Zwischen Raubgut, Fremddarstellungen und menschlichen Überresten – Sammlungsstrategien und sensible Objekte

 

„WARNING: Aboriginal and Torres Strait Islander viewers are advised that the following program may contain images and/or audio of deceased persons.“ (Abb. 1)

Australiens Nationalarchiv für Film und Tondokumente warnt mit diesem Hinweis vor dem Anschauen des Films „Crocodile Dundee“. Es könnten inzwischen verstorbene Schauspieler der First Australians zu sehen sein.

Screenshot der Website des australischen Nationalarchivs für Film und Tondokumente, National Film and Sound Archive of Australia, mit freundlicher Genehmigung, https://www.nfsa.gov.au/collection/curated/crocodile-dundee-you-cant-take-my-photograph [15.12.2020]

Viele Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen vermeiden Darstellungen von kürzlich Verstorbenen in Filmen oder auf Fotos sowie die Nennung ihrer Namen. Dies gilt als schmerzhaft und respektlos den Angehörigen gegenüber und könnte den Übergangsprozess des Toten ins Jenseits stören. Ob und wie lange diese Vermeidungsgebote bis hin zu Darstellungs- und Nennungsverboten angewandt werden, ist abhängig von den unterschiedlichen Communities der First Australians sowie individuellen ethischen Vorstellungen von Angehörigen.

Das australische Nationalarchiv entschied sich bei der digitalen Präsentation seiner Film- und Fotosammlung für den oben erwähnten Warnhinweis – um der Verletzung von Gefühlen vorzubeugen und Respekt gegenüber den kulturellen Werten der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen auszudrücken. Die Abbildungen von verstorbenen First Australians würden einige Wissenschaftler*innen als „kulturell sensibel“ bezeichnen.

Wie gehen andere Archive, Museen, Universitäten und weitere Institutionen mit sensiblen Bildern und Objekten in ihren Sammlungen um? Was sind Problemfelder und Lösungsansätze? Transparenz und Partizipation sind zwei zentrale Stichworte hinsichtlich des Umgangs mit sensiblen Objekten in Sammlungen.

 

Sensible Objekte: Problematische Aneignung und inhaltliche Bedenken

Sensible Objekte – damit sind im musealen Kontext zwei Kategorien bildlicher, auditiver, schriftlicher oder dinglicher Zeugnisse gemeint. Die eine Gruppe umfasst Objekte oder Dokumente mit zweifelhafter Provenienz.[1] Sie weisen problematische Aneignungsgeschichten auf, die unter Zwang, Gewalteinwirkung oder asymmetrischen Machtverhältnissen stattfanden. Beutestücke und Raubgut europäischer Forscher und kolonialer Eroberer sowie Kunstschätze aus dem nationalsozialistischen Kulturgutraub in Europa gehören dazu. Neu aufkommende Konflikte und Kriege versorgen den internationalen Kunstmarkt weiterhin mit Kulturgütern zweifelhafter Provenienz.

Zur zweiten Gruppe sensibler Objekte gehören Bilder, Dokumente oder Gegenstände, die aus inhaltlichen Gründen problematisch sind. Hier geht es beispielsweise um rassistische Fremddarstellungen wie NS-Fotografien von KZ-Häftlingen. Die anfangs erwähnten Abbildungen verstorbener First Australians gehören ebenfalls dazu, da sie die ethischen Codes des Zeigbaren einiger australischer Communities verletzen. Menschliche Überreste, die auf Wunsch von Angehörigen oder Herkunftsgesellschaften bestattet oder restituiert werden sollten, sind auch Teil davon. Viele Objekte weisen „mehrere Sensibilitäten“ auf und können zu beiden Kategorien gehören.[2]

Die Debatten zur problematischen Herkunft oder Provenienz von Objekten nahmen besonders mit der Washingtoner Erklärung 1998 an Fahrt auf. Verschiedene Ereignisse beschleunigten diese Entwicklung. Beispielhaft seien hier die Debatten um die Planung des Berliner Humboldt Forums seit den 2000er Jahren mit seinen sensiblen außereuropäischen Objektbeständen, der Fund von möglichem NS-Raubgut bei Cornelius Gurlitt 2012[3] und die Überarbeitung des deutschen Kulturgutschutzgesetzes von 2016 genannt. Seitdem wurden Professuren zu Provenienzforschung in Universitäten und Provenienzforschungsabteilungen in Museen eingerichtet. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste nahm neben der Beschäftigung mit NS-Raubkunst Themen wie die Erforschung von Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR oder von Objekten aus kolonialen Kontexten in seine Förderrichtlinien auf.[4]

