Ein privates Fotoalbum im öffentlichen Interesse

 

Was macht ein Foto privat oder öffentlich? Laut Fachliteratur ist dies abhängig vom Kontext: der Entstehung und Verwendung des Bildes. Entscheidend für die Bestimmung sind demnach der Fotograf, das Motiv, die Absicht des Fotografen sowie die Intentionen der abgebildeten Personen und nicht zuletzt der nachfolgende Gebrauch der Fotografie.

Porträt Hermann Lindenberger von „Martin Balg Hofphotograph“. Fotoalbum der
Familie Lindenberger, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Michael Lindenberger © Seite 36

Joseph, Helene und Etta beim Skifahren. Fotoalbum der Familie Lindenberger, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Michael Lindenberger © Seite 23

Portraits und Gruppenfotos im Fotoalbum stammen der Beschriftung nach von professionellen Fotografen. Die meisten Bilder scheinen jedoch von Hobbyfotografen geknipst worden zu sein. Bei diesen nicht beschrifteten Fotos kann nicht bestimmt werden, wer sie geschossen hat. Manchmal lässt sich der Fotograf vermuten: Beim Foto von Joseph und Helene sowie ihrer Tochter Etta beim Skifahren liegt der Schluss nahe, dass der Sohn Hermann das Foto gemacht hat.

Auf allen Fotografien im Album sind Personen abgebildet. Die meisten Abzüge zeigen entweder Joseph, Helene oder Personen, die mit ihnen in Beziehung stehen, wodurch sich die Familie als verbindendes Erzählelement entfaltet.

Joseph und Helene Lindenberger auf einem Kostümfest. Fotoalbum der Familie
Lindenberger, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Michael Lindenberger © Seite 11

Doch auch Urlaub, Wintersport, Festlichkeiten oder Autos sind wiederkehrende Motive beziehungsweise Themen im Fotoalbum. Die Intentionen der Fotografen sowie der Fotografierten und der ursprüngliche Verwendungszweck jedes einzelnen Bildes können nur vermutet werden. Demnach bleibt auch die Frage offen, ob sämtliche Aufnahmen ausschließlich zur privaten Dokumentation des Lebens der Familie Lindenberger gemacht wurden.

Die Fotografien und das später zusammengestellte Album befanden sich laut dem Stifter in Privatbesitz. Inzwischen gehören sie zum Bestand des Jüdischen Museums Berlin. In diesem Projekt bildet das Album den zentralen Forschungsgegenstand. Somit sind die einst privaten Fotografien nun Bestandteil eines öffentlichen Albums.

 

 

Dieser Artikel ist Teil des Themendossiers: „un.sichtbar. Blicke auf das Fotoalbum einer jüdischen Familie 1904-1969“, herausgegeben von Christine Bartlitz, Christoph Kreutzmüller und Theresia Ziehe

Themendossier: un.sichtbar: Blicke auf das Fotoalbum einer jüdischen Familie 1904-1969

 

 
 

 

Zitation


Daniel Neumeier, Ein privates Fotoalbum im öffentlichen Interesse, in: Visual History, 14.02.2024, https://visual-history.de/2024/02/14/unsichtbar-neumeier-ein-privates-fotoalbum-im-oeffentlichen-interesse/
DOI: https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2709
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