Archiv-August 2021

Historische Bände im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek (ehem. Hofbibliothek) in Wien, Foto: Matl, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die verbleibenden Wochen des Sommer-Monats August nutzt die Redaktion dazu, um einen Blick zurückzuwerfen und Beiträge auf unserer Website neu zu entdecken, die schon etwas älter sind, aber nichts an Aktualität eingebüßt haben. Wir haben uns ins Archiv begeben, um zu schauen, was in den vergangenen Jahren an interessanten Texten erschienen ist. Da wir nicht alles vorstellen können, musste zwangsläufig eine Auswahl erfolgen. Leitend war dabei die Frage: Was sagt uns der Text heute noch?

Mit Aleida Assmann könnte man sagen, dass in den kommenden Wochen die bislang in den digitalen Regalreihen versteckten „Klassiker“ vom „Archivgedächtnis“ zurück ins „Funktionsgedächtnis“ unseres Portals geholt werden.

Für die Sommerlektüre wollen wir einen kleinen „Kanon“ an älteren Artikeln, Interviews und Ausstellungsrezensionen vorstellen. Insgesamt werden zehn Beiträge wiederveröffentlicht.

(1) Zu Beginn unseres Rückblicks ergreift uns das „Archiv-Fieber“. Annette Schuhmanns Beitrag aus dem Juni 2015 wirft einen Blick auf die Ausstellung „Kunst, Freiheit, Lebensfreude“ des Fotografen Emanuel Mathias, der die in einem unerschlossenen Archiv erschlossenen Brigadetagebücher aus dem VEB Leipziger Baumwollspinnerei der 1960er bis 1980er Jahre vorstellte. Der Blick des Künstlers und Fotografen bringt eine neue Ordnung in ein eigentlich chaotisches Material.

Gezi-Park-Proteste Juni 2013

Gezi-Park-Proteste, Istanbul, 6. Juni 2013, Foto: Zsombor Lacza, Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

(2) Der zweite Beitrag in unserer Retrospektive blickt auf die Gezi-Park-Proteste in Istanbul 2013. Stefan Zeppenfeld betrachtet in „Kırmızılı Kadın / The Woman in Red“ eine fotografische Bildikone des Protestgeschehens und beleuchtet die Hintergründe, Rezeption und politische Bedeutung des Bildes von Ceyda Sungur – der Frau im Roten Kleid, die von der Polizei mit Reizgas angegriffen wurde.

(3) Auch die theoretischen Grundlagen der Visual History möchten wir im Rückblick beleuchten. Für eine umfassende Neulektüre wird daher Gerhard Pauls 2015/16 erschienener dreiteiliger Beitrag „Von Feuerbach bis Bredekamp“ erneut veröffentlicht. Paul beleuchtet im ersten Teil seines chronologisch angelegten Durchgangs zur „Geschichte zeitgenössischer Bilddiskurse“ das 19. und beginnende 20. Jahrhundert, im zweiten Teil die Zeit des „Dritten Reichs“ und der „alten“ Bundesrepublik bis in die 1980er Jahre sowie im letzten Teil das wiedervereinigte Deutschland.

(4) Miriam Zlobinski führt im vierten Beitrag unseres Rückblicks ein interessantes Interview mit dem bekannten Pressefotografen und Fotoreporter Thomas Höpker (*1936). Das Gespräch aus dem Juni 2016 beleuchtet das Lebenswerk und den Lebensweg Höpkers, die Bezüge zur Fotografiegeschichte und zu seinen zentralen Bildern, etwa von Muhammad Ali oder den qualmenden Twin Towers.

(5) Das Ende der DDR liegt mittlerweile über dreißig Jahre zurück – doch ihre Geschichte wirkt bis heute nach. Martin Sabrow thematisiert in unserem fünften Archiv-Fund aus dem März 2017 das Herrscherbild Erich Honeckers als visuellen Ausdruck einer alterslosen Macht, die sich auf Einheitspartei und Bürokratie stützte. Honeckers Porträt wird als Beispiel einer „Biografischen Bildpolitik“ betrachtet.