Die Debatten beflügelten Diskussionen über einen möglichen Bedarf der Erforschung von Sammlungen und ihre Überprüfung auf ungeklärte ethische Fragen, die zunehmend über die Frage nach der Herkunft der Objekte hinausgingen. Wissenschaftler*innen forderten die Teilhabe der Herkunftsgesellschaften an der Erforschung der Sammlungen. Zudem gebe es strukturelle Probleme bei der Umsetzung der Erforschung der Sammlungsbestände in den Einrichtungen: Die Nachhaltigkeit der vorwiegend befristeten Projekte sowie angestellten Mitarbeiter*innen sei schlecht, und die Einbindung der Bestandserforschung in die Budgetplanung der Museen fehle.[5]

Die Washingtoner Erklärung von 1998 forderte Eigeninitiative der staatlichen Kulturinstitutionen bei der Erforschung der Sammlungen und der Suche nach NS-Raubgut. Die UNESCO verabschiedete bereits 1970 eine Konvention über Maßnahmen gegen den illegalen Handel mit Kulturgut.[6] Der aktuelle „Code of Ethics“ des Internationalen Museumsrats (ICOM) empfiehlt Rückgaben von menschlichen Überresten und religiös bedeutsamen Gütern, den Schutz kultureller und biologischer Artenvielfalt und die Beachtung der Interessen der Herkunftsgesellschaften von Objekten bei der Sammeltätigkeit, der Objektdokumentation und der öffentlichen Präsentation der Bestände.[7] Das deutsche Kulturgutschutzgesetz von 2016 verbietet den Erwerb oder Verkauf geraubter Objekte für staatliche Institutionen sowie private Sammler*innen.[8] Bis auf das Gesetz von 2016 ist keine der genannten Richtlinien in Deutschland rechtlich bindend. Die Akteur*innen vor Ort sind angehalten, die Konventionen zu befolgen, Geschäftsgänge zu entwickeln und Ressourcen für die Provenienzforschung bereitzustellen.

 

Transparenz: Sensible Objekte zwischen Theorie und Praxis

Die Forderung nach weltweit zugänglichen digitalisierten Museumssammlungen und Archivbeständen mit Objektabbildungen und Hintergrundinformationen ist nicht neu, jedoch nach wie vor aktuell. Dies zeigt der 2019 in der „Zeit“ veröffentlichte offene Brief von Kulturschaffenden aus Afrika und Europa an die deutsche Kulturministerkonferenz: „Wir fordern freien Zugang zu den Museumsinventaren afrikanischer Objekte in Deutschland!“ Einen „unbeschränkten Zugang“ zu den Sammlungen „ohne Abhängigkeit von deutschen Partnern“ und ohne „individuell die einzelnen Museen in Deutschland kontaktieren und den Zugang zu Informationen erbitten“ zu müssen. Dies führe zu „Doppelungen, Mehraufwand, Intransparenz, Abschreckung und nicht selten zum Scheitern“ der Forschungsprojekte und der Rückgabeersuche.[9]

Bei der digitalen Veröffentlichung von Sammlungen geht es nicht nur um Restitution. Solche „Online Collections“ bieten Erben und Herkunftsgesellschaften auch die Möglichkeit, die Beachtung ihrer ethischen Codes einfordern zu können. Das Ergebnis einer Studie des Instituts für Museumsforschung zeigt, dass die meisten deutschen Museen im Jahr 2018 keine Informationen über ihre Objekte online zur Verfügung stellten. 30 Prozent präsentierten digital lediglich ausgewählte Objekte mit Hintergrundinformationen.[10]

Voraussetzung für den digitalen Zugang zu einer Sammlung ist eine Erschließung und Dokumentation der Bestände. Vielfach wissen die Mitarbeiter*innen der Museen jedoch nicht, wie viele Objekte in ihren Depots liegen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ von Museumsleiter*innen und Kurator*innen in Deutschland erfuhr. Das Unwissen, so heißt es, beziehe sich auf Hunderttausende Objekte in den Einrichtungen. Es herrsche „totales Chaos“, so eine der Interviewten gegenüber der Zeitung.[11]

