Friedrich Klinsky (1925-2002) Pressefotograf
Eine visuelle Spurensuche
Mein Vater war der Pressefotograf Friedrich (genannt Fritz) Klinsky. Er wurde 1925 in Wien geboren und starb dort im Jahr 2002. Als Zehnjähriger begann er sich für Fotografie zu interessieren, war mit einem billigen Apparat unterwegs und entwickelte in der elterlichen Küche die ersten Bilder selbst. Er hatte bei einem Fotografen einer befreundeten Familie zusehen dürfen. Der Besuch der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt blieb ihm aus Geldmangel verwehrt. Er begann als 17-Jähriger wahrscheinlich eine Lehre als Fotolaborant in der Gaulichtbildstelle der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die er aufgrund einer Lungen-Krankheit bereits nach einem Jahr wieder abbrechen musste. Nach 1945 gelang es ihm, bei diversen Fotoagenturen sowie bei den Tageszeitungen „Bild-Telegraph“, „Express“, „Kurier“ und „Wochenpresse“ seine Arbeit als Fotograf fortzusetzen. Friedrich Klinsky war vierzig Jahre lang von 1946 bis zu seiner Pensionierung 1984 als Pressefotograf in Österreich tätig.
Als Sohn Friedrich Klinskys habe ich nach seinem Tod damit begonnen, den bildlichen Spuren zu folgen, die er in seinem Leben hinterlassen hat. Im Grunde aber möchte ich die Lebensleistung, die Umtriebigkeit, die ununterbrochene Mobilität dieses Mannes porträtieren – eines Fotografen des vorigen Jahrhunderts im Dienst der Printmedien und eingebunden in ein Netz von Kollegen und Kolleginnen. Wenig überraschend fanden sich im bislang nur unvollständig katalogisierten Nachlass auch Fotografien aus einer wenig besprochenen Vergangenheit. Ich stelle daher in diesem Beitrag einige seiner Fotografien vor, die ich mit biografischen Stationen verknüpfen werde, um so ein erstes Bild-Mosaik auszulegen. Zu wünschen sind zukünftige Forschungen von Historiker*innen, um Friedrich Klinsky in die Geschichte der Pressefotografie in Österreich einzuordnen und sich mit seinem Leben und seinen Bildern auseinanderzusetzen.
Im März 1938 erfolgte der sogenannte Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland. Über die frühen Jahre wurde in der Familie Klinsky später kaum gesprochen.Kurz nach dem Anschluss 1939 wurde Fritz Klinsky, so erzählte es seine Ehefrau Franziska, von der Gestapo für eine Nacht am Morzinplatz in dem berüchtigten Hotel Métropole festgehalten, das zum Gestapo-Hauptquartier geworden war. Er hatte den Sonnenuntergang bei der Reichsbrücke fotografiert. Am Abend holte ihn die Gestapo bei seiner erschrockenen Mutter ab, da vermutet wurde, dass er Militärisches aufgenommen hatte.
Nach Abbruch einer Lehre zum Radiotechniker erhielt der 17-jährige Friedrich Klinsky das Angebot zur Mitarbeit in der Lichtbildstelle der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Er selbst bezeichnete seine Anstellung als „Kanzleikraft“ und arbeitete in der sogenannten Gaulichtbildstelle der NS-Volkswohlfahrt, Wien 1. Bezirk, Am Hof 6, unter Alois Sedlacek.
Die NSV war eine NS-Staatsorganisation, die das Ziel hatte, „die lebendigen, gesunden Kräfte des deutschen Volkes zu entfalten und zu fördern“, wie es in der Satzung hieß.[1] Sie untergliederte sich in sechs „Ämter“: Organisation, Finanzverwaltung, Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe, Volksgesundheit, Propaganda und Schulung und war in den Kriegsjahren vor allem für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig.