 

Das Denkmal auf dem Capitol Square in Raleigh, Fotograf: Kenneth C. Zirkel , Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0

(6) Auch die Geschichte des Amerikanischen Bürgerkriegs, der Südstaaten und der über Jahrhunderte praktizierten Versklavung Schwarzer Menschen und die sich bis aktuell fortsetzende Diskriminierung prägt die Gegenwart bis heute. Im letzten Jahr gerieten im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung auch die noch immer in vielen amerikanischen Städten an zentraler Stelle aufgestellten Denkmäler von Soldaten und Generälen der Konföderierten in den Fokus des Protests. Nils Theinert erläutert in seinem Beitrag aus dem Mai 2017 am Beispiel North Carolinas die historischen Hintergründe und revisionistischen und rassistischen politischen Motive der Errichtung dieser „Denkmäler für eine verlorene Sache“ in den Südstaaten in den Jahrzehnten nach dem Ende des Bürgerkriegs.

(7) Der siebte Beitrag von Hinnerk Onken aus dem Dezember 2015 setzt sich mit der Vermittlung von Wissen durch Fotos und Bildpostkarten von „Indigene[n] und Eisenbahnen, Ruinen und Metropolen“ auseinander, die das Bild vieler Europäer*innen von Südamerika vom Ende des 19. bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts prägten. Am Beispiel deutscher Bilder von 1880 bis 1930 ermittelt Onken verschiedene koloniale „Blicke“ der Bildquellen auf den südlichen Teil des amerikanischen Doppelkontinents: wissenschaftlich, sehnsüchtig und historisierend.

Titel und Frontispiz von Otto Nordenskjöld, Südamerika: Ein Zukunftsland der Menschheit. Natur / Mensch / Wirtschaft, Stuttgart 1927, Foto: George Miller Dyott, als Frontispiz bereits erschienen in George Miller Dyott, Silent Highways of the Jungle: Being the Record of an Adventurous Journey Across Peru to the Amazon, London 1922, gemeinfrei

(8) Im Wahlkampfjahr 2021 wird um die Nachfolge Angela Merkels gerungen. Ein zentrales Ereignis ihrer Kanzlerschaft und der jüngeren deutschen Zeitgeschichte war die sogenannte Flüchtlingskrise des Jahres 2015, deren Bildgeschichte Jörg Probst in seinem lesenswerten Beitrag „Aufnahmezustand“ aus dem Oktober 2017 in Verbindung mit dem Ansatz der „Historischen Psychologie“ des Kulturhistorikers Aby Warburg (1866-1929) betrachtet. Die Bilder des (medialen) Ereignisses prägen das Erinnern und den politischen Diskurs bis heute.

 

ISAF-Soldaten des deutschen Logistikbataillon 172 führen am 27. Februar 2009 außerhalb von Camp Marmal eine Übung für eine Bergungsgruppe durch, Foto: John Scott Rafoss, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 2.0

(9) Ebenfalls sehr aktuell ist der Beitrag von Melina Scheuermann aus dem Juli 2018. Im Jahr des endgültigen Abzugs der amerikanischen Soldat*innen und ihrer zahlreichen westlichen Verbündeten aus Afghanistan und dem Vormarsch der radikalen Taliban-Milizen auf die Provinzhauptstädte liest sich Scheuermanns Beitrag zu Privatfotografien deutscher Bundeswehrsoldat*innen aus dem ISAF-Einsatz am Hindukusch mit einem neuen, historisierenden Blick. Die Alltagserfahrungen und Bilder geben einen Einblick in einen mittlerweile historischen „anderen Alltag“ der Soldat*innen.

 

 

 

(10) Den zehnten und letzten Beitrag unserer Rückblicks-Reihe stellt das wichtige Interview von Philipp Molderings mit dem auch für die Visual History mit seiner Bildakttheorie impulsgebenden Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp dar. „Geschichtswissenschaft und das Bild als historische Kraft“ sind das Thema des Gesprächs. Bredekamp formuliert einen methodischen Ansatz, der die Bilder an sich in den Blick und die „Eigendimension der Objekte“ ernst nimmt. Damit haben wir im (Bilder-)Archiv begonnen und sind nun auch theoretisch wieder bei den Bildern angelangt.

 

Viel Spaß bei der Lektüre!

 


Hinweis: Der Archiv-Rückblick wird in den ersten beiden Septemberwochen mit zwei weiteren Beiträgen fortgesetzt!

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