Provenienzforscher*innen in Institutionen berichten ebenfalls immer wieder davon, sich vor der Erforschung der Objektgeschichten zunächst mit der Inventarisierung von Beständen und ihrer Einarbeitung in Objektdatenbanken beschäftigen zu müssen.[12] Für eine systematische Bearbeitung und Erforschung der Sammlungen ist aufgrund der Masse der Objekte und der ständig wechselnden befristeten Mitarbeiter*innen die Dokumentation der Bestände in Datenbanken alternativlos. Nur knapp 40 Prozent der deutschen Museen gaben 2016 an, Objektdatenbanken zu führen. Nur 20 Prozent hatten nach eigenen Angaben nahezu alle Objekte erfasst. Zwar ist hier eine steigende Tendenz auszumachen, jedoch ist die vollständige digitale Inventarisierung selbst in großen Häusern noch nicht erreicht.[13] Die Erfassung und Veröffentlichung der Objekte – eigentlich eine Voraussetzung für die Erforschung der Bestände und die Teilhabe der Erben und Herkunftsgesellschaften – ist oft erst das Ergebnis jahrelanger Katalogisierungs-, Digitalisierungs- und Forschungsarbeit. 70 Mitarbeiter*innen waren im Pariser Musée du quai Branly sechs Jahre lang damit beschäftigt, alle 320.000 Objekte inklusive der gescannten Inventare online anzuzeigen. Einen Personalschlüssel wie das französische Museum haben aber nur wenige Institutionen.[14]

 

Partizipation: Den Diskurs über die eigene Geschichte prägen

„Provenienzforschung als ein Nacherzählen der Stationen des Erwerbs und der Aneignung der Dinge durch Europäer greift zu kurz und ist eurozentrisch“, stellte die Ethnologin Larissa Förster fest. Sie forderte eine verstärkte Zusammenarbeit mit Vertreter*innen aus den Herkunftsgesellschaften der Sammlungsobjekte: „Es geht um ein neues Paradigma: um die gemeinsame – einvernehmliche, aber möglicherweise durchaus kontroverse – Produktion von Wissen über diese Sammlungen.“[15]

Förster hatte bei ihrer Forderung nach Partizipation der Gesellschaften, deren Geschichte in den Sammlungen repräsentiert wird, vor allem außereuropäische Länder im Blick. Ihre Forderung ist jedoch genauso bedeutsam für die Sammlungsstrategien in Museen mit anderen inhaltlichen Schwerpunkten, beispielsweise mit dem Fokus auf Migrations- und Fluchtbewegungen oder den Holocaust. Dies betrifft besonders gesellschaftlich benachteiligte oder verfolgte Gruppen, deren Selbstzeugnisse aufgrund von Gewaltkontexten auf der Flucht oder in Gefangenschaft zerstört wurden oder deren Sammlung nicht im Fokus der Akteur*innen der dokumentierenden Institutionen stand. Forscher*innen sprechen sogar vom participate turn.[16]

In der musealen Holocaust-Repräsentation geriet die Teilhabe der Zeitzeug*innen an der Interpretation der Objekte und damit ihre Geschichte, die Bedeutung von Selbstdarstellungen in Form von Oral History und Selbstzeugnissen aus der Zeit des Nationalsozialismus in den 1990er Jahren zunehmend in den Fokus. Sensible Objekte wie Fremddarstellungen, NS-Fotografien von KZ-Häftlingen beispielsweise, sollten nicht mehr den Großteil der Sammlungsbestände und damit der Ausstellungen ausmachen. Aufgrund der besseren Quellenlage hatten Fremddarstellungen zahlreiche Sammlungen von Institutionen zum Holocaust dominiert, die nicht wie jüdische Museen auf die jüdische Geschichte fokussierten. In den 1990er Jahren begannen zahlreiche Gedenkstätten und Museen, wie das Imperial War Museum in London anlässlich der Überarbeitung der Dauerausstellung zum Holocaust, systematisch mit der Sammlung von Selbstzeugnissen. Viele Institutionen stießen zudem partizipative Projekte mit Zeitzeug*innen und ihren Nachkommen an.[17] Sammlungen und Ausstellungen zeugen heute von einem stärkeren Bewusstsein für die Problematik von Fremddarstellungen in Museen (Abb. 2 und 3).[18]

Abb. 2: Bergung des Ringelblum-Archivs durch zwei der Überlebenden des Untergrundarchivs, Hirsch Wasser und Rachel Auerbach, 1946 in Warschau. Fotograf*in: unbekannt. Präsentiert in der Sonderausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“ im Deutsch-Russischen Museum in Berlin 2020/21, Quelle: Ghetto Fighters’ House Museum, Israel/Photo Archive © mit freundlicher Genehmigung

