg and the Public Purposes of Art in Hamburg, 1896-1918, New York 2007; Charlotte Schoell-Glass, Aby Warburg und der Antisemitismus. Kulturwissenschaft als Geistespolitik, Frankfurt a.M. 1998.
[38] Siehe Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee, siehe: Dorothea McEwan, IDEA VINCIT – „Die siegende, fliegende ‚Idea‘“. Ein künstlerischer Auftrag von Aby Warburg, in: Sabine Flach/Inge Münz-Koenen/Marianne Streisand (Hg.), Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien, München 2005, S. 121-151; Karen Michels/Charlotte Schoell-Glass, Aby Warburg et les timbres en tant que document culturel, in: Protée 30 (2002), H. 2, S. 85-94, online unter https://www.erudit.org/en/journals/pr/2002-v30-n2-pr535/006734ar.pdf [12.05.2020].
[39] Eintrag Aby Warburg vom 21.12.1926, in: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek, S. 23f.
[40] Eintrag Aby Warburg vom 20.12.1926, in: ders., Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek, S. 37. Als Warburg erkrankte, war der Kunsthistoriker Fritz Saxl kommissarischer Leiter der K.B.W. Nach Warburgs Tod 1929 leitete er die K.B.W. und überführte sie gemeinsam mit Gertrud Bing 1933 nach London.
[41] WIA, GC (General Correspondence), A. Warburg an Otto Strohmeyer, 21.12.1926.
[42] Siehe Eintrag Aby Warburg vom 26.12.1926, in: ders., Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek, S. 26.
[43] Universitätsarchiv Tübingen 443/31, Blatt 46.
[44] Zum Vertrag von Locarno und der Stabilisierung der europäischen Beziehungen siehe: Ralph Blessing, Der mögliche Frieden. Die Modernisierung der Außenpolitik und die deutsch-französischen Beziehungen 1923-1929, München 2008.
[45] WIA, GC, Aby Warburg an Cyrus Adler, 01.02.1927.
[46] Eintrag Aby Warburg vom 09.09.1928, in: ders., Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek, S. 340.
[47] Siehe Aby Warburg, Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten, in: ders., Werke in einem Band, hg. v. Martin Treml/Sigrid Weigel/Perdita Ladwig, Berlin 2010, S. 424-491, hier S. 484f. Dort heißt es: „Wir sind im Zeitalter des Faust, wo sich der moderne Wissenschaftler – zwischen magischer Praktik und kosmologischer Mathematik – den Denkraum der Besonnenheit zwischen sich und dem Objekt zu erringen versuchte. Athen will eben immer wieder neu aus Alexandrien zurückerobert sein.“ Warburgs Ausführungen sind naturgemäß vor dem Kontext des Ersten Weltkriegs zu verstehen, in dem sie verfasst wurden, und betrafen insofern nicht allein Luthers Zeiten, sondern auch die eigenen. Auch in den 1920er Jahren galt es aus Sicht Warburgs, erneut die Welt zu entzaubern und das Athen des Logos aus dem mythischen Alexandrien zurückzuerobern.
[48] Sowohl Cassirer als auch Panofsky hatten sich in den vorausgegangenen Jahren intensiv mit der Ideenlehre beschäftigt und versucht, ihre eigene Symbol- respektive Kunsttheorie im Verhältnis zur platonischen „Ästhetik“ zu positionieren. Siehe etwa: Ernst Cassirer, Eidos und Eidolon. Das Problem des Schönen und der Kunst in Platons Dialogen, in: Vorträge der Bibliothek Warburg, Bd. 2, Leipzig 1924, S. 1-27, sowie Erwin Panofsky, „Idea“. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, Leipzig 1924.
[49] Siehe Aby Warburg, Schlangenritual. Ein Reisebericht, Berlin 1988 [original 1923], S. 56f.
[50] Vgl. hierzu Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee, S. 103.
