VH-Empfehlungen der Redakteurinnen aus dem Jahr 2023

 

Auch Ende des Jahres 2023 haben die Redakteurinnen von Visual History ihre Highlights unter den diesjährigen Beiträgen ausgewählt. Die Auswahl ist genauso bunt und abwechslungsreich, wie wir uns das kommende Jahr wünschen.

Annette Vowinckels Höhepunkt aus 2023 war unser Interview mit Sylvia Necker über Bild(un)fälle.

„‚Bildunfälle‘ passieren oft da, wo sich Menschen durch Bilder verletzt fühlen oder fühlen könnten, wo Bildaussagen in falschen Kontexten stehen oder Bilder ad nauseam reproduziert werden, die wir eigentlich nicht brauchen, zum Beispiel von Nazi-Größen. In ihren Statements gelingt es Sylvia Necker, diese Probleme auf anregende, manchmal auch sehr witzige Weise anzusprechen und Auswege aus (scheinbar) verfahrenen Situationen zu finden. Damit geht sie weit über das Beklagen von ‚Bildunfällen‘ hinaus. Der Text sollte zur Pflichtlektüre für angehende Kurator:innen werden.

Eine Plexiglasbox mit Broschüren u.Ä. auf einem Tisch

„Entsammlungsstation“ in der Ausstellung „Schwarz weiß. Preußen und Kolonialismus“ im LWL-Preußenmuseum Minden. Besucher:innen waren aufgerufen, Gegenstände mit rassistischer Bildsprache in die Ausstellung mitzubringen und dort zu „entsorgen“.
Fotografin: Louisa Kambartel, Minden, 5.9.2023, LWL/Kambartel ©

Unsere Redakteurin Sandra Starke hat sich für Alexander Kraus’ Beitrag zum Fotoalbum Lino Caringis begeistert.

„Gefreut habe ich mich über den Text von Alexander Kraus, der einen angemessenen Umgang mit dem Medium Fotoalbum sucht und findet. Das Album wird angelegt von dem 18-jährigen italienischen ‚Gastarbeiter‘ Lino Caringi, der 1962 im Volkswagenwerk einen neuen Lebensabschnitt beginnt und seine privaten Erinnerungen in einem Album mit eigenen Fotografien und humorvollen Kommentaren kuratiert. Kraus schafft es dabei ohne Mühe, die Fotos mit der Geschichte der ‚Gastarbeiter‘ in Wolfsburg zu kontextualisieren als auch die Bedeutung von Arbeit und Abenteuer für Caringi zu hinterfragen, ohne das Album in seine einzelnen Bilder zu zerlegen. Auch die Abbildungen im Text zeigen immer ganze Seiten als Sinneinheiten des Mediums Album, dessen Narrativ sich mehr als Prozess und nicht als Momentaufnahme darstellt.“

Seite eines Fotoalbums: Oben das Datum, 19.7.1962, darunter ein Wappen von Wolfsburg mit VW-Fabrik, Logo und Auto; darunter das Foto eines VWs auf einer Straße

Aufbruch in eine neue Welt; Titelseite aus Lino Caringis Wolfsburg-Album, 1962; Private Sammlung Lino Caringi ©

Für Josephine Kuban war ein Interview Visual History-Highlight des Jahres, nämlich jenes das Janaina Ferreira Dos Santos mit Meltem Kücükyilmaz geführt hat, Co-Kuratorin der Ausstellung „Wir sind von hier. Türkisch-deutsches Leben 1990.“

„Bis zum 10. April 2023 war die Ausstellung ‚Wir sind von hier. Türkisch-deutsches Leben 1990. Fotografien von Ergun Çağatay‘ im Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Berlin zu sehen. Das bekam ich – wie so oft mit den vielen tollen Ausstellungen in Berlin – erst im Sommer mit. Umso mehr freute ich mich, als ich auf visual-history.de das Interview mit der Co-Kuratorin Meltem Kücükyilmaz, geführt von Janaina Ferreira dos Santos, entdeckte. Es ermöglichte mir über die Fotografien des Istanbuler Fotografen Ergun Çağatay doch noch Einblicke in den Alltag türkischstämmiger Familien in Deutschland im Jahr 1990 und bot zusätzlich spannendes Hintergrundwissen zur Rezeption der in deutschen und türkischen Städten gezeigten Fotografien – ein mehr als gelungener Ausgleich zu einer von mir verpassten Ausstellung.“

Zwölf junge Männer vor einer Wand voller Graffiti, die auf die Wand zeigen und in die Kamera schauen.

Mitglieder der Jugendgang „36Boys“ in Berlin-Kreuzberg © Ergun Çağatay/Fotoarchiv Ruhr Museum/Stadtmuseum Berlin/Stiftung Historische Museen Hamburg

Christine Bartlitz war im vergangenen Jahr von drei Texten besonders angetan, die Reiner Hartmann verfasst hat.

„Ich möchte für das Jahr 2023 die Texte von Reiner Hartmann hervorheben, der auf Visual History gleich drei wichtige Aufsätze zur Geschichte des Bildjournalismus veröffentlicht hat. Zuallererst ist sein Text über die ‚Agentin und Gründerin: Maria Eisner‘ zu nennen, in dem er die Fotografin, Agentin und Mitbegründerin der berühmten Agentur Magnum vorstellt. Eisner (1909-1991) ist eine Schlüsselfigur in der Agentur(vor)geschichte, deren Verdienste um Assignments, Editionen und Bildrechte im frühen Bildermarkt sowie ihre Bedeutung als wichtige Mentorin bedeutender Fotograf:innen in dem Beitrag sichtbar werden. Mit einer biografischen Skizze nähert er sich in seinem zweiten Text Leben und Werk von Kurt Korff (1876-1941), Chefredakteur der ‚Berliner Illustrirten Zeitung‘ (BIZ) bis 1933 und Vertreter des ‚New Picture Thinking‘, der den modernen Fotojournalismus in Auftrag, Berufsbild, Sujets, Redaktion, Medium, Druck, Vertrieb, Publikum bis hin zur Archivierung neu definiert hat. In seinem dritten Beitrag schließlich zeichnet er die Geschichte der ‚Münchner Illustrierte Presse‘ (1923 bis 1933) nach: von Otto A. Hirth bis Stefan Lorant, die bis heute als Keimzelle des modernen Bildjournalismus gilt.“

Die Titelseite der Zeitschrift zeigt einen Zeppelin auf weißem Grund, von unten fotografiert.

Abb. 1: Titelseite: „Der erste Transatlantik der Lüfte!“,
Münchener Illustrierte Presse, Jg. 1, Nr. 41, 6. September 1924

Die Visual History-Redaktion wünscht allen Leser:innen ein frohes neues Jahr 2024!

Leipzig, Neujahrslauf, 1987. Foto: Friedrich Gahlbeck, Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1987-0101-013 / Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0

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