Abb. 3: Die Fotos in dem Tagebuch zeigen die jüdische Berlinerin Felice Schragenheim mit ihrer Lebensgefährtin kurz vor der Deportation nach Theresienstadt 1944. Schragenheim stirbt vermutlich 1945 auf dem Weg nach Bergen-Belsen oder im Lager. Präsentiert in der Sonderausstellung „Von Casablanca nach Karlshorst“ im Deutsch-Russischen Museum in Berlin 2020/21, Tagebuch: Jüdisches Museum Berlin, Sammlung Elisabeth Wust und Felice Schragenheim, Schenkung von Elisabeth Wust © – Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung

Abseits der musealen Holocaustpräsentation standen Themen wie die Teilhabe an der Dokumentation der eigenen Geschichte und die Sammlung von Selbstzeugnissen in vielen Kulturinstitutionen bislang eher nicht im Fokus. Eine einseitige Quellenüberlieferung erschwert zudem die Sammlung von Selbstzeugnissen. „Fast alle erhaltenen Zeugnisse spiegeln den vorurteilsbeladenen, zumeist abschätzigen Blick der Mehrheitsgesellschaft“, beschreibt das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma die Quellenlage.[19] Auch die späte Gründung einer europäischen Institution zur kulturellen und künstlerischen Repräsentation der Roma im Jahr 2018 in Berlin verdeutlicht den Nachholbedarf. „Wir wollen den Diskurs über die Roma selbst prägen“, formuliert die Leiterin des European Roma Institute for Arts and Culture (ERIAC), Timea Junghaus, die Ziele ihres Hauses.[20]

In ethnologischen Museen stellt sich die Situation anders dar: Es sind zahlreiche Selbstzeugnisse vorhanden, jedoch sind sie oft ihren Bedeutungszusammenhängen entrissen worden und erfordern einen spezifischen Umgang – den ethischen Codes der Herkunftsgesellschaften entsprechend.

Andrea Scholz vom Ethnologischen Museum in Berlin fand mithilfe von Projektpartner*innen der Region um den oberen Rio Negro in Südamerika Erstaunliches heraus: Die in den Berliner Depots des Museums lagernden Objekte aus dem Amazonasgebiet sind für die Bewohner*innen aus der Region lebende Wesen. Der Umgang mit ihnen muss nach bestimmten, aber inzwischen in Vergessenheit geratenen Regeln erfolgen. Die Restitution nach Südamerika sei daher nicht gewollt: In „fremden und unkundigen Händen“ könnten die Objekte Krankheiten auslösen. Es sei auch nicht mehr bekannt, zu welcher ethnischen Gruppe sie genau gehörten. Die Projektpartner*innen aus dem Amazonasgebiet wünschten sich jedoch regelmäßigen virtuellen und physischen Kontakt zu den Objekten in Form von Depotbesuchen und digitalen Bildern. Auf diese Weise könnten sie in Vergessenheit geratene kulturelle Praktiken lebendig halten und weitergeben.

Nach dem ersten Besuch hat eine der Schulen am oberen Rio Negro Repliken der Objekte aus „nicht heiligen“ und „ungefährlichen“ Materialien anfertigen lassen. Sie gibt nun die in Vergessenheit geratenen Praktiken an die Schüler*innen weiter.[21] Das Beispiel verdeutlicht, dass Provenienzforschung mehr als nur die Frage nach der Herkunft der Objekte leisten kann und sollte: Anstatt der Restitution war die Weitergabe kultureller Praktiken für die Projektmitarbeiter*innen aus dem Amazonasgebiet von Bedeutung. In dem speziellen Fall der lebenden Objekte war die Restitution sogar nicht erwünscht.

Ein Beispiel für eine nicht projektbasierte, sondern systematische, im Museumsalltag verankerte, partizipative Sammlungsstrategie liefert das National Museum of Australia. „A policy is not enough […]. The management strategy must become habit“, erklärt Michael Pickering, Head of the Research Centre am National Museum of Australia, die Sammlungsstrategie.[22] Das australische Nationalmuseum organisiert gemeinsam mit den verschiedenen Communities der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen eine sich inhaltlich ständig aktualisierende Sammlung: Das Museum teilt neu eintreffende Materialien im Depot sofort in potenziell problematische und unproblematische Neuzugänge ein und lädt die First Australians unter den Besucher*innen zur Besichtigung und Bewertung der neuen, aber auch der alten Sammlungsstücke ein. Auf diese Weise können die verschiedenen Communities Australiens ihre heiligen oder für die Präsentation in der Öffentlichkeit verbotene Malereien, Symbole oder Gegenstände identifizieren und Restitutionen einfordern. Die Kurator*innen können über die Teilhabe der verschiedenen Communities mit ihren unterschiedlichen ethischen Codes identifizierte heilige oder verbotene Inhalte entfernen oder überkleben.