[51] Siehe Briefmarkentafel 4 in: Fleckner/Woldt, Die Funktion des Briefmarkenbildes, S. 164f.
[52] Nachdem bereits während des Ersten Weltkriegs versuchsweise zwei Luftpostmarken emittiert wurden, erschienen die ersten italienischen Luftpostmarken am 15. März 1926 (MiNr. 230-33, 270-71, 279-80/A3-A9) und trugen das Konterfei Vittorio Emanueles III. Erst am 12. März 1930 erschien eine Briefmarke mit einem zu einem Pfeil stilisierten Flugzeug (MiNr. 331/A17). Die am 9. Dezember 1930 emittierte Luftpostmarke (MiNr. 361/A27), auf der mit der Abbildung mehrerer Savoia Marchetti S.55-Flugzeuge Balbos erste Atlantiküberquerung gefeiert wurde, wird unten näher behandelt.
[53] O.A., Die Briefmarke als Kulturdokument, in: Hamburger Nachrichten, 15. 08.1927.
[54] Siehe Gerhard Paul, Visual History, Version: 3.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 13.03.2014, http://docupedia.de/zg/paul_visual_history_v3_de_2014 [13.05.2020].
[55] Vgl. hierzu Esposito, Fascism, Aviation and Mythical Modernity, sowie Felix Philipp Ingold, Literatur und Aviatik. Europäische Flugdichtung 1909-1927, Frankfurt a.M. 1980; Robert Wohl, A Passion for Wings. Aviation and the Western Imagination 1908-1918, New Haven, CT 1994; ders., The Spectacle of Flight. Aviation and the Western Imagination 1920-1950, New Haven, CT 2005.
[56] Benito Mussolini, Volare!, in: Il Popolo d’Italia vom 20.08.1919, zit. nach Ministero dell’Aeronautica (Hg.), L’aviazione negli scritti e nella parola del Duce, Rom 1937, S. 31.
[57] Vgl. Roger Griffin, The Nature of Fascism, London 1991, S. 26: „Fascism is a genus of political ideology whose mythic core in its various permutations is a palingenetic form of populist ultra-nationalism.” Zur Zentralität der Palingenese für die faschistische Ideologie siehe zudem insbesondere: Emilio Gentile, Le origini dell’ideologia fascista, 1918-1925, Rom/Bari 1975; Roger Griffin, Modernism and Fascism. The Sense of a Beginning under Mussolini and Hitler, Basingstoke 2007.
[58] Ausführlich hierzu Esposito, Fascism, Aviation and Mythical Modernity. Siehe zudem etwa: Gentile, Il culto del littorio; ders., L’„uomo nuovo“ del fascismo. Riflessioni su un esperimento totalitario di rivoluzione antropologica, in: ders., Fascismo. Storia e interpretazione, Rom/Bari 2005, S. 235-264.
[59] Siehe etwa Guido Mattioli, Mussolini aviatore e la sua opera per l’aviazione, Rom 1935/36, S. 2.
[60] Siehe Michael A. Ledeen, The First Duce. D’Annunzio at Fiume, Baltimore, MD 1977. Bereits 1924 hatte der britische Journalist Sisley Huddleston DʼAnnunzio als „Johannes der Täufer“ Mussolinis bezeichnet. Siehe dazu John Woodhouse, Gabriele D’Annunzio. Defiant Archangel, Oxford 1998, S. 3. Zu den Futuristen und dem Faschismus siehe insbesondere: Emilio Gentile, „La nostra sfida alle stelle“. Futuristi in Politica, Rom/Bari 2009.
[61] Zum Decennale, der Mostra della Rivoluzione und für weitere Literatur siehe: Antonio Morena, Mussolini’s Decennale. Aura and Mythmaking in Fascist Italy, Toronto 2015.
[62] MiNr. 431/A42. Damit werden natürlich Italo Balbos Massenflüge zitiert. Balbo war am 17. Dezember 1930 mit 14 Savoia Marchetti S.55 in Richtung Rio de Janeiro aufgebrochen, wo 11 Flugzeuge am 15. Januar 1931 landeten. Zur Feier des Decennale sollte Balbo 1933 nach Chicago aufbrechen.