Die Ausbildung von Friedrich Klinsky bei der NSV währte aber nur kurz: Eine diagnostizierte Lungenkrankheit führte ab 1943 zu einem einjährigen Aufenthalt von ihm im sogenannten Kriegskurhaus für Lungenkranke im schweizerischen Davos. Er war bereits wieder genesen in das schwer umkämpfte Wien zurückgekehrt, als seine Mutter im Herbst 1944 bei einem Besuch bei ihrer Schwester in Wien-Simmering durch einen Luftangriff ums Leben kam. Sein Vater arbeitete als „ Markör“, eine alt-österreichische Bezeichnung für einen Oberkellner, in einer Gastwirtschaft und kam oftmals erst spät nachts nach Hause. Nach dem Kriegsende 1945 zeugen einerseits seine Mitarbeit bei der Agentur Wien-Bild (ehemals Schostal, dann „arisiert“ und vom parteitreuen Nationalsozialisten Friedrich Gondos geführt), andererseits seine lebenslange Freundschaft zu Fotografen wie Harry Weber von seinem Willen, sich über das Medium der Fotografie das Überleben in schwierigen Zeiten zu ermöglichen.
Friedrich Klinsky, nicht zu verwechseln mit Emilian Joseph Smetanic Klinsky (1899-1962), wurde 1945 zwanzig Jahre alt. Er begann als Pressefotograf in der zerstörten und in Sektoren unterteilten Stadt bei der Agentur Wien-Bild zu arbeiten, vormals Pressebildagentur Schostal.[2] Die von Robert Schostal 1926 gegründete Agentur hatte einen Bestand von über einer Million Fotos und gehörte damit zu den führenden Agenturen der Zwischenkriegszeit.[3] Das Unternehmen war in Paris, Mailand, Stockholm, Warschau und Berlin vertreten. Doch mit der Etablierung der NS-Herrschaft wurden die jüdischen Fotoagenturen enteignet: Ab 1938 führte Friedrich Gondos die Agentur Schostal kommissarisch, im September 1941 übernahm er sie für einen geringen Kaufpreis. Die Pressebildagentur firmierte fortan unter dem Namen Wien-Bild. Robert Schostal selbst gelang die Flucht in die USA, wo er mit seinen Brüdern eine neue Fotoagentur gründete.
Von Wien-Bild wechselte Friedrich Klinsky zu anderen einschlägigen Agenturen wie „Austrofot“[4] und Interpressphoto[5]. In der Zeit von 1946 bis 1947 ist seine Mitarbeit als Fotograf bei der Agentur NOVA-Press in privaten Unterlagen dokumentiert. In einer Mappe[6] finden sich Belege seiner fotografischen Arbeiten aus der „Wiener Bilderwoche“, der „Wiener Illustrierten“, dem „Abend“ und der „Weltpresse“ aus den Jahren 1946-1956, anfänglich gezeichnet mit Agentur Austrofot, dann Agentur Nova-Press[7]. Im Jahr 1947 erwarb „KLI“, wie er von Journalistenkollegen kurz genannt wurde, für seine im sowjetischen Sektor gelegene Wohnung einen Berechtigungsschein zum Besitz und Betrieb einer Rundspruchempfangsanlage, um sich über das aktuelle Geschehen zeitnah informieren zu können.
Bei einem 1950 ausgeschriebenen Fotowettbewerb der amerikanischen Economic Cooperation Administration, ein US-amerikanisches Amt, das im Jahr 1948 zur Verwaltung der Gelder des Marshallplans gegründet wurde, wird Klinskys Fotografie eines Kohlebergwerks mit einem hohen Preisgeld von 1500,- Schilling honoriert.
Auf der Rückseite der im Nachlass überlieferten Fotos aus den Jahren 1952 bis 1955 findet sich der Stempel: „CEP – Bilderdienst“. Dieser Vermerk ist der bislang einzige Hinweis auf einen Lebensabschnitt von Friedrich Klinsky mit vielen offenen Fragen. Das Kürzel steht für Central European Press & Literary Agency Inc. New York. Die europäische Vertretung dieser Agentur – European Photo Section – hatte ihren Sitz im sowjetischen Sektor Wiens im 4. Bezirk, Paulanergasse 7. Der im Januar 1952 in New York ausgestellte Presseausweis für ihn belegt, dass er für diese Agentur gearbeitet hat, die von Vera und Curt Ponger geleitet wurde.
