Archiv-August 2023

Ein Mann in einem weißen Kittel zieht per Hand einen Wagen „Erfrischungen“ mit Kaffee und anderen Getränken.

Abisag Tüllmann: Erfrischungsverkäufer am Frankfurter Hauptbahnhof, Frankfurt 1969. Quelle: bpk-Website Abisag Tüllmann (1935-1996) 70371205, Lizenz: CC-BY-NC-ND

Visual History: ARCHIVSOMMER 2023

Es ist Sommer … Wie auch im letzten Jahr nutzt die Redaktion den Monat August, um interessante, kluge und nachdenkenswerte Beiträge aus dem Visual History-Archiv in Erinnerung zu rufen.

Für die Lektüre haben wir eine Auswahl von acht Artikeln und Interviews getroffen – zum Neulesen und Wiederentdecken!

 

Fotografie eines Mannes, von seitlich hinter ihm fotografiert, an seinem Schreibtisch, der mehrere Fotografien betrachtet; eine zeigt zwei Personen, die mit dem Bogen schießen.

Ausschnitt Buchcover: Kurt S. Safranski, Selling your Pictures, Chicago/New York 1940 (Fotograf:in: unbekannt)

(1) Der erste Beitrag stammt von unserer Kollegin Annette Vowinckel und beschäftigt sich mit der Bedeutung von Bildredakteur:innen. Sie agier(t)en zumeist „im Hintergrund“, sodass sie – es waren damals fast nur Männer – nur in Ausnahmefällen die Prominenz erlangten, die Fotojournalisten wie Robert Capa oder James Nachtwey zuteil wurde und wird. Dabei ist ihre Arbeit von großer Bedeutung: Sie treffen eine Vorentscheidung darüber, ob ein Bild erinnert und tradiert oder verworfen und vergessen wird – und prägen so auch das kollektive Bildgedächtnis.

 

Annette Vowinckel, Bildredakteure, in: Visual History, 02.09.2014
https://visual-history.de/2014/09/02/bildredakteure/

 

 

Bildberichterstatter fotografieren Paul von Hindenburg anlässlich der Ausstellung „Die Kamera“ im November 1933

Zur Ausstellung „Die Kamera“ im November 1933 wird Reichspräsident Paul von Hindenburg in seinem Garten von mehreren Bildberichterstattern fotografiert. Fotograf: unbekannt, Quelle: Bundesarchiv / Wikimedia Comons, CC BY-SA 3.0 DE

(2) Der Fotograf und Historiker Rolf Sachsse stellt in seinem Beitrag den Bildredakteur Willy Stiewe vor, der als wichtigster Theoretiker der NS-Bildpropaganda gilt. Er verkörpert eine mediale Modernität, die sich gut in die Propaganda des nationalsozialistischen Regimes einpasste. Und auch für eine Kontinuität nach 1945 war gesorgt: Propagandisten galten den Besatzungsmächten als technisches Personal, das es auf allen kriegsführenden Seiten gegeben hat. Also wurden die meisten Fotografen und Bildredakteure nach kurzer Überprüfung ihrer Mittäterschaft als „Mitläufer“ eingestuft und fanden schon bald in den neuen Redaktionen wie von „Spiegel“, „Quick“ und „Stern“ wieder eine neue Aufgabe.

Rolf Sachsse, Vom Nationalsozialismus in die Bundesrepublik. Der Bildredakteur Willy Stiewe, in: Visual History, 29.10.2014
https://www.visual-history.de/2014/10/29/vom-nationalsozialismus-in-die-bundesrepublik-der-bildredakteur-willy-stiewe/

 

 

Bethlen, Petőfi und Capa: die aktuellen Ausstellungen des Ungarischen Nationalmuseums im Dezember 2013.

