NEUE REZENSIONEN: H-SOZ-KULT
Neue Bücher zum Thema historische Bildforschung: rezensiert auf H-Soz-Kult – und ein gesundes und frohes neues Jahr 2021!
Sabine Kampmann: Bilder des Alterns. Greise Körper in Kunst und visueller Kultur
Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2020
Rezensiert von Benjamin Glöckler, redaktionell betreut durch Claudia Prinz
Über das Alter spricht man nicht, es ist umstellt von einer „Verschwörung des Schweigens“. Diese viel beachtete und hinterfragte These Simone de Beauvoirs bildet die Kontrastfolie für die Habilitationsschrift der Kunsthistorikerin Sabine Kampmann. Das Besondere an der kulturwissenschaftlich orientierten Studie: Sie konzentriert sich auf visuelle Artefakte. Kampmanns Leithypothese lautet, dass in den Jahrzehnten um die Jahrtausendwende in Kunst und visueller Kultur westlicher Gesellschaften eine „neue Sichtbarkeit des Alters“ (S. 11) zu beobachten sei. Das Panorama dieses Visualisierungsschubs, der sich überwiegend in fotografischer Form ereigne, zu entfalten, ist das Ziel der Arbeit.
Emmanuel Alloa/Chiara Cappelletto (Hg.): Dynamis of the Image. Moving Images in a Global World
de Gruyter Verlag, Berlin 2020
Rezensiert von Mario Schulze, redaktionell betreut durch Irmgard Zündorf
Der Band „Dynamis of the Image“ liefert einen weiteren Beitrag zu der seit den 1990er Jahren intensiv geführten Debatte zur sogenannten Macht der Bilder („power of images“). Als Gewährsfiguren zieht die Einleitung dafür einerseits den Semiotiker Louis Marin und dessen Verständnis der dynamis als Wirkmächtigkeit („efficacy“) der Bilder heran sowie andererseits Aby Warburg und dessen Konzept des „dynamograms“. Warburg kann insgesamt als ein roter Faden des Bandes gesehen werden. Der Bezug auf Warburg legt bereits nahe, dass sich der Band in die Tradition der Bildwissenschaften aus dem deutschsprachigen Raum sowie der Visual Studies der englischsprachigen Wissenschaftsgemeinde stellt.
Sandstein Verlag, Dresden 2020
Rezensiert von Axel Doßmann, redaktionell betreut durch Jan-Holger Kirsch
Nur noch rasch ins neue Fachbuch reinblättern – und sich nach 20 Minuten immer noch in Bildbetrachtungen vertiefen: Es muss etwas gelungen sein, wenn ein kommentiertes Fotobuch einen solchen Sog ausübt. Die historischen Perspektiven, Rahmungen und Gegenstände lassen eigenartige Einstellungen zur Welt vermuten. Viel Street Photography scheint dabei zu sein; andere Sujets deuten auf private Fotoalben, auf Stadtplanung und volkskundliche Studien hin: das Auto als Fetisch, Schöner Wohnen, Gestaltung von Gemeinschaftsräumen? Tatsächlich handelt es sich um Aufnahmen aus dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR: eine Auswahl von lediglich 335 Fotografien aus einem Bestand von weit mehr als 2 Millionen Bildern, die heute in der BStU lagern – das besondere Archiv dieser „Firma“.
Maiken Umbach/Scott Sulzener: Photography, Migration and Identity. A German-Jewish-American Story
Palgrave Macmillan, Cham 2018
Rezensiert von Sarah Wobick-Segev, redaktionell betreut durch Ulrich Prehn
Maiken Umbach and Scott Sulzener’s book Photography, Migration and Identity: A German-Jewish-American Story is a rich and readable micro-history of the Salzmann family based on the latter’s private archives. The book is organized both thematically and chronologically, following the family’s time in Germany both before and during the National Socialist era, and then after their emigration to the United States. Using private writings, poetry and especially photography, Umbach and Sulzener offer a thoughtful meditation on migration in German and German-Jewish history in the modern era.
Agnes Laba: Die Grenze im Blick. Der Ostgrenzendiskurs der Weimarer Republik
Herder-Institut Verlag, Marburg 2019
Rezensiert von Verena Bunkus, redaktionell betreut durch Sabine Stach
Für die junge Weimarer Republik stellte der Versailler Friedensvertrag mit seinen neuen Grenzverläufen und Plebisziten die bisherigen Verhältnisse einmal mehr auf den Kopf. Agnes Laba untersucht den regen Diskurs über die Ostgrenze zu Polen in ihrer 2015 an der Justus-Liebig-Universität Gießen eingereichten und nun in leicht überarbeiteter Form publizierten Dissertation. Als methodischen Zugang wählt sie die historische Diskursanalyse und zieht hierfür ein weites Quellenspektrum heran: Sie analysiert Beiträge der auflagenstarken, überregionalen Presse, eigenständige thematische Publikationen, Reichstagsdebatten, Land- und Postkarten ebenso wie Schulbücher des Fachs Erdkunde. Agnes Labas Beitrag zum Forschungsfeld der Raumwahrnehmung ist eine informative Synthese der deutschen Perzeption der Ostgrenze in besonderer Auseinandersetzung mit Karten.
Patricia Hayes/Gary Minkley (Hg.): Ambivalent. Photography and Visibility in African History
Ohio State University Press, Athens 2019
Rezensiert von Ana Carolina Schveitzer, redaktionell betreut durch Daniel Tödt
The intersection of history with photography is not new. During the last decades, historians have explored this medium and its usage over time, and in different places. Edited by Patricia Hayes and Gary Minkley, Ambivalent: Photography and Visibility in African History represents a new contribution to this topic. The structure of the anthology consists of two sections comprising eleven essays in total. The book results from the decade-long experience of its editors with the postgraduate module of Visual History that they had initiated in the Department of History at the University of the Western Cape. Additionally, two workshops promoted by the editors, in March of 2012 and 2014 respectively, have also contributed to creating this volume.
Metropol Verlag, Berlin 2020
Rezensiert von Christoph Lorke, redaktionell betreut durch Marcus Böick
„Umbruch Ost“ ist der zweisprachige Begleitband der gleichnamigen Ausstellung. Diese steht bereits seit März 2020 in verschiedenen Formaten für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit zur Verfügung und ist von Stefan Wolle und der Bundesstiftung Aufarbeitung konzipiert worden. Die feuilletonistischen Texte, mal launig und ironisierend, mal nachdenklich und einfühlsam, erheben keinen Anspruch, umfängliche Kontexte zu liefern, sie sind vielmehr Appetizer für die 19 Rubriken, die sich wohlwollend von den klassischen, eher politik- oder wirtschaftshistorischen Zugriffen auf die Zeitgeschichte seit 1990 abheben. Das unbestreitbare Herzstück bilden die insgesamt 128 Fotografien verschiedener Fotografinnen und Fotografen wie Harald Hauswald, Daniel Biskup oder Ann-Christine Jansson.