Curt Ponger (1913-1979), als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren, konnte nach KZ-Aufenthalten in Dachau und Buchenwald (1938/39) im Jahr 1940 dank eines Affidavits seiner späteren Frau Vera Verber über England in die USA emigrieren.[8] Ponger, der als Vernehmer bei den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher von den Amerikanern eingesetzt worden war, stand wohl wie seine Frau Vera in den 1930er Jahren der kommunistischen Jugendorganisation Österreichs nahe. Im Jahr 1953 wurde er aufgrund des Verdachts der Spionage für die Sowjetunion verhaftet und in den USA zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Curt Ponger kehrt erst Anfang der 1960er Jahre nach Österreich zurück.
Inwieweit auch Friedrich Klinsky wie auch andere Beschäftigte des CEP–Bilderdienstes in den Fokus der CIA gerieten, ist mir nicht bekannt. Ebenso weiß ich nicht, in welcher Beziehung er zu Curt und Vera Ponger stand. Die vorhandenen Bilder – insbesondere die Aufnahmen von den Kindern der Familie – dokumentieren aber eine große Vertrautheit mit der Familie vor der Verhaftung von Curt Ponger. Vera Ponger starb 1957 an einer Lungenentzündung, ohne ihren Mann wiedergesehen zu haben. Curt Ponger kehrte nach seiner Haftentlassung nach Wien zurück und publizierte ab 1970 als Redakteur des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Österreichs „Volksstimme“ meist unter seinem Pseudonym „CUPO“.
Seit 1953 arbeitete Klinsky auch als Fotograf für die Agentur Fritz Kern und wurde ein Jahr später aktives Mitglied im Syndikat der Pressephotographen, Pressebildagenturen und Filmreporter Österreichs, das 1947 in Wien gegründet worden und die älteste und wichtigste Berufsinteressenvertretung österreichischer Pressefotograf:innen war.[9] Seit dem Jahr 1955 konnte sich Klinsky als Pressefotograf bei der 1954 gegründeten Boulevardzeitung „Bild-Telegraf“ etablieren. Die Zeitung wurde im renommierten Wiener Pressehaus am Fleischmarkt gedruckt, das damals der Zeitungsmacher Fritz Molden gepachtet hatte. Nach den heftigen publizistischen und juristischen Auseinandersetzungen mehrerer Verleger im „Wiener Zeitungskrieg“ 1958 wechselte Klinsky zum „Express“ unter dem Chefredakteur Gerd Bacher, dem späteren ORF-Generalintendanten.
