Fotografie, Bildpolitik und Bildsteuerung im Staatssozialismus

Das Beispiel Ungarn

Zensur ist ein zentrales Instrument diktatorischer Herrschaft. – Die Kernaussage dieses ersten Satzes würden die Wenigsten in Abrede stellen. Eine rasch formulierte Anschlussfrage nach der Art der Steuerung – im Falle des Dissertationsprojekts eben der Bildsteuerung – lenkt jedoch das Augenmerk auf die grundsätzliche Problematik des Themas: das Fehlen einer klar identifizierbaren Zensurbehörde.

Die jungen Bewohner des Kinderheims in Fót/Ungarn 1972 mit ihren neuen „Pajtás“ (Kumpel)-Kameras. Die Geräte waren ein Geschenk der Forte-Fabrik, des Nachfolgers der ungarischen Kodak-Fabrik in Vác. Die Produktionsstätte, die den mittelosteuropäischen Markt mit Kodak-Produkten versorgen sollte, wurde bereits 1912 gegründet. Wegen des Ersten Weltkriegs konnte sie jedoch ihre Arbeit erst 1922 aufnehmen. Nach der Verstaatlichung 1948 trug die Fabrik den Namen „Forte“ und stellte v.a. Fotopapier und Filme für den Export sowie den ungarischen Markt her. Auf dem Bild sind rechts im Hintergrund der Gründungsdirektor des Kinderheims, Dr. Lajos Barna, und ein Vertreter der Forte-Fabrik zu sehen. FOTO:FORTEPAN / Urbán Tamás

Die jungen Bewohner des Kinderheims in Fót/Ungarn 1972 mit ihren neuen „Pajtás“ (Kumpel) Kameras. Die Geräte waren ein Geschenk der Forte-Fabrik, des Nachfolgers der ungarischen Kodak-Fabrik in Vác. Die Produktionsstätte, die den mittelosteuropäischen Markt mit Kodak Produkten versorgen sollte, wurde bereits 1912 gegründet. Wegen des Ersten Weltkriegs konnte sie jedoch ihre Arbeit erst 1922 aufnehmen. Nach der Verstaatlichung 1948 trug die Fabrik den Namen “Forte“ und stellte v.a. Fotopapier und Filme für den Export sowie den ungarischen Markt her. Auf dem Bild sind rechts im Hintergrund der Gründungsdirektor des Kinderheims, Dr. Lajos Barna, und ein Vertreter der Forte-Fabrik zu sehen.

Es ist nicht möglich, die Unterlagen eines einzigen Amtes auszuwerten, um das Spezifische der Bildkontrolle zu erfassen. Soll die sozialistische Bildzensur beschrieben werden, muss sich die Untersuchung auf eine breitere Quellengrundlage stützen. Relevant sind Dokumente der Partei- und Staatsinstitutionen, der Staatssicherheit, aber auch die Protokolle der regelmäßig abgehaltenen Chefredakteurskonferenzen. Zudem muss auf der Suche nach „visuellen Tabus“ die Bildverwendung ausgewählter Magazine und populärer Zeitschriften näher in den Blick genommen werden. Zeitzeugengespräche mit Fotografen, Bild- und Chefredakteuren sowie ehemaligen Funktionären können wertvolle Hinweise auf „problematische Ausstellungen“ und verhinderte Bildveröffentlichungen geben.

Im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts „Die Wege der Fotografien im Staatssozialismus. Bildpolitik und Bildsteuerung im sozialistischen Ungarn zwischen 1965 und 1989“ steht die Fotografie während der Kádár-Ära. Relevant sind die Jahre nach der Konsolidierung des Systems in Ungarn ab Mitte der 1960er-Jahre, als sich die neuen Strukturen allmählich auch im Umgang mit der Fotografie verfestigten.
Die Kontrolle der visuellen Kommunikation während des Sozialismus ist bislang wenig untersucht worden. Um diese Lücke zu schließen und die Strukturen der Bildsteuerung exemplarisch darzustellen, sollen die folgenden Fragen in der Doktorarbeit beantwortet werden: Gab es eine spezifisch sozialistische Handschrift in der Fotografie? Wie standen die Staatspartei, die MSZMP (Magyar Szocialista Munkáspárt, Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei) und die Institutionen des Staatsapparats dem Medium gegenüber? Verfolgten sie bestimmte Ziele, und falls sie dies taten, auf welche Weise wollten sie ihrer Sicht der angemessenen visuellen Darstellung des Sozialismus Geltung verschaffen? Entlang welcher Leitlinien wurden in den zwei Jahrzehnten vor dem Systemwechsel die Aufnahmen für eine Veröffentlichung ausgewählt? Wer waren die involvierten Personen, welche die relevanten Institutionen? Letztlich fragt das Projekt mit einem akteurszentrierten Ansatz nach den Zwängen und Möglichkeiten der Fotografie im Staatssozialismus.

 

Institution: Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (Projekt „Visual History. Institutionen und Medien des Bildgedächtnisses“)

Thema: Die Wege der Fotografien im Staatssozialismus. Bildpolitik und Bildsteuerung im sozialistischen Ungarn zwischen 1965 und 1989

Betreuerin: PD Dr. Annette Vowinckel

Laufzeit: 2012-2015

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