Unterhalten und Informieren
Das populäre illustrierte Sachbuch im 20. Jahrhundert
Das Sachbuch hat als Verbindung von informativen und unterhaltenden Elementen im Lauf des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Platz in den Programmen internationaler Verlage eingenommen. Ungeachtet seiner Popularität und Vielfalt war das illustrierte Sachbuch, etwa der Bildband, bislang nicht Gegenstand systematischer Forschung und wurde als vermeintlich triviales Massenprodukt abqualifiziert. In diesem interkulturell und interdisziplinär angelegten Promotionsprojekt steht daher das Medium des populären illustrierten Sachbuchs im Mittelpunkt. Die in Typographie und Layout modern gestalteten Publikationen für ein Massenpublikum, deren inhaltliche Konzeption absichtsvoll auf das Wechselspiel von Bild und Text angelegt war, werden unter anderem auf ihre Visualisierungsstrategien und die Vermittlung von Informationen hin untersucht. Beleuchtet werden dabei auch buchwissenschaftliche Traditionslinien, Aspekte der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte sowie der Exilforschung.
Zur Zeit der Weimarer Republik entwickelte sich der Buchtyp des Sachbuchs zu einer wesentlichen literarischen Form.[1] Verbunden war dies mit dem Anspruch, komplexe Informationen für ein breites Publikum unterhaltsam aufzubereiten. Dies ist im Kontext eines größeren Transformationsprozesses der Bildungs- und Wissenskultur seit dem 19. Jahrhundert zu sehen, befördert durch die industrielle Revolution, und zeigte sich im deutschsprachigen Raum etwa in politisch-emanzipatorischen Bestrebungen und Konzepten für die individuelle Erziehung. Gleichzeitig wurde insbesondere das illustrierte Sachbuch vom Aufkommen der neuen Medien wie Fotografie und Film sowie von der Weiterentwicklung von Produktionsbedingungen und Herstellungstechniken beeinflusst. Für die Realisation der damit verbundenen Potenziale waren die Kompetenz und Kreativität von Verlegern sowie interner und externer Fachleute entscheidend. Einflussreich waren in diesem Zusammenhang, so ist es bereits für Teilbereiche des Verlagswesens aufgearbeitet worden, jüdische und linksintellektuelle Emigranten aus Deutschland und Österreich, die vor dem nationalsozialistischen Regime nach Großbritannien und in die USA fliehen mussten.
Von der Forschung weitgehend unbeachtet geblieben ist bislang die Gruppe um den Adprint-Gründer Wolfgang Foges, Eva und Walter Neurath (der spätere Gründer von Thames & Hudson, London) und Foges’ Jugendfreund Paul Steiner (Chanticleer Press, New York). Sie prägten das Erscheinungsbild des populären illustrierten Sachbuchs durch die Einführung besonderer Produktionsmethoden, organisatorischer Strukturen und gestalterischer Neuerungen.
Die von ihnen vor allem für Buchreihen entwickelten „integrated“ Layouts, physisch und semantisch eng verknüpfte Text-Bild-Strukturen, sind geprägt durch ein verändertes Verständnis der Möglichkeiten des Sachbuchs in Konkurrenz mit anderen Massenmedien. Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch der nach Oxford emigrierte Ökonom und Wissenschaftstheoretiker Otto Neurath aus dem sozialreformerischen „Wiener Kreis“. Er propagierte mit der von ihm begründeten Methode zur bildlichen Vermittlung von Informationen am ISOTYPE-Institut (International System of TYpographic Picture Education) das Ideal einer umfassenden Bildung für die Allgemeinheit als Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft. Basierend auf ihrem kulturellen Hintergrund, dem Glauben an den gesellschaftlichen Wert einer „Demokratisierung“ des Wissens sowie konkreten Anforderungen des britischen und US-amerikanischen Buchmarkts gelang es den Emigranten, einen wichtigen Beitrag zur Konzeption und zum Design moderner illustrierter Sachbücher zu leisten.
Abbildungen: Otto and Marie Neurath Isotype Collection, University of Reading
Das Projekt wurde durch Stipendien des Deutschen Historischen Instituts London und Washington unterstützt.
[1] Siehe Paul Raabe, Das Buch in den zwanziger Jahren, Wolfenbütteler Schriften für Geschichte des Buchwesens, Bd 2., Hg. von P. Raabe, Hamburg 1978, S. 19.