Um die Effizienz der Bildberichterstattung zu erhöhen, wurde in dieser Zeit ein „Pressehaus-Fotopool“ etabliert, dem neben „Express“ (mit allen drei Ausgaben) auch „Die Presse“, die „Wochenpresse“ und „Auto-Touring“ sowie einige Bezirkswochenblätter angehörten. Die organisatorische Gesamtleitung des Pools hatte der Journalist Dr. Emil Zálešák inne, der die Einhaltung eines vorgegebenen Turnusdienstes verantwortete. Dafür waren die Fotografen Fritz Klinsky, Ernst Kloss und Fritz Mottl vorgesehen. Laufende andere Aufträge, die vor allem nichtaktueller Natur waren, übernahm die Fotografin und Fotojournalistin Barbara Pflaum.[10] Gemeinsam mit ihr und den Kollegen Fritz Schaler und Erst Kloss war Friedrich Klinsky 1959 auch an einer Foto-Gruppenausstellung im Wiener Konzerthaus beteiligt.[11]
Wurde im Mai 1958 von Fritz Molden noch dekretiert, dass Fotografen berechtigt seien, ihre im Rahmen ihres Dienstes gemachten Fotos an in- und ausländische Zeitungen weiter zu verkaufen – mit dem Ausschluss aller Wiener Tageszeitungen, des „Provinzblatts“ „Salzburger Nachrichten“ sowie von allen kommunistischen Zeitungen und Zeitschriften –, so drohte Molden in einem Schreiben vom November 1958 mit „fristloser Entlassung“, wenn Fotografen aus dem Fotopool die gemachten Bilder aus Spezialaufträgen an andere Redaktionen weitergeben sollten. Daraufhin antwortete das „graphische Personal“ mit passiver Resistenz.[12]
Schließlich etablierte sich Fritz Klinsky als einer der führenden Fotografen bei der Tageszeitung „Kurier“, für die er zusammen mit Gerhard Sokol, Kristian Bissuti, Fred Riedmann, Peter Lehner und Gabriela Brandenstein von 1960-1977 arbeitete. Das Verlagshaus, damals im 7. Bezirk zwischen Seiden- und Lindengasse gelegen, integrierte Redaktionen, Druckerei und Verwaltung. Die Fotoreporter:innen verfügten über eine Dunkelkammer mit angestelltem Laboranten, an den sie die belichteten Filme meistens weitergaben, um zum nächsten Termin zu eilen.
Neben seiner immer ausgesucht eleganten Kleidung und seinem „Markenzeichen“, der Pfeife, war Klinsky bekannt für seine kompakte Fotoausrüstung. Meist arbeitete er mit Leica- und Nikon-Kameras, die er in einem kleinen Metallköfferchen mit sich führte. Neben Dokumentationen zur Innenpolitik und zu sportlichen Großveranstaltungen, wie die Winterolympiaden in Innsbruck 1964 und 1976, standen auch immer wieder sogenannte Auslandseinsätze auf der Agenda wie 1956 in Ungarn und 1968 in der CSSR oder auch die Dokumentation von verheerenden Erdbeben wie das in Skopje 1963 und in Friaul 1976. Der Faktor Mobilität war für ihn ungemein wichtig. So verfügte er seit den 1940er Jahren über ein Moped, ein Motorrad und späterhin über eine Vielzahl von Autos, die ihm mit dem Presse-Logo schnellen Zugang zum jeweiligen Geschehen verschafften.
Der „Kurier“ stellte seinen Leser:innen die Berichterstatter der Winterolympiade 1964 in Innsbruck ausführlich vor – so auch den damals 38-jährigen Fritz Klinsky: „Es gibt kaum ein photographisches Problem, dem er nicht gewachsen wäre. Ob es nun ein qualmender Großbrand um Mitternacht ist, ein Telefoto, aus einem gut ‚getarnten‘ Versteck geschossen, eine stimmungsvolle Szene aus einem dunklen (Blitzen verboten) Gerichtssaal. Oder eine Sportsituation, die in Sekundenbruchteilen erfasst und im Bilde festgehalten werden muss. Es gibt kaum ein Fußballländerspiel, bei dem Fritz Klinsky nicht hinter einer Torlinie mit der Kamera ‚auf der Lauer’ liegen würde. Diesmal wird er an den Olympiakampfstätten auf den günstigsten Augenblick für seine Aufnahmen warten, und jedes seiner Funkbilder aus Innsbruck wird den KURIER-Lesern wieder ‚mehr als tausend Worte‘ vermitteln.“[13]