Ungarisches Nationalmuseum, Foto: Eszter Kiss, Budapest, Dezember 2013

(3) Der dritte Beitrag in unserer Retrospektive beleuchtet die Herausforderungen bei der Deutung der ungarischen Fotografie des 20. Jahrhunderts. Unsere ehemalige Redakteurin Eszter Kiss hat in einem Themendossier über „Robert Capa und seine Nachfolger“ u.a. den Fotohistoriker und Museologen Károly Kincses interviewt, der schon vor zehn Jahren sagte: „Der gegenwärtige Kurs des Landes wirft Ungarn und seine Bevölkerung zurück in die Situation des ‚Du kannst eh nichts machen, deshalb solltest du auch nicht aktiv werden, freue dich lieber darüber, was du bekommst!‘ Dies ist die exakte Entsprechung des Kádárschen ‚Kühlschrank-Sozialismus‘.“

 

Eszter Kiss, Foto(grafen)-Ikonen und Forschungsdesiderate. Aktuelle Herausforderungen bei der Deutung der ungarischen Fotografie des 20. Jahrhunderts, in: Visual History, 22.12.2013
https://www.visual-history.de/2013/12/22/fotografen-ikonen-und-forschungsaufgaben/

 

 

 

Zimmerdekorationen und Familienfotos in einem kleinen Dorf in der Region Máramaros/Maramureș in Rumänien. (Mănăstirea, Rumänien, 1997)

Péter Korniss: Zimmerdekorationen und Familienfotos in einem kleinen Dorf in der Region Máramaros/Maramureș in Rumänien, Mănăstirea, Rumänien, 1997 © mit freundlicher Genehmigung

(4) Der Blick auf Ungarn führt zu einem Fotografen, dessen Werk eine Vorstellung unbedingt lohnt. Péter Korniss (geboren 1937) fragt mit seinen fotografischen Arbeiten nach den Möglichkeiten einer transgenerationalen Weitervermittlung von Werten innerhalb einer Gemeinschaft. Geht die „alte Welt in unserer modernen Zeit unwiederbringlich verloren? Oder gibt es Spuren des Vergangenen, die erfolgreich mit in die Zukunft übernommen werden können? Er bezeichnet sich selbst als involvierten Fotoreporter, der sich mit den Menschen, die er fotografiert, intensiv beschäftigt. Dafür steht exemplarisch ein fotografisches Langzeitprojekt: die Reportage über ungarische „Gastarbeiter“ (1978-1988).

 

Eszter Kiss, Péter Korniss. Eine Kurzbiografie des ungarischen Fotografen, in: Visual History, 12.06.2014
https://visual-history.de/2014/06/12/peter-korniss/

Eszter Kiss, „Gastarbeiter“ im eigenen Land. Péter Korniss‘ Fotoreportage über Arbeitsmigration im sozialistischen Ungarn der 1970er- und 1980er-Jahre, in: Visual History, 12.06.2014
https://www.visual-history.de/2014/06/12/gastarbeiter-im-eigenen-land/

 

 

 

 

Jürgen Schadeberg: We won’t move, Sophiatown © mit freundlicher Genehmigung

(5) Von Ungarn geht es nach Südafrika, um wiederum einen bedeutenden Fotografen zu würdigen: Jürgen Schadeberg hat im Laufe seines Wirkens eine beeindruckende Anzahl von Bildern geschaffen, die als Zeitzeugnisse zu Ikonen wurden – so wird er auch als „Vater der südafrikanischen Fotografie“ bezeichnet. Neben den Fotografien von Nelson Mandela gehören sicherlich auch die Bilder aus den Tagen der Zerstörung von Sophiatown in Johannesburg dazu. Katharina Fink stellt den Chef-Fotografen und Art Director von „Drum“ vor, das Magazin für schwarze Populärkultur, das in mancherlei Hinsicht revolutionär war.