Diese Praktik wird in den Depots der Sammlung sowie in den Ausstellungen umgesetzt. Eine Folge der Partizipation der indigenen Besucher*innen sowie der ethnischen Diversität der Museumsmitarbeiter*innen im Nationalmuseum Australiens sind zudem Schenkungen und Dauerleihgaben neuer Objekte. Die häufig geäußerte „Angst vor leeren Museen“[23] als Folge von Partizipation und Restitutionen erscheint unbegründet. Die leeren oder mit Hinweisen überklebten Vitrinen und Exponate informieren die Besucher*innen zudem über die kulturellen Praktiken der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen, erläutert Pickering. Die Schilder ähneln dem Warnhinweis bei der eingangs erwähnten Filmsequenz von „Crocodile Dundee“ im Nationalarchiv Australiens.[24]

Auf Archive und Universitäten, Gedenkstätten und Museen warten auch nach den zahlreichen Forschungsprojekten zu sensiblen Objekten im Jahr 2020 einige Herausforderungen hinsichtlich Transparenz und Partizipation bei ihren Sammlungsstrategien: Altlasten bei der Objektinventarisierung müssen aufgearbeitet, die Bestände erforscht und veröffentlicht, die Balance zwischen Selbstzeugnissen und Fremddarstellungen geprüft werden. Die dauerhafte Teilhabe von Personengruppen, deren Geschichte(n) die Einrichtungen präsentieren und erforschen, sollte zudem ebenfalls institutionalisiert werden.

 

 

[1] Vgl. hierzu auch den Beitrag: Anika Kreft, Vernichtungskrieg und Provenienzforschung. Der nationalsozialistische Kulturgutraub in Osteuropa, in: Visual History, 14.12.2020, https://visual-history.de/2020/12/14/vernichtungskrieg-und-provenienzforschung/ [15.12.2020].

[2] Zu den verschiedenen Gruppen von „sensiblen Objekten“ vgl. Anna-Maria Brandstetter/Vera Hierholzer (Hg.), Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Göttingen 2018, online unter https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.14220/9783737008082 [15.12.2020].

[3] Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste beschreibt in seinem Abschlussbericht zur Provenienzrecherche Gurlitt insgesamt 1566 Werke, von denen neun als wahrscheinliche NS-Raubkunst und fünf als gesicherte Raubkunst geführt werden, vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Ergebnisse. Zahlen zu den Einzelpositionen des Kunstfundes Gurlitt, https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/ProjektGurlitt/Provenienzrecherche-Gurlitt/Arbeitsergebnisse/Index.html [15.12.2020].

[4] Einen Überblick über vergangene und aktuelle Forschungsprojekte und Ausstellungen mit dem Fokus auf NS-Raubkunst gibt das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, https://www.kulturgutverluste.de [15.12.2020].

[5] Vgl. Brandstetter/Hierholzer, Sensible Dinge, S. 11-28; Larissa Förster, Aus aktuellem Anlass: Kommentar zur Debatte um das Humboldt Forum. Es geht um mehr als Raubkunst: Ethnologische Provenienzforschung zwischen Erstcheck und Sisyphusarbeit, Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (CARMAH), 23.08.2017, http://www.carmah.berlin/reflections/ethnologische-provenienzforschung-zwischen-erstcheck-und/ [15.12.2020]; Jörg Häntzschel, Passive Entsammlung, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 156, 09.07.2019, online unter dem Titel „Ethnologische Museen Deutschlands: verseucht, zerfressen, überflutet, https://www.sueddeutsche.de/kultur/ethnologisches-museum-raubkunst-1.4516193 [15.12.2020].

[6] UNESCO: Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property, 1970, http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=13039&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html [15.12.2020]

[7] Der „ICOM Code of Ethics for Museums“ von 2017 sowie die ergänzenden Handreichungen „ICOM Code of Ethics for Natural History Museums“ von 2017 und die „Checklist on Ethics of cultural Property Ownership“ von 2011 finden sich online unter https://icom.museum/en/resources/standards-guidelines/code-of-ethics/ [15.12.2020].