Über diese sogenannte Funkbildübertragung berichtete auch der Kurier-Redakteur Georg Markus rückblickend und beschrieb „eine der kuriosesten Affären in der österreichischen Zeitungsgeschichte“: Im Bundesland Kärnten habe nach tagelangen Regenfällen Hochwasseralarm geherrscht und der Notstand sei ausgerufen worden. „Bundespräsident Franz Jonas war nach Klagenfurt gefahren, wo er auf dem Platz vor dem Lindwurm mit allen militärischen Ehren empfangen wurde. Es ergab sich, dass ein zwar harmloser, aber offensichtlich nicht ganz zurechnungsfähiger Zaungast salutierend neben dem Bundespräsidenten einherging, während dieser die Parade abschritt. KURIER-Fotograf Fritz Klinsky hatte die skurrile Szene eingefangen und nach Wien gemeldet, dass das Bild per Funk unterwegs sei.“
Chefredakteur Hugo Portisch platzierte das Foto auf Seite eins der Abendausgabe und beauftragte einen Wiener Lokalredakteur, den dazu passenden Text zu verfassen. Dieser schrieb – ohne das Bild überhaupt gesehen zu haben – ein paar Zeilen über den Vorfall und setzte darüber den Titel „Ein Irrer schreitet die Parade ab.“ Wenige Minuten später sei das aus Kärnten gefunkte Bild in Wien eingetroffen. Der über die Zusammenhänge nicht informierte Fotolaborant habe sich den Schnappschuss angesehen, den Bundespräsidenten erkannt sowie einen Unbekannten, für den, so seine Vermutung, sich ohnehin kein Mensch interessieren würde. Daher habe er den Unbekannten weggeschnitten.
Es war das erste und einzige Mal in der Geschichte der Zeitung, dass die gesamte Abendausgabe des „Kurier“ eingestampft werden musste. Denn neben dem Titel „Ein Irrer schreitet die Parade ab“ prangte das Bild des österreichischen Bundespräsidenten.[14]
Neben all diesen Motiven aus Politik und Gesellschaft zeigte die Durchsicht des überlieferten Bildmaterials aus dem Nachlass , dass der Fotograf Fritz Klinsky zur Ausführung von vielen, von der Redaktion gestellten Aufträgen, vorrangig seine Familie als Akteure bevorzugt hatte wie z.B. bei dem Symbolbild für das Osterfest im Jahr 1966.
Vielfach zeigte sich Klinsky mit seinen Fotografenkolleg:innen solidarisch, so z.B. 1966 beim Staatsbesuch von König Olav V. im Schloss Schönbrunn, wo es zum Eklat kam. Nachdem der Chef des Bundespressedienstes den ordnungsgemäß akkreditierten Wiener Pressefotografen den Zutritt in den Prunksaal erlaubt hatte, wurden die Zeitungsleute von anderen Beamten wieder hinausgeworfen. Daraufhin legten sie ihre Apparate fort und verschränkten trotzig die Arme. Am nächsten Tag berichteten die lokalen Blätter von der Brüskierung des norwegischen Monarchen.[15]
Mit dem Wechsel zur „Wochenpresse“ 1977 wandelte sich sein Aufgabengebiet: Von nun an dominierten erneut Innenpolitik und Berichte aus den Wiener Theatern sein fotografisches Schaffen. Der Chefredakteur Hans Magenschab und der Ressortleiter der Innenpolitik Gerald Freihofner ermöglichten den angestellten Fotograf:innen Fritz Klinsky, Nora Schuster und Barbara Pflaum eine vergleichsweise angenehme Arbeitsatmosphäre. Erwartet wurde von den Fotograf*innen, dass sie die bereits fertig entwickelten Bilder zur Vorlage in die Redaktion brachten. Im Hause Klinsky wurde ein Labor in der sogenannten Waschküche eingerichtet.
Als Friedrich Klinsky 1984 in den Ruhestand trat, begann sich das Berufsbild der Pressefotografie grundlegend zu verändern. Neben der aufkommenden Farbfotografie, welche die klassische Schwarz-Weiß-Technik zunehmend verdrängte, entwickelte sich die Fototechnik vom Analogen hin zum Digitalen. Damit wurde die eigentliche Dunkelkammerarbeit obsolet: Das klassische Handwerk, das „Baden der Bilder im Entwickler und Fixierer“,[16] was Klinsky zeitlebens frühmorgens und spät in der Nacht ausgeführt hatte, fiel weg. Und auch umständliche Bildübertragungen von weit entfernten Destinationen mittels Bildtelegrafie gehörten im neuen Zeitalter der drahtlosen Kommunikation der Geschichte an. Im Jahr 2002 starb Friedrich Klinsky im Alter von 77 Jahren. Viele Jahre später begann ich, den Bildern meines Vaters nachzuspüren.
In Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek befindet sich der Nachlass von Friedrich Klinsky: ein Konvolut von ca. 20.000 Fotografien in 23 Boxen, Leica-Negative aus den Jahren 1961/62 und 1971/83, u.a. Aufnahmen für den „Kurier“ und die „Wochenpresse“, 22 Ordner (pro Band ca. 100 betitelte Folien mit 24 Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Format 24 x 36 mm) in grober Chronologie. Ein Teil des Bestandes ist digitalisiert über die Bildagentur APA-PictureDesk[17] abrufbar. Die Qualität seiner Fotos belegt unter anderem seine langjährige Zusammenarbeit mit den Fotoagenturen Votava und Keystone Österreich, deren Vertretung Julius Büschel innehatte.
[1] Vgl. Herwart Vorländer, NS-Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk des deutschen Volkes, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 34 (1986), H. 3, S. 341-380, hier S. 347f., online unter https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1986_3_3_vorlaender.pdf [23.02.2022].
[2] Vgl. Milena Greif, Agentur Schostal. Mit den Fotos kehrt die Erinnerung zurück, in: Rundbrief Fotografie Bd. 9, Nr. 2 / N.F. 34, Juni 2002, , S. 30-33.
[3] Vgl. Anton Holzer, Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945, Wien 2014, S. 241ff., online unter https://e-book.fwf.ac.at/view/o:564 [22.02.2022].
[4] Vgl. die Vereinbarung zwischen der Firma Austrofot, Wien, 4. Bezirk, Schwindgasse 10, Alleininhaber Wilhelm Nassau, mit Friedrich Klinsky vom 30.06.1946. Ende der Beschäftigung 01.01.1947. Privatbesitz Alexander Klinsky.
[5] Interpressphoto – Photos für die In-und Auslandspresse, Eduard Zillich, Wien, 1. Bezirk, Schulerstraße 19.
[6] Diese Mappe war im häuslichen Nachlass von Friedrich Klinsky und befindet sich nun im Privatbesitz seines Sohnes Alexander Klinsky.
[7] Nova-Press, Pressefoto u. Tonreportagen, geführt von Hans Pfiffig und Gustav Gontard, Wien, 7. Bezirk, Mariahilferstraße 118. Fritz Klinsky war als Bildberichterstatter vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 1947 dort angestellt.
[8] Vgl. zu Vera (Verber) und Kurt (Curt) Ponger u.a.: Gabriele Falböck, Narrative des Dazwischen. Schreiben im Exil als identitätsstiftende Kommunikation in der Krise ausgeführt am Beispiel der österreichischen Exilzeitschrift „Austro American Tribune“, ungedr. phil. Dissertation, Wien 2009, Kapitel 5.2.3. „Vera Ponger“; Eintrag „Vera Ponger“ in: biografia: biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen, http://biografia.sabiado.at/ponger-vera/ [22.02.2022]; „In Nürnberg gechartert“, in: Spiegel, 10.02.1953, online unter https://www.spiegel.de/politik/in-nuernberg-gechartert-a-5e490bcd-0002-0001-0000-000025655788 [22.02.2022]; siehe zur Verhaftung auch das CIA-Dokument vom 7. Januar 1953, online unter https://www.cia.gov/readingroom/docs/KRICHBAUM,%20WILHELM_0024.pdf [22.02.2022].