 

Katharina Fink, Jürgen Schadeberg. Something you don’t see, in: Visual History, 03.07.2016
https://www.visual-history.de/2016/07/03/juergen-schadeberg-something-you-dont-see/

 

 

 

 

 

 

 

Ray: Dual Perspective, Juli 2006, Flickr CC

(6) Auch theoretische Grundlagen möchten wir in diesen Rückblick einbeziehen: Klaus Sachs-Hombach hat einen Vorschlag für die theoretische Rahmung einer interdisziplinären Bildwissenschaft entwickelt: auf der These aufbauend, dass Bilder wahrnehmungsnahe Medien sind, womit die kommunikativen Aspekte des Bildphänomens betont werden: „Mit Bildern gibt jemand jemandem (oder auch wir uns selbst) etwas zu verstehen. Da dies bei Bildern in einer spezifischen Weise erfolgt, die wesentlich mit dem Wahrnehmungsaspekt von Bildern zusammenhängt und in besonderer Weise von der Materialität und Medialität der Bilder abhängt, bedarf die Bildwissenschaft einer wahrnehmungstheoretischen Ausrichtung.“

 

Klaus Sachs-Hombach, Zur Theorie einer interdisziplinären Allgemeinen Bildwissenschaft, in: Visual History, 07.10.2014
https://www.visual-history.de/2014/10/07/zur-theorie-einer-interdisziplinaeren-allgemeinen-bildwissenschaft/

 

 

 

 

Spence, Struwwelhitler

Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler, London 1941 © The Daily Sketch and Sunday Graphic Ltd./Autorenhaus-Verlag London 1941

(7) Comics begleiten die Menschen weltweit schon seit mehr als 100 Jahren. Dass der Comic unabhängig von seinen Inhalten eine wertvolle wissenschaftliche und pädagogische Ressource sein kann, zeigt Christine Gundermann in ihrem Beitrag. „Heute sind Comics in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Quelle für die Analyse von (Geschichts-)Kultur. Sie sind ein Zeugnis gesellschaftlicher Werte und Normen, von Geschlechterverständnissen oder Moden; sie spiegeln die Gesellschaft und deren aktuelle Diskurse wider. Als Geschichtscomics stellen sie darüber hinaus einen Teil unserer Erinnerungskultur dar, der gerade im Bereich des historischen Lernens in den letzten Jahren einen immer wichtigeren Platz einnimmt.“

 

Christine Gundermann, Comics als historische Quelle, in: Visual History, 26.01.2015
https://www.visual-history.de/2015/01/26/comics-als-historische-quelle/

 

 

 

 

 

 

Dammann: Porträt von Juca Rosa

Carl Dammann: Porträt von Juca Rosa. Rio de Janeiro, ca. 1870. Foto aus dem Studio Henschels. Quelle: Völkerkundemuseum der Universität Zürich, VMZ 075.01.009, mit freundlicher Genehmigung

(8) Der letzte Beitrag unserer Archiv-Rückschau führt nach Südamerika. Margrit Prussat stellt den brasilianischen Fotografen Alberto Henschel und die frühe Porträtfotografie vor. Denn Brasilien weist eine lange und vielfältige fotografische Geschichte auf. Bereits in den 1840er Jahren wurden die ersten Fotostudios in den großen Küstenstädten eröffnet. Die Fotografen waren häufig europäische Immigranten, die vorzugsweise in Recife, Salvador und Rio de Janeiro erfolgreiche Studios führten. In der besonderen gesellschaftlichen und politischen Situation im Brasilien des 19. Jahrhunderts, die durch eine rasante Technisierung und Modernisierung nach europäischem Vorbild geprägt war, erfüllte die Fotografie spezifische Aufgaben.

 

Margrit Prussat, Alberto Henschel und die frühe Porträtfotografie in Brasilien, in: Visual History, 23.06.2015
https://www.visual-history.de/2015/06/23/alberto-henschel-und-die-fruehe-portraetfotografie-in-brasilien/

 

 

 

 

 

Eine gute Lektüre und eine erholsame Sommer-Zeit wünscht die Visual History-Redaktion!

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