[8] Vgl. Gesetz zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz – KGSG), 31.07.2016, online unter https://www.gesetze-im-internet.de/kgsg/KGSG.pdf [15.12.2020].

[9] Koloniale Vergangenheit: Öffnet die Inventare! Ein Appell, das vorhandene Wissen zu afrikanischen Objekten in deutschen Museen endlich frei zugänglich zu machen, in Zeit, Nr. 43/2019, 17.10.2019, online unter https://www.zeit.de/2019/43/koloniale-vergangenheit-deutschland-afrikanische-objekte-museen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org%2F [15.12.2020]. Offener Brief: Wir fordern freien Zugang zu den Museumsinventaren afrikanischer Objekte in Deutschland! Ein öffentlicher Appell an die Kulturministerkonferenz, https://oeffnetdieinventare.com/ [15.12.2020].

[10] Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Institut für Museumsforschung, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2018, Heft 73, Berlin 2019, S. 60.

[11] Häntzschel, Passive Entsammlung.

[12] Nach Berichten der vortragenden Provenienzforscher*innen der Fortbildung „Provenienzforschung über die Herkunft der Objekte“ am Weiterbildungszentrum der Freien Universität zu Berlin, 05.09. – 13.12.2019.

[13] Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Institut für Museumsforschung, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2016, Heft 71, Berlin 2017, S. 57f., 62.

[14] Häntzschel, Entsammlung.

[15] Förster, Aus aktuellem Anlass.

[16] Sophie Elpers/Anna Palm, Von Grenzen und Chancen des Sammelns von Gegenwart in kulturhistorischen Museen im 21. Jahrhundert. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Die Musealisierung der Gegenwart. Von Grenzen und Chancen des Sammelns in kulturhistorischen Museen, Bielefeld 2014, S. 9-28.

[17] Angelika Schoder, Die Vermittlung des Unbegreiflichen: Darstellungen des Holocaust im Museum, Frankfurt a.M. 2014, S. 104ff; Cornelia Shati Geißler, Individuum und Masse – Zur Vermittlung des Holocaust in deutschen Gedenkstättenausstellungen, Bielefeld 2015, S. 309ff.

[18] Vgl. Swantje Bahnsen/Julia Franke/Anika Kreft (Hg.), Von Casablanca nach Karlshorst, Begleitband zur Ausstellung des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst, Göttingen 2020.

[19] Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, „Rassendiagnose: Zigeuner“. Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung, https://www.sintiundroma.org/de [15.12.2020].

[20] Zitat von Timea Junghaus nach: Judith Langowski, Roma-Institut in Berlin. Die eigene Geschichte erzählen, in: Tagesspiegel, 26.02.2018, https://www.tagesspiegel.de/kultur/roma-institut-in-berlin-die-eigene-geschichte-erzaehlen/21006462.html [15.12.2020].

[21] Andrea Scholz, Das Wissen der Anderen in der Provenienzforschung, Blog. Wie weiter mit Humboldts Erbe? Ethnographische Sammlungen neu denken, Köln 2018, https://blog.uni-koeln.de/gssc-humboldt/das-wissen-der-anderen-in-der-provenienzforschung [15.12.2020].

[22] Michael Pickering, Up Close and Personal. The Management of sensitive Indigenous Objects at the National Museum of Australia, in: Brandstetter/Hierholzer (Hg.), Nicht nur Raubkunst!, S. 273-293, hier S. 287.

[23] Barbara Kostolnik, Restitutionsbericht in Frankreich. Angst vor leeren Museen, Deutschlandfunk Kultur, 27.11.2018, https://www.deutschlandfunk.de/restitutionsbericht-in-frankreich-angst-vor-leeren-museen.691.de.html?dram:article_id=434350 [10.11.2020].

[24] Vgl. Pickering, Up close.

 

 

Dieser Artikel ist Teil des Themendossiers: Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet, hg. von Christine Bartlitz, Sarah Dellmann und Annette Vowinckel

Themendossier: Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet

 

 

 

 

Zitation


Anika Kreft, Zwischen Raubgut, Fremddarstellungen und menschlichen Überresten. Sammlungsstrategien und sensible Objekte, in: Visual History, 21.12.2020, https://visual-history.de/2020/12/21/sammlungsstrategien-und-sensible-objekte/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2056
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