[9] Vgl. Marion Krammer/Margarethe Szeless, Berufsfeld Pressefotografie. Wettbewerb, Netzwerke und Bildkultur im besetzten Österreich 1945-1955, in: Matthias Karmasin/Christian Oggolder (Hg.), Österreichische Mediengeschichte. Bd. 2: Von Massenmedien zu sozialen Medien (1918 bis heute), Wiesbaden 2019, S. 99-123; Marion Krammer, Rasender Stillstand oder Stunde Null? Österreichische PressefotografInnen 1945-1955, Wien 2022. Siehe auch die von Margarethe Szeless und Marion Krammer aufgebaute „Datenbank österreichischer PressefotografInnen 1945-1955“.
[10] Vgl. im Nachlass von Friedrich Klinsky die Anweisungen mit detaillierten Angaben des Verlegers Fritz Molden an die Bildberichterstatter des Fotopools. Vgl. zu Barbara Pflaum: Wolfgang Kos (Hg.), Photo: Barbara Pflaum. Bildchronistin der Zweiten Republik, Wien 2006.
[11] Vgl. den Hinweis zur Ausstellung in: Kos (Hg.), Photo: Barbara Pflaum, S. 56.
[12] Vgl. die Schreiben im Nachlass von Friedrich Klinsky.
[13] Günther Allinger, in: Kurier, 1964.
[14] Vgl. Anekdoten aus dem Kurier, Georg Markus, in: Kurier 16.10.2019.
[15] Vgl. u.a. Express, Abendausgabe, 14.09.1966.
[16] So eine oftmals gebrauchte Formulierung aus seinem Mund.
[17] Bildagentur APA-PictureDesk, https://www.picturedesk.com/bild-disp/apa/de/home.html [22.02.2022]. Im Jahr 2022 finden sich unter dem Namen Fritz (Friedrich) Klinsky 71 Einträge.
Anmerkung der Redaktion im November 2023: Die Österreichische Nationalbibliothek hat über 180 Fotos von Fritz Klinsky archiviert, die online abrufbar sind.
Zitation
Alexander Klinsky, Friedrich Klinsky (1925-2002) Pressefotograf.Eine visuelle Spurensuche, in: Visual History, 21.03.2022, https://visual-history.de/2022/03/21/klinsky-friedrich-klinsky-1925-2002-pressefotograf/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2367
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Ein sehr interessantes, manchmal recht heiteres Zeitbild durch die Brille des Fotografensohnes gesehen und hervorragend belebt durch gründliche Recherche und gewählte Sprache. Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Klinsky,
für mich ist Ihre Seite von sensationellem Wert. Auf der Suche nach Informationen über Kurt Ponger kam ich auf Ihre Seite.
Das Foto:
Abb. 16: Die Ponger-Kinder und meine Mutter Franziska Klinsky, Wien 1953. Fotograf: Friedrich Klinsky ©, Quelle: Privatbesitz
zeigt die Ponger Kinder Lisl (Photographin) und die Zwillinge Robert + Peter Ponger beide erfolgreiche Musiker. Robert war Falcos Produzent und der Komponist der ersten Hits Falcos.
Peter Ponger ist erfolgreicher Jazzmusiker und Produzent.
Ich bin Franz Hausner, war Pressefotograf auch für die Volksstimme und kannte daher Kurt Ponger und natürlich auch Ihren Vater.
Die Photographen auf Ihrer Seite sind zeitgeschichtliche Dokument von besonderem Wert.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Hausner
Sehr geehrter Herrr Dr. Klinsky,
sie können sich nicht vorstellen, welche Freude ich hatte, diesen Bericht zu lesen. Meine Schwester und mein Bruder sowie auch ich sind im selben Haus große geworden, wo auch ihr Vater gewohnt hat. Es war immer eine Freude, wenn es ein zufälliges Wiedersehen gab. Ich habe auch von ihrem Vater die Geburtsanzeige seines Sohnes, nämlich ihre Geburt, lange in Erinnerung gehabt. Ich danke Ihnen für den ausführlichen Bericht. Leider sind meine Geschwister bereits verstorben, die sich sicher auch über ihre Recherchen gefreut hätten.
Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Fanninger