[63] Das Manifesto dell’Aeropittura wurde in der Turiner „Gazzetta del Popolo“ am 22.09.1929 sowie auf Französisch in der Pariser „Comoedia“ am 14.02.1931 publiziert. Zudem erschien es erneut in „Artecrazia“, dem Supplement der Zeitschrift „Futurismo“ im Juli 1932 sowie nochmals auf Französisch in „Stile Futurista“ im August 1934. Unterzeichnet war es von Giacomo Balla, Benedetta (Cappa Marinetti), Fortunato Depero, Gerardo Dottori, Fillia (Luigi Colombo), Filippo Tommaso Marinetti, Enrico Pampolini, Mino Somenzi und Tato (Guglielmo Sansoni). Siehe hierzu Filippo T. Marinetti, Teoria e invenzione futurista, hg. v. Luciano De Maria, Mailand 1983 [repr.], S. CXXXIII. Fortan als TIF zitiert.
[64] Plut. Pomp. 50.
[65] Gabriele D’Annunzio, L’Ala d’Italia è liberata, in: ders., Il sudore di sangue, in: ders., Prose di ricerca, Bd. 1, hg. v. Annamaria Andreoli/Giorgio Zanetti, Mailand 2005 [original 1919], S. 741-932, hier S. 879-894, S. 882.
[66] Gabriele D’Annunzio, La fede nell’aviazione italiana, in: ders., Scritti giornalistici 1889-1938, Bd. 2, hg. und eingeleitet von Annamaria Andreoli, Mailand 2003 [original 1918], S. 736-738.
[67] Siehe Giacomo Balla u.a., Manifesto della aeropittura, in: TIF, S. 197-201. Zur aeropittura im Allgemeinen siehe etwa: Susanne von Falkenhausen, Der Zweite Futurismus und die Kunstpolitik des Faschismus in Italien von 1922-1943, Frankfurt a.M. 1979, S. 140-189; Claudia Salaris, aero … futurismo e mito del volo, Rom 1985.
[68] Zu den Verwandlungen der futuristischen Generationen und den Versuchen, zur faschistischen Staatskunst zu werden, siehe etwa: Monica Cioli, Il fascismo e la ‘sua’ arte: Dottrina e istituzioni tra futurismo e Novecento, Florenz 2011; Marla Susan Stone, The Patron State. Culture and Politics in Fascist Italy, Princeton, NJ 1998; Maurizio Scudiero, Die Metamorphosen des Futurismus, von der futuristischen Rekonstruktion des Universums zur mechanischen Kunst. Die Kunst tritt ins Leben ein, in: Ingo Bartsch/ders. (Hg.), … auch wir Maschinen, auch wir mechanisiert! … Die zweite Phase des italienischen Futurismus 1915-1945, Bielefeld 2002, S. 15-29. Scudiero geht von einer stärker „erdverbundenen“, den geschwindigkeitserzeugenden Mitteln des 19. Jahrhunderts, also dem Zug, der Straßenbahn und dem Fahrrad stärker verhafteten ersten futuristischen Generation aus, auf die dann eine zweite und dritte Generation folgt, die „im Zeichen der ‚Befreiung von der Erde‘“ geboren wird (S. 24).
[69] Siehe hierzu Christoph Asendorf, Super Constellation. Flugzeug und Raumrevolution. Die Wirkung der Luftfahrt auf Kunst und Kultur der Moderne, Wien u.a. 1997; Felix Philipp Ingold, Literatur und Aviatik. Europäische Flugdichtung 1909-1927, Frankfurt a.M.1980, S. 300-335.
[70] Vgl. hierzu und zum Folgenden: Emily Braun, Shock and Awe. Futurist Aeropittura and the Theories of Giulio Douhet, in: Vivien Greene, Italian Futurism, 1909-1944. Reconstructing the Universe, New York 2014, S. 269-273. Siehe zudem: Gudrun Escher, Aeropittura – Arte Sacra Futurista. Die futuristische Flugmalerei im Kontext von Fluggeschichte und zeitgenössischer Kunst, in: Bartsch/Scudiero (Hg.), … auch wir Maschinen, auch wir mechanisiert!, S. 47-56.
[71] Siehe dazu den von Ernst Jünger 1928 herausgegebenen Band: Ernst Jünger (Hg.), Luftfahrt ist not!, Berlin 1928.
[72] Zu Douhet siehe Thomas Hippler, Bombing the People: Giulio Douhet and the Foundations of Air-Power Strategy, 1884-1939, Cambridge 2013.
[73] Siehe dazu etwa Aram Mattioli, Entgrenzte Kriegsgewalt. Der italienische Giftgaseinsatz in Abessinien 1935-1936, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 51 (2003), S. 311-337, online unter https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2003_3_1_mattioli.pdf.
[74] Peter Fritzsche, A Nation of Fliers. German Aviation and the Popular Imagination, Cambridge, MA 1992. Gleich den italienischen Faschisten trachteten auch die Nationalsozialisten danach, ein „Volk von Fliegern“ hervorzubringen. Bei einer Rede am 24. Juni 1934 anlässlich des Deutschlandflugs verkündete Hermann Göring: „Die deutsche Fliegerei hat den alten Stand erreicht, sie ist erfüllt von dem alten Geist, auch wenn sie auf anderem Boden arbeitet. […] Das junge Deutschland soll in gleicher Leidenschaft zu Fliegern erzogen werden, damit das deutsche Volk ein Volk von Fliegern wird.“ Hermann Göring, Der alte Fliegergeist lebt. Rede zum Abschluss des Deutschlandfluges am 24. Juni 1934, in: Erich Gritzbach (Hg.), Hermann Göring. Reden und Aufsätze, München 1938, S. 121-124, hier S. 122.
[75] Benjamin, Das Kunstwerk, S. 469.
[76] Siehe auch Peter Fritzsche, Machine Dreams. Airmindedness and the Reinvention of Germany, in: American Historical Review 98 (1993), S. 685-709, hier S. 689f.
[77] Raulff, Der aufhaltsame Aufstieg einer Idee, S. 103. Siehe hierzu: Fernando Esposito, Warburg und D’Annunzio – Antipoden? Oder warum Athen immer wieder aus Alexandrien zurückerobert sein will, in: Gottfried Korff (Hg.), Kasten 117. Aby Warburg und der Aberglaube im Ersten Weltkrieg, Tübingen 2007, S. 301-323.
[78] Was Warburg bereits in seiner 1920 publizierten Arbeit „Heidnisch-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten“ im Hinblick auf die Druckkunst festgehalten hatte, war im Falle der Briefmarken jedenfalls umso zutreffender geworden: „War schon durch den Druck mit beweglichen Lettern der gelehrte Gedanke aviatisch geworden, so gewann jetzt durch die Bilderdruckkunst auch die bildliche Vorstellung, deren Sprache noch dazu international verständlich war, Schwingen, und zwischen Norden und Süden jagten nun diese aufregenden ominösen Sturmvögel hin und her, während jede Partei versuchte, die ‚Schlagbilder‘ (wie man sagen könnte) der kosmologischen Sensation in den Dienst ihrer Sache zu stellen.“ Warburg, Heidnisch-antike Weissagung, S. 456.
[79] Eintrag Aby Warburg vom 29.12.1926, in: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek, S. 39.
Zitation
Fernando Esposito, Beflügelte Bilderfahrzeuge für und wider Krieg und Faschismus, in: Visual History, 18.05.2020, https://visual-history.de/2020/05/18/befluegelte-bilderfahrzeuge-fuer-und-wider-krieg-und-faschismus/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1757
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